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August im einfachen Reiseanzug, eine Mappe unter dem Arme.
August.
Von dem meerumwogten Strande,
Aus dem wunderholden Lande,
Wo die goldnen Ährenfelder
Wechseln mit Orangenwälder,
Wo die stolzen Apenninen
Über alte Größe sinnen,
Wo die Kunst mit Geisteswaffen
Das Vollendetste erschaffen,
Wo die ungeheuren Reste
Der zerfallenen Paläste
An die Kraft der Zeit uns mahnen
Und wir bebend Hohes ahnen:
Aus dem Tempel der Natur
Kehr ich heim zur stillen Flur.
Denn im biedern Vaterlande
Ketten mich die teuern Bande
Zarter Liebe, fester Treue,
Und der Riesenbilder Reihe,
Die wie Träume mich umwehen,
Schließt ein frohes Wiedersehen.
Seid mir gegrüßt, ihr heimatlichen Berge! O Erinnerung, wie nah trittst du an mich und reichst mir einen schönen Kranz, geflochten aus vergangnen Freuden. Und doch muß ich bei all dem Schönen hier das Schönste noch vermissen, bei all dem Lieben fehlt mein Liebstes mir. Wo bist du, teures Malchen? Warum erwartest du mich nicht? Sollte sie meinen Brief nicht empfangen haben? Ist sie krank? Vielleicht kann sie so früh vom Haus nicht fort. Sie kömmt gewiß. Ich will indes die Gegend zeichnen hier, die sie so liebt, und zum Geschenk ihrs bieten, wenn sie naht. (Er setzt sich auf den Baumstamm und zeichnet.) Wie herrlich dort die Alpe glänzt im Sonnenstrahl, die heitre Luft, und hier – der dunkle Fels, der üppge Rosenstrauch – nur eins gefällt mir nicht, die bleichen Rosen machen sich nicht gut, ich wüßte schönere, die auf ihren Wangen blühn. Wär nur Malchen hier, sie sagte mir gewiß, was ich für Farben wählen soll.
Malchen (öffnet mit beiden Händen den Rosenstrauch und blickt liebevoll hervor, so daß sie mit halbem Leibe sichtbar ist und sagt zärtlich).
Laß sie blau sein wie Beständigkeit.
August (höchst entzückt).
Amalie!
(Sie stürzen sich in die Arme.)
Malchen.
August, lieber August!
Astragalus (erscheint auf dem Fels im Vordergrunde und ruft).
Heisa he! da gehts ja lustig zu im Alpentale. (Er stützt sich auf sein Gewehr und behorcht das folgende Gespräch.)
August.
Liebes, schönes, gutes Malchen – (plötzlich scherzhaft) böses Malchen, warum hast du mich auch nur einen Augenblick geneckt?
Malchen.
Sei nicht böse, lieber August!
August.
Dafür räch ich mich durch diesen Kuß. (Küßt sie.)
Malchen.
O du rachsüchtiger Mensch!
August (sanft).
Bist du ungehalten darüber?
Malchen (unschuldig).
Gott bewahre, räche dich nur. Böse Leute sagen, die Rache sei süß, und auf diese Weise möcht ich es beinahe glauben.
August.
Gutes Malchen! Wie glücklich fühl ich mich, dich wieder zu sehen, nichts soll uns trennen als der Tod
Malchen.
Und mein Vater, August, der ist noch weit über den Tod. Wenn der gute Vater nur nicht gar so böse auf mich wäre!
August.
Sorge nicht, Malchen, wenn er die Fortschritte meiner Kunst erfahren wird, wenn er sich von der Beständigkeit meiner Liebe überzeugt, so kann uns seine Einwilligung nicht entgehen. Ich will noch heute zu ihm.
Malchen.
Ach, das ist vergebens. Mein Vater spricht niemand außer seiner Familie, nur selten die Dienerschaft. Er ist zum Menschenfeind geworden.
August.
Unmöglich, und du rühmtest mir sein Herz, seine Rechtlichkeit.
Malchen.
Er besitzt beides. Doch du weißt, daß mein Vater, als er in der Stadt noch den ausgebreiteten Buchhandel hatte, um große Summen betrogen wurde, die er aus Gutmütigkeit an falsche Freunde verlieh. Undank und Niederträchtigkeit brachten ihn zu dem Entschluß, seinen Buchhandel aufzugeben, die Stadt zu fliehen und sich auf seinem gegenwärtigen Landsitz vor der Zudringlichkeit ähnlicher Menschen zu verbergen. Hier liest er nun unaufhörlich philosophische Bücher, die ihm den Kopf verrücken. Sein Mißtrauen hat keine Grenzen. Er hat die unglückliche Weise, gegen jeden Menschen so aufzufahren, daß er die gleichgültigsten Dinge mit einer Art von Wut verlangt. Niemand, selbst die Mutter, kann um ihn weilen. Alles flieht und fürchtet ihn, und darum hat er jeden im Verdacht der Untreue und gönnt doch keinem eine Verteidigung. Sein Menschenhaß steigt mit jedem Tage, und wir fürchten für sein Leben. Wie gerne würden wir alles dafür tun, ihn von unserer Liebe zu überzeugen; doch, wer lehrt ihn den Fehler seiner unbilligen Heftigkeit einsehen und ablegen, womit er sich alles zum Feinde macht und sich der Mittel beraubt, die Menschen aus einem bessern Gesichtspunkte zu betrachten. Deinen Namen dürfen wir gar nicht aussprechen, er weiß, daß meine Mutter unsre Liebe billiget, und haßt sie darum bis in den Tod.
August.
O grausames Schicksal, warum vernichtest du all meine glücklichen Träume wieder? Also kann ich dich nie besitzen, Malchen?
Malchen.
Wenn ich nur ein Mittel wüßte, dich zu erringen! Wär ich frei wie jener Vogel, der sich so fröhlich in der blauen Luft dort wiegt, ich zöge mit dir durch die ganze Welt. Glückliches beneidenswertes Tier! Wer darf dir deine Freiheit rauben?
(Astragalus schießt den Vogel aus der Luft. Man sieht ihn aber nicht fallen. Malchen erschrickt.)
Ha!
Astragalus (immer im rauhen Tone).
Des Schützen Blei, weil du die Frage stellst.
Malchen (blickt hinauf). O August, sieh!
August.
Wer bist du, grauer Wundermann?
Astragalus.
Den Alpenkönig nennt man mich.
Malchen.
Der Alpenkönig! wehe mir! (Sinkt ohnmächtig in Augusts Arme.)
August.
Was ist dir, Malchen? Hülfe, Hülfe, steht ihr bei!
Astragalus (lachend).
Da müssen Steine sich erbarmen selbst. Hab Mitleid, Fels, und öffne schnell dein Herz! (Er stoßt mit dem Kolben des Gewehrs an den Fels. Der Fels öffnet sich, man sieht einen kleinen Wasserfall, der über Rosen sprudelt, an dem zwei Genien lauschen, sie fangen mit goldnen Muscheln Wasser aus der Quelle und besprengen Malchen damit.)
Erwache, Törin, die sich Flügel wünscht und so die Erde höhnt!
August.
Sie schlägt das Auge auf. Wie ist dir, Malchen?
Malchen.
Ach, wie kann mir sein! Ich habe den Alpenkönig erblickt. Jetzt bin ich gewiß um vierzig Jahre älter geworden. Erkennst du mich noch, August?
August.
Bist du von Sinnen? Was hast du denn?
Malchen.
Ach, Falten habe ich, lieber August, viele tausend Falten. Ich muß entsetzlich aussehen. Sieh mich nur nicht an!
August.
Was fällt dir ein! Du bist so schön, als du es immer warst.
Malchen.
Schön wär ich? Gewiß? Und hätte keine Falte, keine einzige?
August.
Gewiß nicht.
Malchen.
Ach du lieber Himmel, wie danke ich dir! Nein, eine solche Angst hab ich in meinem Leben noch nicht ausgestanden!
August.
Was war dir denn?
Malchen.
Nun, Lischen sagte mir, ein Mädchen, das den Alpenkönig sieht, würd um vierzig Jahre älter.
Astragalus (tritt vor).
So sagte sie?
Malchen.
Ach! da ist er schon wieder! (Verhüllt das Gesicht.)
Astragalus.
Seid ohne Furcht und horcht, was Alpenkönig spricht.
Schon zweimal sah ich eurer Herzen Brand
Wie Morgenrot auf Lilienschnee erglühen
Und Tränen, edler Sehnsucht nur verwandt,
Leidkündend über eure Wangen ziehen.
Und weil mich dies so inniglich erfreut,
Daß ihr so seltsam treu noch denket,
Hab ich euch meine Fürstengunst geweiht
Und eure Lieb mit meinem Schutz beschenket.
(Zu Malchen.)
Ich weiß um deines Vaters Menschenhaß,
Hab ihn belauscht, wenn er den Wald durchrannte
Mit Ebersgrimm, auf Bergesgipfel saß
Und seinen Fluch nach allen Winden sandte.
Doch laßt darum den treuen Mut nicht sinken.
Erkennen wird mit seinem Wahnsinn rechten.
Die Sterne werden bald zur Brautnacht winken,
(zu Malchen)
Und Alpenkönig wird den Kranz dir flechten. (Ab.)
August. Malchen.
Malchen.
Hast dus gehört, August, ists ein Traum, wir sollen glücklich werden?
August.
Wir wollen seinem Worte glauben. Und obwohl ich seine Existenz für ein Märchen hielt, muß ich sie für wahr erkennen, wenn ich nicht ungerecht gegen meine Sinne handeln will.
Malchen.
Komm, wir wollen meiner Mutter alles erzählen, ich werde schon sehen, daß du mit ihr sprechen kannst. Laß uns vertrauen auf den Alpenkönig. Er scheint nicht bös zu sein, ich hab ihm auch dreist ins Auge geblickt, und es hat mir nichts geschadet, nicht wahr, lieber August? Ich bin um gar nichts älter geworden?
August.
Nein, liebes Malchen. Seit ich dich wiedersehe, kaum um eine Stunde.
Malchen.
Um eine Stunde nur? (Ihm sanft ins Auge blickend.) Nun, eine Stunde kann ich schon verschmerzen und es war eine glückliche, denn ich habe sie mit dir verlebt.
August.
O gutes Malchen, wie beglückst du mich!
(Beide Arm in Arm ab.)