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Tiefer Wald. Rechts vorne die Köhlerhütte. Eine Tür, neben dieser ein Fenster, auf dem Dache ein praktikables Bodenfenster. Dieser Hütte gegenüber ein großer Eichbaum. Hinter diesem ein Gebüsch. Im Hintergrunde ein kleiner Wasserfall. Es ist spät am Abend.
Rappelkopf mit einem Wasserkrug aus der Hütte. Er hat eine berußte Schlafmütze des Köhlers und einen runden Bauernhut auf dem Kopfe und eine Jacke von ihm an.
Rappelkopf.
So! – Der Timon ist fertig, nun fehlt nur noch sein Kompagnon, der Esel – und wenn ich der auch jetzt nicht bin, so war ichs doch – ich war zu gut, das ist mein größter Fehler. Die Leute wollen es nicht. Es gibt manche Menschen, wenn ihnen einer begegnet, der ihnen noch so viele Wohltaten erwiesen hat, so sagen s' höchstens zu einander: Oh, das ist ein guter Kerl, der tut kein Menschen was, der ist froh, wenn man ihm nichts tut. (Gleichgültig grüßend.) Servus! Servus! Lassen wir ihn leben. Wenn aber einer kommt, von dem sie glauben, daß er ihnen schaden könnt, da stoßen s' einander: Oh! das ist ein böser Kerl, vor dem muß man sich in acht nehmen. (Freundliches tiefes Kompliment.) Tänigster Diener! Tänigster Diener! hab ich die Ehr, mein Kompliment zu machen. Wann der anfangt, der kanns. Gleich wieder: Tänigster Diener! Oh, es wird mich noch zum Wahnsinn bringen. In meinem Haus bin ich nicht sicher mehr, mein Weib will mich ermorden lassen. Habt ihrs gehört, ihr verfolgten Stämme dieses edlen Waldes, die der Mensch gar zu zweifachem Tod bestimmt, weil euch die Axt erst fällt und man euch dann noch hinterdrein verbrennt? Habt ihrs gehört? Mein Weib will mich ermorden lassen! Ist denn der Wald so echolos, daß ich der einzge bin, der diese Schandtat ausposaunt?
(Geräusch in den Blättern.)
Ha! wer rührt sich da? ist es ein Mensch, so soll er hervorkommen, damit ich meinen ganzen Vorrat von Impertinenzen in sein Antlitz werfen kann. Heraus da, wer ist hier? Qui vive?
Ein Stier (streckt aus dem Gebüsche, hinter dem er gefressen, seinen Hals gegen Rappelkopf und brüllt sehr stark.)
Ohn! (Man sieht ihn jedoch nur bis an die Brust, der Unterleib ist durch das Gebüsch verdeckt.)
Rappelkopf (verblüfft).
Diese Antwort hab ich nicht erwartet. (Reißt einen Baumast ab und jagt den Stier fort.) Gehst hinaus! Eine solche Gesellschaft möcht ich mir noch ausbitten.
Voriger. Astragalus tritt hervor.
Astragalus.
Du verdienst keine bessere. Warum verfolgst du diesen Sohn meiner Herde?
Rappelkopf.
Gib der Herr auf seine Kinder besser acht. Hier ist mein Territorium, und da leid ich weder etwas Vierfüßiges noch etwas Zweifüßiges. Also weiter, Vater und Sohn!
Astragalus.
Du irrest, wenn du wähnst, daß du auf eignem Boden herrschest. Mein ist das Tal, in dem die Alpe wurzelt. Drum frag ich dich, wie du es wagst, schamlose Flüche auszuhauchen hier, daß sie wie giftger Reif an diesen Blättern hangen, und eine Welt zu schmähn, in der du Wurm, aus Schlamm gezeugt, in eines Waldes dunklem Busen dich verkriechst, weil du den Strahl des heitren Lebens fürchtest?
Rappelkopf.
Was kümmerts dich? (Beiseite.) Der Kerl sieht aus, als wenn er von Gußeisen wär. Dem geh ich gar keine Antwort, den laß ich stehen. (Will in die Hütte.)
Astragalus (zielt auf ihn).
Halt an! Gib Leben oder Worte!
Rappelkopf.
Was ist das für eine Art, auf einen Menschen zu schießen?
Astragalus.
Du bist kein Mensch.
Rappelkopf.
Nicht? Das ist das Neuste, was ich höre.
Astragalus.
Du hast dich ausgeschlossen aus der Menschen Kreis. Gib Losung, ob du es noch bist. Bist du gesellig wie der Mensch? Du bist es nicht. Hast du Gefühl? Du fühlst nur Haß. Hast du Vernunft? Ich finde keine Spur.
Rappelkopf.
Impertinent!
Astragalus.
Drum sprich, zu welcher Gattung ich dich zählen soll, der du des Tieres unbarmherzge Roheit mit dem milden Ansehn und der Sprache eines Menschen paarst.
Rappelkopf.
Ah, das ist eine gute Geschichte, der führt einen logischen Beweis, daß ich ein Tier bin und noch dazu eins von der neuesten Gattung.
Astragalus.
Was hast du zu erwidern mir?
Rappelkopf (beiseite).
Ich wollt ihm schon etwas erwidern, wenn er keine Flinten hätte.
Astragalus.
Antwort gib, ob du in meine Jagdbarkeit gehörst und meiner Kugel bist verwandt?
Rappelkopf (beiseite).
Jetzt muß ich vor dem eine Rechenschaft ablegen, und ich möcht ihn lieber massakrieren. (Laut.) Die Flinte weg. Ich bin ein Mensch, und das ein besserer, als ich sein hätt sollen.
Astragalus.
Und warum hassest du die Welt?
Rappelkopf.
Weil ich hab blinde Mäusl gespielt mit ihr, die Treue hab erhaschen wollen und den Betrug erwischt, der mir die Binde von den Augen nahm.
Astragalus.
Dann mußt du auch dem Wald entfliehen, weil er mißgestalte Bäume hegt, die Erde meiden, weil sie giftge Kräuter zeugt, des Himmels Blau bezweifeln, weil es Wolken oft verhüllen, wenn du den Teil willst für das Ganze nehmen.
Rappelkopf.
Was nützt das Ganze mich, wenn mich ein jeder Teil sekkiert. Ich bin in meinem eignen Haus des Lebens nicht mehr sicher.
Astragalus.
Machs mit dem Mißtraun aus, das dich belogen hat.
Rappelkopf.
Mich haßt mein Weib, mich flieht mein Kind, mich richten meine Dienstleut aus.
Astragalus.
Weil dein Betragen jeden tief erbittert, weil du den Haß verdienst, den man dir zollt.
Rappelkopf.
Das ist nicht wahr, ich bin ein Mensch, so süß wie Zuckerkandel ist. Nur mir wird jede Lust verbittert, und ich trage keine Schuld.
Astragalus.
Die größte, denn du kennst dich selber nicht.
Rappelkopf.
Das ist nicht wahr. Ich bin der Herr von Rappelkopf.
(Es fängt an, Nacht zu werden.)
Astragalus.
Das ist auch alles, was du von dir weißt. Doch daß du störrisch, wild, mißtrauisch bis zum Ekel bist, vom Starrsinn angetrieben, hin bis an der niedern Bosheit Grenze, und wie die üblen Eigenschaften alle heißen, die du für Vorzug deines Herzens hältst, das ist dir unbekannt, nicht wahr?
(Der Mond geht auf.)
Rappelkopf.
Mir ist nur eins bekannt, daß du ein Lügner bist, der eine Menge Fehler mir andichtet, die ich doch nicht hab.
Astragalus.
So geh die Wette ein, daß du weit mehr noch hast. Ich führe den Beweis, wenn du dich meiner Macht vertraust und mir gelobst, daß du dich ändern willst.
Rappelkopf.
Das hätt ich lang getan, wenn ich das gefunden hätte. Ich vertrau mich keinem Menschen an, Betrug ist das Panier der Welt.
Astragalus.
Glaubst du, die Welt sei darum nur erschaffen, damit du deinen Geifer auf ihr Wappen speien kannst? Die Menschheit hinge nur von deinen Launen ab? Dir dürften andre nur, du andern nicht genügen? Bist du denn wahnsinnig, du übermütger Wurm?
Rappelkopf.
Sapperment, nicht lang per Wurm, das Ding fangt mich zu wurmen an. Ich gib nicht nach, du bankrottierter Philosoph! Ich bin zu gut, und du zu schlecht, als daß ich länger mit dir red. Drum fort mit dir, der Mond geht auf, und du gehst ab, und künftighin werd ich in meiner Hütten mich verschanzen und herunterstukatieren, wenn sich eins sehen läßt.
Astragalus.
So willst du nicht die Hand zur Beßrung bieten?
Rappelkopf.
Ich biete nichts, und wenn mir's Wasser bis an Hals auch geht.
Astragalus.
Wohlan! So laß uns den Versuch beginnen.
Weil nicht Vernunft kann dein Gemüt gewinnen,
Soll Geistermacht zu deinem Glück dich zwingen,
Und mit dem Alpenkönig wirst du ringen.
Vermeid dies Haus! Sonst tritt auf allen Wegen
Vergangenheit dir leichenblaß entgegen.
Und willst du Elemente Brüder nennen,
Lern ihre Wut und ihre Schrecken kennen.
Der Blitz soll deines Hauses Dach umarmen,
Dann kann dein Herz an Freundesbrust erwarmen.
Weil du die Luft willst statt der Gattin küssen,
Soll dich des Sturmes Angstgeheul begrüßen.
Der Boden soll dich Halbmensch nimmer tragen,
Dann magst du über Erdenundank klagen.
Und daß du mit den Wellen dich kannst streiten,
Will ich die Flut dir bis zur Kehle leiten.
So soll dich Feuer, Wasser, Luft und Erd betrügen.
Dann wähl, ob du dich willst in meinen Vorschlag fügen.
Und wirst du liebend nicht dein Herz zur Menschheit wenden,
So sollst du wildes Tier in Waldesnacht hier enden!
(Rasch ab.)
Rappelkopf (allein).
Das ist ein schrecklicher Kerl. Und ich tu doch, was ich will. Just! Du sollst mich nicht um meinen Schlaf heut bringen. Gute Nacht, Freund Wald, ihr Eicheln, lebet wohl, zum Frühstück finden wir uns wieder.
(Will gegen das Haus. Beim Öffnen der Tür sitzt Victorinens Geist auf einem Stuhl. Sie ist in blaue Schleier gehüllt und sieht gespensterartig aus. Ihr Gesicht ist bleich und die ganze Gestalt von einem grünen Schirm beleuchtet. Sie spricht mit halblauter Stimme.)
Victorinens Geist.
Wo bleibst du denn so lang, du liederlicher Mann?
Und kommst so spät erst in der Nacht nach Haus.
Gehst gleich herein, mir wird schon angst allein,
Sonst rauf ich alle Haar dir aus.
Rappelkopf.
Himmel! das ist mein erstes Weib, die erkenn ich, weil sie die Herrschaft noch im Grab behauptet. Da bringt mich niemand bei der Tür hinein. Die hat den Satan in den Leib. Wenn nur das Fenster offen wär! (Es donnert.) Jetzt fangts zum donnern an. (Am Fenster zeigt sich, ebenso wie Victorinens, Wallburgas Geist und sieht heraus.) Wer schaut denn da heraus?
Wallburgas Geist (mit hohler Stimme).
Ich bins, du falscher Mann, du Ungetreuer du!
Warum hast du nach mir jetzt schon das zweite Weib?
Und ich hab dich so lieb, hab selbst im Grab kein Ruh,
Ich schau kein andern an, kann ohne dich nicht leben.
Drum komm herein, ich muß dir Küsse geben.
Rappelkopf (erschrickt).
Entsetzlich! Schaudervolle Nacht, zeigst du mir auch die zweite noch, die sich durch Eifersucht verrät? Sie modert schon und will nicht leben ohne mich. Welch schreckenvolle Lag! Es rieselt kalt durch mein Gebein. (Es blitzt.) Der Donner brüllt, die Blitze leuchten fürchterlich. Könnt ich doch nur durchs Dach ins Haus! Mut! ich versuchs. (Er steigt hinauf. Währenddessen erscheint Emerentias Geist, auf dem Dach sitzend. Rappelkopf erschrickt.) Weh! Hier die dritte noch, dem Kirchhof ungetreu wie mir! (Will fort.)
Emerentias Geist.
Wo willst du hin? Du darfst nicht fort.
Du mußt den Mond mit mir betrachten.
(Der Mond verwandelt sich in ein weißumschleiertes Geisterhaupt, das aus den Wolken sieht.)
Sieh hin, das bleiche Antlitz dort,
Es ist das Bild von deiner jetzgen Frau.
Sie weint! Schau hin! Schau! Schau!
Rappelkopf.
Jetzt grinst mich auch die vierte an. O teuflisches Quartett! Mich würgt die Angst! Ha! laß mich fort! Mich wandelt Ohnmacht an. Rachsüchtge Hölle, warum hast du das getan? Ich bleib nicht da. Ich muß hinab. (Springt über das Dach.) O Himmel, sei gedankt! daß deine Erd mich wieder trägt. Doch, was beginn ich nun? (Der Sturm heult.) Der Sturm heult immer schrecklicher. Es gießt, und doch verschwinden nicht die gräßlichen Gestalten. (Regen strömt herab.) Nun platzt ein Wolkenbruch! ich rette mich auf diesen Baum, sonst reißt die Flut mich fort. (Er steigt auf den Baum. Die Weiber verschwinden, es schlagt in die Hütte ein, sie steht in hellen Flammen.) Wenn das so fortgeht, bricht die Welt in Trümmer. (Die Hütte brennt fort. Heftiger Regen, Sturmgeheul und Donner. Die Wasserflut schwillt immer höher, bis sie Rappelkopf, der sich auf den Gipfel des Baumes rettet, bis an den Mund steigt, so daß nur die Hälfte seines Hauptes mehr zu sehen ist.) Zu Hülfe, zu Hülfe! ich ersauf!
Astragalus (fährt schnell in einem goldnen Nachen bis zu seinem Haupt und spricht).
Was bist du nun zu tun gesonnen?
Rappelkopf (voll Angst).
Ich will mich bessern, ich sehs ein, weil mir das Wasser schon ins Maul 'nein lauft.
Astragalus.
So führ ich dich nach meinem Schloß.
Der Nachen verwandelt sich in zwei Steinböcke mit goldenen Hörnern. Der Baum, auf dem Rappelkopf steht, in einen schönen Wolkenwagen, in dem sich der Alpenkönig und Rappelkopf befinden. Das Wasser verschwindet. Das ganze Theater verwandelt sich in eine pittoreske Felsengegend, die Teufelsbrücke in der Schweiz vorstellend, auf welcher Kinder, als graue Alpenschützen angekleidet, Böller losfeuern, während der Wolkenwagen über die Bühne fährt. Zugleich von innen:
Chor.
Geendet ist die Geisterschlacht,
Die Sonne strahlt durch finstre Nacht.
Der Alpenkönig hat gesiegt,
Seht, wie er hin zum Ziele fliegt.