Friedrich von Raumer
Geschichte der Hohenstaufen und ihrer Zeit, Band 2
Friedrich von Raumer

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Viertes Hauptstück.

Schon alle die erzählten Begebenheiten waren hinreichend, große Besorgnisse für die Zukunft der morgenländischen Christenstaaten zu erwecken: aber sie wurden für den, welcher zugleich die Gestaltung mancher allgemeinen Verhältnisse ins Auge faßte, leider noch sehr erhöht. Viele Lehnsmannen vergaßen, daß allein in der Erhaltung des Ganzen eine Bürgschaft für ihr beschränktes Daseyn lag; und die Zweifel über das Anrecht auf den Thron und die Verwaltung, waren ihnen ganz willkommen, weil sie dadurch einen Vorwand bekamen ihre Lehnsverpflichtungen zu umgehen, oder sich für bestimmtes Parteinehmen Vortheile auszubedingen. Nicht minder hielten sich die großen RitterordenRymer foed. Aug. I, 1, 18. Man vergleiche, was wir schon S. 336, 337 zum Jahre 1162 über die Ritterorden erzählen mußten., auf den Grund päpstlicher Aussprüche, für befreit von jeder Lehnsabhängigkeit, und geriethen mit dem Patriarchen und der Geistlichkeit in neuen Zwist über ihre gegenseitigen Ansprüche und Vorrechte; ja Eifersucht und Neid trieb sogar Templer und Johanniter gegen einander, und wenn den Rittern auch noch nicht das Verdienst der 378 Tapferkeit abgesprochen werden konnte, so fand man doch unter ihnen nur selten Zucht, Milde und Uneigennützigkeit. Die Fürsten und Bischöfe waren nicht im Stande diesen mächtigen Körperschaften zu gebieten, und selbst ihre Abhängigkeit vom Papste blieb gering, da dieser bei dem Aufnehmen und Ausstoßen von Rittern und bei der Wahl des Großmeisters nicht einwirkte. Fast überall hatten sie sich von Steuern und Abgaben zu befreien gewußtUrkunde des Herzogs von Lothringen von 1160. Miraei op. diplom. III, 51 und Urkunde Friedrichs I von 1180 ibid. 60. In dieser, wenn sie anders ganz ächt ist, giebt der Kaiser den Johannitern libtertatem ab omnibus angariis et exactionibus et ab omni onere picuniariae tributionis. Niemand soll sie in ius vocare, aut ad expeditionem cogere, aut ad opera servilia compellere, aut in pontium sive marium aut portarum transitu pedagium accipere, aut in foris telonium capere etc., zeugten vor keinem weltlichen Gericht, es sey denn in eigenen Angelegenheiten, und nahmen zuletzt nur von ihren eigenen Behörden Recht. Die unbedingte Allgemeinheit der kirchlichen Einrichtungen erschien durchbrochen, indem jene, unbekümmert um Bann und Interdikt, Messe lasen, Gebannte zum Abendmahle ließen und in geweihter Erde begruben, gleich Bischöfen von Sünden lossprachen, in ihren Gebäuden Verbrechern Schutz ertheilten, keine Kirchenzehnten entrichteten, Geistliche eigenmächtig ein- und absetzten und, mit einem Worte, weder die Rechte des Pfarrers noch des Bischofes anerkannten. Über diese und ähnliche Dinge wurden auf der lateranischen Kirchenversammlung im Jahre 1179 wider die Orden große Beschwerden erhoben; wogegen diese, sich vertheidigend, behaupteten: wer Güter und Leben für die Christenheit aufopfere, verdiene solche Begünstigungen; und fragtenMünters Statuten cap. 4 und 9.  Hist. des Templiers I, 128.  Rymer I, 1, 10.  Concil. XIII, 422, No. 9.: warum man sie wegen der Steuer- und Zehnt-Freiheit beneide und beunruhige, während man dem müßigen, nichtsthuenden Adel 379 ähnliche Vorrechte gestatte? Demungeachtet setzte Papst Alexander III zur Aufrechthaltung der Kirchenzucht fest: »die Ritter sollen keinen Umgang mit Gebannten haben und wegen Bannes geschlossene Kirchen jährlich nur einmal eröffnen; sie sollen die Geistlichen für alle nicht von ihnen gegründete, sondern erworbene Kirchen dem Bischofe zur Bestätigung vorstellen, und künftig keine Zehnten oder Kirchen ohne dessen Bestätigung aus Laienhänden empfangen. Niemand darf sich, um den Kirchenstrafen zu entgehen oder um anderer äußerer Gründe willen, als Schützling an die Ritter anschließen, und wird nur dann von der Gerichtsbarkeit der geistlichen Obern befreit, wenn er sich und sein Eigenthum ganz und unbedingt dem Orden übergiebt.« – Ferner legte Alexander III damals alle Fehden zwischen den Tempelherren und Johannitern beiLünig Reichsarchiv Spic. eccles. von Johannitern. Urk. 2.  Vertot I, 177. und befahl, obgleich ohne vielen Erfolg, daß künftig kein Streit durch Gewalt entschieden werde, sondern durch freundschaftlich gewählte Obmänner und in der höchsten Stelle durch den Papst.

Wenn nun diese großen, sonst so würdigen Orden sich von Fehlern nicht frei hielten, wie viel weniger die kleinern Genossenschaften und die einzelnen! In den unzähligen Klöstern war der religiöse Sinn, welcher beim Anfange der Kreuzzüge den Muth erhöhte, keineswegs mit tieferer Einsicht und nützlicher Thätigkeit verbunden worden, sondern fratzenhaft übertrieben oder erschlafft. Zu dem vermehrten Besitze hatte sich überall Geiz oder Verschwendung eingefunden und beide führten, um neuer Erwerbungen willen, zu Unthaten. Die Helden des ersten Kreuzzuges schlugen größere Heere, jetzt wurden die Christen nur zu oft von geringern besiegt, und die rauhen Sitten des Abendlandes erlagen, bevor eine Veredlung stattfand, der verweichlichenden Gewalt Asiens. Lust am Genusse trat an die Stelle edler 380 Freude über vollbrachte Thaten, und es giebt kein einziges LasterFacinorosi, luxuriosi, mimi, histriones etc. terram obscoenis moribus et actibus inquinabant.  Guil. Neubr. II, 15.  cf. Bernard. Thesaur. 779.  Math. Paris 98.  Vitriac. hist. hieros. 1074, 1087, 1097.  Historia hieros. 1150.  Guil. Tyr. 583., dessen die morgenländischen Christen nicht von ihren eigenen Geschichtschreibern um diese Zeit beschuldigt werden: Raub, Spiel, Trunkenheit, Unzucht aller Art, Gotteslästerung, bürgerlicher Krieg; – und in allem gingen die Geistlichen voran!Die Christen gaben ihre Weiber und Verwandten preis, um Geld zum Fressen, Saufen, schönen Kleidern u. s. w. zu bekommen.  Heisterbach 518.  Dixit enim Patriarcha et verum fuit, quod suo tempore inventa sunt et descripta elocati corporis sedecim millia meretricum in sola civitate Aconensi, praeter alias, et occultas, et similes in matrimonio constitutas, quarum statum solus novit Deus.Desc. terrae sanctae mscr. in Bern.  Et clerus et populus in varios luxus effluxerat, totaque terra illa flagitiis et facinoribus sordescebat. Sed et qui religionibus habitum praetendebant, moderantiae fines turpiter excesserant regularis. Raro enim in monasterio, rariorque in saeculo, quem non morbus luxuriae vel avaritiae infecisset.  Vitae Pontific. roman. 477.  Guil Nang. zu 1187.  Unde regiones caeterae susceperant religionis exordium, inde totius immunditiae sumebant exemplum.  Vinisauf c. 1.  Unglück zur Strafe der Unkeuschheit und Fresserei. Die ganze Welt stank von ihren Sünden.  Freiburg. Chron. 19. Mit Kirchenbann und Kirchenstrafen trieben sie Spott oder eigennützigen Handel; nicht das Amt, sondern die Pfründe war der Gegenstand ihrer Bestrebungen. Krankenbesuche übernahmen sie nicht aus christlichen Gesinnungen, sondern um Vermächtnisse zu erpressen. Die Mönche drängten sich, ungebührlich ihre Zellen verlassend, zu einträglichen geistlichen Verrichtungen; ja sie scheuten sich nicht mit öffentlichen Huren öffentliche Badehäuser zu besuchen. Das schlechteste Beispiel gab der Patriarch HerakliusWilh. Tyr. 1019.  Iperius 670.  Sarti I, 1, 291., welcher 1180 dem fast einfältigen Amalrich gefolgt war. Er lebte im Ehebruche mit der 381 Frau eines Kaufmanns Riweri, welche den größten Aufwand machte und spottweise die Patriarchinn genannt ward. In einer großen Versammlung der Barone trat jemand zu ihm und sprach: »Heraklius, ich hoffe auf schönen Lohn für die Botschaft, daß dein Kebsweib eine Tochter geboren hat.« Und diese Unzucht des geistlichen Oberhauptes in Jerusalem, war noch nicht einmal dessen höchste Anklage, da ihn einige Schriftsteller, obgleich ohne Grund, beschuldigenWilh. Tyr. 605.: er habe Wilhelm von Tyrus, der seiner Erhebung in Rom widersprach, durch Gift aus dem Wege räumen lassen.

Gern sah es das verderbte Geschlecht morgenländischer Christen, wenn europäische Pilger den Kampf gegen die Türken übernahmen: aber sobald man jenen durch gröbere oder feinere Künste ihr Geld abgenommen hatte, so wurden sie von den Undankbaren verlacht und verspottet. Auf der anderen Seite begannen aber auch die Neuangekommenen oft, leichtsinnig und gegen alle Verträge, Händel mit den Türken, und kehrten dann ohne sie auszufechten nach baldiger Abkühlung des Eifers in ihre Heimath zurück. Und diejenigen welche in Palästina blieben, waren in der Regel am wenigsten geeignet Nutzen zu stiften: weil der Auswurf des Abendlandes sich nach den fernen Gegenden drängte, um dort ungestört allen Lastern nachzuhängen, und weil die Kirche Verbrechern die Pilgerung als Buße und Strafe auflegteSchon im Jahre 1138 legte die lateranische Kirchenversammlung Brandstiftern die Pilgerung nach Jerusalem als Buße auf.  Concil. XII, 1504, No. 18.  Innoc. III. epist. VI, 51.  Quando aliquis in Hispania, Gallia, Germania, Italia aut aliis christianis nationibus malefactor deprehensus fuerit, utpote homicida, latro, fur, incestuosus, adulter, fornicator, proditor, et timet propterea condignam a judice sibi irrogari poenam, fugit et transfretat in terram sanctam, quasi hoc contractum aboliturus malum, et quum illuc venerit, non animum sed locum mutavit.  Brocardus in descript. terrae sanctae von einer etwas späteren Zeit.  Vix aliquos vidi, immo nunquam, qui redierint meliores, vel de transmarinis partibus, vel de sanctorum liminibus.  Albert. Stad. 188.. Der Himmelsstrich und die 382 Umgebungen wirkten aber keineswegs zur Besserung, sondern reizten zu neuen Sünden.

{1185} Zu dieser Unzahl von Übeln kamen die schon erwähnten leidigen Verhältnisse in der königlichen Familie. Balduin IV hatte vor seinem Tode befohlen, daß die Templer und Johanniter alle festen Plätze besetzen, der Graf von Tripolis die Regentschaft übernehmen und Berytus zur Bestreitung der nöthigen Ausgaben erhalten, Graf Joscelin aber Balduin V erziehen solle. Im Fall dieser jedoch unmündig und ohne Nachkommen stürbe, möchten der Papst, der Kaiser und die Könige von Frankreich und England einen Nachfolger ernennen; bis zu deren Entscheidung verbleibe dem Grafen von Tripolis die Regierung. Dieses Trennen der Besitzungen und der Anrechte bezweckte eine wechselseitige Bezähmung der Ehrgeizigen; doch erhielt Graf Raimund für diesen Augenblick ein Übergewicht, weil er schon bei dem Leben Balduins IV auf die Krönung Balduins V gedrungen hatte, jetzt durch angestrengte erfolgreiche BemühungenAls Raimund sah, daß das Getreide nicht wuchs: si ut paor de chier tans, sagt Guil. Tyr. 588. einer Hungersnoth vorbeugte und mit Saladin einen Frieden abschloß. Diese Ruhe und die Aussicht auf einen festern Bestand der Verwaltung, dauerte indeß nicht lange: denn Balduin V starb bereits im ersten Jahre nach seines Oheims TodeVitriac. hist. hier. 1117.  Arnold. Lubec. III, 23.  Math. Paris 97.  Bernard. Thes. 781.  Roger Hoveden 515.  Pagi zu 1185. c. 17.  Man beschuldigte bald Raimunden von Tripolis, bald Sibyllen, daß sie Balduin V vergiftet hätten; beides ist ganz unbewiesen.  Guil. Neubrig. III, 16. Über die Unsicherheit der Zeitrechnung Wilken III, 2, 249., und mit diesem Ereigniß änderten sich die Wünsche und Hoffnungen aller Parteien.

383 {1185} Raimund von Tripolis blieb in diesem Augenblicke, nach Joscelins arglistigem Rathe, ruhig in Tiberias und überließ den Tempelherren die feierliche Beerdigung des KönigsDie Histoire des Templiers I, 142 erzählt nach Benvenuto de S. Georgio historia Montisferrati: Raimund und die Barone waren nicht in Jerusalem erschienen, weil sie versprochen Sibyllen oder Isabellen als Königinn anzuerkennen, wenn Balduin binnen zehn Jahren stürbe. Aber diese Nachricht ist unwahrscheinlich.: aber dies Zögern, welches wahrscheinlich jeden Verdacht gewaltthätiger Einmischung beseitigen sollte, {1186} brachte dem Grafen großen Nachtheil. Rasch setzte sich nämlich Guido mit Joscelins Hülfe in den Besitz von Akkon und Berytus, eilte dann nebst seiner Gemahlinn nach Jerusalem und beide gewannen den Patriarchen für ihre gemeinsamen Plane. Viele von den Großen wollten jedoch nur dann für Sibyllens Erhebung und Krönung wirken, wenn sie ihren zur Regierung untauglichen Gemahl verstieße. Nach langem Weigern willigte sie endlich ein, unter der ausdrücklichen Bedingung, daß man ihr eine neue und durchaus freie Wahl verstatte. Kaum aber war diese feierlich und eidlich zugestanden, als sie ausrief: »was Gott verbunden hat, sollen Menschen nicht trennen; Guido sey mein Gemahl und mein König, ich weiß keinen würdigeren für meine Hand und das ReichÜber Abweichungen in der Erzählung siehe Wilken III, 2, 253.!« Eine so täuschende, unerwartete Wendung erzeugte unter ihren Gegnern Bestürzung und Schweigen, unter ihren Freunden neuen Eifer. Der Großmeister der Tempelherren Gerhard von Belfort war längst der Königinn gewogen: theils aus persönlichem Hasse gegen den Grafen von TripolisBernard. Thesaur. 792.  Roger Hoveden. 634., der ihm früher eine vortheilhafte Heirath vereitelt und ihn gezwungen hatte Templer zu werden; theils aus Ordenshaß gegen die Johanniter. Deren Großmeister mußte, obgleich 384 {1186} ungern, die Kronen aus dem Kirchenschatze herausgeben, und der Patriarch krönte und salbte Guido und Sibyllen am 21sten Julius 1186.

Sobald Kundschafter Bericht vom Geschehenen nach Neapolis brachten, wohin Graf Raimund mit Balduin von Ramla und seinen Anhängern gezogen war, so rief Gottfried, Guidos eigener Bruder ausBern. Thes. 783.  Guil. Tyr. 595.  Dandolo 310.: »wahrlich, wenn er unser König geworden ist, so kann er einst auch wohl unser Herrgott werden!« und Balduin von Namla sprach: »Guido ist ein Narr und ein Possenreißer; er wird zur gemeinsamen Schande aller das Reich verlieren, wie er es erworben hat, und wir werden untergehn durch seine Thorheit, sofern wir Palästina nicht schleunig verlassen.« Graf Raimund blieb am gefaßtesten. Er beruhigte Balduin durch die Erinnerung an seine Pflicht zum Kampfe für die Christenheit und antwortete den Boten Guidos, welche den Huldigungseid verlangten: »die Verwaltung des Reiches sey ihm, unabhängig von dem Leben oder Tode des jüngeren Balduin, übertragen worden; er werde mithin nur der Entscheidung der abendländischen Fürsten weichen, oder, sofern diese nicht erfolge, dem gemeinsamen Beschlusse aller Großen des jerusalemischen Reiches. Die einseitige Erhebung eines Unberechtigten könne seine Rechte und Pflichten weder mehren noch mindern.« Es erfolgte aber keine Ernennung eines Nachfolgers aus dem Abendlande, und insbesondere antwortete der König von England nach dem Rathe der Barone: »sein Sohn solle nicht das Ungewisse und Gefährliche übernehmen, sondern dereinst das eigene Reich gottseelig regieren.« In dieser Lage beschloß Raimund mit seinen Anhängern, daß Humfried der gleichfalls unfähige aber leicht zu lenkende Gemahl Isabellens den Thron besteigen solle; allein dieser eilte, seine Schwäche fühlend, zur Königinn und erhielt auf kindisch demüthiges Flehen stolze Verzeihung. Seitdem unterwarfen sich, 385 {1186} beim Mangel eines andern tüchtigen Kronbewerbers, die meisten Barone allmählich dem Könige, nur Balduin von Ramla sagte ihm: »ich leiste euch den Lehnseid wie einer der kein Lehn hat noch haben will; meinem Sohne überlasse ich die Besitzungen und gehe nach Antiochien.«

Noch weniger gab Raimund von Tripolis vermittelnden Vorschlägen Gehör; dem Beistande Saladins vertrauend, welcher nach glücklicher Beendigung mancher Fehden in den östlichen Theilen seines ReichesAbulfeda zu 1135.  Bohadin 62.  Deguignes XIII, 1, 555., ohnehin wieder auf Syrien und Palästina freundlich oder feindlich einzuwirken geneigt war. Gern versprach dieser dem Grafen Soldaten und Geld zur Unterstützung seiner Ansprüche, und verlangte dafür nur im Falle des Bedürfnisses den freien Durchzug durch dessen Gebiet. Ungeachtet dieses Bündnisses ergriff aber Raimund keine gewaltsamen Maaßregeln: denn die Vorwürfe seiner Glaubensgenossen gingen ihm zu Herzen und er fühlte, daß eben so leicht alles zu verlieren als alles zu gewinnen sey. Überdies hatte Guido den Waffenstillstand mit Saladin verlängertRoger Hoveden 634. und die Kriegslust neu angekommener Pilger gezügelt. Dennoch trat nur zu bald verderblicher Krieg an die Stelle dieser unsicheren Ruhe.

Mit großen Schätzen und ansehnlicher Begleitung reisete nämlich Saladins Mutter, dem Waffenstillstande vertrauend, durch die Länder der Christen von Ägypten nach Damaskus. Da überfiel sie Rainald von Chatillon (ob er gleich selbst bei Saladin Frieden gesucht und beschworen hatte) jenseit des Jordans, raubte ihre Schätze und tödtete ihre Begleiter; selbst die Fürstinn entkam nur mit MüheAbulfeda.  Math. Paris 101.  Ibn Alatsyr 454.. Auf gleiche Weise behandelte er mehre andere Karavanen, welche nach Mekka zogen, und ließ die Gefangenen in hartem Gefängnisse schmachten. Auf gerechte Klagen gab 386 {1186} er spottend zur Antwort: »Muhamed möge ihnen helfen.« Vergeblich forderte Saladin Güter und Menschen zurück: denn Rainald, stets in dürftigen Umständen, mochte wohl das meiste schon veräußert haben. Der Sultan verlangte hierauf: »daß König Guido durch christliche Fürsten und Rechtsgelehrte nach christlichen Gesetzen über die Frevel erkennen lasseBohadin. 26.  Friderici exped. asiatica 500.;« – man würdigte diesen Antrag keiner Antwort. Ohne des Ersatzes der Güter weiter zu erwähnen, bat Saladin jetzo nur um die Befreiung der Gefangenen; aber auch diese Nachgiebigkeit hatte keine Wirkung! – {1187} Da forderte der, über diesen unbegreiflichen Hochmuth mit Recht zürnende, Sultan vom Grafen von Tripolis den Durchzug für ein Heer zur Bestrafung der wortbrüchigen Christen und Raimund, welcher seinen Verbündeten nicht durch eine bestimmte Weigerung erbittern durfte, war sehr erfreut, als er das Versprechen ausgewirkt hatte: die Mannschaft solle nur einen Tag diesseit des Jordans verweilen und niemand in den Städten und Dörfern beleidigen.

Heimlich ausgeschickte Boten benachrichtigten die Christen sogleich von der, auf so kurze Zeit bevorstehenden Gefahr und von dem Mittel ihr zu entgehen: deshalb fanden die Türken nirgends erhebliche Beute. Als Thierry der Großmeister der Templer, welcher sich um dieselbe Zeit zu dem Grafen von Tripolis begab, um ihn für Guido zu gewinnen, von diesen Umständen Nachricht erhielt, setzte er aller Warnungen ungeachtet, den bereits abziehenden Feinden nach. Am ersten Mai 1187 erhob sich zwischen ihnen ein heftiger Kampf. Siebenzig Templer, zehn Johanniter und wenige Söldner, konnten indeß die Überzahl der Türken nicht bezwingen: die meisten Christen kamen ums Leben, Roger von Mühlen der Großmeister der Johanniter ward gefangen, kaum entging Thierry einem ähnlichen Schicksale, und nur der Templer Jaquelin von MaillyCoggeshale 540.  Guil. Tyr. 597.  Vinisauf c. 2.  Sanutus 191.  Bern. Thsaur. 786.  Histor. hieros. 1151.  Histoire des Templiers I, 146.  Michaud II, 275.  Guil. Neubr. III, 16. erzählt: viele Edle hätten Guido an Saladin ausliefern wollen und sich freie Gewalt über Jerusalem versprechen lassen; aber dies ist unwahrscheinlich. 387 {1187} erwarb sich den größten Ruhm, indem er, während alles um ihn floh, allein auf seinem weißen Rosse mit wunderbarer Kraft und unbezwinglichem Muthe kämpfte. Ehrfurchtsvoll wollten ihn die Türken schonen, aber der Märtyrertod erschien ihm herrlicher als ein geschenktes Leben.

Als die Sieger bei Tiberias vorüberzogen, die Gefangenen hart gefesselt hielten und die Häupter der Erschlagenen vor den Augen Raimunds auf Stangen einhertrugen, wurde dessen schon früher wankendes Gemüth gewaltsam bewegt: er konnte sich von der Schuld, den Untergang seiner Glaubensgenossen herbeigeführt zu haben, nicht ganz freisprechenArnold. Lubec. III, 24.  Ibn Alatsyr 456.. Sobald ihm Guido, diese Stimmung benutzend, einerseits durch Gesandte schwere Vorwürfe machen ließ, andererseits den Ersatz der Kriegskosten, die Rückgabe von Berytus und außerordentliche Geschenke bot, willigte er in die Aussöhnung und wurde von dem Könige, damit ihre innere Einigkeit sich auch im Äußern darlege, feierlich und freundlich aufgenommen und geküßt.

Zwei Monate nachdem Saladin von dem Übertritte des Grafen zu Guidos Partei Nachricht erhalten hatte, stand er mit einem Heere vor Tiberias, welchen Ort Raimunds Weib und ihre vier Söhne erster Ehe einstweilen vertheidigten, während Guido alle Besatzungen an sich zog und keinen zurückließ, der nur irgend die Waffen tragen konnteVitriac. histor. hieros. 1118. und Bern. Thesaur. 787.. 1200 geharnischte Ritter und 20,000 Fußgänger, – ein größeres Heer als die Christen seit vielen Jahren zusammengebracht hatten –, zogen durch das fruchtbare Thal Sephorim den Türken entgegen; doch 388 {1187} wurde mancher durch übele Anzeichen erschreckt. Heraklius z. B. der Patriarch, nur seiner Liebschaften eingedenk, folgte dem Heere nicht mit dem heiligen Kreuze, sondern sandte an seiner Stelle den Prior der Kirche des heiligen Grabes; ein steinern Bild des Kindes Jesus brach in Stücken und Blut floß herab von den TheilenMathaeus Paris 100..

Zu dem Heere im Thale Sephorim kamen am zweiten Julius 1187 Boten der Gemahlinn Raimunds und stellten vor: daß Tiberias sich ergeben müsse, wenn es nicht schnell entsetzt werde. Man berief einen Kriegsrath und der Graf von Tripolis sprachÜber diese Reden und Berathungen siehe hauptsächlich Wilh. Tyr. 600.: »wenn jemand, der noch vor kurzer Zeit feindlich gesinnt war, einen Rath ertheilt, so entsteht gewöhnlich die Besorgniß unaufrichtiger Gesinnung; wenn nun aber dieser Rath gar seinem eigensten Vortheile zu widersprechen scheint, dann glaubt jeder, er müsse die ärgsten Absichten vermuthen, sollte auch eine verständige Überlegung die Schädlichkeit der Vorschläge keineswegs darthun. So fürchte auch ich Widerspruch und Argwohn, weil ich behaupte: man müsse Tiberias nicht entsetzen. Ich werde alsdann zwar meine Stadt verlieren, meine Habe, mein Weib und meine Kinder; allein eine Stadt läßt sich wieder gewinnen und erbauen, die Habe neu erwerben, es lassen sich Gefangene lösen aus der Haft: wogegen die vorgeschlagene Maaßregel uns allen Tod oder Gefangenschaft, ja dem ganzen Reiche unabwendbaren Untergang bereitet. Sobald nämlich Tiberias erobert ist, ziehn sich die Feinde entweder zurück und dann bleibt das übrige ungefährdet, und die christliche Macht ist stark genug ihre Besatzungen zu vertreiben; oder aber sie gehen auf uns los und leiden dann sicherlich großen Verlust, weil sie unsere günstige Stellung so wenig erstürmen als in unfruchtbarer Gegend lange verweilen können. Wenn hingegen 389 {1187} das christliche Heer nach Tiberias zieht, so verläßt es eine fruchtbare Gegend und eilt zu wasserlosen Wüsten. Alsdann werden uns die Feinde mit ihrer leichten Reiterei einschließen und zur Zögerung nöthigen; jedes Zögern ist aber schädlich, weil den Türken auch in der übelsten Lage ein leichter Rückzug in unzugängliche Berge frei steht und ihre Vorräthe ungeschwächt bleiben: während wir nothwendig, wo nicht den Feinden doch dem Mangel erliegen müssen. Ich würde meinen Kopf zum Pfande setzen, daß dieser Rath der beste und diese Weissagung wahr ist, aber ihr möchtet auch dies nur für ein leeres Wort halten; deshalb prüft ohne Vorurtheil meine Gründe und bedenkt, daß Habsucht keineswegs die höchste Triebfeder meiner Handlungen seyn kann, weil ich sonst leicht durch Saladins Freundschaft und Übermacht meine Besitzungen geschützt und gemehrt hätte. Für mein Recht trat ich früher gegen euch auf, unbekümmert um die daraus für mein Eigenthum entstehenden Gefahren: denn nur ein Feiger bleibt hinter seinem Rechte und seiner Pflicht zurück, nur ein Fauler zieht schläfrige Ruhe dem Streben nach dem vor, was das Schicksal ihm als erreichbar zeigt. Ich habe aber das Größere, die Berechtigung zur Herrschaft, aufgegeben, weil sie unvereinbar erschien mit dem Wichtigsten, der Erhaltung des Reiches. Glaubt also nicht, daß nach einem so bedächtigen, tief begründeten Entschlusse die Rücksicht auf das Geringere, auf den augenblicklichen Vortheil, mich umzustimmen im Stande sey.«

So redete Raimund und es wurde nach seinem Vorschlage beschlossen, nicht gen Tiberias zu ziehen. In der Nacht aber ging der Großmeister der Templer zu Guido; ihn trieb Haß gegen den Grafen und vielleicht auch innere Überzeugung. »Wie hast du, mein König,« so sprach erIbn Alatsyr 458., »einstimmig mit dem wilden Rainald von Chatillon dem Vorschlage des Grafen beistimmen können, ohne zu 390 {1187} besorgen, daß er dir Verderben bereiten will? Allerdings soll man selbst die Meinung der Feinde anhören, damit man desto schärfer prüfe und seine Einsicht erhöhe: allein ihren Rath befolgen, hat noch keinem genützt. Meinst du, dem Grafen liege so wenig an der Sicherung seiner Güter, seines Weibes und seiner Kinder? Glaubst du, er werde gern dies alles verlieren, um ein Reich zu retten, welches er noch vor kurzem mit Hülfe der ärgsten Feinde zu zerstören gedachte? Einverstanden mit Saladin wird er leicht Tiberias zurückerhalten: dir aber bleibt der Vorwurf, du habest mit einem solchen Heere dem Verluste dieser wichtigen Stadt unthätig zugesehn. Auf diese Schmach wird Raimund seine Größe bauen und sich rühmen, er habe das erobert, was du verlorest; und für wen der Ruf spricht, dem folgt die Menge und die Herrschaft.«

Guido, immer nur von außen bestimmt und dem Großmeister sehr verpflichtet wegen der Erhebung zum Throne und der Übergabe vieler öffentlichen GelderBernard. Thesaur. 788.  Wilh. Tyr. 602.  Coggesh. 553.  Coggesh. chron. angl. 811., befahl gegen den ersten Beschluß, das Heer solle am folgenden Morgen aufbrechen. Sogleich verbreitete sich Lärm und Thätigkeit im Lager, die Fürsten und Barone erstaunten über die plötzliche Änderung des Planes, und wollten beim Könige selbst erforschen, ob keine Täuschung vorwalte, ob neue Gründe sich gezeigt und gewirkt hätten? Sie wurden nicht vorgelassen. Der Morgen des dritten Julius kam heran und das Heer zog vorwärts, still und von Ahnungen und Sorgen geängstigt.

Kaum erfuhr Saladin, dem nur die Burg von Tiberias, nicht aber die Stadt mehr, Widerstand leistete, den Aufbruch der Christen, so sandte er ihnen einen Theil seiner leichten Reiterei gerade entgegen; eine zweite Abtheilung zog seitwärts nach dem Thale Sephorim, um ihnen in den Rücken zu kommen. Jene erste Abtheilung gerieth bald mit 391 den Christen in ein Gefecht und drängte sie vom Wasser hinweg, weshalb Johannes, ein erfahrner Ritter, den Rath gab: »man solle jede schwächende Zögerung vermeiden und mit aller Macht vordringen, weil die übrigen Türken nicht widerstehn würden, sobald die angreifende, durch Saladins Fahne als seine Leibwache bezeichnete Schaar überwunden sey.« Diesen Vorschlag machte aber Graf Raimund zuvörderst verdächtig, weil Johannes einst unter den Türken gefochten hatte, dann fügte er hinzu: »die Gefahr wachse mit der Entfernung von dem ersten vortheilhaften Lager, und ein Angriff auf die leicht entweichenden Reiter führe zu keinem Siege, sondern zur Zerstreuung des Heeres.« Unterdeß kam die Nacht heran, man mußte das Lager in wasserloser Ebene aufschlagen und blieb unter den Waffen. Saladin aber, seine Gegner keineswegs gering schätzendRoger Hoveden 635., überlegte noch, ob er die Schlacht wagen oder hinwegziehen solle; da gingen heimlich manche Christen zu ihm über und verkündeten: wie Hunger und Durst, Wachen und Hitze alle entkräfte und muthlos mache. Hierauf gründete der Sultan seinen Plan zur Schlacht.

Als die Christen mit dem Anbruche des Morgens den Kampf beginnen wollten, entwichen die Muhamedaner nach allen Seiten, bis jene ermüdeten und von der gewaltigen Hitze dieses Sommertages fast erschöpft wurden. Hiezu kam, daß Saladin alles dürre Gras rings um die Christen her anzünden und dadurch die Glut noch vermehren ließ. In dieser Noth eilte ein Theil von ihnen, den allgemeinen Befehlen zuwider, auf den hittinischen HügelDorf Hhettina am steilen Abhang eines Berges zwischen Gärten.  Ali Beys Reise.  Bertuchs Samml. Band 8, S. 453. und wähnte thöricht, eine solche Vereinzelung biete den sichersten Schutz. Nunmehr sammelten sich die Türken, als wollten sie Stand halten und der Graf von Tripolis sollte, weil die Schlacht in seinem Lande gefochten wurde, nach einer alten Sitte 392 {1187} den ersten Angriff thun. Auch eilte er mit vielen Rittern einen Hügel hinab unter die Feinde, aber Takieddin Omar öffnete, den Befehlen Saladins zufolge, schnell seine Reihen, ließ die Franken nutzlos hindurchsprengen, und wandte sich dann rasch zum anderen Flügel des Heeres, wo die Türken den Kampf nicht mit Vorsatz versagt, sondern bereits ernstlich begonnen hatten. Weil Raimund und seine Schaar, anstatt hieher zu folgen, ihre Rettung in der Flucht suchtenDies behauptet unter andern Altissidor. chron. bei Bouquet XVIII, 254, und Schahabeddin 585., so sahen sich die übrigen von Hitze, Durst und Anstrengung bereits ermatteten Christen, durch die klugen Maaßregeln des Sultans bald von jeder Seite eingeschlossen und erlagen, aller preiswürdigen Tapferkeit einzelner Abtheilungen ungeachtet, der Überzahl ihrer Feinde. 230 Tempelherren wurden getödtet, die Vereinzelten auf dem hittinischen Hügel aufgerieben, gefangen aber: König Guido und Amalrich sein Bruder, Rainald von Chatillon, Bonifaz von Montferrat, Graf Joscelin, Humfried von Torono, der Großmeister der Tempelherrn und sehr viele andere Ritter und Söldner. Auch das heilige Kreuz, welches der Bischof von BethlehemRoger u. Vinisauf c. 4 erzählen dies vom Bischofe Rufinus von Akkon.  Bohadin 69.  Sanut. 190.  Vitae Pontif. 476.  Belgic. chron. magn. 192.  Guil. Nang. zu 1187.  Benven. S. Georgio 354. trug, fiel nach seinem Tode in die Hände der Saracenen. Das sey, so sprachen viele, die Strafe des Himmels, weil er irdischen Waffen mehr als Gott vertrauend, gegen die Sitte der Geistlichen, geharnischt in die Schlacht gegangen sey.

Diese Schlacht, gefochten am vierten Julius 1187 (und von den Saracenen Schlacht bei Hittin, von den Christen Schlacht bei Tiberias, Toronum, Mareskantia und der Burg Sors genannt) brach die Macht der Franken auf lange Zeit, und für den Augenblick war ihr Muth und ihre Bedeutung so gesunken, daß ein Saracene einen Ritter 393 {1187} gegen ein Paar Schuhe vertauschte, und ein anderer dreißig mit Stricken aneinander gebundene Christen hinwegführteAbulfeda zu 1187.  Amadodd. 20.  Otto S. Blas. 29-30.  Chron. mont. sereni.  Aquic. auctar.  Michaud II, 190.  Nach dem Schreiben an Urban bei Godofr. monach. zu 1187 entkamen nur der Graf von Tripolis, Rainald von Sidon und Balian.. Von keinem ihrer Fürsten läßt sich rühmen, daß er mit Besonnenheit und ausgezeichnetem Muthe gefochten habe: während Afdal Nureddin, Saladins ältester Sohn, und Takieddin Omar sein Neffe, sehr viel zum Siege beitrugenAbweichungen über den Tag in Chron. Erfurt. S. Petrin. und Bromton 146Iperius 673 hat den zweiten Julius, aber die meisten Stimmen vereinigen sich für den vierten Julius.  Marganens. annal. zu 1187.  Coggeshale.  Abulfeda l. c.  Vinisauf II, 1, 5.  Bened. Petrob. 504.. Dankfeste wurden angeordnet und der Sultan schrieb nach DamaskusGuil. Nang. chr. zu 1187.  Michaud II, 485.: »nicht unsere Macht, sondern ihre Frevel haben jenen den Untergang bereitet. Das Kreuz ist in unsere Hände gefallen, um welches sie flatterten wie die Schmetterlinge um das Licht, unter dessen Schatten ihre Herzen sich versammelten, dem sie muthig vertrauten wie einer Mauer; das Kreuz, dieser Mittelpunkt und Führer ihres Stolzes, ihres Aberglaubens und ihrer Tyrannei!«

Am nächsten Tage ließ der Sultan die Gefangenen vorführen, König Guido niedersitzen und dem Erschöpften kühlendes Getränk reichen. Dieser gab den Becher weiter an Rainald von Chatillon; da gedachte Saladin der arabischen Sitte, wonach jedem Sicherheit zu Theil wird, der von dem gastfreundlich Dargebotenen genießt, und sprachAbulf. l. c.  Bohadin 27 u. 71.  Hist. hieros. 1153.  Sanut. 191.  Wilh. Tyr. 608.  Fundgruben III, 80.  Schahabeddin 588.: »nicht ich, sondern du giebst diesem den Trank. Er ist der Urheber alles Frevels und alles Unglücks, er hat sein Wort so oft gebrochen als gegeben, während des Friedens schuldlose Pilger ermordet, geraubt gegen ritterliche Sitte, er hat 394 {1187} schamlos unseres Propheten gespottet. Ich that das Gelübde, ihn, wie er es verdient, zu tödten, und nur die Annahme unseres Glaubens könnte für solche Beschimpfungen als Genugthuung erscheinen. Als Rainald hierauf behauptete: sein Verfahren sey das unter Fürsten ganz gewöhnliche, und als er das Christenthum nicht verleugnen wollte, zog der Sultan sein Schwert, hieb ihn in die Schulter, daß er zu Boden stürzte und befahl, den hierauf abgehauenen Kopf in den Städten umherzutragen, zum Zeichen, daß die gerechte Strafe vollzogen sey.

Schrecken ergriff bei diesem Anblick alle Gefangenen, auch Guido den König; Saladin aber sprach: »nicht Könige, sondern nur Missethäter haben solch Schicksal zu befürchten; doch sind auch unter euren Rittern Friedensbrecher und Mörder.« Es wurde diesen die Wahl gelassen, ob sie sterben, oder Muhameds Lehre annehmen wollten, die sich im Siege bewährt gezeigt habe. Sie antworteten: »Christum, der da Gott sey und Gottes Sohn und der unbefleckten Jungfrau Kind durch den heiligen Geist, würden sie stets loben, anbeten, ihm vertrauen; nicht Muhamed, der Unkraut gesäet habe, den sie verfluchten und verachteten, gleich den Drohungen des Sultans.« Hierauf wurden die Templer und mehre Johanniter, um ihrer angeblich früher begangenen Frevel und dieser neuen Schmähungen willen in Gegenwart des Sultans hingerichtet; nur den übrigen Rittern und Gefangenen widerfuhr keine GewaltIbn Alatsyr 462.  Schahabeddin 589.  Bohadin 70.  Alberic. 370.  Nur der Großmeister der Templer blieb am Leben, sagt Vinisauf c. 5. Desgleichen mehre Johanniter.  Bened. Petrob. 485..

Unterdeß war Graf Raimund von Tripolis mit dem Sohne des Fürsten von Antiochien gen Tyrus geflohen: allein man verweigerte ihm hier die Aufnahme und beschuldigte ihn der feigen Flucht aus der Schlacht. Christen und Muhamedaner nannten ihn Verräther: jene, weil er mit Saladin ein Bündniß geschlossen, diese, weil er es nicht 395 {1187} gehalten hatte. Gewiß stand er mit dem Sultan jetzt in keiner sträflichen Verbindung, und seine heilsamen Rathschläge wurden durch die Christen selbst vereitelt: ob er aber in der Schlacht bis aufs äußerste widerstand, oder übereilt floh, ob ihn Saladin listig verschonte, oder ob er sich entfernte, um doch einiges da zu retten, wo die Herstellung des Ganzen unmöglich erschien: dies läßt sich um so weniger entscheiden, da nur Anklagen und keine Rechtfertigung des Grafen auf uns gekommen sind. Saladin, der itzt nichts mehr zu befürchten hatte und über die wechselnde Gesinnung Raimunds erzürnt war, verlangte, daß er nebst seinen Unterthanen die frühern Verträge beschwöre. Diese wollten aber Form und Inhalt des Eides erst näher prüfen, woraus Zögerungen entstanden; und während dieser Zögerungen ergriff den, von allen Seiten bedrängten Grafen Schmerz und Zorn so heftig, daß sie, fast zum Wahnsinne gesteigert, seinem Leben ein Ende machtenBernard. Thesaur. 792.  Guil. Neubrig.  Guil. Nang.  Belgic. chr. magn. 193. Manche entschuldigten den Grafen, er sey erst davongeeilt, als die Schlacht schon verloren gewesen, et dicunt, quod isto proelio non fecit antigardiam nec ante alios tulit vexillum, sed fecit retrogardiam. Der christliche Fahnenträger sey dagegen zu den Türken übergegangen (?).  Alberic. 371. – In der Histoire de Languedoc II, Not. LVI findet sich ein scharfsinniger Versuch Raimund zu rechtfertigen wegen seiner Verbindung mit den Türken, seines Benehmens in der Schlacht, seiner letzten Krankheit u. s. w. Ibn Alatsyr 462 sagt: er sey aus Schmerz über das Unglück der Christen gestorben.. Er hatte weder den Staat gerettet, noch sich selbst und es fehlte ihm, ungeachtet mancher löblichen Eigenschaft, allerdings die feste Einheit des Willens und aller Kräfte, welche allein stärken und über jedes Ereigniß erheben kann. Der Sohn des Fürsten von Antiochien, Namens Rainald, folgte ihm in der Herrschaft.

Aber wie verringerte sich auf allen Seiten die Herrschaft der Christen! Überall schwache muthlose Besatzungen, nirgends tüchtige Anführer! Daher kamen allmählich in 396 {1187} die Hände des Sultans: Tiberias, Sidon, Byblus, Nazareth, Rama, Hebron, Bethlehem, Lydda, Joppe, Neapolis, Berytus, Akkon und andere Städte; bis Gaza wurde das Land von den Türken überschwemmt. Hatten sich die Bewohner durch Vertrag übergeben, so geschah ihnen keine GewaltGoggesh. 559, 563.  Fundgruben III, 81., ihr Vermögen wurde gesichert und jedem erlaubt hinwegzuziehen oder zu bleiben: denn die Bekenner jedes Glaubens lebten ruhig unter Saladins Zepter. Geschah aber die Einnahme mit Gewalt, so erfolgte nicht selten Plünderung, ja Zerstörung der Stadt und Wegführung der Einwohner in die Gefangenschaft. Dem Geschichtschreiber Ibn AlatsyrIbn Alatsyr 464, 481, 484. war auf diese Weise eine Frau aus Joppe zugefallen, welche ein Kind, das sich verletzt hatte, betrachtete und bitterlich weinte. Warum weinst du, fragte jener, das Kind ist ja nicht das deine? Ich weine, gab sie zur Antwort, keineswegs über dieses Kind, sondern über all das Unglück, das die Christen betroffen hat. Ich hatte einen Mann und zwei Schwestern, und weiß nicht was aus ihnen geworden ist; ich hatte sechs Brüder, sie sind alle umgekommen!

Nach jenen Städten ergab sich auch KrachBern. Thesaur. 795.  Wilh. Tyr. 612. zum August 1187. Nach Guil. Nang. aber ergab sich Krach erst 1189. Vielleicht mit Königsberg verwechselt. Siehe Vinisauf c. 15., die Burg Rainalds von Chatillon; jedoch erst nachdem die Besatzung das äußerste erduldet und mancher Weib und Kind verkauft hatte, um Lebensmittel zu erhalten. Saladin bewilligte allen nicht allein freien Abzug, sondern auch große Geschenke und lösete ihre Weiber und Kinder aus der Gefangenschaft: denn solcher Muth und solche Ausdauer von Dienern, in der Abwesenheit ihres Herren, verdiene Lob und Belohnung.

Inzwischen führte Adel, Saladins Bruder, neue 397 {1187} Hülfsvölker aus Ägypten in die südlichen Gegenden des christlichen Reiches, und umlagerte Askalon. Hieher hatte sich die Königinn mit ihren Töchtern geflüchtet, und lehnte Adels Aufforderung die Stadt zu übergeben, ab, indem sie äußerte: »das Schicksal Jerusalems werde auch das Schicksal Askalons entscheiden.« Bald aber machten die Belagerer so rasche Fortschritte, daß man einen Vertrag abschloßEinnahme den 5ten September Margan. ann.  Roger Hoveden 636., laut dessen Saladin für die Übergabe der Stadt den König, dessen Bruder, den Großmeister der Templer und funfzehn andere vornehme RitterWieder ein Beweis, daß Saladin nicht alle Ritter hinrichten ließ. aus der Gefangenschaft entlassen sollte. Ferner durfte jeder binnen vierzig Tagen seine Güter verkaufen oder hinwegschaffen, nach eigenem Beschlusse in der Stadt bleiben, oder unter sicherem Geleite nach Tripolis ziehen. König Guido bestätigte diesen Vertrag, jedoch erst nachdem er sich überzeugt hatte, die Stadt könne nicht länger mit Erfolg vertheidigt werden.

In Jerusalem befehligte um diese Zeit Balian von Ibelim. Dieser war in Berytus von den Türken gefangen worden, und hatte nach eidlichem Versprechen, daß er zurückkehren und nicht gegen den Sultan fechten werde, von diesem auf wenige Tage Urlaub erhalten. Statt dessen ließ er sich durch den Patriarchen von seinem Eide entbinden und übernahm die Verwaltung des Reiches zu einer Zeit, wo die öffentlichen Kassen ganz erschöpft und nur zwei Gewappnete in Jerusalem waren. Daher versuchte Balian aus den Bewohnern von Jerusalem und den dahin Geflüchteten Krieger zu bilden, und ließ das Silber von der Decke des heiligen Grabes vermünzen, um hievon die nöthigsten Ausgaben zu bestreiten. Aber all diese Mittel reichten nirgends hin, und an dem Tage der Eroberung Askalons traten Balians Gesandte vor den Sultan, entschuldigten jene 398 {1187} Wortbrüchigkeit mit angethaner Gewalt, und baten um freien Durchzug nach Tripolis für sein Weib und seine KinderBohadin 69.. Saladin, sich stellend als genüge ihm jene Entschuldigung, bewilligte dies Gesuch und fügte dann in Beziehung auf den in Anregung gebrachten Hauptpunkt, die Behandlung Jerusalems, hinzu: »da Jerusalem mir eine heilige Stadt ist, und euch noch heiliger, so habe ich beschlossen sie nicht durch Gewalt, sondern wo möglich durch Vertrag einzunehmen. Deshalb bewillige ich euch 30.000 Byzantiner zur Befestigung derselben, fünf Meilen Land im Umkreise zur Bebauung, und freien Handel und Waffenstillstand bis zum nächsten Pfingstfeste. Kömmt aber um diese Zeit kein Entsatz, so übergebt ihr mir die Stadt gegen Sicherung der Personen und der Güter.« Die Gesandten erwiederten: »unsere Pflicht ist Jerusalem zu vertheidigen bis in den Tod.« – »So will ich, entgegnete Saladin, die Stadt mit dem Schwerte erobern und es wird euch gereuen, daß ihr meine Milde verschmähtet.«

Am 20sten September 1187 erreichte sein Heer Jerusalem und lagerte vom Thurme Davids bis zum Stephansthore. Weil man aber gegen diese befestigtere Seite der Stadt, trotz aller Anstrengung, keine erheblichen Vortheile gewinnen konnte, so wurde nach acht Tagen eine zweite Stellung, vom Stephansthore bis zum Thale Josaphat eingenommenÄhnliches geschah bei der Belagerung Jerusalems durch die Franken. Band I, S. 210.. Während die Franken unterließen tüchtige Gegenanstalten zu treffen, griffen die Türken von hier aus nur an, wenn ihnen die Sonne im Rücken stand, warfen ihren Gegnern aus künstlichen Schaufeln Sand in die Augen, und gebrauchten ihr Geschütz mit solcher Umsicht und Gewandtheit, daß ein Theil der Mauern niederstürzteBohadin 73.  Arnold. Lubec. III, 26.  Wilh. Tyr. 613.  Math. Paris 101.  Nach Coggesh. 567 kam Saladin den 20sten September vor Jerusalem an.. 399 {1187} In dieser dringenden Gefahr traten mehre auf und sprachen zu Balian und dem PatriarchenDiese Berathungen und Wechselreden fanden nach den genannten Quellen allerdings statt.: »ihr berathet, wie wir hören, ob man Jerusalem noch länger vertheidigen, oder übergeben solle. Jenes ist bei der Übermacht unserer Feinde unmöglich, dieses aber schändlich; und die gerühmte Milde des Siegers darf unsern Entschluß um so weniger bestimmen, da sie eins ist mit seinem Vortheil und mit seinem Ruhme. Jene heldenmüthigen Männer, welche einst diesen Staat gründeten, zogen nicht aus, der Nachsicht ihrer Feinde vertrauend, – denn diese ist am größten für den gehorsamsten, und feige Unthätigkeit wäre sonst das klügste und löblichste –, sondern sie suchten den Feind auf, ihrer gerechten Sache vertrauend und dem ausharrenden Muthe, welchem alles gelingt. Die Vorsehung hat nicht gewollt, daß wir den Ruhm jener Verherrlichten theilen, und doch ist uns das Schwerere, ihnen das Leichtere zugefallen: uns das Erhalten gegen die Mächtigeren, mit geringen Kräften; ihnen das Erobern von den Uneinigen, mit großen Heeren. Keine Lage ist aber so schlimm, daß man nicht das Angemessene erkennen und beschließen könnte; ja es erscheint um so glorreicher, Beschlossenes unwandelbar zu vollführen, wenn keine Hoffnung äußeren Erfolgs den Willen unterstützt. Darum werden diejenigen fast noch mehr gepriesen, welche dem unabwendbaren Untergange eines Staates entgegentraten und sich aufopferten, als diejenigen welche, vom Schicksale mehr begünstigt, einen Staat gründeten oder vergrößerten. Auch steht uns, selbst in dieser ärgsten Lage doch eine mächtige Hülfe unwandelbar zur Seite, nämlich: die gläubige Zuversicht, mit welcher Christen auf dem heiligen Boden fechten, wo Christus zuerst jedem Sterbenden neues Leben verhieß. Wer den Feinden hier erliegt, hat den Himmel gewonnen, wer ihnen entkommt, wird noch länger für den Herren kämpfen; mithin ist kein Unglück für 400 {1187} uns möglich, wenn wir thun was uns obliegt. Es liegt uns aber ob, nicht daß wir vergeblich suchen den weiten Umkreis der Mauern zu schützen, sondern daß wir mit gesammter Macht an einer Stelle in die Feinde einbrechen und Ruhm und Leben gewinnen, hier oder in jener Welt!«

So sprachen einige, der Patriarch aber erwiederte: »daß man die Stadt nicht gegen die Feinde schützen könne, ist auch meine Überzeugung; aber eben deshalb stimme ich dafür, mit dem Sieger zu verhandeln und alle gewaltsame Maaßregeln bei Seite zu setzen. Warum vor der Milde Saladins warnen? Ist sie etwa der Grund unserer Beschlüsse? Keineswegs! Wohl aber gewährt sie eine erfreuliche Aussicht in der verzweifelten Lage, wo wir uns auch der größten Strenge unterwerfen müßten. Das Andenken an jene ersten Kreuzfahrer kann uns nicht beschämen: denn die Sache der Christen ist in diesen Gegenden keineswegs durch unsere Schuld gesunken; wie sollen so wenige so vielen widerstehn, wenn das Abendland versäumt seinen Brüdern Hülfe zu senden? Die Begründer dieses Reiches haben das Mögliche unternommen und mit Beharrlichkeit vollführt, dafür rühmt sie jedes Geschlecht; wollten wir aber das Unmögliche, nach raschem unverständigem Beschlusse wagen, so würde man nicht den Muth preisen, sondern die Tollkühnheit tadeln. Nutzlos soll kein Blut vergossen werden; es ist Pflicht das eigene Leben zu erhalten, wenn dessen Aufopferung nichts fördert. Wolltet ihr aber dennoch lieber sterben, als die Stadt in den Händen der Feinde sehn, so bedenkt, daß jener Vorsatz nicht euch allein betrifft, sondern auch alle Wehrlosen, Weiber und Kinder. Oder glaubt ihr, daß Saladins Milde sich nicht bei unaufhörlicher Anreizung in Zorn verkehren könne? Hoffet ihr, daß er, ein Ungläubiger, die mit Gewalt erstürmte Stadt gelinder behandeln werde, als eure Vorfahren in dem gleichen Falle? Abschwörung des heiligen Glaubens, das ist der alleinige Preis, für welchen die Muhamedaner alsdann vielleicht das Leben fristen. Damit ihr also von der Schuld, die 401 {1187} Wehrlosen aber vom Verderben errettet werden, muß Balian zu Saladin eilen und ohne Zögerung den Vertrag abschließen; denn innerhalb der zerstörten Mauern ist keine Stunde mehr Sicherheit vor den Feinden.«

Des Patriarchen Meinung behielt die OberhandCoggeshale 570.  Bernard. Thesaur. 797.  Wilh. Tyr. 614.  Austriac. chron. zu 1187.: denn wie wenige zuletzt des äußersten Widerstandes gedachten, ging daraus hervor, daß man selbst für große Summen keine hinlänglichen Wachen an den gefährlichen Stellen der Mauer, nicht einmal auf eine Nacht bekommen konnte. Mit Beten, Singen und Jammergeschrei wollte man des Himmels außerordentlichen Beistand erzwingen, und thörichte Geißelungen und Quälereien des Leibes, sollten Mangel an geistiger Kraft und Heldenmuth ersetzen. Hiezu kam, daß Saladin schon manchen gewonnen hatte, mancher seine Größe verehrte unabhängig vom Bekenntnisse der Lehre, und daß die Römischkatholischen keineswegs von den übrigen christlichen Parteien geliebt oder thätig unterstützt wurden.

Als Balian bei Saladin anlangte, sprach dieser: »ihr habt meine früheren Anträge verworfen, jetzt bindet mich ein Schwur, das Blut der Gläubigen zu rächen, welches eure Vorfahren einst in Jerusalem vergossen. Auch ist nicht mehr Zeit zum Verhandeln: denn siehe, unsere Fahnen sind schon errichtet auf den Mauern, die Stadt ist in unserer GewaltAbulfar. 274.  Ibn Alatsyr 471..« Balian wandte sich um und sah erschreckt, daß Saladin wahr redete. Stürmend drangen nämlich die Saracenen an der Stelle ein, wo sie die Mauern durch Untergrabung niedergestürzt hatten. Doch noch einmal warfen die Christen ihre Feinde zurück, und Balian erwiederte dem Sultan: »du willst uns nicht retten, wir können uns nicht retten; zerstören aber werden wir die Stadt und alle Güter, morden alle Gefangenen und tödten alle Wehrlosen; damit dir die Lösung deiner Glaubensgenossen unmöglich 402 {1187} sey und dir nichts bleibe, als der entsetzliche Kampf mit Verzweifelnden.«

Saladin verwies die weitere Verhandlung auf den nächsten Morgen, und befragte unterdeß Geistliche und Rechtsgelehrte: ob er sein Gelübde brechen dürfe? Sie bejahten die Frage, weil dadurch die heilige Stadt und viele Gläubige erhalten würden; und nach der Rücknahme strengerer Bedingungen einigte Saladin sich mit Balian über die folgendenSanutus 197.  Frider. I exped. asiat. 501.  Abulf. zu 1187.  Wilh. Tyr. 617.  Vinisauf c. 9.: »Jerusalem wird unbeschädigt übergeben. Für den freien Abzug mit Habe und Gut zahlt der Mann zehn Goldstücke, das Weib fünf, das Kind eins; 7000 Arme werden mit der runden Summe von 30,000 Byzantinern gelöset. Das heilige Grab bleibt verschont, und gegen Erlegung eines Byzantiners kann es jeder Christ ungehindert besuchen. Binnen vierzig Tagen muß die Lösungssumme zum Thurme Davids abgeliefert seyn, wenn für die Einwohner, statt des freien Geleites zu christlichen Besitzungen, nicht Gefangenschaft eintreten soll.«

Am dritten Oktober des Jahres 1187Vertrag den 2ten, förmlicher Einzug den 3ten Oktober. Wilken III, 2, 311.  Abulf.  Pagi critica zu 1187, c. 10.. – 1518 Jahre früher erfocht, den Berechnungen zufolge, Alexander die entscheidende Schlacht bei Arbela., achtundachtzig Jahre nach der Eroberung Jerusalems durch die Franken, zog Saladin unter Trompeten- und Pauken-Schall in die Stadt, dann in den Tempel. Als das vergoldete Kreuz, welches bisher dessen Spitze zierteVinisauf I, 9 sagt, abweichend, das Kreuz habe auf der Kirche der Hospitaliter gestanden., von den Türken herabgestürzt ward und zerbrach, erhoben, nach den Worten eines morgenländischen GeschichtschreibersIbn Alatsyr 473.  Schahabeddin 614., die Christen in und vor der Stadt ein solches Klagegeschrei, daß der Boden erzitterte. Saladin schickte dies Kreuz (nebst 403 {1187} der erbeuteten Königskrone) dem Chalifen nach Bagdad, und dieser befahl es am Thore Alnoubi, jedoch dergestalt zu vergraben, daß ein Theil aus dem Boden hervorrage, damit die Muselmänner darauf treten und spucken könnten. Aus dem Tempel in Jerusalem entfernte man alles was nur Christen heilig war, wusch die Wände mit Rosenwasser, räucherte mit Ambra, und Modaffar TakieddinPosaune 75.  Hemingford II, 34., des Sultans Neffe, legte selbst Hand an diese, für höchst würdig gehaltenen Geschäfte. Nachdem dies alles vollbracht war, las Muhamed Ebn Saki, der angesehenste muhamedanische Geistliche, den Koran statt des Evangeliums vor, und sprach zu den VersammeltenDie längere Übersetzung aus dem Arabischen bei Michaud II, 496, und ähnliches in den Fundgruben III, 123.:

»Gelobt sey Gott, der den Islam erhöht durch seinen Beistand, die Vielgötterei erniedrigt durch seine Macht, die Welt regiert nach seinem Willen, die Wohlthaten vertheilt nach Maaßgabe unseres Dankes, die Ungläubigen stürzt durch ihre Listen, den Fürsten Gewalt giebt nach seiner Gerechtigkeit, das künftige Leben denen verleihet, die ihn fürchten, der da befiehlt ohne Widerspruch und seine Beschlüsse vollzieht ohne Zögern! Dieser Gott, den ich preise, gab seinen Auserwählten den Sieg und reinigte sein Haus, das voll Unrathes war und voll Schmutzes der Vielgötterei. Denn er ist der einige alleinige Gott, ohne Genossen; der Ewige, welcher nicht zeugt, noch erzeugt wurde. Muhamed, sein Diener und Gesandter, – der in einer Nacht von Medina nach Jerusalem reisete und bis in den Himmel emporstieg –, stürzte den Götzendienst und machte die Lügen zu Schanden: denn es ist Frevel, den Sohn Marias einen Gott zu nennen; ja dieser selbst wird nicht leugnen, daß er Gottes Diener sey. Euch ward das größte Glück zu Theil: denn ihr befreitet die Wohnung der Propheten, die Heimath der Offenbarung, das Ziel der Heiligen. Um 404 {1187} dieser Eroberung willen öffneten sich die Thore des Himmels, Lichtglanz drang hinab bis in die finstersten Tiefen, die Engel jauchzeten, die Mächte des Himmels beteten für euch, und die Propheten und Gesandten Gottes weinten Thränen der Freude. Erhaltet euch diesen Segen des Herrn durch die Furcht des Herrn! Hütet euch vor Leidenschaften, Ungehorsam und Feigheit, hütet euch, daß sich der Teufel und der Unglaube nicht in eure Herzen einschleiche. Gott hat euch erwählt; darum opfert euch freudig für ihn auf, helft ihm und er wird euch helfen, gedenket seiner und er wird euer gedenken, erzeigt ihm gutes und er wird es euch erzeigen. Oder glaubt ihr, daß eure Säbel von Stahl, eure schönen Pferde, oder eure Ausdauer den Sieg gewonnen haben? Nein, nur von Gott kommt der Sieg! Nur mit seiner Hülfe könnt ihr die Gottlosen vertilgen, die Zweige der Ungläubigen abschneiden und über sie herfallen wie über eine leichte Beute. Der heilige Krieg ist euer bester Gottesdienst und eure edelste Sitte. – Du aber Gott unser Herr, erhalte den Sultan, der sich vor deiner Macht erniedrigt und deine Wohlthaten erkennt, erhalte dein schneidendes Schwert, deinen glänzenden Stern, den Beschützer und Vertheidiger des wahren Glaubens, den siegreichen Fürsten, den Mittelpunkt deiner Getreuen, den Eroberer des Kreuzes, den Reiniger deines heiligen Hauses. Umgieb ihn mit deinen Engeln und erhöhe ihn für seine Thaten!«

Während die Muhamedaner so ihre Freude und ihren Dank bezeigten, wehklagten die Römischkatholischen über ihr unermeßliches Unglück, hörten zu spät auf die Stimme ihres Gewissens und gelobten Besserung. Da sie aber nicht, gleich den übrigen Christen, den Syrern, Griechen, Armeniern, Jakobiten, Georgianern u. s. w.Belgic. chron. magn.  Guil. Nangis.  Ricard. monach. 456.  König Heinrich II von England hatte den Templern und Johannitern 15,000 Mark vermacht.  Rymer I, 1, 19., friedlich unter Saladins Zepter wohnen wollten, so mußten sie vor allem an 405 {1187} das Aufbringen der Lösungssummen denken. Zuvörderst nahm man 30,000 Byzantiner aus dem sogenannten Schatze des Königes von England (der mithin nicht zur Vertheidigung der Stadt angewendet war!); dann verzeichneten in jedem Viertel der Stadt zwei geprüfte Männer das Vermögen jedes einzelnen. Was, nach dem Abzuge der eigenen Lösung und der Reisekosten bis zu der nächsten christlichen Stadt, übrig blieb, wurde zur Befreiung der Armen gesammelt; allein die Summe reichte keineswegs hin, weil viele (dem Worte Saladins vertrauend, daß die Güter durch ihn nicht gefährdet werden sollten) ihr Eigenthum verbargen und durch die, ihren Mitbrüdern drohende Gefahr ungerührt blieben. Da erbat sich Adel vom Sultan seinem Bruder, tausend Gefangene, und schenkte ihnen die Freiheit ohne LösungAuch die Orden löseten manchen. Hist. des Templiers I, 159.; auf gleiche Bitte erhielten der Patriarch und Balian tausend Gefangene, und beide folgten Adels Beispiele. Saladin, hievon benachrichtigt und niemals übertroffen in der Großmuth, sorgte nunmehr für die Verpflegung der Kranken, und ließ alle diejenigen welche ihr Unvermögen nachwiesen, unentgeltlich freiGuil. Neubr.  Bohadin 74.  Die Syrer hielten christlichen Gottesdienst beim heiligen Grabe.  Alberic. 372.. Dennoch verkürzten ihn bei der Zahlung bald die Christen, bald seine eigenen habsüchtigen Diener: jene nämlich entflohen über die Mauern oder als Saracenen verkleidet; diese behielten das Geld, oder führten auch wohl die welche nicht zahlen konnten, gefangen auf ihre BesitzungenIbn Alatsyr 472.  Schahabeddin 597.. Bis zum Ablaufe der gesetzten Frist und bis zur Bezahlung der Lösungssummen, blieb das türkische Hauptlager außerhalb der Thore; zwölf Saracenen wachten jedoch zur Verhütung von Unbilden in jeder Straße Jerusalems, und während dieser ganzen Zeit fiel auch nicht die geringste Gewaltthätigkeit vor. Endlich zogen die auswandernden Christen durch das Thor Davids vor Saladin vorüber: zuerst die Königinn, der 406 {1187} PatriarchDer Patriarch nahm alle heiligen Gefäße und alles bewegliche Kirchengut mit, und Saladin verbot ihn daran zu hindern.  Ibn Alatsyr 473.  Schahabeddin 603. und Balian, dann die Ritter, zuletzt das Volk. Da flehten die Weiber und Kinder der vom Sultan in den Schlachten Gefangenen um seine GnadeSanutus l. c.  Bern. thes. 801.; und über den Jammer bis zu Thränen gerührt, schenkte er allen Gefangenen die Freiheit, Geld aber zum Troste an diejenigen, deren Männer und Väter bereits gestorben waren. Von 220,000 Goldstücken hatte Saladin beim Abzuge von Jerusalem nichts übrig, sie waren sämmtlich vertheilt!

Die Saracenen, welche als eine sichernde Bedeckung den Christen zugeordnet waren, setzten die Ermüdeten und Kranken auf ihre Pferde und gingen, diese sorgsam führend, zu Fuße nebenher. So gelangte der Zug aus den Ländern der Muhamedaner in die christlichen Besitzungen; aber in TripolisNach Wulh. Tyr. 620würde den Grafen von Tripolis der schwere Vorwurf treffen, die Thore geschlossen und die Frevel nicht gehindert zu haben; aber laut Radulph. a Diceto imag. 640 starb er bereits 14 Tage nach der Eroberung Jerusalems, und um diese Zeit war der Zug der Gelöseten noch nicht aufgebrochen. wurde den Unglücklichen nicht allein die Aufnahme verweigert, sondern es brachen sogar viele ihrer Glaubensbrüder tückisch hervor, raubten die Güter und mißhandelten die Weiber. Einer Mutter hatten sie auf frevelhafte Weise alle Habe, alle Nahrungsmittel genommen; sie warf verzweifelnd ihr Kind in das Meer. Ein anderer Theil der Ausgewanderten erreichte AlexandrienEpist. regum et princ. in Bongars I, 1172., und wurde von dem türkischen Befehlshaber der Stadt freundlich behandelt und verpflegt. Die Pisaner, Venetianer und Genueser weigerten sich aber, irgend jemand unentgeltlich in ihre Schiffe aufzunehmen. Da sprach jener Muselmann: »es sey ferne, daß durch die Härte ihrer Glaubensgenossen diejenigen umkommen, welche mein großer Fürst erretten wollte!« Er zahlte das verlangte Geld und besorgte die Einschiffung. 407

 


 


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