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Wohl Sommer 1509
Der beispiellose Zornesausbruch hat seine Ursache offensichtlich in Klagen, die der Vater Lodovico über Giovansimone bei seinem älteren und schon berühmten Sohne geführt hatte.
Täuscht nicht alles, so hatte Giovansimone eine dem Vater geliehene Geldsumme wieder gekündigt, da in einem weiteren Briefe Michelangniolo dem Vater den Rat gibt, das zurückgeforderte Geld durch Vermieten und Verpachten von Immobilien aufzubringen, und (wortwörtlich so), ›den elenden Lumpen Giovansimone mit seinem A... in der Hand stehn zu lassen‹.
Das Gewitter, das am gleichen Tage über Giovansimone sich entlud, entsprach dem Zorn über die dem Vater angedrohten Repressalien, und es donnerte um so heftiger, als Giovansimone offenbar selbst von dem bereits im päpstlichen Dienst stehenden Bruder ein Darlehn empfangen hatte. Der Brief, wie auch die weiteren hier wiedergegebenen beweisen, wie selbstbewußt der damals erst vierunddreißigjährige Michelangniolo sich als Familienoberhaupt fühlte.
Giovansimone,
man sagt, wer dem Guten Gutes erweist, läßt ihn dadurch noch besser werden, der Schlechte aber werde dadurch nur noch schlimmer. Seit mehreren Jahren habe ich Dich mit guten Worten und guter Tat dahin zu bringen gesucht, daß Du ordentlich und in Frieden lebst mit Deinem Vater – Du aber wirst nur immer schlimmer.
Ich sage nicht gerade, daß Du ein Lump bist, doch bist Du so, daß Du weder mir noch anderen gefällst ... Ich jedenfalls, um es kurz zu machen, kann Dir klipp und klar sagen, daß Du selbst auf der Welt rein gar nichts Dein Eigen nennst. Den Unterhalt und die Rückkehr nach Hause bezahle ich Dir und habs Dir bis heute um Gotteslohn bezahlt in dem Glauben, Du wärest mein Bruder wie die anderen. Nun aber bin ich sicher, daß Du mein Bruder nicht bist – wärst Dus, Du würdest unseren Vater nicht bedrohen! Du bist ein Hund, und wie mit einem Hund werde ich mit Dir umspringen. Wisse: wer da sieht, wie sein Vater bedroht oder geschlagen wird, ist verpflichtet, sein Leben für ihn einzusetzen, und damit genug. –
Ich sage Dir nochmals: nichts besitzest Du auf der Welt, und sowie ich auch nur das Geringste über Dich zu hören bekomme, werde ich mit Extrapost dort erscheinen und Dich lehren, in die Häuser, die Du nicht erworben hast, einen Feuerbrand zu schleudern. Du bist nicht das, was Du glaubst! Erscheine ich aber dort, so werde ich Dir etwas zeigen, daß Du bittere Tränen darum weinst und erkennen sollst, worauf Du Deine Anmaßung gründetest.
Folgendes noch will ich Dir sagen: wenn Du Dir vornimmst, Gutes zu tun und Deinem Vater Ehrfurcht zu bezeugen, dann will ich Dir helfen wie den Anderen und werde Dir demnächst ein gutes Geschäft einrichten.
Wo aber nicht, so werde ich herüberkommen und Deine Angelegenheiten so ordnen, daß Dir über Dich und Deinen Besitz die Augen aufgehn.
Genug also! Reichen meine Worte nicht aus, so werde ich mit Taten nachhelfen.
Michelangniolo in Rom.
*
An den Neffen Lionardo in Rom
Dem Neffen, der ein harmloser, etwas schwerfälliger Mensch gewesen zu sein scheint, dürfte Michelangniolo mit dem Vorwurf der Erbschleicherei unrecht getan haben. Der Brief entspricht der gereizten Stimmung des damals Kränkelnden.
Rom, Juli 1544.
Lionardo,
Ich bin krank gewesen, Du aber bist hierher nur gekommen, um mir den Tod zu geben und zu sehn, was ich hinterlasse ...
Du kannst nicht leugnen, wie sehr Du Deinem Vater ähnelst, der in Florenz mich aus meinem eigenen Hause vertrieb. Wisse also: ich habe mein Testament so abgefaßt, daß Du an meinen hiesigen Besitz in Rom gar nicht zu denken haben wirst.
Scher Dich also fort und komm' mir nicht vor die Augen und schreibe mir nie wieder.
Michelangniolo.
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An den nämlichen Neffen in Florenz
Lionardo!
Schreibe mir nicht mehr, das Fieber bekomme ich jedesmal, wenn ich einen Brief von Dir empfange, so sehr ärgere ich mich beim Lesen.
Wo Du eigentlich schreiben gelernt hast, weiß ich nicht. Hättest Du es aber gelernt bei dem größten Esel der Welt, Du schriebest mit mehr Sorgfalt. Halse Du mir also nicht noch mehr Ärger auf zu all dem, den ich sonst schon habe. Ich habe soviel davon, daß es mir nachgerade genug ist ...
*
An den nämlichen Neffen.
Rom, März 1548.
Deinen letzten Brief, den ich weder verstand noch auch nur lesen konnte, warf ich ins Feuer und kann Dir drum nicht antworten.
Mehrmals schon schrieb ich Dir, daß ich das Fieber bekomme, sowie nur ein Brief von Dir einläuft. Daher sage ich Dir, daß Du fortan mir nicht mehr zu schreiben hast. Willst Du mir aber durchaus etwas mitteilen, so besorge Dir gefälligst einen, der das Schreiben versteht, ich habe andere Dinge im Kopf, als Deinetwegen mich zu ärgern. Weiter hab ich Dir nichts zu sagen. Empfiehl mich Herrn Giovanno Francesco.
Michelangniolo Buonarotti in Rom.