Wilhelm Raabe
Abu Telfan
Wilhelm Raabe

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Siebzehntes Kapitel

Dieses ist das siebzehnte Kapitel der wahrhaften und merkwürdigen Historie des Herrn Leonhard Hagebucher, der zwölf Jahre zu Abu Telfan im Tumurkielande in der Gefangenschaft zubrachte, und bittet der Verfasser zu bemerken, mit welch einer außerordentlichen Feinheit er seinen Helden hier dicht vor ein zweites Examen stellt. Dem ersten hatte er sich im fünften Kapitel zu unterziehen und fiel jämmerlich durch.

Die polizeiliche Erlaubnis war erbeten und erteilt worden; der Saal stand zur Verfügung, die Bevölkerung der Residenz und der umliegenden Landschaft war durch das Landesintelligenzblatt sowie einige andere Blätter genügend benachrichtigt worden: Herr Leonhard Hagebucher aus Bumsdorf hatte die Ehre, einem verehrungswürdigen Publiko die erste seiner Vorlesungen über das innere Afrika und das Verhältnis des europäischen Menschen zu demselben zu halten! –

Langsam, langsam, langsam war der große Tag herangeschlichen; oft, oft, oft hatte es geschienen, als ob er niemals anlangen werde, doch jetzt war er da und dämmerte viel zu schnell, und ein großer Wind war ihm in der Nacht vorangegangen.

Um ein Uhr schon fuhr Täubrich-Pascha auf aus einem Traume, welcher ihn diesmal nicht zu den Palmen von Jericho, den Ölbäumen von Gethsemane und Bethlehem geführt hatte. Jach fuhr er in die Höhe, stieß mit der Stirn gegen das schräge Dach über seinem Lager und sank zurück mit dem Wort:

»O Je – rusalem – richtig!«

Er hatte jenen heftigen Wind in seiner Dachkammer aus erster Hand, und so war's nicht unnatürlich, daß ihm träumte, er werde von einem unwiderstehlichen Verhängnis aufgehoben und mit dem Kopf voran durch eine Bretterwand getrieben. Seinem Nachbar jenseits des Ganges träumte ganz das nämliche, und auch dieses widersprach in Anbetracht der Verhältnisse weder dem Wesen des Traumes noch der augenblicklichen Stimmung und Empfänglichkeit des Träumenden.

Noch war es vollständig Nacht, als der Schneider das Feuerzeug ertastete und seine Lampe anzündete; zwischen fünf und sechs Uhr stand er, nach Befehl, vor dem Bette seines Patrons, neigte sich über ihn wie Gülnare über den zum Tode verurteilten Konrad und flüsterte:

»Da liegt er, da liegt er sanft und süß und unschuldig wie ein Kind im Schlummer und weiß nicht, was er vor sich hat!«

Ein tiefes Ächzen antwortete ihm, und unter seiner Decke hervor stöhnte Hagebucher:

»Sie irren sich sehr, Täubrich! Er weiß sehr gut, was er vor sich hat: Schlummer? Unschuld? Süßigkeit? O Täubrich, seien Sie kein Esel – ich wünsche von Herzen, daß Sie eine bessere Nacht gehabt haben mögen als ich.«

»Es war ungewöhnlich windig, Sidi.«

»Reden Sie mir nicht davon, Täubrich, ich habe große Lust, das für ein recht böses Omen zu nehmen. O Gott, weshalb mußte ich mich doch auf diesen Unsinn einlassen?«

Die Gedanken und Vorstellungen, an welchen Herr Leonhard Hagebucher sich stieß, als er sich jetzt gleichfalls aufrichtete, waren viel härter als der Balken über dem Haupte des Paschas, und alle Trostgründe des letztern waren ebenso vergeblich wie der eigene schwächliche Versuch, sich selber zu überzeugen, daß man doch wohl schon etwas Schlimmeres durchgebissen habe.

Im tiefsten Schweigen bereiteten die beiden Orientalen ihren Kaffee und tranken ihn; düster qualmten die beiden Morgenpfeifen in den düstern Morgen hinein, und als der Mann vom Mondgebirge nun gar sein Heft vor sich hinlegte und anfing zu memorieren, da steckte der Wahnsinn in Person den Kopf in die Tür und versprach, heute abend wieder nachsehen zu wollen. Wie ein totgeborenes Kind trug Täubrich das schwarze Beinkleid des Redners in das Gemach, und als er am Frack einen wichtigen Knopf nicht vorfand, entrang sich seiner Brust ein solcher Seufzer, daß Hagebucher für eine lange Zeit den Faden dessen, was er sagen wollte, total verlor und von dem zitternden Pascha nur mit äußerster Mühe zu der Überzeugung gebracht wurde, daß nur ein Knopf vermißt werde. Es war ein großer Tag, und wie es zu geschehen pflegt, so sollte an ihm eine Aufregung der andern folgen.

Schon um acht Uhr erschien atemlos der Leutnant Hugo von Bumsdorf, bat inständigst um Verzeihung, weil er so früh störe, und erkundigte sich ungemein zärtlich und besorgt nach dem Befinden des Afrikaners, dem er zugleich unaufgefordert versprach, nach eigenen schwachen Kräften für den Erfolg des Abends wirken zu wollen; zugleich aber hatte er auch seine Sorgen und erlaubte sich, dieselben dem berühmten Bumsdorfer Landsmann und guten Freunde des Papas vorzutragen. Es unterlag keinem Zweifel, der »Alte« kam sicher heute in die Stadt, um den Vortrag des Herrn Hagebucher anzuhören, und da wäre es doch im höchsten Grade unangenehm, wenn der gute, aber häufig untraktable Greis sogleich allerlei bösartigem, intrigantem, gewinnsüchtigem Volk in die Hände falle, ohne von einer zwar sanften, aber festen Freundeshand zu einem richtigen, der gegenwärtigen Lebensanschauung konformen Verständnis der Dinge hingeleitet zu werden. Er, der Herr Leutnant, kannte die Schlechtigkeit der Menschen nur zu gut und wußte genau, welche Behutsamkeit im Verkehr mit ihnen erforderlich sei; sein kindliches Herz empörte sich bei dem Gedanken, den geliebten, aber etwas bockbeinigen Erzeuger mit seinen Provinzialbefangenheiten einem solchen Wirbel von Schlechtigkeit ohne den beratenden Beistand eines verständigen Freundes zu überliefern. An die innige Bitte, dem Papa doch dieser treue Knecht Eckart zu sein, knüpfte der Leutnant einen Schwall der verschiedenartigsten und verworrensten Versicherungen. Er sprach von Reue und Wehmut, von Besserung und Heimweh, von seinem Rattenfänger Whig und der Jasminlaube vor dem Hause des Steuerinspektors zu Bumsdorf. Er sprach von seiner Mutter und der Mutter Leonhards, von Freundschaft und Liebe, von der Infanteriekaserne und einem eigenen Herde, welcher letztere Goldes wert sein sollte, ihn aber von neuem auf seine Schulden brachte, weshalb er atemlos, wie er kam, fortstürzte, um des Geschickes Tücke womöglich schon am Stadttor zu parieren und den noch viel tückischeren Alten abzufangen und ihn durch unendliche Liebenswürdigkeit und Zärtlichkeit zu bezaubern und vollständig – blind zu machen.

Auf den Leutnant von Bumsdorf folgte um neun Uhr ein Billett der Baronin von Glimmern, welche Glück zu dem Tage wünschte, aber auf etwas dunkle Weise vor zu großer Unvorsichtigkeit warnte und bat, das, was der Major Wildberg heute noch vortragen werde, nach Kräften zu berücksichtigen.

In fieberhafter Erregtheit erschien um halb zehn Uhr der Professor Reihenschlager. Er brachte alle Taschen voll Notizen mit, welche er noch in das Konzept eingeschoben zu haben wünschte, und außerdem einen Gruß von Fräulein Serena, welchen er jedoch nur auf dringendes Verlangen von seiten Leonhards und etwas verlegen herausgab.

Fräulein Serena bot dem Herrn Hagebucher einen guten Morgen und wünschte, er möge sich am Abend nicht blamieren. Übrigens werde sie jedenfalls der Vorlesung anwohnen und hoffe sich unter allen Umständen zu amüsieren.

»Es kommt doch alles, an was man nicht dachte, über einen!« stöhnte der Afrikaner. »Professor, wenn ich noch einen Nervenschlag oder dergleichen ankündigte?!«

»Das wäre noch besser und in der Tat eine Blamage!« rief der koptische Gelehrte. »Mut, Mut! Wie kann ein Mensch, der den unsträflichen Äthiopen trotzte, diesem degenerierten Europäertum gegenüber so zaghaft sein?«

»Sie haben gut reden«, seufzte der Held des Tages. »Sie sitzen mitten in dem dicksten Haufen dieses Europäertums und hören gelassen zu; ich aber – – – o Gott, o Gott, die Luft geht mir von Stunde zu Stunde mehr aus, und meine einzige Hoffnung ist, daß sie mir bis acht Uhr abends völlig abhanden gekommen sein wird!«

»Ich kenne diese Symptome; sie sind beängstigend, aber weiter nicht gefährlich«, sprach der Professor mit der Gemütsruhe eines Henkers, welcher schon mehr als einen von der Leiter stieß. »Brausepulver und Selbstvertrauen helfen am sichersten darüber weg. Das erstere Mittel führe ich als alter Praktikus bei mir; hier das Natrum bicarbonicum, hier die Säure; Täubrich, besorgen Sie uns eine Flasche Brunnenwasser.«

Der Pascha kreuzte nach der Sitte des Morgenlandes die Arme über der Brust, doch ehe er den Auftrag auszuführen vermochte, entstand ein solches Gepolter auf der Treppe und wurde so heftig an die Tür gepocht, daß er entsetzt von derselben zurückfuhr.

»Der Vetter Wassertreter! Er hat es richtig nicht lassen können, da ist er!« rief Leonhard; die Tür wurde aufgeschleudert, und unzweifelhaft war's der Vetter Wassertreter, der, bepelzt wie ein Samojede, auf der Schwelle stand und ein dreimaliges Hurra ertönen ließ. Dieses Geschrei fand ein Echo in der kräftigen Lunge eines zweiten, fast noch bepelzteren Herrn, welcher dem Wegebauinspektor auf dem Fuße folgte. Der Dynast von Bumsdorf machte die schwermütigsten Ahnungen seines Sohnes Hugo wahr, auch er »hatte es nicht lassen können«! Er war da, mit dem besten Appetit für alle Freuden und Herrlichkeiten der Residenz und mit dem größten Wohlwollen in betreff all ihrer Bewohner; seinen Leutnant hatte er noch nicht zu Gesicht bekommen.

Der Vetter Wassertreter faßte zuerst den Afrikaner in die Arme, dann aber auch den Professor, welchen er mit seinem alten Burschennamen »Pilz« jauchzend begrüßte, worauf Professor Reihenschlager, der mit genauer Not dem Erdrücktwerden entgangen war, ebenso freudig jauchzte:

»Hurra, Schaumlöffel! Ohne dich wär's auch nicht gegangen! Es ist wacker von dir, daß du gekommen bist.«

»Und hier stelle ich dir meinen Freund Bumsdorf vor, Pilzchen! Leonhard kennt ihn, ein Biedermann und rationeller Landwirt ersten Ranges. Weißt du, Pilz, Bumsdorf, uraltes Geschlecht, wird dich sehr interessieren!... Bumsdorf, hier haben Sie den Professor Reihenschlager, meinen guten Freund und Korpsbruder – gelehrtes Lumen, Abhandlung über die ägyptische Finsternis, koptisch-grammatikalischer Lexikonswüterich! Muß Sie unmenschlich freuen, Bumsdorf! Mach die Tür zu, Leonhard, wir bringen einen harten Winter von Nippenburg mit.«

»Halt, offenlassen!« schrie der Dynast, die Hand des Professors halb abgeschüttelt freigebend und mit Energie sich der Pforte zuwendend:

»Sievers, rück 'r herein, lad Er ab!«

Und Sievers, ein breitschultriger, kurzbeiniger, stiernackiger Vasall des Bumsdorfer Feudalsitzes, stapfte in das Gemach, mit einem Flaschenkorbe und einem Viktualienkober beladen, setzte beides auf den Boden, scharrte den Herren einen schönen guten Morgen und zog sich, fortwährend den staunenden Täubrich-Pascha im Auge haltend, rückwärts schreitend an die Wand zurück.

»So, jetzt können wir die Klappe mit gutem Gewissen schließen!« sprach der Herr von Bumsdorf. »Jetzt sind wir komplett. – Die Viktualien schickt heimlich die Mama Hagebucher, Leonhard, die Flüssigkeiten liefre ich; frühstücken wir also vor allen Dingen gut bumsdorfisch, nachher können wir dann mit um so größerem Gusto an die Tabeldehot im Hotel de Prusse denken.«

»Rücken Sie den Tisch heran, Täubrich!« rief der Vetter Wassertreter, und der Jerusalemer Schneider, welcher sich bis jetzt noch immer nicht satt an dem Bumsdorfer Vasallen gesehen zu haben schien, wurde unter diesem Anruf auf einmal höchst munter und lebendig. Um elf Uhr war die Sache ungeheuer gemütlich geworden; die vier Herren taten dem improvisierten Frühstück alle Ehre an; der Pascha und der Vasall warteten ihnen und sich selber mit dem lobenswürdigsten Eifer auf, und selbst Leonhard Hagebucher vergaß auf eine kurze Stunde das dunkle Gewölk über seinem Haupte. Von Bumsdorf und Nippenburg brachte der Vetter unbegreiflicherweise nicht die kleinste Neuigkeit mit. Jedermann befand sich wohl, aber jedermann wußte immer noch, was er sich schuldig war, und hielt seinen Standpunkt mit dem löblichsten Selbstgefühl fest. Was das Haus Hagebucher im besondern betraf, so vergrunzte der Alte freilich noch immer seine Tage und machte den Hausgenossen das Leben sauer und dunkel genug; aber der Vetter Wassertreter sah auch hier heiter in die Zukunft und hoffte das Beste von einem Fackelzug und einer Deputation mit Musik, welche dem zürnenden Greis vor die Türe rücken und ihn mit allen Ehren in den Goldenen Pfau zurückholen sollte.

»Du kennst und würdigst mich immer noch nicht gänzlich, Leonhard!« rief der Vetter. »Der ganze Apparat ist längst beisammen. Morgen um zehn Uhr fahren wir heim, um drei Uhr nachmittags sind wir in Nippenburg, und das Experiment kann auf der Stelle gemacht werden. Ich tanze wie Demokrit vor dem Zuge der Abderiten; ich halte eine Rede, und nachher ist Festessen im Pfau. Der Onkel Schnödler tut Abbitte, der Alte bekommt eine Ehrenpfeife, und sämtliche Klubmitglieder lassen sich später photographieren und werden ihm in einem kalbledernen Album mit Goldschnitt überreicht. Wenn das nichts hilft, so werde ich freilich meine Kenntnis des menschlichen Herzens in die nächste Trödelauktion geben und mich keineswegs verwundern, wenn kein Nippenburger drauf bietet.«

Um zwölf Uhr klang man zum letztenmal die Gläser für den Erfolg des Abends an. Der Professor Reihenschlager hielt eine kleine Ansprache, in welcher er den Afrikaner ermahnte, den freien, heitern Blick des gegenwärtigen Augenblicks ja für die kommende große Stunde festzuhalten, was Leonhard versprach, leider aber nicht hielt. Der Vasall und der Pascha, welche um diese Stunde einander besser kennen- und schätzengelernt hatten, tranken Brüderschaft, und gegen ein Uhr erschien der Leutnant Hugo von Bumsdorf zum zweitenmal in Hagebuchers Wohnung, wurde zärtlich in die väterlichen Arme gezogen und warf über die Schulter des ahnungslosen Alten einen gerührten und dankbaren Blick im Kreise der Anwesenden umher.

»Die Laune wäre schon recht!« flüsterte er dem Afrikaner zu. »Jetzt führ ich ihn ins Hotel de Prusse und nachher – – ah!«

Und sie gingen zum Hotel de Prusse, aber Leonhard ging nicht mit ihnen. Die lichte Stunde war nur allzu schnell vorübergeflogen, und mit dem vollen Bewußtsein seiner Lage stand der Redner vor den Flaschen und Tellern des Frühstückstisches und hob von neuem an zu memorieren. Täubrich-Pascha aß weiter und schien die Absicht zu haben, sich vollständig durch den Tag durchzufressen.

»Es ist einzig und allein die Aufregung!« seufzte er beschönigend und stellte dadurch sein treffliches Verdauungssystem doch ein wenig zu sehr in den Schatten.

Was hilft es, die Sanduhr vor Ablauf der Stunde umzukehren, man hält die Zeit dadurch ebensowenig auf, als man sie dadurch beschleunigt, wenn man das Glas ungeduldig schüttelt. Gegen ein Uhr klopfte und bürstete Täubrich seinen eigenen Frack in seinem eigenen Gemache, und gegen vier Uhr klopfte es abermals an die Tür Leonhard Hagebuchers, und wiederum fuhr er zusammen, wie unter der Peitsche von Abu Telfan.

Diesmal trat der Major Wildberg herein, der einzige, auf welchen der Redner, infolge des Billetts der Frau von Glimmern, mit einiger Ungeduld gewartet hatte und welchen er freudig in der Voraussetzung begrüßte, daß er ihm etwas Förderliches mitzuteilen haben werde. So war es auch, aber doch nicht gerade so, wie der Mann aus dem Tumurkielande es sich vorgestellt hatte. Der Herr Major brachte die schönsten Grüße und besten Wünsche von seiner Frau Emma, allein er brachte sie mit einer sehr bedenklichen Miene, und nach einigen allgemeinen und gleichgültigen Redensarten kam er schnell zur Sache. Wir aber können uns begnügen, einen Auszug seines Vortrages mitzuteilen; denn jeder verständige Mensch kann bei einigem Nachdenken sich selber sagen, was er zu sagen hatte.

Es gab allerlei Stimmen und Stimmungen in der Residenz. Es gab eine Menge Leute, welche den Afrikaner bereits genug kannten, um ihm alles mögliche zuzutrauen, Leute, welche dem Abend nicht mit den günstigsten Gefühlen entgegensahen. Selbst in die höchsten Kreise war das Interesse an dem Herrn Hagebucher gedrungen; aber auch hier schüttelte man den Kopf, fürchtete arge afrikanische Indiskretionen und besorgte die unangenehmsten Verwicklungen dadurch mit dem Kaiser von Abyssinien, dem Vizekönig von Ägypten und dem Sultan von Wadai. Der Major hielt es für seine Pflicht, den afrikanischen Redner zu bitten, sich und andere nicht zu sehr bloßzustellen, sich in seinen Ausdrücken, Scherzen und Gleichnissen tunlichst zu mäßigen, stets wo möglich die gemütliche Seite herauszukehren und, schon seines eigenen Vorteils wegen, sich stets mehr an das Herz als an die Vernunft der Leute zu wenden. Eine leise Andeutung, daß wohl bereits einige Intrigen betreffs Gestattung oder Verhinderung von derartigen öffentlichen Vorträgen angesponnen sein könnten, beschloß die gutgemeinte Warnung. Leonhard Hagebucher konnte auf alles dieses leider nur mit einem grimmigen Lächeln antworten, daß es durchaus nicht in seiner Absicht liege, irgendeinen andern als sich selber zum Narren zu halten. Diese Versicherung gewährte nur einen geringen Trost; der Major schüttelte das Haupt, fast geradeso bedenklich wie die höchsten Kreise, drückte dem Freunde die Hand und zog ab mit einem tiefen Seufzer, der außer allem Mitgefühl ein ganz kleines Bruchteilchen von Neid auf den Afrikaner in sich schloß.

Um sieben Uhr abends hatte Nikola von Glimmern mit ihrem Gemahl noch eine Unterredung, welche allmählich einen ziemlich bittern Charakter annahm, aber die schöne Exzellenz nicht an der Vollendung ihrer Toilette hinderte. Infolge dieses Wortwechsels fuhr der Baron jedoch noch einmal zu dem Polizeidirektor von Betzendorff und hatte mit diesem Herrn gleichfalls eine längere Unterredung, welche aber nicht mit einem Mißklang endete, sondern die vollständigste Übereinstimmung der beiden Mächte in mehr als einem Punkte herbeiführte.

Ein letzter Blick in den dunkeln Abend zeigt uns im flackernden Licht der Gaslaterne eine Droschke in der Kesselstraße sowie den Professor Reihenschlager und den Vetter Wassertreter, welche den geknickten Hagebucher in das Fuhrwerk mehr heben als schieben. Sie steigen ihm nach, Täubrich-Pascha schlägt den Schlag zu, schwingt sich neben den Kutscher auf den Bock: La ilaha ilallah und Mohammed rassul Allah!

Der Herr von Bumsdorf und sein Stammhalter erreichten den Ort der Vorlesung auf verschiedenen Pfaden; der biedere Alte hatte längst den innigen Wunsch ausgesprochen, der Junge möge ihm fürs erste nicht wieder vor die Augen kommen!


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