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{1173} Nureddin hinterließ nur einen zwölfjährigen Sohn, Ismael, über welchen Ebn Mokaddem die Vormundschaft führte. Weil aber des Sultans Neffen, Emadeddin Zenki, Saifeddin Gazi und Azzedin Masud, das Erbtheil Ismaels zu verkürzen suchten und mehre andere Emire ihren Einfluß übermäßig erhöhten, so rief jener Vormund Saladinen zu seiner Unterstützung herbei. Dieser hatte eine Empörung in Ägypten glücklich gedämpft und würde, über die bisherige Zurücksetzung empfindlich, auch wohl unaufgefordert erschienen seyn; doch erklärte er im December 1174 bei seiner Ankunft vor Damaskus: »er komme nicht in feindlicher Absicht oder eigenes Gewinnes wegen, sondern um Ismael aus den Händen von Gewaltthätigen zu befreien und dessen väterliches Erbe zu beschützen.« Ägypten zählte er aber freilich diesem Erbe nicht bei; auch entwickelten sich mehre Gründe des Argwohns, Neides und Streites, – bis Kameschtekin, einer von seinen Feinden, ihn, obgleich vergeblich, durch assassinische Mörder aus dem Wege zu räumen suchte. Da behauptete Saladin: weil die Emire nach Absichten und Wünschen getheilt seyen, Ismael aber nicht selbständig regieren könne, so gebühre ihm, als dem Mächtigsten, die Vormundschaft; und zwar um so mehr, da der Islam sich gegen so viele Feinde nur beschützen lasse, wenn man die Länder Nureddins nicht in kleine schwache Theile 362 {1174} zersplittere. Anfänglich bewilligte man diese Forderung im ganzen Umfange; dann wollten viele dem mächtigen Saladin nicht einmal die Statthalterschaft von Damaskus zugestehn, worüber es zu offenem Kriege kam, in welchem Saifeddin Gazi den Sohn Nureddins, Emadeddin Zenki hingegen Saladin unterstützte. In den Jahren 1175 und 1176 gewann dieser Bostra, Balbek, Hama, Cäsarea, Damaskus u. s. w., heirathete die Wittwe NureddinsVinisauf 4. Doch hatte Nureddin wohl viele Nebenfrauen. und überließ an Ismael nur die Stadt Aleppo mit ihren Umgebungen. Mithin war Saladin itzt nicht bloß unabhängig von der Familie seines ehemaligen Herren, sondern auch bei weitem der mächtigste Fürst in jenen vorderasiatischen Ländern.
Saladin ward im Jahre 1137 zu Takrit, einer mesopotamischen Stadt geborenDie Beweise bei Abulfeda 1174-1176. Abulfar. 267. Marai 396. Bohadin an vielen Stellen. Michaud II, 243. Wilh. Tyr. 1000. Histor. hieros. 1152. Sanutus 190. Oliver Schol. hist. regum 1381. Deguignes XIII, 1, 542. Nach Vinisauf 3, hätte Saladin sich durch Humfried von Torono zum Ritter schlagen lassen. 1173 eroberte Turanschah, Saladins Bruder, Jemen. Abulf. z. d. Jahre. 1174 schickte Wilhelm von Sicilien eine große Flotte nach Alexandrien, die aber nichts ausrichtete. Cassin. mon. Guil. Nang. zu 1187. Ibn Alatsyr 440.. Sein Vater Eyub – von dem dieser Herrscherstamm den Namen Eyubiden erhielt –, und sein Oheim Schirkuh zogen aus Turkistan zum Chalifen nach Bagdad und dienten ihm mit Auszeichnung; bis Schirkuh in heftigem Zorne einen von dessen Beamten erstach. Beide Brüder wandten sich hierauf nach Mosul und gewannen zuerst bei Zenki, dann bei Nureddin das größte Ansehn. Saladin verlebte einen Theil seiner Jugend in der prachtvollen, Eyubs Leitung anvertrauten Stadt Balbek und hatte, bei seiner heitern fröhlichen Natur, eine Abneigung vor Staatsgeschäften; bis sich ihm bei seiner zweiten Anwesenheit in Ägypten die Möglichkeit darbot, Herrschaft zu 363 gewinnen. Sein Benehmen gegen Shaver und die Erben Nureddins unterliegt, nach abendländisch-christlichen Ansichten, gerechtem Tadel: nach morgenländischem Standpunkte war aber der Sturz eines zweideutig oder gar feindlich gesinnten Veziers, etwas ganz gewöhnliches; und der Gedanke eines gesetzlich unwandelbaren (legitimen) Erbrechtes der Herrscherstämme nie aufgestellt, viel weniger anerkannt und befolgt worden. Von dem Augenblicke wo Saladin seine Herrscherlaufbahn betrat, zeigte er männlichen Ernst und große Thätigkeit, ohne daß diese in Kleinigkeitssucht, oder jener in finstere Strenge ausgeartet wäre. Alle Gebote des Islam befolgte er genau, und kannte selbst die wissenschaftlichen Ansichten und Streitigkeiten über diese Lehre; so wenig er sich aber, Gott und seiner eigenen Kraft vertrauend, von Spitzfindigkeiten, Sterndeuterei und Aberglauben übermannen ließ, so wenig mochte er Freidenker und Neuerer leiden. Bei diesen Gesinnungen mußte ihm der Krieg gegen die Christen politisch und religiös von der höchsten Wichtigkeit seyn; auch verfolgte er den Plan der Eroberung Syriens beharrlich und trotz aller Hindernisse. Zweimal in der Woche wohnte er in der Regel den Gerichten bei; wo man selbst wider des Sultans nächste Verwandte mit Erfolg klagen konnte, ja er stellte sich persönlich, wenn gegen ihn Streit erhoben ward, und unterwarf sich dem Spruche.
Einst saß er vor seinem Zelte und sagte, als ihm jemand eine Bittschrift überreichte: »das Schreibzeug fehlt, ich kann nicht sogleich Bescheid ertheilen;« jener aber erwiederte: »es steht im Zelte,« und Saladin holte es und schrieb. – Das Maulthier Bohadins, seines Geschichtschreibers der neben ihm ritt, bespritzte ihn sehr mit Koth; er scherzte darüber und erlaubte jenem nicht, sich deshalb zu entfernen. – Einem Christenweibe war ihre Tochter geraubt worden: dem Rufe vertrauend suchte sie Hülfe bei Saladin; dieser erforschte, wer das Mädchen gekauft hatte, und gab es der Mutter zurück. – Züge solcher Art zeigen freilich, in gewissem Sinne, nur das Natürliche und 364 Gewöhnliche: allein bei Sultanen ist leider zu oft die gräulichste Unnatur das Gewöhnlichste, und selbst die Franken erhoben sich damals nicht zu der Redlichkeit, Gerechtigkeit, Großmuth und Milde Saladins. Ungeachtet dieser herablassenden Milde des Sultans und der Gewandtheit für jeden sogleich einen angenehmen Gegenstand des Gespräches auszufinden, fehlte doch nie der gebührende Anstand in seiner Gesellschaft, nie wurden zweideutige Reden gehört. Wissenschaftliche Beschäftigungen galten ihm für Erholung, kein Gelehrter ward von ihm abgewiesen, keiner entlassen, ohne ein Geschenk empfangen zu haben. Oft ließ er sich geistliche oder weltliche Geschichten vorlesen, und die Darstellung großer gewaltiger Thaten bewegte ihn nicht minder zu Thränen, als Erzählungen von einfachen, die Theilnahme ansprechenden Begebenheiten. Ohne Ziererei verstattete er seinen Gefühlen freien Lauf; selten aber übermannte ihn der Zorn, nie verließ ihn in ungünstigen Lagen die Heiterkeit und Fassung, nie in Krankheiten die Geduld. Nur Verleumder konnten ihn heftiger aufreizen. Sein Geist zeigte sich weit erhaben über die bloße Leidenschaft des BesitzesWie Thucydides II, 60 vom Perikles sagt: χρημάτων κρείσσων, und größer selbst als die Unbescheidenheit der Fordernden, war seine Neigung zum Bewilligen. Er wußte, daß die Quellen reichlich flossen, und gab nicht minder bei geleerter, als bei gefüllter Schatzkammer; weshalb die Schatzmeister oft heimlich Summen zu außerordentlichen Ausgaben zurücklegten. Betrogen ihn jene, so verloren sie zwar ihre Stellen, erlitten aber keine weitere Strafe: denn Geldgier erschien dem Sultan so allgemein, als gemein.
Anstatt einen solchen Mann, der auch sein Volk für Tugend und Heldenmuth begeisterte, auf alle Weise zu gewinnen oder ihm großartig und folgerecht entgegenzutreten, hielten sich die Christen in einer zweideutigen verwerflichen Mitte und beleidigten Saladin auf vielfache WeiseAbulfeda IV, 18-26., 365 ohne der Familie Nureddins irgend erheblichen Beistand zu leisten.
{1173} Diese Übel wurden zum Theil durch die Verhältnisse der königlichen Familie in Jerusalem herbeigeführt. Amalrich hinterließ von seiner ersten Gemahlinn, Agnes von Courtenay, zwei Kinder, Sibylle und Balduin; von der zweiten Gemahlinn Theodora aber nur eine Tochter Isabelle. Sibylle wurde von Jutta, ihrer Großtante, im Kloster des heiligen Lazarus zu Bethania erzogen; Balduin hingegen von Wilhelm, dem trefflichen Geschichtschreiber der Kreuzzüge, dem nachherigen Erzbischofe von Tyrus. Unter solcher Leitung nahm der Knabe an Kenntnissen und guten Sitten zu, und würde auch wohl eine, über das Gewöhnliche erhabene Selbständigkeit und Bestimmtheit des Charakters angenommen haben, wenn nicht Schwäche des Körpers seine weitere Ausbildung gehemmt hätte. Man bemerkte nämlich, daß er mit mehr als kindischer Festigkeit die Schläge und Stöße seiner Gespielen ertrug, und entdeckte bei näherer Prüfung zu großem Schrecken, daß der rechte Arm und die rechte Hand ganz fühllos waren. Umschläge, Bäder und Salben blieben unwirksam: es war der Aussatz welchen die Ärzte, wegen der Ähnlichkeit mit der Haut des Elephanten, Elephantiasis nennen. Ungeachtet dieses sich bereits zeigenden Übels, ward dennoch der dreizehnjährige Balduin mit Beistimmung aller Fürsten und Edeln, am 15ten Julius 1173 von Aimerich, dem Patriarchen Jerusalems, gekrönt und gesalbt. Da er aber, selbst abgesehn von seiner Gesundheit, wegen seiner Jugend die Regierung noch nicht übernehmen konnte, so erhob sich, wie gewöhnlich, unter den Vornehmen Zwist über die Leitung der Geschäfte.
Milo von Planci aus Champagne, von König Amalrich hochgeehrt und zum Seneschall des Reiches ernannt, bemächtigte sich durch schlechte Künste des königlichen Vertrauens in solchem Maaße, daß er jeden andern von irgend einer Theilnahme an der Herrschaft abhielt und alles nach 366 {1173} seinem Willen lenkte. Obgleich hiebei anmaaßlich und prahlerisch über Gebühr, gab er doch vor: Roard, der Befehlshaber der Burg in Jerusalem, ein ungebildeter Soldat, stehe der Verwaltung vor und er sey nichts als dessen Diener. Niemand aber glaubte einer so ungeschickten Erfindung und Graf Raimund von Tripolis verlangte, – sich jenem öffentlich widersetzend –, die Führung der Vormundschaft: erstens, weil er, als Enkel Balduins IIVon dessen Tochter Hodierna. Wilh. Tyr. 997-1004., des Königs nächster Verwandter und der mächtigste Fürst im Reiche sey; zweitens, weil er während seiner Gefangenschaft nicht allein die Verwaltung von Tripolis dem Könige Amalrich überlassen, sondern ihn auch auf den Fall seines Todes als nächsten Verwandten zum Erben eingesetzt habe. Milo ließ den König die ausweichende Antwort ertheilen: man werde erst nach gehöriger Berathung mit den in diesem Augenblicke nicht versammelten Fürsten und Baronen, dem Grafen einen Bescheid zukommen lassen; worauf Raimund auch heimkehrte, obgleich das Volk und die Geistlichen, ja selbst der größere Theil der Edeln auf seiner Seite waren. Dieses augenblickliche Gelingen seiner Plane hielt Milo für einen entscheidenden Sieg; seine Unvorsichtigkeit wuchs mit seiner Macht und er achtete nicht auf Warnungen vor persönlicher Gefahr. {1174} Da ward er in Akkon, beim Einbruche der Nacht, auf öffentlicher Straße von mehren überfallen und ermordet, ohne daß, bei widersprechenden Aussagen und lässigen Untersuchungen, die nächsten Gründe und die Urheber dieser Frevelthat entdeckt wurden. Einige klagten: das sey der schnöde Dank für die, dem König bewiesene ächte Anhänglichkeit; andere dagegen behaupteten: es sey die Strafe arger Untreue, denn Milo habe seine Freunde aus Frankreich berufen um sich der Herrschaft zu bemächtigen. Allerdings war Balian, Roards Bruder, von ihm mit Briefen und Geschenken nach Europa gesandt worden, 367 {1174} aber den vollen Beweis eines verrätherischen Zweckes hat niemand geführt.
Jetzt kehrte Graf Raimund von Tripolis nach Jerusalem zurück, wo ihm die versammelten Barone, zufolge ernster und langer Berathungen, endlich die Verwaltung des Reiches übertrugen. Der Graf war weder groß noch stark, von scharfen Gesichtszügen und lebhaften Augen, besonnen und mäßig, freigebiger und milder gegen Fremde als gegen die eigenen Diener. Während seiner langen Gefangenschaft hatte er sich einige Kenntnisse erworben; obgleich seine Anlagen im Ganzen mehr durch Umgang und durch das Leben selbst ausgebildet waren, als durch Fleiß und Bücherlesen.
Bei der großen Wahrscheinlichkeit, daß der König nie ganz gesunden und Kinder zeugen werde, erschien aber die Frage über die künftige Nachfolge noch wichtiger, als jene über die Vormundschaft. {1176} Deshalb verheirathete man Balduins Schwester Sybille mit dem Markgrafen Wilhelm von MontferratSigonius zu 1175. Wilh. Tyr. 1004. Reinhards Gesch. von Cypern I, 121. – Benven. S. Georg. 345 setzt die Heirath auf das erste Regierungsjahr Balduins, 1178, eins von beiden ist falsch., dessen Mutter eine Halbschwester König Konrads III und dessen Vater der mütterliche Oheim des Königs von Frankreich war. Auch hatte ihn diese Verwandtschaft und sein Äußeres wohl mehr empfohlen, als seine innere Tüchtigkeit: denn er konnte nichts verschweigen und nichts abschlagen, sein Muth artete oft in den heftigsten Zorn aus, und beim Essen und Trinken hielt er kein gebührendes Maaß. Schwerlich hätte er also bei längerem Leben den morgenländischen Staaten viel genützt; er starb im Junius 1177 und erst nach seinem Tode gebar seine Wittwe Sybille einen Sohn, den nachmaligen König Balduin V.
In demselben Jahre landete Graf Philipp von FlandernAquic. auct. zu 1177. Rob. de Monte. Guil. Neubrig. III, 11. und veranlaßte, daß die Antiochier den 368 {1177} Waffenstillstand mit Ismael von Aleppo brachen; worauf Saladin sogleich die südlichen, von Mannschaft entblößten Besitzungen der Christen angriff. Ungehindert drang sein, meist aus leichten Reitern bestehendes, Heer bis Askalon, ja bis Ramla und Lydda vor; worüber in Jerusalem so große Furcht entstand, daß sogar die Frage aufgeworfen ward: ob man nicht die Stadt preis geben und nur die Burg Davids vertheidigen solle. Allmählich aber geriethen alle über jene verwüstenden Streitereien der Türken in den größten Zorn und Einsichtigere behaupteten: daß man die tollkühnen Feinde, bevor sie im Stande wären sich wieder zu sammeln, überraschen müßte und selbst mit geringerer Macht schlagen würde. Dem gemäß gelobte alle kriegsfähige Mannschaft aufs feierlichste zu siegen oder zu sterben, und ehe der Sultan sein Heer sammeln und aufstellen konnte, sah er sich beim Berge Gizard von den wohl geordneten und streng geschlossenen Schaaren der Christen mit solcher Heftigkeit angegriffen, daß trotz der tapferen Aufopferung einzelner die Flucht der Türken bald allgemein ward, und Pferde, Waffen und Gepäck den Christen in die Hände fielen. Das Wenige was die Fliehenden etwa retteten, ward ihnen von Beduinen geraubt, und Saladin soll erst nach großen Gefahren und nur von hundert Reitern begleitet, auf einem Kameele Ägypten erreicht habenAbulfeda zu 1177. Radulph. a Diceto imagines 500. Bened. Petrob. I, 161. Bohadin 46. Bernard. thesaur. 774. Sicardi chron. 599. Wilh. Tyr. 1109. Ibn Alatsyr 443.. Dieser am 25sten November 1177 bei Rama erfochtene Sieg rettete das jerusalemische Reich von der drohendsten Gefahr. Zum ersten Male zeigte sich aber auch die Wichtigkeit der Mamelucken, deren Saladin 1000 (in gelb, die Farbe seines Hauses, gekleidet) mit sich führte. Diese Mamelucken, entweder als Kinder erkauft, oder Kinder der Mägde und Beischläferinnen türkischer Großen, wurden sorgfältig erzogen und fochten damals und in den nächstfolgenden Zeiten, mit Heldenmuth für ihre Herren.
369 {1178} Balduin, welcher den südlichen Theil seines Reiches für hinreichend gesichert hielt, zog im Jahre 1178 gen Paneas und erbaute in der Nähe des Jordans zum Schutze der nördlichen Gegenden eine starke Burg. Hier erfuhr manWilh. Tyr. 1014. Guil. Neubr. III, 11., daß türkische Heerden ohne sichernde Bedeckung in den benachbarten Wäldern weideten und hoffte sich derselben ohne Mühe zu bemächtigen. Allein die Christen nahten in blindem Vertrauen ohne Ordnung und geriethen in enge Schluchten, worin sich mehre Feinde versteckt hatten. Sobald diese bemerkten, wie gering die Macht ihrer Gegner sey, griffen sie unerwartet mit so großem Ungestüm an, daß Balduin sich kaum retten konnte und viele Edle getödtet wurden; auch Humfried der Kronfeldherr starb an seinen Wunden.
Diese Unfälle benutzend erschien Saladin von neuem bei Torono1178 half eine sicilische Flotte Tyrus, Tripolis und Antiochien retten. Murat. annal., verbreitete dann seine leichten Krieger bis Tyrus und setzte sich endlich mit dem Hauptheere zwischen Paneas und dem Jordan fest. Balduin eilte herzu, beobachtete von einer Anhöhe die Stellungen der Feinde und urtheilte sehr richtig, daß man die leichten Soldaten, welche jenseits des zur linken strömenden kleinern Jordans umherschwärmten, durch das Vorrücken in die Ebene vom türkischen Hauptheere abschneiden und besiegen könne. Beides gelang, und schon theilten die Sieger ihre Beute, als Saladin mit seiner ganzen Macht so plötzlich hervorbrach, daß jene sich keineswegs ordnen konnten, sondern ein Theil in den Fluß gesprengt wurde und ein anderer sich nicht ohne großen Verlust nach der Burg Belfort rettete. Viele tüchtige Ritter kamen ums Leben. Andere wie Hugo von Tiberias, der Stiefsohn des Grafen Raimund und Odo von St. Amand, der Großmeister der Templer wurden gefangen. Diesen wollte Saladin gegen einen seiner 370 {1178}Verwandten auslösen; er aber antwortete mit der ihm eigenen stolzen Haltung: »Gott verhüte, daß ich ein schlechtes Beispiel gäbe und andere, ähnliche Auswechselung hoffend, sich dann desto leichter fangen ließenRobert. de Monte zu 1180. Histoire des Templiers I, 124. Wilh. Tyr. XXI, 29.. Ein Templer darf für seine Lösung nicht mehr geben, als seine Schärpe oder sein Schwert.« – Eben so erklärte Hugo von Tiberias: »sein Land und seine Einkünfte wären viel zu gering, als daß er die verlangte Lösungssumme von 100,000 Byzantinern zahlen könnte.« Saladin aber erwiederte: »es kann dir ja nicht schwer werden dieses Geld binnen der Frist eines Jahres (die ich dazu bewillige) herbeizuschaffen; denn jeder tüchtige Mann unter deinen Glaubensgenossen wird dir gern einen Beitrag gebenUn fatto di Saladino con Ugone di Tabaria, nel libro del passaggio di Terra santa. pag. 255. msc. folio nella Bibl Laurentiana. Catal. V, 269..« Hierauf sprach Hugo, die Gelegenheit heiter und gewandt ergreifend: »Herr, ich glaube nicht unter meinen Glaubensgenossen einen bessern und trefflichern Mann zu finden, als ihr seyd; erlaubt also, daß ich euch zuerst um einen Beitrag anspreche.« – Da gab Saladin, auf den Scherz eingehend und seiner Natur folgend, nicht weniger als 50,000 Byzantiner; und die Emirn und Großen seines Hofes gaben auf Hugos ähnliche Bitte nach dem Beispiele ihres Herren so reichlich, daß 10,000 Byzantiner über die geforderte Summe zusammenkamen. Mit diesem Überschusse und elf außerdem noch freigelassenen Christen beschenkt ritt Herr Hugo fröhlich zu den seinen zurück, und es war nicht unnatürlich, daß die Bewunderung des großgesinnten Sultans, in vielen den Kriegs- und Religionshaß überwog.
Sonst reihte sich an jene Niederlage der Christen, ungeachtet der Ankunft vieler europäischen Pilger, mancher einzelne Verlust; und wenn Saladin seine Macht nicht zu 371 {1179} anderen Zwecken gebraucht hätte, so würde er im Jahre 1179 dem Könige Balduin schwerlich einen Waffenstillstand bewilligt haben. Aber auch diese ruhige Zeit benutzten die Christen nicht auf gebührende Weise, und insbesondere wurden die Familienverhältnisse der Herrschenden, welche ein verknüpfendes Band darbieten sollten, die Quelle schwächender Streitigkeiten. So verstieß Boemund III von Antiochien seine Gemahlinn Theodora ohne Grund, und wurde dafür von den Geistlichen gebannt; der wilde Rainald von Chatillon heirathete nach dem Tode seiner Gemahlinn Konstanze, die Wittwe des Kronfeldherren Humfried von Torono, und dessen unfähiger Sohn erhielt durch König Balduin die Hand seiner jüngeren Schwester Isabelle. Noch weit folgenreicher ward ein zweiter Mißgriff. Man hatte sehr richtig eingesehn daß Sibylle, die ältere Schwester und Erbinn des Reiches, nothwendig an einen sehr mächtigen Mann müsse verheirathet werden, und in dieser Beziehung Unterhandlungen mit dem Herzoge Heinrich von Burgund angeknüpft. Weil dieser aber zögerte und der kränkliche König bange ward, ganz in die Abhängigkeit Raimunds von Tripolis und Rainalds von Chatillon zu gerathen, willigte er übereilt in die Vermählung Sibyllens mit dem Grafen Guido von Lusignan. Weder Geburt, noch Macht, noch Reichthum, noch Verstand gaben diesem Anspruch auf eine solche Begünstigung; nur körperliche Schönheit hatte ihn seiner Gemahlinn empfohlenGuido fortuna et scientia inferior. Histor. brevis 1350. Wilh. Tyr. 1017. Frider. exped. asiatica 500. Orto S. Blas. c. 29. Guidos Stammbaum bei Alberic. 411. Nach Bened. Petrob. 443 beschlief Guido Sibyllen, und nun mußte der König, obwohl sehr ungern, einwilligen..
Hieran reihte sich neuer Streit zwischen der königlichen Familie und dem, auf manche Weise beleidigten und zurückgesetzten, Grafen von Tripolis; und Raubzüge Rainalds von Chatillon störten den Frieden mit Saladin. 372 {1181 bis 1183} Dieser war für jetzt zwar außer Stande eine überlegene Macht nach Syrien zu senden: aber in den Jahren 1181 bis 1183Um 1182 vereinigten sich die Maroniten, welche zwischen Byblus und dem Libanon wohnten, mit der römischen Kirche; aber obgleich ihnen Innocenz III auf der lateranischen Kirchenversammlung formam ecclesiasticam officiorum etc. gab, war ihre Bereinigung doch nicht allgemein und dauernd. Wilh. Tyr. 1024. Alberic. zu 1234. Pagi zu 1182, c. 10. Sanut. 183. bezwang er nach Ismaels Tode Aleppo, alle übrigen Verwandten Nureddins, und eroberte Karra, Edessa, Nisibis, ja fast ganz Mesopotamien. Da erkannten die christlichen Fürsten, welches Ungewitter in verdoppeltem Maaße über sie hereinzubrechen droheWir haben, um die Verhältnisse unsers Werkes nicht zu verletzen, alles einzelne übergehen müssen und verweisen auf Wilken.. Alle waren damals in so große Armuth versunken, daß man im Jahre 1183 eine allgemeine Vermögensteuer ausschrieb, von welcher weder Stand, noch Volk, noch Geschlecht eine Ausnahme begründete; und zu derselben Zeit segelte der Patriarch Heraklius mit den Großmeistern der Ritterorden nach dem Abendlande. {1184 bis 1185} Papst Lucius gab ihnen dringende Empfehlungen an die christlichen KönigeSchon Papst Alexander III erließ 1181 dringende Aufforderungen zum Beistande der morgenländischen Christen. Bened. Petrob. 356., und auf einer großen Versammlung in Paris1184 kamen die Gesandten nach Frankreich, Anfangs Februar 1185 nach England. Der Großmeister der Templer Arnold von Toroge starb schon in Verona. Guil. Neubr. zu 1184, III, 12. Guil. Nang. chr. Hist. des Templiers I, 139. Girald. Cambr. 135. stellten sie die Bedrängnisse der morgenländischen Christen lebhaft dar und legten dem Könige die Schlüssel Jerusalems und des heiligen Grabes zu Füßen: allein weder Philipp August noch Kaiser Friedrich waren in diesem Augenblicke geneigt sich an die Spitze eines neuen Kreuzzuges zu stellen, und die aus 373 {1185} Mitleiden bewilligte Geldunterstützung genügte so wenig als die freiwilligen Gelübde einzelner Pilger. Gleich dringend erneuten die Gesandten ihre Anforderungen in England: aber den Räthen Heinrichs II schien es angemessener, daß er sein Reich regiere, als daß er im Morgenlande nützlich zu werden suche. Deshalb lehnte der König, – mit Bezug auf die Gefahr, welche ihm von Frankreich und von seinen eigenen Söhnen drohe –, den Antrag ab, bot aber den Gesandten Unterstützung an Gelde. Zornig erwiederte der Patriarch: »Geld schickt uns das ganze Abendland, was hilft dies ohne einen Anführer? Uns wäre ein Mann lieber der Geldes bedürfte, als Geld ohne einen MannVirum petimus qui pecunia indiget, non pecuniam qua vir eget. Doch giebt dies auch noch einen andern, obgleich ähnlichen Sinn. Bronton zu 1185. Rigordus 14. Radulph. a Diceto imagines 625. Hemingford II, 33. Sie brachten dem Kaiser dona plurima et poma aurea, musco impleta. Godofr. mon. zu 1184. Concil. XIII, 641..« Dennoch beharrte König Heinrich auf seinem Entschlusse und sagte: »die morgenländischen Fürsten suchen bei diesen Einladungen mehr ihren, als unsern Vortheil!«
Seit der Abreise des Patriarchen hatte leider des Königes Krankheit, obgleich sein Geist ungeschwächt blieb, immer mehr überhand genommen und ihn zuletzt des Gebrauchs nicht bloß der Hände und Füße, sondern selbst des Gesichtes beraubt. Bei diesen Umständen suchte und erhielt Guido Graf von Lusignan die Städte Askalon und Joppe und die Würde eines Reichsverwesers; {1183} Balduin begnügte sich mit Jerusalem und einer jährlichen Einnahme von 10,000 Goldstücken. Als er aber zu gleicher Zeit den Grafen öffentlich schwören ließ: »er wolle weder bei dem Leben des Königes nach der Krone trachten, noch irgend etwas von dem Reichsgute an andere übertragen oder veräußern;« so sahen sich viele, die nur aus Eigennutz für Guido gewirkt und gestimmt hatten, unerwartet in ihren 374 {1183} Hoffnungen getäuscht und die Ansicht der Klügeren gewann die Oberhand: daß der Graf seine eigenen Kräfte verkennend eine Last übernommen habe, welche zunächst ihn erdrücken und mit Schande bedecken, dann aber auch das Reich ins Verderben stürzen werde.
Saladin mochte ebenfalls nur eine geringe Meinung von Guido hegenWil. Tyr. 1037. Bohadin 54.: denn kaum hatte dieser die Verwaltung angetreten, als der Sultan mit seiner gewöhnlichen Schnelligkeit über den Jordan ging, Scythopolis einnahm und das Land zwischen Jezrael und dem Berge Thabor besetzte. Das christliche Heer, welches ihm von Dio-Cäsarea bis Nazareth entgegenrückte, zählte 1300 Reiter und 15,000 Fußgänger und ward angeführt von Guido von Lusignan, Raimund von Tripolis und Rainald von Chatillon. Anstatt aber muthig anzugreifen, standen die Christen acht Tage im Lager still und geriethen in den größten Mangel, theils weil die Feinde alle Lebensmittel auffingen, theils weil Pisaner, Genueser und Venetianer ohne Vorräthe vom Meere herbeieilten, um noch vor ihrer nahen Abfahrt gegen die Türken zu fechten. Die Ursachen jener Zögerung wurden aber später, nach Maaßgabe der eigenen Neigung und Ansicht, verschieden angegeben. Einige sagten: »Saladins Stellung war unangreifbar, und er hätte uns bei weiterem Vorrücken mit seiner leichten Reiterei ganz eingeschlossen.« Andere behaupteten: »Guido mußte die Schlacht vermeiden, weil die Fürsten, über seine Gewalt eifersüchtig, ihn verlassen und in Schande stürzen wollten.« Noch andere bemerkten endlich: »nur aus Unverstand und Feigheit habe Guido die Gelegenheit zu siegen aus den Händen gelassen.« Diese letzte Meinung erhielt doppeltes Gewicht, als Saladin, – weil auch ihm die Lebensmittel ausgingen und die Stellung seiner Gegner zu günstig erschien – keine Schlacht wagte, sondern im Oktober 1183 hinwegzog.
375 {1183} Die Christen gingen hierauf nach Dio-Cäsarea zurück und hofften von diesem Mittelpunkte ihrer Besitzungen aus, jedem Angriffe am besten begegnen zu können; Rainald von Chatillon hingegen wandte sich nach Krach, um die Hochzeit seines Stiefsohnes Humfried von Torono mit Isabelle der jüngeren Tochter des Königs, zu feiern. Bald aber verwandelte sich die Freude dieses Festes in große Noth: denn plötzlich erschien Saladins übermächtiges Heer und erstürmte die Stadt. In ängstlicher Verwirrung flohen die Bewohner, die Gäste, die Sänger, die Musiker zu der, auf einer Anhöhe liegenden Burg: allein auch diese wäre eingenommen worden und keiner entkommen, wenn nicht Ritter Iwain mit heldenmüthiger Tapferkeit eine Brücke so lange gegen die Türken vertheidigt hätte, bis jene sich retten und die Brücke abbrechen konnten. Mit großem Eifer betrieb Saladin die Belagerung einen Monat lang, und erst als Botschaft eintraf, das christliche Heer nahe zum Entsatze und habe schon Segor erreicht, zog er sich, das Land verwüstend, nach Damaskus zurück und wandte seine Thätigkeit gegen die Beherrscher von MosulAbulfeda erzählt diesen Zug Saladins gegen Krach zum Sommer 1184. Vergl. Bohad. 55. Wilh. Tyr. 1041. Wilken III, 2, 235..
Unterdeß hatten sich die Klagen über die Unfähigkeit und das Benehmen des Grafen Guido täglich gemehrt und bei dem Könige um so leichter Eingang gefunden, da jener ihm keineswegs das wohlbefestigte Tyrus für Jerusalem einräumen wollte. Nicht bloß die Regentschaft (behaupteten Raimund von Tripolis, Boemund von Antiochien, Rainald von Sidon, Balduin von Rama u. m. a.) müsse dem Grafen genommen, sondern auch die Aussicht auf die Nachfolge dadurch entrissen werden, daß man Balduin V, den Sohn Sibyllens von ihrem ersten Gemahle, wie es das Erbrecht gebiete, öffentlich als Thronfolger anerkenne. Und so geschah es: der Graf verlor am 20sten November 376 1183 die Regentschaft und Balduin V ward in Jerusalem gesalbt und gekrönt. Von allen Fürsten war allein Guido (obgleich des jungen Königes Stiefvater) zu dieser Feierlichkeit und zur Huldigung nicht berufen worden; er schwieg indessen, entweder aus Mangel an Kraft, oder weil selbst seine Gemahlinn bei jener Erhebung ihres Sohnes zu gewinnen hoffte, oder weil beide darauf rechneten, daß ihnen dereinst doch die Vormundschaft zufallen müsse. Die Gegner Guidos blieben aber nicht auf halbem Wege stehn, sondern äußerten: »allerdings sey die Entfernung des Grafen von den Geschäften ein Gewinn; wie aber könne man darin wahre Hülfe sehn, daß dem, durch Krankheit erschöpften Könige ein Kind mit dem Königstitel zur Seite gesetzt werde? Das Reich bedürfe eines Mannes zur Leitung der öffentlichen Angelegenheiten, und der Graf von Tripolis habe darauf das erste und nächste RechtWilh. Tyr. 1183..« {1184} König Balduin überließ diesem itzt alles das, was er weder verweigern konnte noch mochte und ging damit um, unter seinem Beistande, die Ehe Sibyllens und des Grafen Guido zu trennen. Beide retteten sich aber vor der bereits angeordneten geistlichen Untersuchung nach Askalon, entschuldigten auf ergangene Vorladung ihr Außenbleiben mit Krankheit und verschlossen dem Könige die Thore, als er persönlich seine Absichten durchsetzen wollte. Joppe dagegen nahm den Statthalter Balduins willig auf, und aller Bemühungen der Johanniter und Templer ungeachtet, kam es zwischen dem Könige und seinem Schwager zu offenem Kriege. {1185} Jeder nahm Partei, so wie ihn Überzeugung oder Eigennutz leitete, und ungewiß war der Ausgang. Da erlag endlich Balduin IV seinen vieljährigen Leiden und starb am 16ten März 1185. 377