Plautus
Der Großsprecher (Miles gloriosus)
Plautus

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Zweiter Act.

Erste Scene.

Palästrio. (an die Zuschauer)
Den Inhalt darzulegen, bin ich gern bereit,
Habt ihr, mich anzuhören, die Gewogenheit.
Wer nicht verlangt zu hören, hebe sich hinaus,
Auf daß ein Andrer sizen kann, der hören willIn den älteren Zeiten standen die Zuschauer im Theater; späterhin sorgte jeder Zuschauer für seinen Stuhl, den er selbst mitbrachte; erst lange nachher wurden aufsteigende Treppen mit Bänken angebracht. ,
Nun, weil ihr euch an diesem lustigen Ort gesezt,
Will ich des Lustspiels, das vor euch jezt spielen soll,
Inhalt sowohl als Namen euch verkündigen.
AlazonAlazon (αλαζών) bezeichnet einen Menschen, der sich Eigenschaften beilegt, die er nie besessen, Thaten von sich rühmt, die er nie gethan hat, und ist mit unserem deutschen »Großsprecher« so ziemlich gleichbedeutend. ist der griechische Name dieses Stücks,
Das, was in unsrer Sprache jezt »Großsprecher« heißt.
Die Stadt ist EphesusDie Stadt, wo das Stück spielt, ist Ephesus. In der Regel spielten die Lustspiele zu Athen; unser Dichter bindet sich nicht immer an diese Regel. , und der Soldat mein Herr,
Der jezt zum Markte ging, ein frecher Lügenbold,
Ein rechter Schweinkerl, voll Betrug und Ehebruch;
Sagt, alle Weiber laufen ihm freiwillig nach.
Wohin er geh'n mag, ist er aller Leute Spott.
Drum auch die Mädchen, die nach ihm den Mund verzieh'n,
Die siehst du meist mit schiefen Mäulern hinter ihm.
Daß ich in seinen Diensten, ist nicht lange her.
Doch wie's gekommen, daß ich an den Herrn gerieth
Von meinem andern, frühern Herrn, erfahrt ihr jezt.
Merkt auf; denn nun beginn' ich die Historia.
In Athen bedient' ich einen wackern jungen Herrn.
Der war verliebt in ein athenisch Mädchen, und,
Wie's ächte, wahre Liebe pflegt, sie liebt' auch ihn.
Der ward einmal von hoher Republik Athen
In Statsgeschäften nach NaupactusNaupactus, eine Stadt in Aetolien am korinthischen Meerbusen, das heutige Lepanto. abgesandt.
Indessen kommt auch mein Soldat zur Stadt Athen,
Schleicht bei der Freundin meines Herrn sofort sich ein,
Und fängt mit Wein, Puzwaaren, leckern Gasterei'n
Sich bei des Mädchens MutterDieselbe Person, die Mutter der Comasion, wird bald Mutter, bald Kupplerin genannt (vgl. V. 30, 32, 33.), weil sie beides in einer Person ist. einzuschmeicheln an.
So wird er bei der Kupplerin bald ganz vertraut.
Kaum daß dem Söldner die Gelegenheit sich bot,
So wird des Mädchens Mutter, das mein Herr geliebt,
Der Kupplerin, das Maul geschmiert; die Tochter wird
Von ihm, der Mutter unbewußt, in ein Schiff gelockt,
Und wider Willen hergeschleppt nach Ephesus.
Doch ich, sobald ich hörte, daß sie von Athen
Hinweggeschleppt sei, sehe möglichst schnell mich um
Nach einem Schiffe, meinem Herrn es kundzuthun.
Als wir, an Bord gestiegen, kaum die hohe See
Gewonnen, nahm ein Kaper unser Schiff hinweg.
So war ich Sklave noch bevor ich meinen Herrn
Erreicht; der Kaper schenkte mich dem Söldner hier.
Nachdem mich der in seinen Haushalt eingeführt,
Seh' ich die Freundin meines Herrn, die Athenerin.
Sie, mich gewahrend, winkte mit den Augen mir
Zu schweigen; dann, sobald sich ihr Gelegenheit
Darbot, beklagt sie gegen mich ihr Misgeschick.
Sie sagt, sie wolle nach Athen aus diesem Haus
Entflieh'n, entflieh'n zu meinem Herr, den liebe sie,
Und hasse keinen Menschen wie den Söldner hier.
Ich aber, als ich ihren treuen Sinn erkannt,
Schrieb gleich ein Briefchen, und versiegl' es ingeheim,
Und geb' es einem Handelsmann, er soll's dem Herrn,
Der Dirne Buhlen in Athen, einhändigen,
Daß er sich herbegebe. Der ist gleich bereit:
Er kommt und steigt bei seines Vaters altem Freund
Im nächsten Haus hier, einem lustigen Alten, ab,
Der dem verliebten Gaste sich willfährig zeigt,
Und uns ermahnt und unterstüzt mit Rath und That.
So spann ich denn da drinnen große Listen aus,
Damit das wackre Liebesvolk zusammenkommt.
In einer Kammer, die ihr Herr, der Söldner, ihr
Anwies, die Niemand außer ihr betreten soll,
Hab' ich die Wand durchbrochen, daß die Dirne nun,
Wie's ihr beliebt, herüber und hinüber kann.
So that ich nach des Alten Rath, er weiß darum.
Nun ist ein Nebensklave hier, ein dummer Mensch,
Den ihr der Herr als steten Hüter zugesellt.
Dem wollen wir mit Kniffen und mit Pfiffen und
Mit Schlichen einen blauen Dunst vor's Auge dreh'n,
Und ihn verwirren, daß er nicht sieht, was er sieht.
Und daß ihr nicht irr werdet, wird bald hier und dort
Die Dirne drinn in zweien Rollen sichtbar sein:
Es ist nur Eine, scheint es auch, als wären's zwei.
So wird des Mädchens Hüter nun das Maul geschmiert.
Doch bei dem alten Nachbar hat die Thür geknarrtDa die Hausthüren der Alten nicht einwärts, sondern nach außen gingen, so gab der Heraustretende, wenn er die Thüre öffnen wollte, ein Zeichen mit der Hand oder durch Anpochen, damit sich Vorübergehende in Acht nehmen könnten. ;
Er selbst, der lustige Alte, kommt, von dem ich sprach.

(er geht schnell auf die Seite.)

Zweite Scene.

Periplectomenes. Palästrio.

Periplectomenes. (spricht zu seinen Sklaven in's Haus zurück)
Wenn ihr nicht jedweden Fremdling, den ihr seht auf meinem Dach,
Tüchtig durchwalkt, gerb' ich wahrlich Riemenwerk aus eurer Haut!
Meine Nachbarn spioniren, was in meinem Haus geschieht,
Glozen stets in meinen Hof herein. Ich thu' euch allen kund:
Wen ihr immer von des Hauptmanns Leuten auf dem Dache seht,
(Den Palästrio nehm' ich aus,) den werft mir auf die Straß' hinab!
Sagt er euch von Tauben, Affen, Hennen, die entlaufen sei'n,
Weg damit: ihr seid des Todes, schlagt ihr ihn nicht auf den Tod!
Daß sie nicht sich mehr ergehen in verbotnem KnöchelspielAus Knochen machte man Würfel, und das Würfelspiel soll den Sklaven verboten gewesen sein. Der Sinn ist: Schlagt ihnen die Knochen entzwei, daß sie gleichsam kein Werkzeug mehr zum Knöchelspiele haben. ,
Sorgt dafür, daß sie zu Hause knochenlos ihr Mahl begeh'n.

Palästrio. (für sich)
Was die Dienerschaft des Hauses bei dem Alten wohl verbrach,
Daß man meinen Kameraden alle Knochen brechen soll?
Doch – mich nahm er aus. Was er den Andern thut, das schiert mich nicht.
Soll ich auf den Alten zugeh'n? Doch da kommt er selbst heran.
Herr, was hast du?

Periplectomenes.           Keiner kann mir unter Vielen so erwünscht,
Keiner so gelegen kommen, als ich dich jezt treffe.

Palästrio.                                                                         Nun?
Was allarmst du so mit dem Gesinde da?

Periplectomenes.                                             'S ist aus mit uns!Der Vers ist aus den von Angelo Mai aufgefundenen Bruchstücken eingeschaltet; er lautet in der Urschrift:

Palästrio. Was fiel vor?

Periplectomenes.           Verrathen ist's!

Palästrio.                                                 Verrathen? Was?

Periplectomenes.                                                                 Vom Dach herab
Sah von eurem Haus ich weiß nicht wer in unsern Hof herein,
Wie Comasion und unser Gast sich eben küßten.

Palästrio.                                                                     Wer
Sah es?

Periplectomenes. Deiner Kameraden Einer.

Palästrio.                                                       Und wer ist der Mensch?

Periplectomenes. Weiß es nicht; so plözlich hat er sich davon gemacht.

Palästrio.                                                                                                   So bin
Ich verloren.

Periplectomenes.   Als er forteilt, schrei' ich: he, was willst du mir
Auf dem Dach? – »Den Affen such' ich«, ruft er, und entwischt im Flug.

Palästrio. Ach, zu Grunde geh' ich Armer um die schnöde Bestie!
Doch – Comasion ist bei euch hier?

Periplectomenes.                                     Als ich herausging, war sie da.

Palästrio. Laß sie schnell herüberkommen, daß sie das Gesinde sieht,
Will sie nicht, daß Alle, die wir Diener hier im Hause sind,
Daß wir ihrer Liebe wegen uns an's Kreuz genagelt seh'n.

Periplectomenes. Also hab' ich's ihr geheißen. Willst du sonst nichts?

Palästrio.                                                                                               Sag' ihr auch,
Daß sie nicht das Weib verläugnen, jeder Kunst und jeder List
Sich bedienen, nie die Farbe wandeln solle.

Periplectomenes.                                                   Doch wozu?

Palästrio. Daß sie dem, der sie gesehen, zeige, daß er nichts geseh'n.
Aber hätt' er hundertmal auch sie geseh'n, sie läugne nur.
Hat sie doch ein gutes Mundwerk, kecke Zunge, Dreistigkeit,
Festigkeit in schnöder Arglist, Pfiffigkeit, Verwegenheit;
Wider Einen, der sie anklagt, tritt sie kühn mit Eiden auf,
Ist zu Haus in falschen Reden, falschen Thaten, falschem Schwur,
Ist zu Haus in Schmeichelei'n, in Kniffen, Ränken, Lug und Trug.
Denn kein Weib geht, wenn sie schlau ist, einen fremden Gärtner an;
Hat sie doch im eignen Garten Kraut zu jeder Schelmerei.

Periplectomenes. Ist sie da, will ich's ihr sagen. Doch was ist's, Palästrio,
Was dir jezt im Kopf herumgeht?

Palästrio. (nachdenklich)                       Schweige nur ein bischen still,
Bis ich erst den Rath in meinen Kopf berufe, der mir sagt,
Wie, mit welcher List ich überliste den verschmizten Kerl,
Der sie küssen sah, damit er das nicht sehe, was er sah.

Periplectomenes. Sinne nach! Ich will indessen hier bei Seite treten.
    (er tritt auf die Seite und beobachtet den Palästrio.)
                                                                                                      Seht,
Wie er dasteht, wie er grübelt und die Stirn in Falten legt!
Seht, er klopft an seine Brust, ich glaub', er ruft sein Herz heraus.
Schaut, er dreht sich: auf die Hüfte stüzt er jezt die linke Hand,
Mit der Rechten rechnet er an allen Fingern, schlägt sich rechts
Auf die Hüfte, will verzweifeln, weiß ja nirgends aus und ein.
Mit den Fingern schnalzt er, quält sich, wechselt stets die Stellungen.
Schaut, er wackelt mit dem Kopfe; was er fand, gefällt ihm nicht.
Was es sei, nichts Ungekochtes gibt er; was er gibt, ist gar.
Seht, nun fängt er an zu bauen; eine Säule stüzt das Kinn.
Mir gefällt die Bauerei nicht, nein, gewiß nicht; weg damit!
Denn ein fremder Dichter»Ein fremder Dichter«, barbarus poeta. In den Lustspielen der Römer, welche griechischen Ursprungs sind und griechisches Thun und Treiben nachzubilden scheinen, (in den fabulis palliatis) bezeichnet barbarus immer das Italische oder Römische, im Gegensaze des Griechischen. Dieser Dichter ist hier kein anderer, als Nävius, welcher nach dem Grammatiker Festus und den späteren Commentatoren gerade damals, als Plautus seinen »Großsprecher« gab, im Gefängnisse saß, weil er in einem seiner Lustspiele das römische Volk oder nur die Familie der Meteller beleidigt hatte. Er ward erst wieder freigelassen von den Volkstribunen, als er in zwei anderen Stücken seine Schmähungen widerrufen oder wieder gut gemacht hatte. Wie weit entfernt waren und blieben die Römer von der Freiheit der alten griechischen Komödie! Plautus verdient aber Lob, daß er durch diese Erwähnung hier an seinen armen gefangenen Freund und Zunftgenossen zu erinnern und wo möglich eine günstige Stimmung für ihn zu wecken den Muth hatte. Köpke. , hör' ich, halte so sein Kinn gestüzt,
Und die beiden Wächter»Die beiden Wächter« sind die Arme, auf welche der Dichter nachsinnend sich stüzt. wachen ihm zur Seite Tag und Nacht.
Ei! Fürwahr, jezt steht er schön da, wie der Knecht im Possenspiel.
Heute ruht er nicht, bevor er, was er will, herausgebracht.
Traun, er hat's! Frisch auf an's Werk! Wach' auf, und denke nicht an Schlaf,
Willst du nicht vielleicht mit Ruthen bunt und blau gestriegelt sein.
Rühre dich, sei nicht so träge! Hörst du nicht, Palästrio?
    (Palästrio hat nachdenkend die Augen geschlossen.)
Munter, sag' ich! Wache, sag' ich! Denn es tagt schon, sag' ich.

Palästrio.                                                                                           Recht!

Periplectomenes. Siehst du nicht, daß Feinde da sind, daß es deinem Halse gilt?
Schaffe Rath hier, schaffe Rettung! Eile ziemt, nicht Weile hier.
Komm dem Feind zuvor, umgeh' ihn, überflügl' ihn, wie du kannst,
Schließ' ihn ringsum ein, und unsern Leuten schaffe Sicherheit!
Alle Zufuhr schneide flugs den Gegnern ab; dir mache Bahn,
Daß der Zugang und die Zufuhr dir und deinen Schaaren stets
Ungehindert offen bleibe! So betreib's, die Sache brennt.
Denke nach, ersinne was, gib ungesäumt uns guten Rath,
Daß Geseh'nes ungesehn, Gescheh'nes ungeschehen bleibt!
Du beginnst ein großes Werk hier, große Mauern thürmst du, Mensch!
Wenn du das auf deine Hörner ganz allein nimmst, hoff' ich fest,
Daß wir unsre Feinde schlagen.

Palästrio.                                           Nun, ich nehm's auf mich allein.

Periplectomenes. Gut, so sollst du auch erhalten, was du willst.

Palästrio.                                                                                       Zeus segne dir's!

Periplectomenes. Theile nun mir auch die List mit, die du ausgesonnen, Freund.

Palästrio. Still! Ich führe dich in meiner Kniffe Werkstatt, mache dich
Zum Vertrauten meines Planes.

Periplectomenes.                             Unversehrt bewahr' ich ihn.

Palästrio. In des Elephanten HautDie Elephanten haben eine sehr dicke Haut. Dickhäutig ist auch bei den Neueren mit dumm und albern so ziemlich gleichbedeutend. , nicht in der seinen, steckt mein Herr,
Und besizt nicht mehr Verstand, als dieser Kloz.

Periplectomenes.                                                         Das weiß ich wohl.

Palästrio. Also spinn' ich nun die Fäden, richte so mein Plänchen ein:
Eine Zwillingsschwester, sag' ich, sei es von Comasion,
Die mit ihrem Buhlen heute von Athen hier angelangt,
Ihr so ähnlich, als ein Tropfe Milch dem andern, und bei dir
Wohne sie als ihrem Gastfreund –

Periplectomenes.                                   Schön! Den Einfall lob' ich mir.

Palästrio. Daß, im Fall mein Kamerad sie bei dem Hauptmann dort verklagt,
Daß er sie mit einem fremden Mann sich habe küssen seh'n,
Ich dagegen ihm beweise, daß es ihre Schwester war,
Die den Bräutigam umarmt' und küßte.

Periplectomenes.                                         Trefflich ausgedacht!
Und das Gleiche sag' auch ich, wenn mich der Hauptmann fragt.

Palästrio.                                                                                             Sie seh'n
Sich auf's Haar gleich, mußt du sagen; auch der Comasion schärf' es ein,
Daß sie ja nicht stottert, wenn er sie befragt.

Periplectomenes.                                                   List über List!
Wenn er aber Beide nun zusammensehen will, wie dann?

Palästrio. Pah! Da wird leicht Rath geschafft sein; tausend Gründe gibt es da:
»Auswärts ist sie, ging spazieren, schlummert, badet, zieht sich an,
Hat zu thun, sie zecht, sie frühstückt, ist verhindert, hat nicht Zeit.«
Solchen Aufschub gibt's genug, wenn wir's zuerst dahin gebracht,
Daß er nimmt als baare Münze, was man ihm vorlügen wird.

Periplectomenes. Mir gefällt das.

Palästrio.                                       Geh hinein denn; ist sie da, so heiße sie
Schnell in's Haus herübergeh'n; was wir beredet, schärf' ihr ein,
Daß sie unsern Plan ergreife, wie wir Alles angelegt,
Mit der Zwillingsschwester.

Periplectomenes.                         Wacker eingeübt erhältst du sie.
Willst du sonst was?

Palästrio.                         Daß du gehst.

Periplectomenes.                                   Ich gehe. (er geht fort.)

Palästrio.                                                               Auch ich will nach Haus.
Doch ich lasse mir's nicht merken, daß ich den aufspüren will,
Der von meinen Kameraden heut dem Affen nachgejagt.
Ohne Zweifel hat er's einem Hausgenossen mitgetheilt,
Daß er unsers Herrn Geliebte hier in nächster Nähe sah,
Wo sie sich mit einem fremden jungen Herrn herumgeküßt.
Weiß ich doch, wie's heißt: »ich kann nicht schweigen, weiß ich was allein.«
Find' ich den, der's sah, so richt' ich Schanz' und Schirmdach wider ihn.
Alles ist bereit, im Sturme nehmen wir den Menschen ein.
Find' ich so ihn nicht, so geh' ich wie ein Rüde schnüffelnd um,
Bis ich auf der Fährte spürend endlich meinen Fuchs erwischt.
Doch es knarrt bei uns die Thüre. Zunge, jezt bezähme dich!
Denn es tritt mein Kamerad, Comasion's Hüter, hier heraus.
    (er tritt auf die Seite.)

Dritte Scene

Sceledrus. Palästrio.

Sceledrus. (für sich)
Wenn ich heute nicht in Träumen auf dem Dach gewandelt bin,
Sah ich, traun, mit eignen Augen in der nächsten Nähe hier,
Wie die Freundin unsers Herrn sich einem andern Freund ergab.

Palästrio. (für sich)
Dieser ist's, der sah sie küssen, wenn ich anders recht gehört.

Sceledrus. Wer ist hier?

Palästrio.                       Dein Kamerad. Was machst du, Freund?

Sceledrus.                                                                                       Es freut mich sehr,
Dich, Palästrio, zu treffen.

Palästrio.                                   Nun? Was ist's denn? Sage mir's.

Sceledrus. Mir ist bang –

Palästrio.                           Warum?

Sceledrus.                                         Daß heute, was im Hause Diener heißt,
Daß wir alle noch den Kreuzsprung machen.

Palästrio.                                                               Springe du allein;
Denn ich liebe solchen Sprung nicht, nicht hinaus und nicht hinab.

Sceledrus. Weißt du nicht, welch neue Unthat heute sich bei uns begab?

Palästrio. Welche Unthat?

Sceledrus.                         Eine Schandthat.

Palästrio.                                                     Die behalte nur für dich!
Sage mir's nicht; mag's nicht wissen.

Sceledrus.                                                 Nein, du mußt es wissen. Heut
Hab' ich auf dem Dach des Nachbars unserm Affen nachgesezt.

Palästrio. Sceledrus, da hat ein schlimmer Bursch ein schlimmes Thier verfolgt.

Sceledrus. Daß der Henker dich!

Palästrio.                                       Ja dich, Mensch, weil du so zu schwazen wagst!

Sceledrus. Durch den Hofraum sah ich ganz zufällig in des Nachbars Haus;
Und da sah ich, wie Comasion mit einem jungen Herrn,
Einem Fremden, sich verküßte.

Palästrio.                                         Welchen Gräuel hör' ich da?

Sceledrus. Ja, ich sah's.

Palästrio.                       Du selber?

Sceledrus.                                         Ich mit meinen beiden Augen hier.

Palästrio. Geh, du schwazest, was ich niemals glauben kann, du sahest nichts.

Sceledrus. Meinst du denn, ich wäre blind?

Palästrio.                                                       Da fragst du besser einen Arzt.
Aber soll kein Gott dir zürnen, laß das Mährchen – Mährchen sein:
Deinen Beinen, deinem Kopfe machst du sonst das schlimmste Spiel.
Denn dir droht zwiefach Verderben, wenn du nicht dein dumm Geschwäz
Unterdrückst.

Sceledrus.             Warum denn zwiefach?

Palästrio.                                                     Das erklär' ich dir. Zuerst
Mußt du sterben, wenn du die Comasion falsch beschuldigtest;
Zweitens stirbst du, wenn es wahr ist, weil man dich als Hüter ihr
Beigesellt.

Sceledrus.         Was mir geschieht, das weiß ich nicht, nur was ich sah.

Palästrio. Armer Mensch, du fährst noch fort?

Sceledrus.                                                         Ich darf doch sagen, was ich sah.
Ja, sie ist auch jezt noch drüben.

Palästrio.                                           Was? Sie wäre nicht daheim?

Sceledrus. Geh und sieh selbst nach! Ich will nicht, daß man mir blind glauben soll.

Palästrio. Gut, ich thu's. (er geht in's Haus.)

Sceledrus.                       Ich warte deiner, und – belausche sie zugleich,
Wann die Färse von der Weide wieder nach dem Stalle geht.
Was beginn' ich nun? Der Hauptmann gab mich ihr als Hüter zu.
Zeig' ich's an, bin ich des Todes; schweig' ich, geht mir's ebenso,
Wenn's bekannt wird. Was ist schlimmer und verweg'ner, als ein Weib?
Die, indeß ich auf dem Dache stecke, huscht zur Thür hinaus.
Welch ein freches Unterfangen! Wenn der Hauptmann dies erfährt,
Packt er, glaub' ich, unser ganzes Haus und schleppt's hinaus an's Kreuz.
Was auch komme, lieber will ich schweigen, als vergeh'n in Schmach.
Kann ich doch die nicht behüten, die sich selbst feilbietet.

Palästrio. (aus dem Hause zurückkommend)                                   He!
Sceledrus!

Sceledrus.         Wer ruft so drohend?

Palästrio.                                             Gibt es einen keckern Schuft,
Den die Götter mehr verabscheu'n, als du bist?

Sceledrus.                                                                 Was hast du denn?

Palästrio. Laß dir doch die Augen blenden, welche seh'n, was nirgends ist!

Sceledrus. Nirgends? Was?

Palästrio.                             Jezt gäb' ich für dein Leben keine taube Nuß.

Sceledrus. Nun, was ist's denn?

Palästrio.                                   Kannst du fragen, was es ist?

Sceledrus.                                                                                 Wie sollt' ich nicht?

Palästrio. Soll man dir die gar zu rege Zunge nicht abhau'n sofort?

Sceledrus. Und warum?

Palästrio.                       Sie ist zu Hause, die du bei dem Nachbar doch
Sahest, wie sie mit dem Fremden sich geherzt und sich geküßt.

Sceledrus. Wunder, daß dir LolchDie Alten glaubten, daß der Genuß des Lolches den Augen schädlich sei. behagt, wo man das Korn so billig kauft!

Palästrio. Was da?

Sceledrus.               Du hast blöde Augen.

Palästrio.                                                     Kerl, du bist nicht blöde nur,
Nein, du bist stockblind: das Mädchen ist im Hause, sag' ich dir.

Sceledrus. Was? Im Haus?

Palästrio.                             Wahrhaftig!

Sceledrus.                                               Geh, du spielst mit mir.

Palästrio.                                                                                       Dann müßt' ich's wohl
An den Händen seh'n.

Sceledrus.                         Warum das?

Palästrio.                                               Weil ich dann mit Koth gespielt.

Sceledrus. Wehe dir!

Palästrio.                   Nein, wehe dir, Mensch! Dieses Loos steht dir bevor,
Wenn du dir kein bess'res Auge, keine bess're Zunge schaffst.
Doch es pocht an unsrer Thür.

Sceledrus.                                       Ich achte nur auf jene Thür;
    (indem er auf die Thüre des Periplectomenes deutet)
Denn sie kann nicht anders als auf diesem Weg zu uns herein.

Palästrio. Sceledrus, sie ist zu Hause: welcher Dämon treibt dich um?

Sceledrus. Mir nur seh' ich, mir nur weiß ich, Glauben schenk' ich nur mir selbst.
Keiner soll mich glauben machen, daß sie nicht im Hause sei;
Und hier bleib' ich, daß sie mir nicht unverseh'ns herüberschleicht.

Palästrio. (bei Seite)
Diesen hab' ich; von der Schanze treib' ich ihn alsbald hinweg.
    (laut zu Sceledrus)
Soll ich machen, daß du selbst bekennst, du seist blödsichtig?

Sceledrus.                                                                                         Thu's!

Palästrio Daß du thöricht seist von Herzen, an den Augen blind?

Sceledrus.                                                                                     Wohlan!

Palästrio. Sagst du nicht, das Mädchen sei da drüben?

Sceledrus.                                                                       Und behaupte noch,
Daß ich sie mit einem fremden Manne dort sich küssen sah.

Palästrio. Weißt du, daß kein Gang von dort zu uns herüberführt?

Sceledrus.                                                                                       Ich weiß.

Palästrio.Weder Söller, weder Garten, außer durch den Hof?

Sceledrus.                                                                                 Ich weiß.

Palästrio. Ist sie nun im Haus, und mach' ich, daß sie aus dem Hause kommt,
Bist du da nicht Schläge werth?

Sceledrus.                                         Gewiß.

Palästrio.                                                       Bewache denn die Thür,
Daß sie nicht geheim sich durchschleicht und zu uns herüberkommt.

Sceledrus. Ja, das will ich.

Palästrio.                             Nun, so soll sie gleich vor deinen Augen steh'n.

Sceledrus. Geh nur zu! (Palästrio geht ab.)
                              Ich möchte wissen, ob ich sah, was ich geseh'n,
Oder ob er sein Versprechen hält, daß sie zu Hause steckt.
Denn ich habe selber Augen, borge sie nicht außerm Haus.
Aber der scherwenzelt ihr den ganzen Tag, ist stets um sie,
Wird zuerst zu Tisch gerufen, und erhält zuerst den Brei.
Ist er doch nicht länger als drei Jahre nur in unserm Haus,
Und es hat's doch Keiner besser von der ganzen Dienerschaft.
Aber was ich thue, muß ich eilig thun: am Thore hier
Lausch' ich unverwandt, und Niemand soll mir eine Nase dreh'n!
    (er stellt sich an die Hausthüre des Periplectomenes.)


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