Ferdinand Raimund
Der Alpenkönig und der Menschenfeind
Ferdinand Raimund

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebenter Auftritt

Verwandlung

Zimmer auf Rappelkopfs Landgut.

Sophie. Sabine. Der Kutscher. Die sämtliche Dienerschaft.

Chor.
Euer Gnaden sind so gütig,
Doch wir haltens nimmer aus.
Unser Herr ist gar zu wütig,
Und das treibt uns aus dem Haus.
Niemand kann bei ihm bestehn,
Und wir wollen alle gehn.

Sopie.
Seid nur ruhig, liebe Leute, verseht euren Dienst, nur kurze Zeit noch, es wird sich vielleicht bald alles ändern. Geht an eure Pflicht! Wenn mein Mann herüberkäme, ich bin in Todesangst.

Kutscher.
Ei, was nutzt denn das, Euer Gnaden, er solls wissen, wir könnens nicht mehr länger aushalten mit ihm, wir tun unser Schuldigkeit, und er kann uns nicht leiden.

Sopie.
Es wird sich alles ändern, ich habe an meinen Bruder nach Venedig geschrieben, ihm meines Mannes Seelenkrankheit und ihre üblen Folgen vorgestellt, er wird vielleicht noch heute ankommen, um alles zu versuchen, seinen Menschenhaß zu heilen – oder mich von meinem armen Mann zu trennen.

Kutscher.
Na, das ist die höchste Zeit, Euer Gnaden schauen sich ja gar nimmer gleich. Drei Weiber hat er schon umbrachte er ist ja ein völliger blauer Bart.


Achter Auftritt

Vorige. Habakuk.

Sopie.
Diese gemeinen Äußerungen hören zu müssen! Habakuk, ist mein Mann auf seinem Zimmer? Ist Malchen schon zu Hause?

Habakuk.
Der gnädige Herr ist schon wieder im Gartenzimmer, er hat sich selbst seinen Schreibtisch und seinen Stuhl hinübergetragen und geht mit sieben Ellen langen Schritten auf und ab. Ich versichere Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein solcher Herr ist mir nicht vorgekommen.

Sabine (im schwäbischen Dialekt).
Nu da habe wirs, jetzt trau ich mich nicht in den Garte hinaus, er hat den Schlüssel von der Hofgartetür abgezogen. – Ich kann nicht koche –

Sopie.
Nun so geh Sie durch das Gartenzimmer.

Sabine.
Ja wer traut sich denn hinein? Wenn der Herr drinne ist? Da geh ich ja eher zu einem Leopard in die Falle. Er jagt ja alles hinaus. Wenn er in die Kuchel kommt, so wärs notwendig, ich schliefet unter den Herd.

Habakuk.
Nun ja, und da sind so schon so viel Schwaben unten.

Kutscher.
Mich kann er gar nicht leiden, ich muß mich immer unters Heu verstecken.

Habakuk.
Mich haßt er doch nur bis daher (zeigt den halben Leib). Er sagt, ich wär nur ein halbeter Mensch.

Sopie.
Aber er beschenkt euch ja so oft.

Sabine.
Ja aber wie? Er tut einem dabei alle Grobheiten an und wirft einem das Geld vor die Füß.

Habakuk.
Oh, da ist er noch in seinem besten Humor, aber neulich nimmt er sein goldene Uhr, ich glaub, er macht mir ein Präsent, derweil wirft er mir s' an den Kopf. (Hochdeutsch.) Ja, das sind halt Berührungen, in die man nicht gern mit seiner Herrschaft kommt, ich war zwei Jahr in Paris, aber das hab ich nicht erlebt. Zu was brauch ich zwei Uhren, ich hab meine Uhr im Kopf, aber am Kopf brauch ich keine.

Sabine.
Kurz, in dem Haus ist nichts zu mache, wenn man nicht einmal in den Garten kann –

Habakuk.
Wie soll man denn da auf ein grünes Zweig kommen!

Alle.
Kurzum, wir wollen alle fort.

Sopie.
Also wollt ihr eure Frau, die euch immer so menschenfreundlich gewogen war, so plötzlich verlassen, da ihr doch seht, daß sowohl ich als meine Tochter eine gleiche Behandlung zu erdulden haben? Ich kann euch nicht fortlassen, weil zwischen heut und morgen mein Bruder ankömmt, der vieles über meinen Mann vermag. So lange müßt ihr die Launen eures Herrn noch ertragen.

Alle.
Es geht nicht, Euer Gnaden, es ist nicht zum existieren.

Sopie.
Nun, so nehmt dieses kleine Geschenk (sie gibt jedem einige Silberstücke) und stärkt eure Geduld damit, vielleicht geht es doch.

Alle.
Ach! Wir küssen die Hand, Euer Gnaden.

Kutscher.
Wir werden halt sehen, ob wir auskommen können mit ihm.

Habakuk.
Solang wir mit dem Geld auskommen, kommen wir schon mit ihm auch aus.

Sabine.
Und wisse Euer Gnade, er wär nicht gar so übel, der gnädge Herr –

Kutscher.
Ach gar nicht – wenn er nur anders wär.

Habakuk.
Freilich, das ist der einzige Umstand.

Sopie.
Doch jetzt geht beruhigt an eure Geschäfte.

Alle.
Gleich, gnädige Frau. (Ab.)

Kutscher.
Euer Gnaden sind halt eine gscheide Frau. Ich sag immer, Euer Gnaden sind einmal ein Kutscher gwesen, weil Euer Gnaden so gut wissen, daß man einen Wagen schmieren muß, wann er fahren soll. (Lacht dumm und geht ab.)

Sabine (küßt ihr die Hand).
Das ist wahr, Euer Gnaden sind eine Frau, die man in der ganzen Welt suche darf. (Ab.)

Habakuk.
Ich versichere Euer Gnaden, ich war zwei Jahr in Paris, aber ein Herz, wie Euer Gnaden zu haben belieben, das ist wirklich, wie man auf französisch sagt, nouveau!


Neunter Auftritt

Lischen. Vorige.

Sopie.
Nun endlich seid ihr zurück. Wo ist Malchen? Ist August angekommen? Haben sie sich getroffen?

Lischen.
Von allen dem weiß ich keine Silbe, gnädige Frau, ich weiß gar nichts, als daß der Mädchen verfolgende Alpenkönig eine Jagd gegeben hat, daß mich an dem Ort des Rendezvous eine Angst befallen hat und daß ich über Hals und Kopf zurückgelaufen bin.

Sopie.
Und Malchen?

Lischen.
Wollte ihren Liebhaber erwarten und war nicht zu bewegen, mit zurückzugehen.

Sopie.
Aber wie kann Sie sich unterstehen, meine Tochter allein zu lassen? Sie leichtsinnige Person, der ich mein Kind anvertraut habe! Ich muß nur gleich Leute hinaussenden. Wenn ihr ein Unglück widerführe! O Himmel, was bin ich für ein gequältes Geschöpf!

Lischen.
Aber gnädge Frau –

Sopie.
Geh Sie mir aus den Augen. (Eilig ab.)


Zehnter Auftritt

Lischen. Habakuk.

Lischen (äußerst zornig).
Nein, das ist nicht zum Aushalten, das Haus ist ja eine wahre Folterbank. Wie man nur die Dienstleute so herabsetzen kann?

Habakuk.
Es ist aber auch ein Volk. Ich bin ein Bedienter, aber wenn ich mein eigner Herr wär, ich jaget mich selber fort.

Lischen.
Mich eine Person zu heißen!

Habakuk.
Solche Personalitäten!

Lischen.
Halt Er Sein Maul! Wenn ich nur diesen langweiligen Menschen nicht mehr vor mir sehen dürfte!

Habakuk.
Ich bin kein Menschenfeind, aber ich habe einen Stubenmädelhaß. Was mir diese Person zuwider ist, bloß weil sies nicht glauben will, daß ich in Paris gewesen bin. (Boshaft.) Gschieht Ihr schon recht, Mamsell Liserl!

Lischen.
O Er erbärmlicher Wicht! Er verdient gar nicht, daß sich ein Stubenmädchen von meiner Qualität mit Ihm unter einem Dache befindet.

Habakuk.
Oh, prahlen Sie nicht so mit Ihrer Stubenmädelschaft, Sie haben auch die Stubenmädlerei nicht erfunden. Ich versichere Sie, ich war zwei Jahr in Paris, da gibt es Stubenmädel – wenn man die ins Deutsche übersetzen könnt, das gäbet eine Stubenmädliade, wo sich die ganze hiesige Kammerjungferschaft verstecken müßt. Und Sie schon gar, meine liebe Exkammerjungfer.

Lischen.
Er zwei Jahre in Paris gewesener Einfaltspinsel, Er kommt mir gerade recht, wenn Er sich noch einmal untersteht, seine unverschämte Zunge zu meinem Nachteil zu bewegen, so werd ich Seinen Backen einen Krieg erklären und Ihm den auffallendsten Beweis liefern, auf was für eine kräftige Art ein deutsches Kammermädchen die Ehre ihres Standes zu rächen weiß. (Gibt ihm eine Ohrfeige und geht schnell ab.)

Habakuk (hält sich die Wange).
Nein, was man in dem Haus alles erlebt – ich war zwei Jahre in Paris, aber so etwas ist mir nicht vors Gesicht gekommen. (Geht ab, indem er sich den Backen hält.)


 << zurück weiter >>