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Dritter Aufzug.

Erster Auftritt.

Nero. Burrhus.

Burrhus. Herr, Pallas wird gehorchen.

Nero. Agrippina,
Wie hat sie die Beschämung aufgenommen?

Burrhus. Nicht zweifle, Herr, daß dieser Schlag sie trifft,
In Klag' und Vorwurf sich ihr Schmerz ergießt;
Seit lang schon droht ihr Groll hervorzubrechen,
O blieb's doch nur beim nutzlos eitlen Klagen!

Nero. Glaubst du sie fähig, einen Plan zu schmieden?

Burrhus. Zu fürchten, Herr, ist Agrippina immer!
Rom und dein Heer verehren ihre Ahnen,
Germanicus, ihr Vater, stellt sich vor
Die Seele Aller; sie erkennt, was sie
Vermag. Du aber weißt, wie kühn sie ist,
Und, was noch mehr Besorgniß mir erregt,
Ist, daß du selbst in ihr den Ingrimm schürst
Und gegen dich ihr Waffen in die Hand giebst.

Nero. Ich, Burrhus? 127

Burrhus. Diese Liebe, welche dich . . . .

Nero. Ha, ich verstehe dich, mein Herz hat mehr
Darüber mir gesagt, als du vermagst
Zu sagen. Lieben muß, ich muß sie lieben.

Burrhus. Das denkst du dir; durch Widerstand gereizt
Bangt dir vor einem Uebel, das, so lang
Es im Entstehn, noch nicht gefährlich ist.
Wenn nur dein Herz, auf seiner Pflicht beharrend,
Mit seinem Feind sich nicht verständ'gen wollte!
Wärst du des Ruhms der ersten Zeit gedenk,
Octaviens, die Besseres verdiente,
Und ihrer keuschen Liebe, die bei dir
Den Stolz besiegte, miedest du vor Allen
Den Anblick Juniens und wolltest dich
Auf kurze Zeit entfernen, glaube mir:
Wie mächtig auch der Reiz, der dich beherrscht,
Man liebt nicht, Herr, wenn man nicht lieben will.

Nero. Dir glaub' ich, Burrhus, wenn im Kampfgewühl
Es gilt, zu stützen unsrer Waffen Ruhm;
Auch wenn es gilt, im ruhigen Senat
Des Reiches Schicksal zu erwägen, dann
Verlass' ich mich auf dich, den Vielerfahrnen.
Doch eine andre Wissenschaft ist Liebe,
Und deinen strengen Sinn möcht' ich nicht gern
Ins Kleinliche herunterziehn. Leb' wohl!
Von Junien fern zu sein, ertrag' ich nicht. 128

 

Zweiter Auftritt.

Burrhus (allein).
Ha, jetzt enthüllte sich des Kaisers Sinn.
Die Wildheit, die ich schon gebändigt glaubte,
Droht sich der letzten Fessel zu entled'gen,
Sie steigt vielleicht zum Aeußersten empor.
O Götter, was in solcher Noth beginnen?
Von Rom entfernt kennt Seneca, der mir
Mit seinem Rath beistehen sollte, noch
Nicht die Gefahr; doch wie, wenn ich, indem
Ich Agrippinens Zärtlichkeit erweckte? . . .
Sie kommt, mein guter Stern führt sie mir zu.

 

Dritter Auftritt.

Agrippina. Burrhus. Albina.

Agrippina. Nun wohl, mein Argwohn, Burrhus, täuschte mich,
Gar herrlich sind die Lehren, die du giebst!
Verbannt wird Pallas, dessen einziges
Verbrechen wohl darin bestand, daß er
Zur Herrschaft deinem Herrn verholfen hat.
Du weißt es ja, nie hätte Claudius,
Den er beherrschte, ohne seinen Rath
Nero an Kindesstatt erwählt. Man giebt
Zur Gattin eine Nebenbuhlerin
Ihm noch hinzu und spricht ihn frei vom Zwang
Der ehelichen Treue, würdig ist
Solch Handeln eines Lehrers, welcher, wie
Er sagt, die Schmeichler haßt, und der, bestimmt,
Des Jünglings heißen Trieb zu zügeln,
Nun selber schmeichelt und in seinem Busen
Verachtung für die Mutter und Vergessen
Der Gattin nährt. 129

Burrhus. Gebieterin, du klagst
Zu früh mich an, der Kaiser that bis jetzt
Nichts Tadelnswerthes. Pallas selber schreibe
Es zu, daß er verbannt wird; schon seit lange
Erheischt sein Uebermuth solch eine Strafe,
Und wider Willen thut der Kaiser nur,
Was längst der Hof im Stillen schon verlangte.
Das andre ist ein Unglück, aber nicht
Unheilbar. Trocknen lassen sich die Thränen
Octaviens, beruh'ge dich, du kannst
Auf sanftrem Wege schneller ihr den Gatten
Aufs Neue wiederbringen; Drohung macht
Und heft'ges Zürnen ihn nur trotziger.

Agrippina. Umsonst versucht man, mir den Mund zu schließen;
Mein Schweigen reizt, ich seh's, euch zur Verachtung,
Ich schonte allzu sehr mein eignes Werk.
Nicht jede Stütze schwand mit Pallas mir;
Der Himmel läßt, um meinen Sturz zu rächen,
Mir Macht genug; der Sohn des Claudius
Beginnt die Frevel zu empfinden, die
In meinem Busen bittre Reu' erwecken.
Ich werde, zweifle nicht daran, dem Heer
Ihn zeigen und vor allen Kriegern Klage
Ob seiner unterdrückten Kindheit führen,
Auf daß mein Beispiel sie belehre, wie
Sie ihren Irrthum sühnen. Hier ein Sohn
Des Kaisers, Anspruch machend auf die Treue,
Die seinem Haus geschworen ward, und ich
Die Tochter des Germanicus, die redet;
Dort aber wird man Aenobarbus' Sohn,
Von Seneca und Burrhus, dem Tribunen,
Gestützt, die beid' ich dem Exil entriß,
Die mir vor Augen sich die Herrschaft theilen,
Erblicken, ja man soll die Frevel alle, 130
Die uns gemeinsam sind, erfahren und
Den Weg erkennen, den ich ihn geführt.
Um sein' und eure Macht verhaßt zu machen,
Will ich das Scheußlichste, was das Gerücht
Verbreitet, anerkennen, Alles: Mord,
Verbannung, ja Vergiftung selbst gestehn.

Burrhus. Gebieterin, sie werden dir nicht glauben,
Und in dem Zeugniß derer, die sich selbst
Verklagt, nur Trug und Arglist sehn; ich aber,
Der deinen Plan zuerst begünstigte,
Der die Armee ihm Treue schwören ließ,
Bereu' den gut gemeinten Eifer nicht.
Er ist ein Sohn, der seinem Vater folgt.
Als Claudius Nero adoptirte, hat er
Die Rechte seines Sohnes und des deinen
Verschmolzen. Rom hat freie Wahl gehabt,
So hat es, ohne ungerecht zu sein,
Tiberius gewählt, den Adoptivsohn
Augusts, und von dem Rang, den er umsonst
Erstrebte, ward Agrippa ausgeschlossen,
Der doch aus seinem Blut entsprungen war.
Die Macht, die sich auf solche Stützen baut,
Du selber kannst sie heut nicht mehr erschüttern,
Und folgt er mir, wird seine Güte bald,
O hohe Frau, den Wunsch darnach dir nehmen.
Wie ich begann, will ich mein Werk vollenden.

 

Vierter Auftritt.

Agrippina. Albina.

Albina. Gebieterin, wie reißt der Schmerz zum Zorn
Dich fort. Daß es der Kaiser nie erführe! 131

Agrippina. Ha, mög' er nur sich meinen Blicken zeigen!

Albina. Birg, bei den Göttern fleh' ich, deinen Groll!
Willst du um der Geschwister willen, Fürstin,
Die Ruhe deiner Tage opfern, willst du
Cäsar in seiner Liebe selbst beschränken?

Agrippina. Siehst du denn nicht, wie sehr man mich erniedrigt?
Man giebt mir eine Nebenbuhlerin,
Zerreiß' ich nicht dies unheilsvolle Band,
Dann ist mein Platz besetzt, und ich bin Nichts.
Octavia, die ein leerer Titel ehrte,
Galt nichts am Hofe, welcher sie nicht kannte,
Allein vertheilt' ich alle Gunst und Ehre,
Und dafür ward mir jede Huldigung
Der Ehrbegierigen zu Theil. Doch jetzt
Hat eine Andre Cäsars Herz gewonnen,
Sie wird der Gattin, der Geliebten Macht
Besitzen; ach, so vieler Mühen Frucht,
Die kaiserliche Pracht, kurz Alles wird
Der Lohn für einen ihrer Blicke werden!
Noch mehr, man meidet mich, und schon verlassen . . .
Albina, den Gedanken trag' ich nicht,
Und müßte ich der Götter Schicksalsspruch
Beschleun'gen, Nero, der so undankbar,
Nero . . . . doch sieh, es naht sein Nebenbuhler.

 

Fünfter Auftritt.

Britannicus. Agrippina. Narciß. Albina.

Britannicus. Nicht unbesiegbar sind die Feinde, Fürstin,
Und unser Unglück findet Mitgefühl;
Schon haben unsre Freunde, welche sich 132
Bis jetzt verborgen hielten, während wir
Die Zeit mit eitlem Groll und Zorn verloren,
Ob solcher Ungerechtigkeit erbost,
Den Schmerz darüber dem Narciß vertraut,
Und noch ist Nero nicht der ruhige
Besitzer jener Undankbaren, die
Er liebt zu Schmach und Hohn für meine Schwester.
Wenn du noch immer deine Kränkung fühlst,
Kann man den Eidvergeßnen noch zur Pflicht
Zurückeführen; zugethan ist uns
Die Hälfte des Senates, Sylla, Piso . . .

Agrippina. Was sagst du mir, o Prinz! Des Adels Häupter?

Britannicus. Wohl seh' ich, Fürstin, daß mein Wort dich kränkt,
Daß zürnend, zitternd, unentschlossen du
Schon zu erlangen fürchtest, was du wünschtest.
Doch nein, du hast mein Unglück nur zu gut
Begründet; fürchte nicht, daß sich für mich
Ein muth'ger Freund erhebt, es blieb mir keiner,
Du hast mit allzu kluger Vorsicht sie
Seit lang bestochen und von mir entfernt.

Agrippina. Gieb deinem Argwohn nicht so vielen Raum,
Dein Heil hängt ab von unsrem Einverständniß.
Ich gab mein Wort, und das genügt, ich werde
Nichts widerrufen, wie die Feind' auch drohn.
Der schuldbewußte Nero flieht umsonst
Vor meinem Zorn, denn früher oder später
Wird er die Mutter hören müssen. Wechselnd
Werd' ich mit Zorn, mit Sanftmuth es versuchen,
Ich werde, deine Schwester mit mir führend,
Rings meine Furcht und ihr' Bekümmerniß
Verbreitend, Aller Herz für sie gewinnen.
Leb' wohl! Von allen Seiten werd' ich ihn
Bestürmen, aber du vermeid' ihn, rath' ich. 133

 

Sechster Auftritt.

Britannicus. Narciß.

Britannicus. Hast du mir nicht mit einer falschen Hoffnung
Geschmeichelt, darf ich deiner Botschaft traun,
Narciß?

Narciß. Ja, aber nicht an diesem Ort
Wag' ich, dir das Geheimniß zu enthüllen;
Laß uns hinausgehn, wen erwartest du?

Britannicus. Wen ich erwarte, ach!

Narciß. So sprich dich aus.

Britannicus. Könnt' ich durch deine List noch einmal wieder

Narciß. Wen sehn?

Britannicus. Erröthen muß ich drob, jedoch
Ich ginge ruh'ger meinem Loos entgegen.

Narciß. Glaubst du sie treu nach Allem, was ich sagte?

Britannicus. Nein, schuldig, undankbar erscheint sie mir
Und würdig meines Zorns; doch wider Willen
Fühl' ich, daß ich's nicht glaube, wie ich sollte.
Mein Herz, in seiner Leidenschaft befangen,
Sucht Gründ', entschuldigt und vergöttert sie.
Wie wünscht' ich, daß ich nicht mehr zweifelte,
Und daß ich ungestört sie hassen könnte!
Wer glaubte, daß ein Herz, scheinbar so groß,
Seit seiner Kindheit feind dem Trug des Hofs,
So hohem Ruhm entsagt und gleich zu Anfang
Verrath spinnt, wie ihn selbst der Hof nicht kennt? 134

Narciß. Wer weiß, ob sie dort in Verborgenheit
Den Kaiser zu erobern nicht schon lange
Bedacht gewesen. Wissend, daß ihr Reiz
Wohl nicht verborgen blieb, floh sie vielleicht
Nur, um gesucht zu werden, Nero durch
Den mühevollen Ruhm zu reizen, daß
Er einen Stolz besiegte, der bis dahin
Für unbesiegbar galt.

Britannicus. So kann ich sie
Nicht sehn?

Narciß. Herr, sie empfängt im Augenblick
Die Liebeshuld'gung ihres neuen Freundes.

Britannicus. So gehen wir! Was seh' ich? Ja sie ist's!

Narciß. Ihr Götter, fort, daß ich's dem Kaiser melde.

 

Siebenter Auftritt.

Junia. Britannicus.

Junia. O eile, Prinz! Entflieh' dem Zorn, den ich
Durch Widerstand auf dich heraufbeschworen.
Nero ist aufgebracht; ich bin entflohn,
Dieweil mit Reden seine Mutter ihn
Zurückzuhalten sucht. Leb' wohl! Verschone
Mein Herz, bewahr' dich für die Freude auf,
Von jedem Vorwurf mich befreit zu sehn.
Dein Bild schwebt immerdar vor meiner Seele,
Und Nichts vermag, es daraus zu verbannen.

Britannicus. Ich seh's, du wünschest, daß ich fliehe, Fürstin, 135
Damit du deiner Wünsche Ziel erreichst.
Vor deiner neuen Liebe soll ich weichen,
Mein Anblick macht im Stillen dich erröthen
Und ließe deine Lust nicht ungestört.
Nun wohl, ich gehe!

Junia. Prinz, beschuld'ge nicht . . . .

Britannicus. Du mußtest mindestens dich länger sträuben.
Nicht murr' ich drob, daß niedre Neigung dich
Dahin lenkt, wo des Glückes Fülle lächelt,
Daß dich der Glanz der Herrschaft blenden konnte,
Und du auf meiner Schwester Kosten sein
Dich freuen wolltest, sondern daß, gleich Andern
Der Größe zugethan, du doch so lange
Gleichgültigkeit dagegen mir geheuchelt.
Nein, ich gesteh' es, gegen solchen Schlag
War mein verzweifelnd Herz noch nicht gerüstet.
Ich sah, wie über meinem Untergang
Der Frevel sich erhob, und wie der Himmel
Im Bund mit meinen Feinden mich verfolgte.
Doch damit war sein Groll noch nicht erschöpft,
Ich sollt' auch noch von dir vergessen sein.

Junia. Wie würd' in einem günst'gen Augenblick
Ich deinen Argwohn dich bereuen lassen!
Doch Nero drohet, und bei der Gefahr
Denk' ich an Andres, als dich zu betrüben.
Beruh'ge dich und höre auf zu klagen;
Nero, der uns belauschte, hatte mir
Verstellung anbefohlen.

Britannicus. Wie, der Wüthrich?

Junia. Als Zeuge unsres Zwiegesprächs bewachte
Mit scharfem Aug' er jede meiner Mienen, 136
Bereit, den ersten Wink, der Einverständniß
Verrieth, mit grimmem Zorn an dir zu rächen.

Britannicus. Wie, Nero horchte, Fürstin? Aber, ach!
Du mußtest mich nicht täuschen, und du konntest
Mir doch mit einem Blick den Frevler nennen.
Ist Liebe stumm, hat sie nur Eine Sprache?
O welche Qualen konnt' ein einz'ger Blick
Mir sparen. Ja du mußtest . . . .

Junia. Schweigen mußt' ich,
Um dich zu retten. Ach wie oft du zwingst
Mich ja, es dir zu sagen wollt' ich dich
Von meines Herzens Qualen unterrichten!
Wie manche Seufzer hab' ich unterdrückt,
Wie haschte ich nach deinem Blick, indem
Ich ihn vermied! O, welche Qual zu schweigen
Vor des Geliebten Angesicht, sein Seufzen
Zu hören und ihn selber zu betrüben,
Wo man mit einem Blicke trösten könnte!
Doch wie viel Thränen hätte dieser Blick
Hervorgerufen; ach, weil ich's bedachte,
Ward ich bestürzt und unruhvoll und meinte,
Mich nicht genugsam zu verstellen, bangte
Vor meiner Wangen Blässe und dem Schmerz,
Den meine Blicke allzu sehr verriethen;
Mir war es stets, als tadelte mich Nero
Voll Zorn, daß ich dir zu gefallen strebte,
Als bärg' ich meine Liebe nicht genug
Vor ihm, o Gott, ich hätte fast gewünscht,
Dich nie geliebt zu haben. Prinz, er hat
Für sich und uns nur allzu tief und klar
In unser Beider Herz hineingeblickt.
Aufs Neue fleh' ich: meide seinen Blick,
Vielleicht darf ich einst klarer zu dir reden
Und würde dir noch manch Geheimniß sagen. 137

Britannicus. Genug, Prinzessin, schon empfind' ich mein
Verbrechen, deine Liebe und mein Glück.
Bedenkst du, welches Opfer du mir bringst?
Wann darf ich hoffen, daß zu deinen Füßen
Ich mein Verbrechen sühne?
(Er wirft sich Junia zu Füßen.)

Junia. Was beginnst du?
Steh' auf, o Prinz, dein Nebenbuhler naht.

 

Achter Auftritt.

Nero. Junia. Britannicus.

Nero. Fahr' fort in deiner reizenden Verzückung!
Aus seinem Dank, Prinzessin, les' ich, wie
Du gütig für ihn warst. Ich finde ihn
Zu deinen Füßen, aber mir auch sollt' er
Ein wenig danken: dieser Ort ist günstig,
Und ich bin's, der dich hier verweilen läßt,
Das süße Zwiegespräch ihm zu erleichtern.

Britannicus. Ich kann ihr meine Freude, meinen Schmerz,
Wo immer ihre Huld Gehör mir schenkt,
Zu Füßen legen, und hier dieser Ort
Hat Nichts, das mich befangen machen könnte.

Nero. Muß Alles hier dich nicht dran mahnen, daß
Man mir Gehorsam, Ehrfurcht schuldig ist?

Britannicus. Hier diese Räume haben weder dich,
Noch mich groß werden sehn, damit ich dir
Gehorchen, aber du mir trotzen solltest.
Sie dachten nicht, als wir geboren wurden,
Domitius würd' als Herr einst zu mir sprechen. 138

Nero. So trat das Schicksal deinem Wunsch entgegen.
Wie ich gehorchte, mußt jetzt du gehorchen,
Und hast du noch zu folgen nicht gelernt,
Du bist noch jung, man kann dich drin belehren.

Britannicus. Wer soll es thun? Sprich.

Nero. Rom, das ganze Reich.

Britannicus. Hat Rom zu jedem Greu'l dir Recht verliehn,
Zu Ungerechtigkeit, Gewaltsamkeit,
Einkerkerung, Entführung, Ehescheidung?

Nero. Rom lenkt die Neugier seiner Blicke nicht
In das Geheimniß, das ich ihm verberge,
Sei auch so rücksichtsvoll . . . .

Britannicus. Man weiß, was es
Darüber denkt.

Nero. Es schweigt, so thu' auch du.

Britannicus. So macht von jedem Zwang sich Nero frei?

Nero. Nero wird deines Redens überdrüssig.

Britannicus. Ein Jeder sollte seine Herrschaft segnen!

Nero. Ob man mich liebt, ob haßt, man soll mich fürchten.

Britannicus. Ich kenne Junia schlecht, wenn solcher Sinn
Dir ihren Beifall je erwecken könnte.

Nero. Fehlt mir die Kunst, ihr zu gefallen, weiß ich
Doch freche Nebenbuhler zu bestrafen. 139

Britannicus. Was immer für Gefahr mir droht, ich werde
Nur zittern, wenn sie sich mir feindlich zeigt.

Nero. Das wünsche nur, so viel kann ich dir sagen.

Britannicus. Ihr zu gefallen ist mein einz'ger Wunsch.

Nero. Das wirst du, hat sie dir es doch versprochen.

Britannicus. Ihr Wort zum mindesten belausch' ich nicht,
Ich lass' sie offen über mich sich äußern,
Versteck' mich nicht, um ihr den Mund zu schließen.

Nero. Ha, ich verstehe dich. Herbei, ihr Wachen!

Junia. O, was beginnst du! Ist's dein Bruder doch,
O Herr, ein Liebender von Eifersucht
Bethört, wie kann er deinen Neid erregen?
Gestatte, daß, um euer Beider Herz
Aufs Neu' zu einen, ich vor dir mich berge
Und seinen Blicken mich entziehe, dann
Wird mein Verschwinden euren Hader enden.
Ich will mich zu der Vesta Jungfraun reihn.
Mißgönn' ihm meine Unglücksseufzer nicht,
Laß mich die Götter nur damit bestürmen.

Nero. Ein rascher, seltsamer Entschluß, Prinzessin.
Ihr Garden, führet sie in ihr Gemach,
Bewacht Britannicus bei seiner Schwester.

Britannicus. Ha, das ist Neros Kunst, sich Herzen zu
Erobern! 140

Junia. Reiz' ihn nicht, flieh' vor dem Sturm.

Nero. Ihr Wachen, ungesäumt folgt dem Befehle.

 

Neunter Auftritt.

Nero. Burrhus.

Burrhus. Was Himmel, seh' ich!

Nero (ohne Burrhus zu bemerken). So glüht ihre Flamme!
Die Hand erkenn' ich, welche sie geschürt.
Nur deshalb hat die Mutter sich vor mir
Gezeigt und lange Reden mir gehalten,
Um die gehäss'ge Sache zu betreiben.
(Burrhus bemerkend)
Sieh nach, ob meine Mutter hier noch weilt.
Burrhus, sorg', daß sie im Palaste bleibe;
Man gebe meine Wach' ihr, statt der ihren.

Burrhus. Herr, ohne sie zu hören? Eine Mutter?

Nero. Halt' ein! Ich weiß nicht, welchen Plan du spinnst,
Doch findet Alles, was ich wünsch' und will,
Bei dir seit Kurzem Widerspruch und Tadel.
Du haftest mir für sie; wo nicht, so werden
Mir Andere für sie und Burrhus haften. 141

 


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