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Vertumnus oder Vortumnus galt in Rom gewöhnlich für einen Gott etruskischer Abkunft, aber nur weil sein Bild im Vicus Tuscus stand, einer lebhaften Durchgangsstraße zwischen dem Forum, Velabrum und Circus Maximus, wo ehemals Tusker angesiedelt worden waren (Varro l. l. V, 46). Doch wurde derselbe Gott auch bei den Latinern, den Sabinern und überhaupt in Italien als ein der Ceres und der Pomona nahe verwandter Fruchtgott viel verehrtVgl. Varro. l. l. V, 74, Mommsen I. N. n. 375 und 636. Neben der Ceres wird er genannt b. Mommsen n. 373 und b. Henzen z. Or. n. 5718., wie ja auch der Name ächt latinisch und italisch ist, so daß also auch in diesem Punkte wie in so vielen andern der etruskische Götterglaube mit dem des übrigen Italien übereingekommen sein muß. Der Name hängt jedenfalls zusammen mit vertere, und zwar ist Vertumnus speciell der Fruchtgott des annus vertens, dessen wunderbar wechselnde Gaben an Blumen und Früchten, Gewächsen, Bäumen und Beschäftigungen sich in der Wandelbarkeit dieses Gottes und seiner 398 Gestalten und Zierden wiederspiegelt. So ist er zunächst sowohl ein Gott des FrühlingsColumella X, 308 mercibus et vernis dives Vertumnus abundet. Vgl. Prop. IV, 2, 11 seu quia vertentis fructum praecepimus anni, Vertumni rursus creditur esse sacrum. Tibull. IV, 2, 14 Talis in aeterno felix Vertumnus Olympo: mille habet ornatus, mille decenter habet. als des fruchtbaren Herbstes, ganz besonders aber dieses letzteren und seiner Spenden in den Gärten und Baumpflanzungen; daher er gewöhnlich wie ein Gärtner und Obstzüchter gedacht und abgebildet wurde, Früchte im Schooß und das Gartenmesser in der Hand; doch besaß er nach dem Glauben des Volks die proteische Natur einer absoluten Wandelbarkeit, so daß er jede beliebige Gestalt annehmen konnteDaher Horat. S. II, 7,14 Vertumnis quotquot sunt natus iniquis. Er wurde darüber und wegen seiner Stelle im Vicus Tuscus, wo es viele Buden gab, Horat. Ep. I, 20, 1, II, 1, 269, Martial. XI, 27, 11, auch zum Gotte des Kaufs und Verkaufs, s. Ascon. in Verr. II, 1, 154 p. 199 Vortumnus autem deus invertendarum rerum est i. e. mercaturae. Ueber seine gewöhnliche Bildung s. Welcker z. Müller Handb. d. Arch. § 404, 1.. Den römischen Vertumnus im Vicus Tuscus schildert Properz in einem allerliebsten Gedichte (IV, 2). Es reut ihn nicht, sagt er, Volsinii im Kriege verlassen zu haben (daher mochte das spätere Erzbild stammen), denn es gefalle ihm sehr in der lebhaften Straße zu Rom, wo täglich so viel Volks vorbeilaufe und von wo er auf das geschäftige Forum sehen könne. Einst sei der Tiber da geflossen, doch habe er dessen Strom gewendet, woher er nach Einigen seinen Namen bekommen habev. 10 Vertumnus verso dicor ab amne deus. Vgl. Ovid F. VI, 403 und Serv. V. A. VIII, 90. Ueber das Oertliche s. Becker Handb. 1, 154. 489 und meine Regionen S. 151., dahingegen Andre diesen von den mancherlei Früchten ableiteten, die ihm im Laufe des Jahres von dem Landvolke dargebracht wurden. Ihm reife zuerst die Traube, sein Haar werde zuerst von der reifenden Aehre geschmückt, Kirschen, Pflaumen, Maulbeeren, Birnen könne man zuerst bei ihm finden. Alle Gestalten kann er annehmen und paßt zu allen Gestalten, der des Kriegers, des Jägers, des Gärtners, des Fischers, des Hirten, eines Mädchens oder eines Jünglings. Aber am meisten berühmt und bewährt sei er doch als Gärtner und die Zier der Gärten stehe ihm auch am besten an, Gurken, Kürbisse, zierlich gebundene Kohlköpfe und alle Blumen. Einst sei sein Bild ein einfacher Ahornstock gewesen, etwas zugestutzt mit dem Messer, jetzt stehe er da als gegossenes und geschnitztes Bild von Erz, das Werk eines zweiten Mamurius. Noch hübscher ist das latinische Mährchen 399 von Vertumnus und der Pomona bei Ovid Met. XIV, 623 ff, natürlich spielt es in alter Zeit, unter dem Albanerkönige Procas. Pomona ist die schöne Nymphe der Gärten und der Fruchtbäume. Immer ist das Gartenmesser in ihrer Hand, bald um geile Triebe ihrer lieben Bäume zu beschneiden, bald um edle Setzlinge in den wilden Stamm einzulassen. Die Bäume sind ihre ganze Lust, sie zu begießen, zu pflegen, gegen das Gelüste der Waldmänner zu hegen. Von keiner Liebe wußte sie, wie sehr sich auch die lustigen Söhne der Flur und des Waldes um ihre Gunst bemühen mochten, auch Silvan, dessen Herz immer jünger ist als seine Jahre: bis Vertumnus die Spröde bezwang, durch treue Liebe und durch die Schönheit seiner wirklichen Gestalt. Anfangs suchte er sie unter allerlei fremden Gestalten zu gewinnen, indem er bald als Schnitter zu ihr trat, bald als Mäher, bald als Ochsentreiber, dann wieder als Gärtner, als Winzer, als kühner Krieger mit dem Schwerdt, als Fischer mit der Angel, zuletzt in der Gestalt eines alten Weibes mit greisem Haar und bunter Haube die an einem Krückenstabe in Pomonas Garten tritt, ihr Obst lobt, die reizende Nymphe küßt, zu den vollen Zweigen verwundert aufschaut und an dem Beispiel der Ulme, an welcher eine Weinrebe voller Trauben reifte, das Glück der liebenden Vereinigung nachweist. Warum sie so spröde sei, von so Vielen geliebt? Wohl habe sie Recht, die gemeinen Gesellen des Waldes zu verschmähen, nicht aber den Vertumnus, der in allen Gärten um Alba heimisch sei und Pomona so zärtlich liebe, zärtlicher als alle. Auch sei er jung und schön und seine Leidenschaft für das Obst so groß wie die ihrige. Alles umsonst, bis er seine wahre Gestalt annimmt, die eines schönen Jünglings, so schön wie wenn die Sonne in vollem Glanze strahlend durch die Wolken blickt. Da ergiebt sich die Schöne freiwillig dem Schönen und beide sind fortan unzertrennlich. Wirklich scheint es in Italien neben der Pomona einen männlichen Gott desselben Namens gegeben zu haben, welcher in den iguvinischen Opferurkunden Puemunus heißtAufrecht und Kirchhoff Umbr. Sprachdenkm. 2 S. 364. Neben dem Puemunus und in steter Verbindung mit ihm erscheint auf den iguvinischen Tafeln eine Göttin Vesuna, die sich auch bei den Volskern und Marsern findet, aber noch nicht sicher erklärt ist, vgl. Mommsen Unterital. Dial. t. XIV S. 321. 325. und wohl mit dem Vertumnus identisch gewesen sein mag. Pomona aber hatte zwar auch in Rom einen eignen Flamen, freilich seiner priesterlichen Würde 400 nach den am wenigsten angesehenen, weil die Aepfel (poma) im Rufe leichtfertiger Sitte standenVarro l. l. VII, 45, Fest. p. 154 Maximae dignationis., doch war ihr eigentliches Gebiet natürlich wie das des Vertumnus auf dem Lande. So gab es auf dem ager oder campus Solonius, der sich zwischen Ardea und Ostia erstreckteFest. p. 250, vgl. Bormann altlatin. Chorogr. S. 118. und damals fleißig cultivirt wurde, ein sogenanntes Pomonal, also einen alten Hain der Pomona, der für die ganze Umgegend von religiöser Bedeutung sein mochte, wenigstens deutet auch die Fabel von Picus und Pomona (S. 334) auf diese Gegend. Endlich wissen wir daß sie auch in der Gegend von Amiternum verehrt wurdeVgl. die oskische Inschrift aus jener Gegend bei Mommsen Unterit. Dial. t. XV S. 339 mesene flusare poimuni[e] d. i. mense Florali Pomonae. Das oskische Wort für pomum ist sonst posmum = pômum, dessen langes o auf Wegfall eines Consonanten deutet. Pott etymol. Forsch. 1, 271 leitet es ab vom Sanskr. pusch d. i. nutrire. Vgl. noch die Inschr. aus Salerno bei Mommsen I. N. n. 122, wo Einer eine Summe legirt ad exornandam aedem Pomonis etc.. Vertumnus aber hatte außer jener Capelle mit dem alten Bilde im Vicus Tuscus eine andre am Abhange des Aventin, wo ihm am 13. August, wohl zur Begrüßung der Obstzeit ein Opfer dargebracht wurdeKal. Capranic. Amitern. z. d. Id. Aug. Auch die aedes Vertumni b. Fest. p. 209 Picta ist wahrscheinlich auf den Aventin zu beziehn, s. Becker Handb. 1, 450. 453. 489. Andre Stellen sind zweifelhaft, weil die Namen Vortumnus und Volturnus leicht verwechselt wurden.. 401