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Agrippina. Albina.
Albina. Wie, während Nero sich dem Schlaf ergiebt,
Mußt du hier harren, bis er aufgewacht?
Muß Cäsars Mutter ohne ihr Gefolge
Umirrend im Palast an seiner Thür
Die Wache halten? Kehr', Gebieterin,
In dein Gemach zurück.
Agrippina. Ich darf, Albina,
Mich keinen Augenblick von hier entfernen.
Dieweil er schlummert, wird die Qual, die er
Mir macht, genugsam mir die Zeit vertreiben.
Was ich vorhergesagt, trifft ein. Es hat
Sich Nero gegen den Britannicus
Erklärt und macht voll Ungeduld vom Zwang
Sich frei; der Liebe überdrüssig will
Er nur sich noch gefürchtet sehn. Ihm steht
Britannicus im Wege. Ich, Albina,
Seh' ein, daß ich ihm täglich läst'ger werde.
Albina. Wie? du, der er das Leben dankt, o Herrin,
Die fernher ihn zum Thron berief? du, die
Den Sohn des Claudius enterbte und
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Den glücklichen Domitius zum Cäsar
Ernannte? Alles spricht für Agrippina,
Er ist dir seine Liebe schuldig.
Agrippina. Ja,
Sofern er edel, sagt's ihm Alles, aber,
Wenn undankbar, spricht Alles gegen mich.
Albina. Wie, undankbar, o Herrin? Sein Verhalten
Zeigt dir, wie sehr er seine Pflicht erkennt.
Drei volle Jahre lang, was that, was sagt' er,
Das Rom den besten Kaiser nicht verhieß?
Seit er's beherrscht, glaubt Rom, es sei aufs Neue
Zu seiner Konsuln Zeit zurückgekehrt;
Er waltet wie ein Vater, ja, als Jüngling
Kommt er dem Greis August an Tugend gleich.
Agrippina. Die Leidenschaft macht mich nicht ungerecht,
Ja, er beginnet, wo August geendet;
Doch Künft'ges kann Vergangenes vernichten
Und er da enden, wo August begann.
Umsonst verstellt er sich; auf seinem Antlitz
Les' ich den störrisch wilden Sinn der stolzen
Domitier; zu dem Hochmuth ihres Blutes
Fügt er den Stolz noch der Neronen, den
Aus meinem Schooße er empfangen hat.
Die Erstlingszeiten der Tyrannen künden
Stets Glück. Caligula war eine Zeitlang
Die Wonne Roms, doch als erlogne Güte
In Wuth sich kehrte, ward die Wonne plötzlich
Der Schrecken Roms. Indeß mich kümmert's nicht,
Ob Nero treuen Sinnes einst der Zukunft
Bewährter Tugend Beispiel hinterläßt,
Nicht gab ich ihm des Staates Ruder in
Die Hand, daß er es nach des Volkes Laune
Und des Senates lenke. Sei er, wenn er will,
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Des Vaterlandes Vater, doch vergess'
Er nicht, daß Agrippina seine Mutter.
Sprich aber, wie benennen wir den Frevel,
Den uns des heut'gen Tages Licht enthüllte?
Er weiß, verborgen konnt's ihm ja nicht bleiben,
Wie Junia von Britannicus geliebt wird,
Und er, der nur der Tugend Pfaden folgt,
Läßt Junia heut um Mitternacht entführen.
Weshalb? Treibt ihn der Haß, die Liebe, oder
Reizt ihn die Freude nur, ihr Glück zu stören?
Vielleicht ist's Bosheit gar, um für den Schutz,
Den sie von mir genießen, sie zu strafen.
Albina. Du liehest ihnen Schutz, Gebieterin?
Agrippina. Ach ja, ich weiß es, theuere Albina,
Daß ich ihr Unglück selbst beschleunigt habe,
Daß von dem Thron, auf den sein Blut ihn rief,
Britannicus durch mich geschleudert worden;
Durch mich der Hand Octaviens beraubt,
Gab sich Silan, der Bruder Junias,
Auf welchen Claudius sein Aug' gerichtet,
Und dessen Ahn Augustus war, den Tod.
Nero verfügt jetzt über Alles; ich, zum Lohn,
Muß nun die Wage halten zwischen ihm
Und ihnen, daß Britannicus dereinst
Sie halte zwischen mir und meinem Sohn.
Albina. O Fürstin. welch ein Plan!
Agrippina. Ich suche für
Den Sturm mir einen Hafen. Sonst entschlüpft
Mir Nero, wenn ich ihn zurück nicht halte.
Albina. Doch so viel Vorsicht gegen einen Sohn? 98
Agrippina. Ich hätt' ihn bald zu scheun, scheut' er mich nicht.
Albina. Vielleicht ist noch kein Grund zur Furcht vorhanden.
Zeigt Nero dir sich nicht mehr, wie er sollte?
Trat doch die Wandlung uns noch nicht entgegen.
Geheimniß blieb es zwischen dir und Cäsar.
Doch welche Würde Rom ihm auch verleiht,
Nicht eine, die er dir nicht zuerkennte;
Für sich allein behält er Nichts zurück,
Dein Nam' in Rom ist heilig wie der seine,
Der traurenden Octavia wird kaum
In Rom erwähnt. So ehrt' August, dein Ahn,
Selbst Livien nicht, wie Nero dich verehrt;
Befahl er doch, vor seiner Mutter her
Die Fasces mit dem Lorbeerkranz zu tragen!
Verlangst du mehr von seiner Dankbarkeit?
Agrippina. Nicht so viel Ehrfurcht, aber mehr Vertraun;
Zum Aerger nur reizt mich ein solch Geschenk,
Die Ehren steigen, doch mein Ansehn fällt,
Und lang schon ist die Zeit vorbei, wo Nero,
Ein Jüngling noch, die Huldigung des Hofs,
Der ihn verehrt', auf mich zu lenken suchte
Und bei der Herrschaft Mühn auf mich sich stützte,
Wo ich die Väter zum Palast berief
Und, ungesehen, hinter einem Schleier,
Des großen Körpers mächt'ge Seele war.
Unsicher noch in dem, was Rom verlangte,
War er noch trunken nicht von seiner Größe.
Doch denk' ich immer noch des Unglückstags,
Wo ihn zuerst sein Glanz verblendete,
Wo die Gesandten aller Könige
Ihm als dem Herrn des Weltalls huldigten,
Und ich mit ihm zum Throne steigen wollte.
Da – was am Unheil schuld, ich weiß es nicht –
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Hat Nero kaum von ferne mich gesehn,
Als düstren Groll sein Antlitz mir verräth,
Und schlimme Ahnung mich sogleich befällt;
Doch hüllt der Undankbare seine Mienen
In falsche Ehrfurcht ein, steht auf und schiebt,
Indem er mich in seine Arme schließt,
Mich fort vom Thron, wo ich mich setzen wollte.
Seit jenem Tag eilt Agrippinas Macht
Mit raschem Schritt dem Untergange zu;
Ein Schatten nur blieb noch davon, und Burrhus
Und Seneca sind jetzt die Namen, die
Man nennt, um deren Schutz man sich bewirbt.
Albina. O gieb doch solchem Argwohn dich nicht hin;
Warum ein tödtlich Gift im Busen nähren?
Such' lieber dich mit Cäsar zu verständ'gen.
Agrippina. Ich darf ihn nicht mehr ohne Zeugen sehn.
Nur zur bestimmten Stund' und öffentlich
Giebt er mir noch Gehör, und seine Antwort,
Ja selbst sein Schweigen ist ihm vorgeschrieben.
Zwei Wächter, meine Herrn und seine, stehn
Dabei und lauschen wechselnd dem Gespräche,
Doch weil er mich zu meiden sucht, verfolge
Ich ihn nur mit noch größrem Eifer, denn,
Albina, Nutzen gilt es jetzt zu ziehn
Aus der Verwirrung, welche ihn beherrscht.
Doch, horch! man kommt, ich will jetzt unverzüglich
Zur Rechenschaft ihn ziehn ob der Entführung
Und das Geheimniß seiner Seel' erlauschen.
Sieh, Burrhus naht sich uns, er kommt von ihm.
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Agrippina. Burrhus. Albina.
Burrhus. In Cäsars Auftrag möcht' ich, hohe Frau,
Dir ein Gebot mittheilen, das vielleicht
Zu Anfang dich bestürzt, doch ist es nur
Die Folge einer klugen Handlungsweise,
Mit der er dich bekannt zu machen wünscht.
Agrippina. So lasse mich zu ihm, er selbst kann ja –
Burrhus. Er hat für ein'ge Zeit sich unserm Blick
Entzogen, beide Konsuln sind dir schon
Durch eine Seitenthür zuvorgekommen,
Doch, hohe Frau. sogleich will ich zu ihm.
Agrippina. Nein, in geheimen wicht'gen Dingen möcht'
Ich ihn nicht stören, aber willst du, daß
Wir frei und offen mit einander reden?
Burrhus. Die Lüge war mir immerdar ein Greuel.
Agrippina. Denkt ihr noch lang den Kaiser zu verstecken,
Darf ich ihm nur als eine Läst'ge nahn?
Hab' ich euch darum nur so sehr erhöht,
Damit ihr eine Mauer zwischen ihm
Und mir erhebt, wagt keinen Augenblick
Ihr ihn allein sich selbst zu überlassen?
Wetteiferst du mit Seneca nur um
Den Ruhm, wer mich aus seinem Angedenken
Zuerst vertilgt? Gab ich ihn euch dazu,
Daß ihr draus einen Undankbaren machtet,
Daß unter seinem Namen ihr die Herrn
Des Staates wäret? Wahrlich, nicht vermag ich,
Je mehr ich sinne, mir zu denken, daß
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Ihr mich zu eueren Geschöpfen rechnet.
Du, dessen Ehrgeiz ich in den Legionen,
Wo wenig Ruhm war, altern lassen konnte,
Und ich, die Throneserbin meiner Ahnen,
Die Tochter, Gattin, Mutter und die Schwester
Von euren Herrn! Was wollt ihr denn? Denkt ihr,
Ich hätte einen Kaiser eingesetzt,
Nur um mir selbst drei Kaiser aufzubürden?
Kein Kind ist Nero mehr; ich denke, Zeit
Ist's endlich, daß zu herrschen er beginne.
Wie lang noch wollt ihr, daß er vor euch zitt're?
Kann er nicht sehn ohn' eures Auges Hülfe?
Strahlt ihm der Ahnen Vorbild nicht entgegen?
So nehm' er, wenn er will, August, Tiber
Und meinen Vater, den Germanicus,
Wenn er es kann, zum Muster und zum Vorbild.
Ich wage nicht, zu solchen Helden mich
Zu reihn, doch Tugenden vermag auch ich
Ihm vorzuzeichnen und ihn mindestens
Drin zu belehren, daß Vertraulichkeit
Sich zwischen Unterthan und Kaiser nicht
Geziemt.
Burrhus. Nur wegen Einer Handlung dachte
Ich Cäsar zu entschuld'gen. Da du sonst
Nichts von Rechtfert'gung hören willst,
Ich aber für sein ganzes andres Leben
Einstehen soll, so red' ich offen, wie's
Dem Kriegsmann ziemt, der schlichte Wahrheit nicht
Zu schminken weiß. Du hast des Kaisers Jugend
Mir anvertraut, deß werd' ich stets gedenken;
Doch schwur ich jemals dir, ihn zu verrathen
Und einen Kaiser draus zu machen, der
Nur zu gehorchen wüßte? Nein, nicht dir
Allein hab' ich für ihn jetzt einzustehn,
Er ist nicht bloß dein Sohn, er ist der Herr
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Der Welt; dem Reiche schuld' ich Rechenschaft,
Das wie sein Heil so sein Verderben auch
In meiner Hand zu sehen glaubt. Ach, wenn's
Nur galt, unwissend ihn zu lassen, gab's
Denn andre nicht, als Seneca und mich,
Ihn zu verführen? Warum hat man denn
Der Schmeichler Schaar aus seiner Näh' entfernt,
Und im Exil die ausgesucht, die ihn
Verderben sollten? Claudius' Hof, so reich
An Sklaven, hätte statt der zwei ihm tausend
Geliefert, die sich nach der Ehre sehnten,
Ihn zu erniedrigen; wie hätten sie
In langer Kindheit ihn hinaltern lassen!
Worüber klagst du, Fürstin? Sprich es aus.
Man ehrt dich überall und schwört bei dir,
Wie man bei Cäsar schwört. Zwar legt nicht mehr
Der Kaiser täglich dir sein Reich zu Füßen,
Indem er deines Hofstaats Schwarm vermehrt;
Doch ist das, Fürstin, seine Pflicht? kann er
Nicht anders seine Dankbarkeit beweisen?
Soll Nero schüchtern, demuthsvoll nur stets
Dem Namen nach August und Cäsar sein?
Und daß ich's nur gesteh', Rom giebt ihm Recht.
So lang geknechtet von drei Freigelaßnen
Athmet es endlich wieder auf vom Joche
Und schreibt die Freiheit her von Neros Herrschaft.
Noch mehr! die Tugend selbst scheint neugeboren,
Das Reich ist nicht mehr Beute seines Herrn,
Das Volk wählt auf dem Marsfeld die Beamten,
Cäsar die Feldherrn nach des Heeres Wunsch.
Thraseas im Senat und Corbulo
Beim Heer sind schuldlos noch, trotz ihres Ruhms.
Die Wüsten, einst bewohnt von Senatoren,
Sind's jetzt von denen, welche sie verriethen.
Warum soll Cäsar unserm Rath nicht folgen,
Wenn dieser Rath ihn nur zum Ruhme führt,
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Wenn nur, so lange seine Herrschaft blüht,
Rom immer frei und er allmächtig ist?
Doch, Fürstin, Nero kann sich selbst schon leiten,
Und ihm gehorch' ich, strebe nicht darnach,
Ihn zu belehren; braucht er doch dem Beispiel
Der Ahnen nur zu folgen, braucht, um recht
Zu handeln, nur sich selber gleich zu sein!
Wohl uns, wenn alle seine Tugenden
Wie einer Kette Glieder sich vereinten,
Und stets die ersten Jahre wiederbrächten!
Agrippina. So trauest du der Zukunft nicht und glaubst,
Daß Nero ohne dich verloren ist?
Doch da du so, mit deinem Werk zufrieden,
Ein Zeugniß giebst von seinen Tugenden,
Sag', wie zum Jungfernräuber er geworden,
Die Schwester des Silan entführen ließ?
Galt's etwa meiner Ahnen Blut, das hell
In Junien glänzt, durch diese Schmach zu schänden?
Weß klagt er sie denn an, durch welchen Frevel
Ward sie auf einmal Staatsverbrecherin?
Sie, die, in Still' und Demuth auferzogen,
Nero nicht sah, wenn er sie nicht entführte,
Die ihm als eine Wohlthat danken würde
Das Glück, daß sie ihn nicht zu sehen braucht!
Burrhus. Ich weiß, es lastet kein Verdacht auf ihr,
Doch Cäsar hat sie auch noch nicht verdammt,
Und Nichts ist, was sie hier verletzen könnte
In dem Palast, im Kreise ihrer Ahnen.
Du weißt, sie hätte Rechte vorzulegen,
Die ihren Gatten zum Empörer machten,
Auch darf sich Cäsars Blut nur dem vermischen,
Dem Cäsar selbst es anvertrauen will,
Und selber würdest du's nicht billigen,
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Daß über des Augustus Enkelin
Man ohne ihn verfügt.
Agrippina. O, ich verstehe.
Durch deine Stimme giebt mir Nero kund,
Vergeblich stütze sich Britannicus
Auf meine Wahl, es sei umsonst, daß ich,
Um ihn von seinem Unglück abzulenken,
Mit dem ersehnten Bund ihm schmeichele;
Mich zu beschämen, will er jetzo zeigen,
Daß Agrippina mehr versprach, als sie
Vermag. Rom glaubt mich viel zu hoch begünstigt,
Durch diese Schmach will er das Aug' ihm öffnen,
Der Schrecken soll das Weltall lehren, nicht
Mit meinem Sohn den Kaiser zu verwechseln.
Es steht bei ihm, doch wag' ich ihm zu rathen,
Daß er zuvörderst seinen Thron befest'ge,
Und ihm zu sagen, daß, wenn er mich zwingt,
Mein schwaches Ansehn gegen ihn zu richten,
Das seine er gefährdet, und mein Name
Vielleicht doch schwerer wiegt, als er sich denkt.
Burrhus. Verdacht, o Fürstin, gegen seine Ehrfurcht?
Flößt Alles, was er thut, dir Mißtraun ein?
Glaubt er, du seist von Juniens Partei
Und einverstanden mit Britannicus?
Willst du die Stütze deiner Feinde werden,
Und willst du so das Reich in Zwietracht stürzen?
Mußt du denn stets in Angst und Sorge sein,
Und wenn du deinen Sohn umarmst, soll's immer
Erklärung, Auseinandersetzung geben?
Laß endlich doch des Tadels Eifer ruhn,
Sei nachsichtsvoll, wie's einer Mutter ziemt,
Ertrage seine Kälte ohne Zorn
Und gieb dem Hof nicht Anlaß, dich zu fliehn.
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Agrippina. Wer würde Agrippina stützen wollen,
Wenn Nero mir den Untergang verkündet,
Wenn er mich bannt aus seinem Angesicht,
Und Burrhus mir die Thür zu ihm versperrt?
Burrhus. Ich seh', o Fürstin, daß jetzt Zeit zum Schweigen
Und meine Offenheit dir lästig ist;
Der Schmerz ist ungerecht, und alle Gründe,
Wenn sie nicht schmeicheln, wecken nur Verdacht.
Dort naht Britannicus, ich räum' das Feld;
Du magst sein Unglück hören und beklagen,
Und wirst vielleicht am meisten die darob
Beschuld'gen, die der Kaiser nicht befragt.
Britannicus. Agrippina. Narciß. Albina.
Agrippina. Wohin, wohin, o Prinz, in solcher Eile?
Du wirfst dich blind in deiner Feinde Kreis,
Was suchst du hier?
Britannicus. Was ich hier such', o Götter?
Hier der Palast umschließt mein Alles ja,
Was ich verlor; von roher Kriegerschaar
Ward schmählich Junia hierher geschleppt.
Ha, welch ein Schreck muß ihren zarten Sinn
Bei diesem Schauspiel überfallen haben!
So wird sie mir geraubt! Ein streng Gesetz
Trennt so zwei Herzen, die das Unglück einte;
Man will nicht, daß wir, unsre Klagen mischend,
Uns helfen, unser Elend zu ertragen.
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Agrippina. Genug! Wie du empfind' ich die Beleid'gung,
Mein Klagen kam dem deinen schon zuvor,
Doch soll ohnmächt'ger Zorn mich meines Worts
Nicht gegen dich entbinden. Hier kann ich
Mich nicht erklären. Willst du mehr vernehmen,
So komm zu Pallas, wo ich dich erwarte.
Britannicus. Narciß.
Britannicus. Narciß, soll ich ihr glauben auf ihr Wort,
Zur Richterin sie wählen zwischen mir
Und ihrem Sohn? Was meinst du, ist sie nicht
Dieselbe Agrippina, die mein Vater
Zu meinem Unheil ehlichte, und die,
Wenn ich dir glauben darf, sein Leben, das
Für ihren Plan zu langsam sich verlief,
Zuletzt in seinem Lauf beschleunigt hat?
Narciß. Laß nur! Sie fühlt sich so wie du erbittert,
Sie gab ihr Wort, dir Junien zu vereinen.
Ein gleicher Schmerz und Vortheil möge euch
Verbinden, denn dein Klagen tönet hier
Umsonst. So lang man euch mit fleh'nder Stimme
Nur Trauer, keinen Schreck verbreiten sieht,
Und sich dein Schmerz in Worten nur entladet,
Wird man dich sicher ewig klagen lassen.
Britannicus. Du weißt, Narciß, ob ich der Knechtschaft Joch
Gesonnen bin noch lange Zeit zu tragen;
Du weißt, ob ich, durch meinen Sturz betäubt,
Für immer auf den Thron, der mir gebührt,
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Verzichte; doch ich stehe noch allein,
Des Vaters Freunde, mir noch unbekannt,
Sind wie zersprengt durch meines Unglücks Größe,
Und meine Jugend hält auch die mir fern,
Die mir im Herzen ihre Treue wahrten.
Wie hat Erfahrung eines kurzen Jahres
Mein traurig Loos mich schnell erkennen lassen!
Wie seh' ich ringsumher verkaufte Freunde,
Die eifrig lauernd meinen Schritten folgen,
Die Nero zu dem schmählichen Geschäft,
Ihm mein Geheimniß zu verhandeln, wählte!
Narciß, tagtäglich werd' ich hier verrathen,
Er kennet meine Pläne alle, hört
Ein jedes meiner Worte, weiß wie du
Um jede Regung meiner Brust. Glaubst du's
Nicht auch?
Narciß. Ja, welch gemeine Seele, die . . .
Verschwiegne Männer mußt du zu Vertrauten
Dir wählen, dein Geheimniß nicht verschleudern.
Britannicus. Ja, du hast Recht, doch solche Vorsicht ist
Meist erst der großen Seelen letzte Kunst,
Die lang sich täuschen; glauben will ich dir,
Ich will, noch mehr, dir ganz allein nur glauben.
Mein Vater, ich bin deß gedenk, hat mich
Des Eifers, welcher dich belebt, versichert,
Du bliebst allein von allen Freigelaßnen
Mir treu, dein Auge, stets um mich besorgt,
Hat schon vor mancher Klippe mich bewahrt.
Geh', sieh, ob das Gerücht des neuen Sturmes
In meinen Freunden Muth erweckte; forsche
In ihrem Blick und horch' auf ihre Reden;
Sieh, ob von ihnen Hülfe zu erwarten,
Vor Allem suche klüglich zu erforschen,
Wie Nero die Prinzessin hüten läßt,
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Ob sie vom Schrecken sich erholte, und
Ob mir's gestattet ist, mit ihr zu reden.
Ich aber suche Neros Mutter auf
Bei Pallas, meines Vaters Freigelaßnem,
Gleich dir, ich will sie sehn, ich will ihr folgen,
Will sie aufreizen und, wenn's möglich ist,
Im Schutze ihres Namens weiter noch
Gelangen, als sie selber wünschen mag.
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