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Nero. Burrhus. Narciß. Wachen.
Nero. Kein Zweifel, Burrhus; aber trotz des Unrechts
Ist's doch die Mutter, ihre Launen will
Ich ihr verzeihn, nur länger duld' ich nicht
Den unverschämten Diener, der sie nährt.
Des Pallas Rath vergiftet mir die Mutter,
Und er verführt auch den Britannicus;
Sie hören nur auf ihn, und säh' man nach,
Man fände sie vielleicht bei ihm versammelt.
Das ist zu viel, von beiden muß ich ihn
Entfernen; fort, auf immer soll er fort.
Ich will es, ich befehl's: des Tages Ende
Soll ihn nicht mehr in Rom, am Hofe finden,
Denn also heischt's des Landes Wohl. Narciß,
Tritt näher zu mir her.
(Zu den Wachen) Und ihr, entfernt euch.
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Narciß. Nero.
Narciß. Den Göttern Dank, in deiner Hand ist Junia,
Dies sichert heut dich vor den andern Römern;
Aus ihrer eitlen Hoffnung aufgeschreckt,
Beweinen sie beim Pallas ihre Ohnmacht.
Was aber seh' ich, Herr? Du selber bist
Bewegt, unruhig, scheinst bestürzter noch
Als selbst Britannicus? Sag, was verkündet
Mir diese düstre Trauer, dieser Blick,
Der finster schweift? Es lächelt dir ja Alles,
Und deinem Wunsch neigt sich das Glück.
Nero. Narciß,
Es ist um mich geschehen! Nero liebt!
Narciß. Du, Herr?
Nero. Seit einem Augenblick, doch lieb' ich
Für's ganze Leben, nein, was sag' ich, lieben?
Ich bete Junien an.
Narciß. Sie liebst du, Herr?
Nero. Von Neubegier gespornt, war ich heut Nacht
Zugegen, als sie kam. Sie war so traurig
Und blickte auf mit feuchtem Aug', das heller
Erstrahlte als die Waffen und die Fackeln.
Wie war sie schmucklos schön im schlichten Kleide,
Die Jungfrau, welche man dem Schlaf entrissen!
Ich weiß nicht, war's die reizende Unordnung,
Nacht, Fackelschein, Geschrei und dann die Stille,
Der wilde Blick der trotzigen Entführer,
Was ihre anmuthreiche Schüchternheit
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Noch holder machte? Wie bezaubert war ich,
Ich wollte reden, doch die Stimme stockte,
Und regungslos, versenkt in langes Staunen,
Ließ ich vorbei sie in ihr Zimmer schreiten
Und trat ins meine. Dort in Einsamkeit
Sucht' ich ihr Bild der Seele zu entfernen;
Es war umsonst, sie trat mir stets vor Augen,
Es war, als spräche ich mit ihr und wäre
Von ihren Thränen, die ich selbst verschuldet,
Entzückt! Mitunter fleht' ich, ach, zu spät!
Sie um Vergebung an, es bald mit Seufzen
Und bald mit Drohn versuchend. So, Narciß,
Von dieser neuen Leidenschaft beherrscht,
Sah ich mit wachem Aug' den Tag beginnen.
Jedoch vielleicht denk' ich sie mir zu schön,
Erschien sie in zu vortheilhaftem Lichte, –
Was meinst du?
Narciß. Wie war's möglich, Herr, daß sie
So lange Zeit vor Nero sich verbarg?
Nero. Du weißt es ja, Narciß. Sei's, daß ihr Groll
Das Unglück, das den Bruder ihr geraubt,
Mir zuschrieb oder daß ihr spröder Stolz
Den Anblick ihres Jugendreizes uns
Nicht gönnte, daß sie, ihrem Schmerze treu,
Sich in der Dunkelheit verschloß und sich
Der Schönheit Ruhm entzog, just diese Tugend,
So neu an unserm Hofe, ist es, die
Durch ihre Festigkeit mich reizt. Narciß,
Dieweil hier keine einz'ge Römerin,
Die nicht auf meine Liebe eitel wäre,
Die seit dem Augenblicke, wo sie wagt
Auf ihrer Augen Reiz zu baun, es nicht
Versucht, an Cäsars Herz ihn zu erproben,
Sieht die bescheidne Junia in dem,
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Wonach die Andern streben, eine Schmach;
Sie flieht und will sogar nicht einmal wissen,
Ob Cäsar liebenswürdig ist und selbst
Zu lieben weiß. Sag', ob Britannicus
Sie liebt?
Narciß. Herr, zweifelst du daran?
Nero. So jung
Kennt er sich selber kaum und sollte schon
Den gift'gen Zauber eines Blickes kennen?
Narciß. Die Liebe wartet nicht auf reife Jahre.
Er liebt, kein Zweifel, seine Augen sind
Durch ihren Reiz an Thränen schon gewöhnt;
Er kommt schon jedem ihrer Wünsche nach,
Und er versteht vielleicht schon zu bethören.
Nero. Wie, sollt' er Einfluß auf ihr Herz besitzen?
Narciß. Ich weiß nicht, aber das kann ich dir sagen,
Ich sah ihn oft schon sich von hier entfernen,
Das Herz voll Groll, den er vor dir verbarg.
Er zürnte ob des Hofes Undank, der
Ihn flieht, war deiner Größe überdrüssig
Und seiner Knechtschaft; also zwischen Furcht
Und ungeduld'ger Hoffnung schwankend, suchte
Er Junien auf und kam zufrieden wieder.
Nero. Weh ihm, wenn er ihr zu gefallen weiß,
Narciß, es wär' ihr Haß ihm wünschenswerther!
Nicht straflos reizt man Neros Eifersucht.
Narciß. Du, Herr, was kann in Unruh' dich versetzen?
Sie konnt' ihn wohl beklagen, Antheil nehmen
An seinen Leiden, – hat sie keine Thränen
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Bis jetzt doch außer seinen fließen sehn!
Nun aber, Herr, wo ihr enttäuschtes Auge
Den hohen Glanz, der dich umgiebt, betrachtet
Und sieht, wie kronenlose Könige,
Der Menge unbekannt, um dich sich reihn,
Und wie selbst ihr Geliebter dir das Auge
Zuwendet, und sich eines Blickes freut,
Den du durch Zufall auf ihn fallen läßt,
Kannst du, wenn du von deines Ruhmes Staffel
Sie seufzend als die Siegerin begrüßest,
Des schon errungnen Herzens sicher sein;
Befiehl dann nur, daß man dich lieben soll,
Und zweifle nicht daran, man wird dich lieben.
Nero. Auf welche Qual muß ich gefaßt mich machen.
Wie manche Widerwärtigkeit . . . .
Narciß. Wie, Herr,
Wer kann dich hindern?
Nero. Agrippina, Burrhus,
Octavia, Seneca, ganz Rom, kurz Alle,
Und drei in Tugend hingebrachte Jahre!
Nicht daß ein Funke Zärtlichkeit mich etwa
Noch an Octavien fesselte und Mitleid
Mit ihrer Jugend mich erregte, – längst
Bin ich der Sorgfalt müde, die sie mir
Erweist, und mag nicht ihre Thränen sehn.
Wie glücklich, könnte Ehescheidung bald
Vom aufgedrungnen Joche mich befrein!
Es scheint der Himmel selbst sie zu verdammen,
Vier Jahr' schon quält sie ihn umsonst mit Wünschen,
Doch ihre Tugend scheint ihn nicht zu rühren,
Er ehrt, Narciß, mit keinem Pfand ihr Lager,
Und einen Erben heischt das Reich vergebens.
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Narciß. Drum, Herr, was zauderst du, sie zu verstoßen?
Spricht Alles nicht, dein Herz, das Reich ihr Urtheil?
Dein Ahn Augustus liebte Livien
Und bald vereinte sie zwiefache Scheidung,
Und dieser Scheidung dankst du deinen Thron.
Tiberius, den die Heirath in sein Haus
Gebracht, war kühn genug, vor seinen Augen
Die Tochter zu verstoßen. Du, o Herr,
Stehst deinen Wünschen ganz allein entgegen,
Und wagst durch Scheidung nicht, dein Glück zu sichern.
Nero. Ist Agrippinens Unversöhnlichkeit
Dir nicht bekannt? Schon seh' ich es im Geist,
Wie sie Octavien zu mir führt, wie sie
Entflammten Augs des Bundes Heiligkeit,
Den sie geknüpft, mir vor die Seele stellt,
Und mit noch härtrem Schlag das Herz mir treffend,
Beweise meines Undanks vor mir aufrollt.
Wie trüg' ich solch ein läst'ges Zwiegespräch?
Narciß. Bist du dein eigner Herr nicht und der ihre,
Willst du vor ihrer Vormundschaft stets zittern?
Leb' für dich selbst und herrsche auch für dich,
Für sie zu herrschen, wäre doch zu viel;
Du fürchtest, Herr – – – du fürchtest sie ja nicht.
Verbanntest du nicht jüngst den stolzen Pallas,
Pallas, deß Keckheit sie zu schützen wußte?
Nero. Fern ihrem Blick weiß ich zu drohn, zu herrschen,
Ich horch' auf deinen Rath und bill'ge ihn,
Ich stachle gegen sie mich auf und suche
Ihr Trotz zu bieten, aber laß mich dir
Mein ganzes Innre ungeschminkt enthüllen:
Sobald mein Mißgeschick mich zu ihr führt,
Sei's, daß ich mich der Herrschaft ihres Blicks,
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Der mich so lange meine Pflicht gelehrt,
Nicht zu entziehn vermag, sei's, daß gedenkend
So vieles Guten, ich im Stillen Alles
Ihr unterwerfe, was ich von ihr habe, –
Kurz, wie ich auch dagegen streb', es hilft
Zu Nichts, mein Geist erzittert vor dem ihren,
Und um von diesem Druck mich zu befrein,
Flieh' ich sie überall, beleid'ge sie
Sogar und stachle sie zum Aerger auf,
Daß sie mich meide, so wie ich sie fliehe.
Jedoch ich halt' dich auf, Narciß, geh' jetzt,
Sonst denkt Britannicus an Hinterlist.
Narciß. Nein, der verläßt sich ganz auf meine Treue;
Auf sein Geheiß, so wähnt er, seh' ich dich
Und forsche Allem nach, was ihn betrifft;
Besonders aber brennt er, die Geliebte
Zu sehn und hofft, ich helfe ihm dazu.
Nero. Ich will'ge ein, bring' ihm die freud'ge Botschaft,
Er soll sie sehn.
Narciß. Herr, halte sie ihm fern.
Nero. Ich habe meine Gründe. Du begreifst,
Narciß, daß ich die Freude, sie zu sehn,
Ihm hoch verkaufe, aber sage ihm,
Daß dir die List gelang, daß ihm zu Liebe
Man mich betrügt, und, ohne daß ich's weiß,
Er sich ihr naht. Man öffnet; horch, sie kommt.
Such' deinen Herrn auf, führe ihn hierher.
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Nero. Junia.
Nero. Du zitterst, Fürstin, deine Wang' entfärbt sich,
Verkündet dir mein Auge schlimme Botschaft?
Junia. Daß ich mich täuschte, Herr, verhehl' ich nicht.
Ich sucht' Octavien hier und nicht den Kaiser.
Nero. Ich weiß es, Fürstin, und nicht ohne Neid
Seh' ich, wie du Octavien beglückst.
Junia. Du, Herr?
Nero. Meinst du, sie hätte hier allein
Nur Augen, dich zu würdigen?
Junia. O Herr,
Wen anders soll ich denn anflehn und wen
Um ein mir unbekannt Verbrechen fragen?
Du, der's bestraft, du mußt es ja auch kennen.
Ich fleh' dich an, sag' mir, was ich verbrochen.
Nero. Wie, Fürstin, ist's denn eine kleine Sünde,
Daß du mir deine Gegenwart verbirgst?
Gab dir der Himmel diesen Schatz von Schönheit
Nur, daß du ihn der Welt entziehen solltest?
Britannicus, der Glückliche, soll er
In Sicherheit und unsern Blicken fern
Sich seiner Lieb' und deiner Reize freun?
Warum hast du bis jetzt von solchem Glück
Mich ausgeschlossen und mich mitleidslos
An meinen Hof gebannt? Man spricht noch mehr:
Du littest, heißt es, ohne drob zu zürnen,
Daß er vor dir sein ganzes Herz enthülle;
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Denn nimmer glaub' ich, daß die strenge Junia
Mit Hoffnung ihm geschmeichelt hätte, ohne
Mich drum zu fragen, daß sie liebte und
Sich lieben ließe, wenn ich durch's Gerücht
Davon allein nur Kunde haben sollte.
Junia. Ich leugne nicht, o Herr, daß seine Seufzer
Mir seines Herzens Wunsch verrathen haben,
Sein Auge hat nicht stolz sich abgewendet
Vom letzten einz'gen Sprößling eines einst
Erlauchten Hauses. Er gedenkt vielleicht,
Daß einst in beßrer Zeit sein Vater mich
Für ihn bestimmt. Er liebt mich und gehorcht
Dem Vater, seiner Mutter und auch dir,
So hoff' ich, eure Wünsche stimmen ja . . . .
Nero. Der Mutter Pläne sind nicht stets die meinen,
Doch weiter Nichts von ihr und Claudius,
Denn nicht nach ihrem Sinn bestimm' ich mich;
Ich selbst, allein, hab' für dich einzutreten
Und will dir selber einen Gatten wählen.
Junia. Bedenkst du, Herr, daß jeder andre Bund
Das Haus der Cäsarn, meiner Ahnen, schändet?
Nero. Nein, Fürstin, der, den ich im Sinne habe,
Kann seine Ahnen kühn zu deinen reihn,
Du darfst dein Herz ihm ohn' Erröthen weihen.
Junia. Wer, Herr, ist dieser Gatte?
Nero. Ich bin's, Fürstin.
Junia. Du?
Nero. Einen andren Namen nennt' ich dir,
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Gäb's einen größeren als den des Nero.
Ja, eine würd'ge Wahl dir anzubieten,
Hab' ich den Hof, das Reich, ganz Rom durchforscht;
Doch, Fürstin, wie ich stets aufs Neue spähe,
In wessen Hände dieser Schatz zu legen,
Find' ich, daß Cäsar einzig deiner würdig,
Allein berufen ist, den Schatz zu hüten,
Und daß er nur der Hand dich darf vertraun,
In welche Rom die Weltherrschaft gelegt.
Du selbst, denk' doch an deiner Kindheit Jahre!
Dem Sohne hatte Claudius dich bestimmt,
Doch war's zu einer Zeit noch, wo er hoffte,
Ihn zu des Reiches Erben einzusetzen.
Jetzt, wo die Gottheit sprach, darfst du nur noch
Dich auf der Macht und Herrschaft Seite reihn;
Doch wär's ein eiteles Geschenk für mich,
Wenn nicht dein Herz damit verbunden wäre,
Wenn deine Huld mir nicht die Sorgen scheuchte,
Wenn, während ich Beneideter die Tage
Und Nächte unruhvollem Treiben widme,
Zu deinen Füßen nicht von Zeit zu Zeit
Aufathmen darf. Octavia muß dich nicht
Bekümmern. Rom giebt seine Stimme dir
Wie ich, es stößt Octavien zurück
Und macht von einer Ehe Band mich frei,
Das nie die Götter anerkennen wollten.
Bedenk's, erwäge, Fürstin, diese Wahl,
Die eines Fürsten würdig, der dich liebt,
Der Schönheit, die zu lang verborgen blieb,
Des Weltalls, welchem du dich schuldig bist.
Junia. Wohl hab' ich Grund, o Herr, erstaunt zu sein.
Im Laufe eines Tages seh' ich mich
Als Missethäterin hierher geführt,
Und wie ich schreckerfüllt vor dir erscheine
Und kaum auf meine Unschuld bauen mag,
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Beutst du Octaviens Platz mir plötzlich an;
Doch wag' ich dir zu sagen, daß ich weder
Der Ehre Uebermaß, noch diese Schmach
Verdiene. Wagst du, Herr, zu hoffen, daß
Ein Mädchen, dem, als kaum es war geboren,
Der Stamm erlosch, das in der Stille, sich
In Gram verzehrend, nach der Tugend strebte,
Die seinem Loos entsprach, daß es urplötzlich
Aus Dunkelheit an einen Platz sich stelle,
Der es den Augen einer Welt enthüllt,
Die ich von ferne kaum ertragen konnte,
In deren Licht schon eine Andre lebt?
Nero. Ich sagte dir's schon: ich verstoße sie.
Sei nicht so angstvoll, sei nicht zu bescheiden,
Und sieh Verblendung nicht in meiner Wahl,
Ich bürge dir für dich, giebst du dein Jawort.
Denk' an das Blut, aus welchem du entsprungen,
Und ziehe nicht den sichren Ruhm, den Cäsar
Dir beut, dem Ruhm der Weigrung vor, drob du
Doch einst noch bittre Reu' empfinden könntest.
Junia. Der Himmel, Herr, kennt meines Herzens Tiefen.
Nicht eitler Ehrgeiz ist es, der mich treibt;
Ich würd'ge ganz die Größe des Gebotnen,
Je höhren Glanz mir dieser Rang verleiht,
Je mehr empfänd' ich auch die Schmach des Frevels,
Die wahre Erbin drum beraubt zu haben.
Nero. Das heißt ja große Sorg' um sie empfinden,
Und Freundschaft, Fürstin, kann nicht weiter gehn;
Doch täuschen wir uns nicht, und sein wir offen:
Dich rührt die Schwester minder als der Bruder,
Und was Britannicus betrifft . . . .
Junia. Er wußte
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Mein Herz zu rühren, ich verhehl' es nicht.
Nicht klug, ich weiß, ist diese Offenheit,
Doch sprach mein Mund stets, was das Herz empfand;
Vom Hofe fern hab' ich nicht denken können,
Ich müsse je mich in Verstellung üben.
Ich liebe ihn, ich war ihm einst bestimmt,
Als Herrschaft unserm Bund noch folgen sollte;
Jedoch das Unglück, das ihn drum beraubt,
Verlorne Ehren, des Palastes Oede,
Die Flucht des Hofes, den sein Fall
Von ihm entfernt, das Alles ist ein Band,
Das Junien um so fester an ihn fesselt.
Dir lächelt Alles, was du siehst, entgegen,
In Lust verfließt dein immer heitrer Tag,
Die Herrschaft ist ihr nie versiegter Quell,
Und wenn ein Kummer ihn zuweilen trübt,
Dann sucht die Welt dich zu erheitern, stets
Bemüht, dir die Erinnrung zu verscheuchen.
Britannicus jedoch ist einsam, und er sieht
Nur mich, die Theil an seinen Leiden nimmt,
Und Thränen sind die einz'ge Freude, die
Bisweilen ihn sein Loos vergessen macht.
Nero. Ja, diese Freude, diese Thränen sind's,
Um die ich ihn beneide, die ein Andrer
Mit seinem Leben mir bezahlen würde.
Doch gönn' ich ihm ein mildres Loos, er wird
Vor deinem Blick, Prinzessin, gleich erscheinen.
Junia. Ich baute stets auf deinen Edelsinn.
Nero. Den Eintritt könnte ich ihm hier verbieten,
Doch wünsch' ich, der Gefahr zuvorzukommen,
In die sein Groll ihn leicht verstricken könnte.
Ich will nicht sein Verderben; besser ist's,
Daß er sein Urtheil aus geliebtem Mund
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Vernehme. Liegt an seinem Leben dir,
So send' ihn fort von hier und laß ihn nicht
Argwöhnen, daß ich eifersüchtig bin.
Nimm das Gehäss'ge der Verbannung auf
Dich selbst; durch Reden, Schweigen, mindestens
Durch deine Kälte mache ihm begreiflich,
Daß seine Sehnsucht, seine Hoffnung sich
Wo anders hinzurichten hat.
Junia. Wie, Herr,
Solch strenges Urtheil soll ich ihm verkünden?
Das Gegentheil schwor ich ihm tausendmal,
Und könnt' ich es auch über mich gewinnen,
Zum Ungehorsam mahnt' ihn doch mein Blick.
Nero. In dem Gemach verborgen, seh' ich dich;
Verschließe deine Lieb' in deinen Busen,
Für mich wird deine Sprache stumm nicht sein
Und deine Blicke selber werd' ich hören.
Sein Untergang ist der gewisse Lohn
Für jede Miene, jeden Seufzer, der,
Ihm Liebe kündend, dir entschlüpfen wird.
Junia. Ach, wenn ich's wagte, einen Wunsch zu nennen:
Gestatte, Herr, daß ich ihn nicht mehr sehe.
Nero. Junia. Narciß.
Narciß. Britannicus verlangt nach der Prinzessin,
Er kommt.
Nero. Er trete ein. 122
Junia. O Herr!
Nero. Ich lass' euch.
Sein Loos hängt mehr von dir ab, als von mir.
Bedenk', wenn du ihn siehst, daß ich dich sehe.
Junia. Narziß.
Junia. O theuerster Narciß, eil' ihm entgegen,
Sag' ihm . . . Ich bin verloren, ha, er kommt!
Britannicus. Junia. Narziß.
Britannicus. O Fürstin, welch ein Glück führt mich zu dir?
Ich darf des holden Zwiegesprächs mich freun,
Doch bange Ahnung störet meine Wonne.
Ach, darf ich hoffen, dich aufs Neu' zu sehn,
Muß auf verschlungnen Wegen ich ein Glück
Mir rauben, das du täglich mir gewährtest?
Welch eine Nacht, welch ein Erwachen! Konnten
Dein Anblick, deine Thränen nicht einmal
Der frechen Söldner rohe Schaar entwaffnen?
Wo war ich, dein Geliebter? hielt ein Dämon
Mich fern, daß ich vor deinem Angesicht
Nicht sterben konnte? Hast du in Bestürzung
Nicht stille Klagen zu mir hergesandt?
O, meine Fürstin, hast du mich herbei
Gewünscht und an den Gram gedacht, den du
Mich kostest? – Ha, du redest nicht, – wie eisig
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Ist dein Empfang! Soll das der Trost sein, den
Du mir im Unglück bringst? Wir sind allein;
Dieweil wir reden, wurde unser Feind
Wo anders hingelockt und ist beschäftigt, –
Laß mich den günst'gen Augenblick benutzen.
Junia. Hier dieser Raum ist voll von seiner Macht,
Selbst diese Mauern können Augen haben,
Der Kaiser ist niemals abwesend hier.
Britannicus. Seit wann, o Fürstin, bist du denn so zaghaft,
Läßt deine Liebe schon sich Fesseln schmieden?
Was ward aus diesem Herzen, das mir stets
Geschworen, Nero selber solle uns
Um unsrer Liebe Glück beneiden? Doch
Verbann', o Fürstin, deine eitle Furcht!
Die Treu' ist noch in aller Herzen nicht
Erloschen, jeder scheint zum mindesten
Mit Blicken meinen Groll zu billigen,
Und Neros Mutter zeiget sich uns günstig.
Rom selbst, unwillig über sein Verfahren . . . .
Junia. Ach, Herr, du sprichst nicht, wie du denkst; du selbst
Hast tausendmal mir eingestanden, daß
Ganz Rom in seinem Lobe sich begegnet,
Der Schmerz ist's wohl, der dich so reden heißt.
Britannicus. Befremdend klingt dein Wort, ich muß gestehn;
Nicht um sein Lob zu hören suchte ich
Dich auf. Wie, meinen Kummer dir zu sagen,
Erhasch' ich einen günst'gen Augenblick,
Und diese theure Spanne Zeit, o Fürstin,
Vergeht damit, daß du den Feind mir lobst,
Der mich zu unterdrücken sucht, und dich
An einem Tag dir selber untreu macht?
Wie, selbst dein Blick hat Schweigen schon gelernt,
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Was muß ich sehn? Du meidest schon den meinen?
Gefällt dir Nero? Bin ich dir verhaßt?
Ha, wenn ich's glaubte! – In der Götter Namen
Zerstreu' die Sorg', in welche du mich stürzest.
Sprich, leb' ich nicht in deinem Herzen mehr?
Junia. Zieh dich zurück, o Prinz, der Kaiser kommt.
Britannicus. Nach solchem Schlag, was hab' ich zu gewärt'gen?
Junia. Nero. Narciß.
Nero. Prinzessin . . . .
Junia. Herr, ich darf, ich kann Nichts hören,
Ich habe dir gehorcht, – laß mindestens
Mich Thränen weinen, die er nicht mehr sieht.
Nero. Narciß.
Nero. Nun siehst du ihre heiße Leidenschaft,
Sie zeigte selbst in ihrem Schweigen sich;
Sie liebt den Nebenbuhler, das ist klar,
Doch wird mir's eine Wonne sein, wenn ich
Ihn zur Verzweiflung bring'. Ich mache mir
Von seiner Qual ein reizend Bild. Schon sah ich,
Wie er an der Geliebten zweifelte.
Ich folge ihr. Mein Nebenbuhler harrt
Auf dich, um seinem Ingrimm Lust zu machen.
Geh' hin und quäle ihn mit neuem Argwohn,
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Und während man vor meinen Augen ihn
Beklagt und liebt, laß theuer ihn ein Glück,
Das ihm verborgen blieb, bezahlen.
Narciß
(allein). Schon
Zum zweiten Mal, Narciß, lacht dir das Glück
Entgegen, bist du blind für seinen Wink?
Nein, bis zum letzten Ziel will ich ihm folgen,
Und ihr Verderben soll den Weg mir bahnen.
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