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Der König konnte seine Abreise nicht gut länger verzögern. Lord Montague wich nicht von seiner Seite und konnte geziemend bezeugen, daß sich kein Hinderniß, keine Verpflichtung, keine Höflichkeit mehr in den Weg stellte, und daß die guten Republikaner, die ihn so verschwenderisch überall aufnahmen, doch zu gewissenhafte Geschäftsleute waren, um nicht zu wünschen, er möge sich jetzt seinen Pflichten widmen, und nicht länger sie in den ihrigen stören.

Der Morgen war schon vorgerückt, aber die Schwelgerei des vorangegangenen Tages hatte so große Ermüdung nach sich gezogen, daß alle dabei betheiligt gewesenen der längeren Ruhe bedurften.

Der König liebte von jeher den Morgen, den er die langweiligste Tageszeit nannte, zu verschlafen; er schrie daher fast auf, als sein Kammerdiener endlich leise die Vorhänge seines Bettes zurückzog, und dem vollen Licht des Tages gestattete, seinen träumerischen Herrn zu wecken.

»Willst du mich blind machen, Verräther?« schrie Karl, und hielt sich beide Hände vor die Augen – »Willst du etwa sagen, das sei Tageslicht – etwa eine Erinnerung, daß ich in die Langeweile eines frühen Morgens hinein muß?«

»Euer Majestät haben den frühen Morgen nicht zu fürchten. Er ist lange vorüber, und wenn Euer Gnaden geruhen wollen, sich anzukleiden, so wird nur grade zum Frühstück Zeit bleiben, um dann nicht die Mittagstafel zu versäumen.«

»Maxwell, du bist mein langjähriger Vertrauter!« rief der König sich lachend dehnend – »ich kann nicht denken, daß du an mir zum Verräther werden wirst. Gieb mir aber dennoch dein Ehrenwort, daß du nicht lügst, um mich aus dem Bette zu locken. Sieh', mein alter Knabe, das ist jetzt, nachdem dein armer König nun wieder eins der mächtigen Häupter Europa's geworden, der einzige Freihafen der Ruhe und Glückseligkeit, der ihm geblieben. Denke dir daher, daß wenn du dich an diesem süßesten Besitzthum deines Königs vergreifst, es ihm durch Lügen und andere Beängstigungen zu entreißen wagst, du zu den größten Hochverräthern gehörst, zu denen wenigstens, die mir jetzt am gefährlichsten werden können, da mein ganzes übriges, zärtliches Volk jetzt in Liebe für seinen angebeteten, hochbegabten, frommen, tugendhaften – wie heißt es weiter – ich glaube rechtgläubigen, gesetzesgetreuen König so in Liebe überfließt, daß ich in Verlegenheit sein werde, wenn ich die lang geübte Sitte des Kopfabschlagens in meinem getreuen Vaterlande nicht will abkommen lassen, wen ich dazu ergreifen soll, als dich, der du in Wahrheit jeden Morgen Versuche gegen mein Glück und Leben machst.«

Der alte Mann lächelte wohlgefällig, ließ aber unterdessen nicht ab, die Füße, und nach und nach den ganzen Körper des Königs mit den erwärmten, wohlriechenden Spezereien zu reiben, welche in einigen silbernen Kannen und Schüsseln neben dem Bette dampften.

»So wie ich zurückkomme in mein loyales Vaterland, und einige hundert meiner getreuen Lords, die noch vor Kurzem ihrem König ein paar neue Schuh versagten, an die Brust gedrückt habe, will ich mir das einzige Vergnügen machen, wonach mich eigentlich verlangt – ich will mir meine alte Kinderfrau nach dem königlichen Whitehall kommen lassen, und bis man mir eine Königin aufgenöthigt, sollen durch sie alle Gnaden gehen – aber vor allen Dingen soll sie die Einzige sein, die mich wecken darf; denn sie hat ein viel menschlicheres Herz, als du Maxwell – durch ihre Vermittlung habe ich die Freuden des Bett's so ausprüfen lernen, daß ich nun weiß, alles Andere reicht nicht daran, denn sieh, Maxwell – halte doch einen Augenblick mit deinem Frottiren inne – du kannst ja nicht hören – «

»Nichts, nichts!« sagte Maxwell lachend – »Euer Majestät müssen herhalten. Seit zwei Stunden ist der Vorsaal mit Menschen vollgepfropft, und die Stunde, wo sie gestern von ihnen herbestellt wurden, mehr wie doppelt verstrichen.«

»Nun, sieh Maxwell,« fuhr der König gemächlich fort – »wenn sie an mein Bett kam, um mich zu wecken, so war das eine Art abgeredeter Karte unter uns, denn ich erwachte nur halb, erkannte die Wonne im Bett zu liegen, und schon fühlte ich, wie sie die Decken um mich steckte, und als hätte ich schon gesprochen, immer sagte: »Na – na – noch ein Viertelstündchen! Du lieber Gott! wenn's so Einer nicht haben sollte!« Nun kam sie drei – vier Mal, und immer hatte sie eine neue Entschuldigung – da war's den Tag vorher bunt hergegangen – oder die dummen Studien, die mußten dem armen Karl wohl noch den Kopf angreifen – genug, sie war die einzige denkende Kreatur, die den armen Karl für einen fühlenden Menschen hielt, und nicht den unglücklichen Prinzen von Wales immer an seine Ohren donnern ließ, als ob diese sich später so schlecht konservirende Person, das süße Vorrecht aller Kreatur abgethan hätte.«

Jetzt hatte Maxwell den König zum Sitzen gebracht und seidene Strümpfe und sammtene Schuhe mit brillantnen Rosen aufgezogen.

»Ja, ja!« sagte er dann – »da wird der arme Maxwell wohl abgesetzt werden und, Gott weiß! schon wegen der Qual dieses Morgens verdiente er den besten Platz bei Eurer Majestät! Denn der Herr Herzog von Hamilton runzelten die Stirn und packten mich am Aermel, als ich nicht herein gehen wollte, und der steife Herr Bürgermeister von Marseeven sagten so fein wie Messerspitzen: die Herren der Stadt könnten sich lieber wieder entfernen, da zwei Stunden zu warten, etwas zu viel wäre, wo die Herren Besorgungen hätten, die sich auf die Ehrenbezeigungen Seiner Majestät bezögen.«

Jetzt stand der König, und Maxwell knöpfte das leichte Unterwamms von scharlachrothem Sammt zu. –

»Nein, Maxwell, es geht auch dies nicht ganz nach unserm Wunsch – du wirst immer die Schlafstelle bei mir behalten, denn ich fürchte, Lucie wird eifersüchtig, wenn ich meiner lieben alten Kinderfrau die Stelle gebe – oder du könntest vielleicht als Ehrenwächter mit der lieben alten Freundin in einem Zimmer schlafen?«

»Heil'ger Gott!« schrie Maxwell, die letzte Schnalle an dem sammtnen Ueberkleide festziehend – »ich soll doch nicht mit einem alten Weibe in einem Zimmer schlafen?«

»Still! Mann des Fleisches und der Sünde!« rief der König, die puritanische Sprache seiner fanatischen Unterthanen persiflirend. – »Sieh dies als Versuchungen des Baals, des Erzfeindes der Menschen an und erwarte unter dem Geheul der Sünde in dir den Schlag der Zerknirschung, der da heißt das Feuer der Reue!«

»Ja,« sagte Maxwell – »von dieser Gattung ist auch ein Pröbchen im Vorzimmer! Sie stehen mit gesenkten Köpfen Alle in einem Knäuel, wie man auf der Weide sieht, wenn es blitzt.«

»O,« rief der König mit verstelltem Entzücken, während Maxwell den goldbrokatenen Hermelinmantel um seine Schultern hing – »warum kann ich nicht eilen, diese zuerst an meine Brust zu drücken – diese Stützen der Monarchie, die, wenn der Geist sie treibt, die Throne auf ihre breiten Schultern nehmen und einen Armensündersessel daraus machen, worauf sie ihre Könige einladen, und sie prüfen, ob der Geist, der in ihnen die Wahrheit gebiert, es ihnen befiehlt, daß der Böse Macht gewonnen über das gekrönte Haupt, und ob ihre unerschrockene Tugend ihnen gebietet, dies Haupt, das ihnen schon die ewige Verwesung zeigt, auch der zeitlichen zu übergeben.«

»Ha, Mann der Rache und Vergeltung!« schrie der König, während Scherz und Wuth um dieHerr schaft rangen – »warum reichst du mir eben als Versucher mein gutes, altes Schwert?« Er hob es mit einer Kraft in die Höhe, daß es in der Luft zitterte – aber lachend ließ er es zur Erde sinken, und Maxwell steckte es, ohne Widerstand zu erfahren, in das brillantne Degengehänge.

»Sieh,« sagte der König, während er sich noch einmal niedersetzte und zum dritten oder vierten Male Haupt- und Barthaar mit wohlriechendem Oel kämmen ließ – »du bist eine giftige Spinne, Maxwell, welche die Schwäche deines in der Sünde keuchenden Herrn benutzt, um das fleischliche Gelüst der Rache zu wecken!«

»Aber schon ist die Erweckung und die bittere Salbung des Selbstekels in meine verwes'ten Gebeine gekrochen – ich sehe diese erhabenen Knechte der Eingebung, die ihrem Geschrei um Hilfe gefolgt, die da ist die rechte Erkenntniß, nicht als die Mörder meines Vaters, nicht als die Räuber meiner Monarchie, nicht als die Zerstörer meines halben Lebens an – heil'ger Georg, stehe mir bei!« unterbrach er sich, denn er hatte dies fast herausgebrüllt – »o, Maxwell – das Fleisch! das Fleisch! – o, ich werde diese unter der Macht des Geistes vorwurfsfrei dahin Wandelnden ja bald als meine Brüder voll Dank für die Wohlthaten, die mir ihre heil'gen Ueberzeugungen bereitet haben, um mich geschaart sehen – da werde ich lernen können das tödten, was unter der Gewalt der Ruchlosigkeit steht! – Wenn es nur nicht noch sehr viel ist,« sagte er langsam und drückte das dunkle Sammtbarett mit dem Reiherbusch auf die dämonisch gefurchte Stirn.

»Jetzt, Maxwell, gieb mir die Handschuh mit dem Orangenduft – ich muß diese Krämer immerfort an meinen lieben Neffen von Oranien erinnern, und sie müssen sogleich, wenn ich ihnen die Hand schüttele, an dem Duft, der zu ihnen aufsteigt, bemerken, was ich von ihnen will. Und du sollst sehen, daß selbst diese feine, duftende Anspielung ihnen schon zum Gesetz wird, weil sie grade so weit sind, selbst nichts sehnlicher zu wünschen, als meinen kleinen zehnjährigen Neffen Wilhelm von Oranien zu der lang erledigten Stelle ihres Statthalters zu erheben. Ja, mein Freund! es giebt unterschiedliche Epidemien – würge mich aber nicht mit der Georgenkette, wenn du so gut sein willst – Republiken-Epidemien – Entthronungs-Epidemien – und jetzt Thronerhebungs-Epidemien – Alles kommt aus der Luft – und der kleine Wilhelm theilt mit seinem Oheim die Erhebungs-Epidemie!«

»Jetzt laß das Zupfen und Putzen und rufe in unser Audienzzimmer die Großmögenden Herren der Stadt Amsterdam, unterdessen will ich dies köstliche Weißbrot und diesen funkelnden Becher Gewürzwein zu mir nehmen; laß auch das Frühstück anrichten – ich werde alle Elemente des Vorzimmers in diesen mächtigen Erdkreis einschließen und ihre Forschungen in die Geheimnisse einer Wildpastete versenken.«

»Aber ich bitte, schließ' die Tapetenthür – ich höre an der kleinen Treppe pochen – das ist Lucie und der kleine Monmouth. Wenn du willst, daß ich vor Abend Audienz geben soll, so halte sie Beide ab – denn Lucie ist selbst auf den alten Herzog von Hamilton eifersüchtig – und die Rose, die gestern der Prinzessin an die Stirn flog, war auch kein Liebesbeweis, obwohl sie aus ihrer Hand kam und die Prinzessin sich noch bedanken mußte.«

 

Der Herzog von Hamilton fand es nicht gut, den Oberschulzen und die Herren der Stadt allein zum König zu lassen; denn es hatte sich häufig gezeigt, daß er der Unterredung mit seinen holländischen Gastfreunden eine Ausdehnung gegeben, die seine Einschiffung noch um vierundzwanzig Stunden oder um eines Festes Willen wieder hinaus schob.

Nun hielten aber alle seine Cavaliere diese Abreise für etwas unumgänglich Nöthiges und zwar ihre baldigste Ansetzung, wenn der enthusiastische Eifer des englischen Volkes sich nicht unter dieser Vernachläßigung in eine unlustige Stimmung verwandeln sollte, die des Königs Stellung gleich zu Anfang verderben konnte.

Der Rang des Herzogs, als Oberhofmeister des Königs, gab hierzu einen passenden Vorwand, und er hinderte es nicht, daß Laneric sich bequem nachdrängte, da er wußte, daß er mit dem Könige auf dem vertrautesten Fuße stand und sich unglaubliche Freiheiten gegen ihn erlaubte.

»O, meine Freunde!« rief der König, sogleich Hamiltons Vorsicht erkennend, Herrn von Marseeven zu – »Warum bringt ihr meine englischen Wächter mit, da mir noch ein Stündchen ungestörter Freiheit mit euch gegönnt sein konnte? Wißt ihr denn, daß diese da bloß auf unsere Worte lauern werden, um mir nachher zu beweisen, ich hätte gar keinen Grund, noch länger auf dem Boden meines geliebten Hollands wie ein freier, glücklicher Gentleman zu athmen – nicht einmal eure fürstliche Gastfreiheit anzunehmen, die bis jetzt alle Wünsche meiner Brust überstieg.«

»In diesem Falle wollen wir wenigstens mit Erlaubniß Eurer Majestät die Berechnungen unserer Gegner zu vernichten suchen,« sagte Herr von Marseeven – »denn wir kommen so eben, um Eurer Majestät die Herren der Admiralität anzumelden, welche ein kleines See-Manöver anzubieten wagen, welches in Ruderboten von den Eleven der Marine ausgeführt werden soll.«

»Herrlich, herrlich!« rief der König – »das dürfen wir nicht versäumen! Ich hoffe, unser Bruder York und Glocester werden dazu ihre Flotten verlassen und dies Vergnügen theilen.«

»Euer Majestät werden den Herzog von Vork dazu nicht vermögen,« entgegnete Hamilton ernst – »denn er wird heute Euer Majestät schon in Scheveningen erwarten, und der Admiral Montague ist gestern Abend schon dahin abgegangen, um die Einschiffung Euer Majestät für morgen früh zu bewirken.«

»Und glaubt ihr, mein theurer Herr von Marseeven,« fuhr der König wieder fort – »daß wir heute Nachmittag zu unserm See-Manöver gutes Wetter haben werden? Und sagt mir doch – werden wir Damen dabei haben – wird unsere schöne Muhme von Anhalt die Königin des Festes sein?«

»Wenn Euer Majestät die Gnade haben, der König desselben sein zu wollen?« sagte Marseeven. – Aber es war ein Ton, den Karls scharfes Ohr wohl verstand. Er kannte diesen pflichtgetreuen Marseeven sehr gut und hatte oft seine strengen Ansichten zu fühlen gehabt; er wußte sogleich, daß er zwar seiner Höflichkeit als Gast von Amsterdam gewiß war, aber daß er es ihm dennoch als Mann und König höher angerechnet haben würde, wenn er alle Lustbarkeiten abgelehnt und geeilt, sich nach seinem Reiche zu begeben. Was konnte aber die aus Eigensinn, Laune und Trägheit zusammengesetzten Entschlüsse des Königs erschüttern. Er hörte zwar den leisesten Ton des Tadels, aber er hatte nicht das reizbare Ehrgefühl, welches von selbst alle Veranlassungen abzuhalten sucht. Seine Reizbarkeit war Unlust, sich in dem sinnlichen Taumel aufgehalten zu sehen, der ihn seit lange gewöhnt hatte, seine Handlungen nicht mehr bei Namen zu nennen. Sein Geist diente ihm bis jetzt nur dazu, sich alle Bedenklichkeiten auszureden und mit spöttischer Ironie sie von sich und seinen Genossen abzuhalten, oder ihnen einen andern Charakter zu geben.

»Ah, meine Herren,« sagte er daher wie in gerechtfertigtster Sorglosigkeit – »ihr seid wahrlich arge – arge Verführer. Was habt ihr gestern nicht gethan, meinen armen Verstand zu umnebeln – diese göttlichen Mädchen! – Ha, dachte ich in ihrer Mitte, du läßt dich von deinen zärtlichen Unterthanen pensioniren und hältst diesen himmlischen Mädchen den Spinnrocken. Solch' eine Versuchung einem armen Junggesellen in den Weg zu schicken, wenn er schon mit einem Fuße auf dem Rande des Nachens steht, der ihn weit von diesen Freuden wegtragen soll. He, ist das Recht?«

»Ich hoffe, sie sind heute Alle beim Fest! Denn – ich bitte euch, Marseeven, blickt nicht so finster wie meine englischen Lords – ich gestehe euch aufrichtig, ich lasse mich sehr gern verführen.«

»Die jungen Mädchen der Stadt sind alle bei der Frau Fürstin von Anhalt versammelt,« entgegnete Marseeven kalt – »wenn Ihre Hoheit einige erwählt zu ihrer Begleitung beim Fest, werden sie natürlich erscheinen.«

»Ah!« rief der König – »dann, hoffe ich, wird eure schöne Tochter nicht fehlen, und ihre Gefährtin, die stolze Kranzträgerin, wird sie begleiten. Sagt mir doch, was ist das mit diesem goldenen Engel? Sie wollte uns in ihrem Zorn mit gewaltig hohen Verwandten in den Grund bohren – in der That Namen, die wie ein Pistol auf uns wirkten.«

»Sie ist eine Verwandte meiner Frau und eine Nichte der Marquise von Montrose,« sagte Marseeven kalt und ernst – die scherzhafte Laune des Königs noch immer übersehend.

»Allen Respekt!« entgegnete der König. – »Aber ihr eigner Name schien nicht auf hohe Ansprüche hinzudeuten.«

»Ihr Vater gehört zwar nicht zu den alten Familien der Stadt; aber er nimmt an unserer Börse keinen unbedeutenden Platz ein, weil er zu den reichen Wechslern gehört – doch war nur die Mutter des Fräuleins von Adel.«

»Nun,« sagte der König – »Laneric, du scheinst diesen Nachrichten deinen vollsten Antheil zu schenken. Wie wäre es – du suchtest diese holländische Millionärin zu entführen – wir wollen ihr einen unbestrittenen Platz an unserm Hofe geben.«

»Ich danke EuerMajestät,« sagte Laneric, sehr zweideutig lachend. – »Wenn mir eine schöne Gemahlin zu Theil wird, so wird sie sich den Segen Eurer Majestät aus der Ferne erbitten und wird auf meinen Gütern leben.«

Der König lachte seinem Kameraden wüst nach und wollte die leichtfertige Rede fortsetzen; da trat ihm der Herzog von Hamilton fast unter die Augen und sagte unsanft: »Euer Majestät werden die Gnade haben, sogleich zu bestimmen, wann wir die Allerhöchste Abreise anzusetzen haben; die edlen Herrn dieser Stadt eben sowohl als wir, müssen, wenn wir diese Zimmer verlassen, dazu unsere letzten, hoffentlich unwiderrufbaren Befehle geben.«

»Heil'ger Gott!« rief der König – »das ist ein räuberischer Anfall, dem wir nicht zu entgehen wissen. Halt – wir wollen uns sammeln – doch vielleicht frühstückten wir erst.«

»Ich muß vorher noch um eine Unterredung mit Euer Majestät ganz allein bitten,« sagte Herr von Marseeven gemessen und unabweislich, und diese wenigen Worte schienen dem König etwas seine gute oder angenommene Laune zu trüben – er setzte sich, betrachtete die Stickerei seiner Handschuh und sagte: »Nun also – da müssen wir wahrlich an den Fingern unsere Minuten berechnen, also erstlich haben wir eine geheime Unterredung an den Herrn Oberschulzen zu bewilligen – war es so, mein Herr von Marseeven?«

»So war es, Euer Majestät,« sagte dieser streng. –

»Gut – eine geheime Unterredung an den Herrn Oberschulzen – dann – ich hoffe doch ein ganz öffentliches Frühstück – ist es so, Herr Oberschulze?«

»So ist es, Euer Majestät,« sagte dieser ganz unerschüttert. –

»Dann müssen wir doch der lieben Muhme von Anhalt den Morgenbesuch machen und finden, hoffe ich, dort die Damen der Stadt, denen wir unsere Huldigungen darzubringen haben – ihr erlaubt doch, Herr Oberschulze?«

»Wie Euer Majestät befehlen!«

»Da ich bald abreise« – fügte der König spöttisch hinzu. »Und dann – dann essen wir zu Mittag im Rathhause – und dann wäre die Wasserpartie – dann wird man die jungen Leute der Marine tanzen sehen – genug, Hamilton – das wird Alles unsere Kräfte sehr mitnehmen – ihr werdet uns schonen müssen, wenn wir in die Abreise willigen sollen – nicht zu früh also morgen, wenn ich bitten darf.«

»Also wieder vier und zwanzig Stunden später,« sagte Hamilton mit kaum zu bezwingendem Zorn.

»Ah! aber welch Wetter!« rief der König lachend – »welche Nächte muß das auf der See geben! – Herr Oberhofmeister jetzt die Herrn der Admiralität – sie warten, denke ich, schon zu lange!«

 

Es war eine schwere Aufgabe für seine Umgebungen, daß es Karl in seiner Gewalt hatte, im selben Augenblick, wo er sich um ihre Achtung gebracht und sie mit seinen Lastern und Thorheiten bis zum Vergessen ihrer Stellung gepeinigt hatte, eben so schnell wieder die vollkommen königliche Autorität annehmen zu können, daß die ihn umgaben, ihre Stellung auch schnell wieder aufnehmen mußten, um nicht ganz ihre Obliegenheiten zu übertreten, oder seinen Zorn zu erfahren.

Wer hätte nicht Karl zum König berufen halten sollen, der Zeuge von dieser Audienz war. Diese Würde, dieser Ernst, der von der leutseligsten Güte gemildert wurde, mußte die bezaubern, die ihn von keiner andern Seite kannten und versöhnte selbst solche, die davon zu leiden gehabt, und erhielt den Besseren die Hoffnung, daß diese Fähigkeiten in geeigneten Verhältnissen die Oberhand gewinnen würden, über die vom Auslande genährten Verführungen, denen der Müßiggang bis zu seinem dreißigsten Jahre Thür und Thore geöffnet hatte.

Als der König sie entlassen, blieb Marseeven mit so ernster Festigkeit allein zurück, daß der König fühlte, er werde ihn auf keine andere Art los, als indem er ihm Gehör schenkte.

Er trank daher den Rest seines Glühweins aus und wendete sich dann mit fast komischer Gutmüthigkeit zu ihm um, indem er sagte: »Macht es gnädig, Marseeven – nicht zu viel von Geschäften!«

»Nein, Euer Majestät,« sagte dieser ernst – »und gewiß gar nichts davon, da Ihr noch in so weniger Gewohnheit damit seid, wenn es mir nicht als Vormund der jungen Tochter der Marquise von Montrose eine heilige Pflicht wäre, Euer Majestät daran zu erinnern, daß das ganze, einst so große, Vermögen derselben nur in den schriftlichen Versprechungen Eurer Majestät, dies Darlehn der edlen Dame für die befohlenen Anleihen ihres Gemahls wieder zu erstatten, besteht, und daß nun meine Pflicht, als Vormund des auf dieses Vermögen ihrer Mutter angewiesenen Kindes mich zwingt, Euer Majestät zu fragen, auf welche Weise und in welcher Zeit Euer Majestät diese Zahlungen abzutragen beschlossen haben?«

»Heil'ger Gott! Marseeven,« rief der König ernster als zuvor – »kann ein so erfahrener und verständiger Mann, als ihr, eine solche Angelegenheit von mir erledigt haben wollen, während ich über nichts zu verfügen habe, als über Schulden, die ich überall zurücklasse, über ein knappes Reisegeld, was mir meine zärtlichen Unterthanen zuwerfen, damit ich nicht mit zerrissenen Schuhen ans Land steige – und über Hoffnungen und Versprechungen, von deren Wahrheit ich erst nach der ersten Parlamentssitzung werde schließen können. Was in aller Welt könnte ich euch heute Anderes und Besseres geben, als was ihr bereits habt; mein königliches Wort, die Anerkennung der Forderung, die ich ja auch zu Anfang nicht geleugnet, obwohl uns die Phantasie des guten Montrose mehr geschadet als geholfen, und es eine harte Prüfung ist, sie so theuer bezahlen zu müssen.«

Wir können wirklich nicht annehmen, daß Marseeven diese Antwort nicht voraus gesehen hätte, und seine Antwort bestätigte es.

»Eurer Majestät gegenwärtige Lage ist allerdings nicht viel anders,« sagte er ruhig – »und eine eigne Forderung würde ich nie in diesem Augenblick angeregt haben! Ich durfte aber euer königliches Interesse nicht höher halten, als das meines Mündels und muß euch darum bitten, jetzt in dem Augenblick, wo ihr von eurem Volke berufener und anerkannter König von England seid, diese eure frühere Erklärung noch einmal als vollständig gültig anzuerkennen; denn es ist allerdings ein bedeutender Unterschied, was ihr damals versprachet und jetzt zu halten gelobt.«

»Ihr seid wunderbar scharfsinnig, unsere jetzige und damalige Person zu trennen, Herr von Marseeven,« sagte der König, nicht ohne Empfindlichkeit – »damals, wie jetzt, war ich ein Edelmann, der sein Wort gab und seine Unterschrift.«

»O! Euer Majestät! erlaßt es mir, dem Edelmanne, zu antworten – aber zwischen der Majestät auf dem Throne und der Majestät als Flüchtling und von einem treulosen Lande verleugnet, wird der Unterschied nicht weiter von mir aufzuklären nöthig sein.«

Der König lachte spöttisch auf und warf sich ungeduldig in seinen Stuhl zurück – offenbar machte ihn die Erinnerung an diese Schuld sehr nachdenkend.

»Wißt ihr auch,« sagte er ärgerlich – »daß die Wiederbezahlung dieser von dem Herrn Marquis von Montrose so freigebig auf meinen Namen gemachten Schulden mein Privatvergnügen bleiben wird? Oder wollt ihr mich trotz eures politischen Seherblicks überreden, es würde einen guten Eindruck auf meine sparsamen Unterthanen machen, wenn ich sie auffordern wollte, die Kriegskosten für ein Armeecorps zu bezahlen, was feindlich gegen sie zu Felde zog und bestimmt war, den Bürgerkrieg, den sie eben beendigt, wieder anzufachen?«

»Das ist mit »Nein« zu beantworten ohne politischen Seherblick,« sagte Marseeven ruhig. – »Aber Euer Majestät werden große Zugeständnisse erlangen und wenigstens in der ersten Zeit in England selbst großen Kredit – und Beides wird der König gewiß zuerst dazu benutzen, das Wort und die Unterschrift des Edelmannes einzulösen.«

Der König blickte ungeduldig nach Marseeven – er wollte etwas erwidern – aber er bezwang sich. – »Es scheint mir,« sagte er dann ironisch – »der König auf dem Thron streitet noch mit eben so wenig Glück mit euch, als der entthronte.«

»Ist das eine Sache zum Streit?« hob nun Marseeven etwas wärmer an. – »Ich glaube, Euer Majestät wählen aus Zerstreuung das unrichtige Wort. Daß diese Urkunde das Vermögen einer edlen Familie sichere, die im heiligen Vertrauen auf das Wort Eurer Majestät und deren gerechte Sache ihr ganzes Vermögen hingab, dieselbe zu unterstützen, davon ist hier allein die Rede. Und Eurer Majestät höchstes, wichtigstes Interesse muß in dem Augenblicke, wo ihr dieses gastliche Land verlasset, darauf gerichtet sein, diese Urkunde so sicher und gültig zu machen, als es die Umstände erlauben.«

»Darum handelt es sich allerdings, mein lieber, eifriger Marseeven, und nicht die Sache bestreite ich,« sagte der König etwas beschämt – »sondern daß nicht schon Alles geschehen ist, was diese Sicherheit giebt, und daß es mich verletzt und in Wahrheit kränken muß, wenn ein so alter Freund, als ihr, mich mit Zweifeln peinigt, die mich beleidigen.«

»Drängen Euer Majestät die Frage nicht in das Gebiet einer Beleidigung hinein,« rief Marseeven fast heftig – »dies wäre so ungroßmüthig, daß es Euer Majestät nicht wollen können, denn es würde dem rechtschaffenen Manne, der hier für seine Pflicht kämpft, den Mund schließen.«

Der König fühlte dies augenblicklich und es lag unter diesem Wust träger Sinnlichkeit, die ihn den Ernst und die Anstrengung von sich abwehren ließ, so viel Edles und wahrhaft Gutes, daß wer den Muth behielt, durch alle Hindernisse bis dahin durchzudringen, selten ohne Lohn blieb.

»Nein! nein, Marseeven!« rief er, und alle steife Kälte verschwand von seinem Antlitz – »Gebt mir die Hand – ihr seid mir nur gerecht! Einem solchen Ehrenmanne, wie ihr seid, will ich nicht mit meiner königlichen Autorität den Mund stopfen – ich will nie annehmen, daß ihr an meiner Ehrenhaftigkeit zweifelt – ihr rüttelt nur etwas unsanft an meinen kleinen Angewohnheiten, die euch nicht gefallen, und vielleicht mir selbst nicht. Aber« – setzte er zwischen Scherz und Ernst hinzu – »es haben nur wenige Menschen so viel Entschuldigungen für ihre Sünden, als ich! Marseeven – die Menschen sind schlecht, hart, boshaft, treulos mit mir umgegangen, und ich habe keine Rettung finden können, als meine Thorheiten, die mein junges blutendes Herz mit seinem Wehruf erstickten. Es sind mir die Helfershelfer hierbei nur eine neue Erfahrung über die Verächtlichkeit der Menschen geworden – ach! Marseeven, und doch ist das ein schreckliches Gift in den Adern – und meine Natur, fürchte ich, hat keine Kraft mehr es auszustoßen; denn selbst das, was ihr Alle mein Glück nennt, diese Umwandlung meines Volkes aus einer düster lauernden, blutdürstigen Hyäne, zu einem leichtsinnig berauschten, jubelnden Trunkenbold, erfüllt mich mit tiefer erkältender Verachtung – und ich werde an die »Gottes Gnade« glauben müssen, von der alle Könige der Erde ihre Einsetzung herschreiben, um nicht vor der Thronbesteigung abzudanken, weil ich dem Lande, das sie mir jetzt zuwerfen, kein Herz mitbringe, keine Teilnahme an seinen Zuständen, die nicht die meinigen sein können, da sie mich unter Fremden haben alt werden lassen. Ha! Marseeven – sie brauchen jetzt ein Ding, was sie König nennen können – brutal strecken sie da die Henkershände, die meinen Vater auf's Blutgerüst führten, nach mir aus – und statt, daß ich von Gottes und Rechts wegen, ihnen mit meinem guten Schwert die Verbrecherhände abhauen müßte, und ihnen sagen: »unter uns kann keine Gemeinschaft mehr sein« – schreit ganz Europa – alle ehrenhaften Ritter – alle Ehrenmänner, wie ihr und eure Genossen: Glücklicher Karl! den sein Volk freiwillig auf den Thron beruft! Nun schütte deinen Dank aus gegen dies edle, treue Volk – schütt'le die Hände, die noch von dem Blut deines Vaters rauchen – und nachdem sie dich haben verkümmern lassen an Geist und Herz am fremden Heerde – so bringe nun diesem Volke einen König zu, der an nichts denkt, als an dessen Wohl, und durch seinen Geist und seine Kraft ihm eine neue Aera herauf beschwört.«

»Doch genug! genug, Marseeven!« unterbrach er sich plötzlich. »Glaubt mir, es ist so übel nicht, daß mich das Leben schon ausgehöhlt hat – das macht wenigstens gleichgültig – und gleichgültig muß ich sein und bleiben, wenn ich nicht ein Wütherich, ein Tyrann, ein Nero – oder, was nur je von dieser Gattung existirte, weiden soll.«

»Ich habe euch oft errathen,« sagte Marseeven traurig und nicht ohne Antheil – »aber ihr werdet mich nicht überreden, daß euer Zustand so bleibt, wie er euch jetzt erscheint. Ihr habt mehr in euch gerettet, als ihr euch zugesteht, und hätte ich keinen Beweis dafür, als diesen Augenblick.«

»Nun,« sagte der König weich – »wenn ihr denn das Gute eben in Fluß gebracht habt, so sollen diese Urkunden davon ein Andenken bleiben. Was wollt ihr, daß ich hinzufüge – legt mir Alles vor, und diktirt, was ihr wollt.«

»Euer Majestät erinnern sich, daß hier der Nachweis über den Verbrauch des Vermögens der Marquise von Montrose, gebornen Gräfin von Casambort, vorliegt – ihr habt durch diese Briefe, aus verschiedenen Zeiten, den Marquis zur Erhebung der benöthigten Summe, und den Verbrauch des eben erwähnten Vermögens autorisirt – und mit Dank – anerkannt. Daraus hat sich später dies Dokument gestaltet. Es umschließt die ganze Veranlassung und Entstehung dieser Schuld, und ist durch das Tribunal der Stadt Amsterdam, mit meiner und des Herrn Cornelius Hooft Zuziehung, zu einem rechtsgültigen Dokument geworden. Euer Majestät haben sich alsdann, als alleinigen, rechtmäßigen Schuldner darin anerkannt, und vor dem erwähnten Rechtsbeistand zur Wiederbezahlung dieser Summe verpflichtet erklärt. Dieses Alles nun ist mit der Unterschrift Eurer Majestät, deren Siegel und den beiden Namen der vorerwähnten Zeugen und deren Siegel bekräftigt worden.«

»Euer Majestät werden nun bemerken, daß es bei Abfassung dieser Schrift keiner der betheiligten Personen einfiel, in der damaligen Lage Euer Majestät etwas hinzuzufügen, was für die Zeit der Wiederbezahlung einen Termin zu setzen suchte. Dies fehlt in dem Dokument; es mußte fehlen, so lange sich die Aussichten nicht gebessert hatten. – Jetzt, Euer Majestät, ist es eine Pflicht der Männer, die damals jene schuldige Schonung bewiesen, diesen fehlenden Punkt in Erinnerung zu bringen, und von dem hohen Schuldner eine Zeit bestimmen zu lassen, wo die Rückzahlungen anfangen können.«

»Heil'ger Gott! Marseeven!« rief der König – »willst du mich denn mit Gewalt zum Lügner machen – weiß ich denn in diesem Augenblick, wovon ich wieder bezahlen soll – was für ein Almosen sie mir zuwerfen werden? Denkst du nicht an die erste schwierige Zeit, die mich treffen muß – der erste König wieder auf einem verwüsteten Königsthrone, wo ich – um nicht als der erste Bettler meines Landes zu erscheinen – das Geld werde hingehen sehen, um den Prunk auszuflicken, den sie zu ihrer Ergötzlichkeit von mir fordern werden, und zu dem sie doch keine Lust haben werden, beizusteuern. Mann! siehst du nicht ein, daß, wenn du mich zwingst, hier einen Termin zu setzen, das eine Thorheit wäre, da ich und du und Alle, die ein Einsehn haben wollen, wissen müssen, ich kann noch an Tilgung meiner Schulden nicht denken.«

»Sprich,« fuhr er fort, als Marseeven die Augen zu Boden schlagend nichts erwiederte. – »Ich sehe es,« sagte der König ruhiger und zuversichtlicher – »Ihr fühlt meine Lage und Ihr werdet mir die Schonung, die Ihr bei Abfassung dieser Schrift nöthig hieltet, nicht in einem Augenblick entziehn, wo ich nur scheinbar in einer besseren Lage bin.«

»Dies wäre ein unverzeihliches Mißkennen Eurer wirklichen Lage!« sagte Marseeven plötzlich mit der alten Festigkeit. – »Schwierigkeiten sind etwas anderes als Unmöglichkeiten! Wir haben gegen das Erstere unsere eigne schwierige Lage zu halten – und – verzeihen Euer Majestät die offne Erklärung – wir haben damit nichts weiter zu thun und müssen dem hohen Ermessen und den Hilfsquellen eines blühenden Königreichs die Erledigung derselben überlassen. Wir tragen darauf an, daß Euer Majestät hier einige Worte unterzeichnen, welche uns – den jetzigen Bürgermeister Cornelius Hooft und mich den Oberschulzen von Amsterdam – autorisiren, in Zeit von sechs Monaten nach diesem Tage die erste Zahlung der Gesammtsumme, das erste Viertel des Ganzen in Empfang zu nehmen.«

Der König hatte sich wie ermattet von der Anstrengung in seinem Stuhl zurückgelegt und blickte Marseeven mit einem völlig gleichgültig entschlossenen Blick an, der diesen aber gar nicht aus der Fassung brachte.

»Außerdem, Euer Majestät, befindet sich hier noch das Testament des verstorbenen Marquis von Montrose,« fuhr der Oberschulze fort – »und ich bitte, auch diesem durch Eure königliche Anerkennung in England die Rechtskraft zu geben, wie auch der Naturalisationsakte für Orla, der nachgeborenen Tochter des Marquis von Montrose, wodurch sie als Eure Unterthanin anerkannt und ihr das Recht des Erbens und Vererbens, wie des Besitzes Kraft und Recht in dem Lande ihres Vaters zuerkannt wird.«

Der König nickte auf den fragenden Blick Marseevens mit dem Kopfe.

»Dies ist zwar eine euch bis jetzt zustehende Prärogative der Krone und es wird nicht der Zeitpunkt sein, es Euer Majestät zu nehmen; aber indem Ihr gesonnen seid, dem Marquis von Montrose in seinen Nachkommen gerecht zu werden, wird es dennoch besser sein, diese Akte alsdann öffentlich vor beiden Häusern proklamiren zu lassen, um jeden späteren Einfluß davon abzuhalten. Wollen Euer Majestät dies Testament mit dem Worte: »bestätigt« unterzeichnen – eben so diese beiden im Duplicat angefertigten Naturalisationsakten?

Der König unterzeichnete, ohne ein Wort zu sprechen. »Jetzt,« sagte Marseeven von der Nachgiebigkeit des Königs etwas verlegen gemacht – »geben Sie dem Vormunde der jungen Marquise von Montrose den einzig möglichen Trost – unterzeichnen Euer Majestät auch dieses Blatt.«

»Nimmermehr!« rief der König plötzlich wüthend auf den Tisch schlagend – »nimmermehr!« Er wollte mehr sagen und Marseeven richtete sich eben zu einem furchtbaren Gegner auf, als ein kurzer Streit vor der Thür damit endete, daß der Graf von Laneric und Herr Cornelius Hooft, Beide sich fassend, ohne Weiteres in das Gemach stürzten – und einen Augenblick die Absicht Beider ganz unklar blieb.

Der König sowohl wie der Oberschulze waren der Thür zugeeilt; beide Eingetretene ließen sich jetzt los und der König, froh an irgend etwas seinen Zorn auslassen zu können, rief: »Welch' eine unverschämte Dreistigkeit führt zwei gleich unerzogene Männer zu uns, ehe wir sie befohlen haben, und mit den Manieren von Trunkenen und Raufbolden?«

»Um Gotteswillen, Euer Majestät,« rief Cornelius Hooft, welcher jetzt, bleich wie der Tod, sich zu fassen strebte – »Euer großmüthiges Herz wird mir Verzeihung gewähren, wenn Ihr hört, was den armen Herrn von Marseeven betroffen. – Eilt! eilt verehrter Freund! wenn ihr eurer Gattin noch die Augen zudrücken wollt – ein Nervenschlag hat ihre letzte Stunde herbei geführt,« – doch er konnte diese Worte nicht vollenden – Marseeven war schon seit lange von Gram über diese nicht mehr zu leugnende Befürchtung in seiner Gesundheit und geistigen Kraft erschüttert; die widerstrebenden Anforderungen der vorangegangenen Tage hatten ihn tödtlich gereizt und zu gleicher Zeit erschöpft; die eben durchgekämpfte Scene ihn noch einmal aufgeregt und ihm doch mehr gekostet, als er dem König durfte merken lassen, da er die Schwierigkeiten desselben mindestens so gut wie er selbst übersah und ein tiefes Mitleiden oft seine alte Kraft lähmen wollte.

Dies Alles mußte dem letzten schwersten Schlag des Lebens vorangehen, um den starken Mann völlig zu brechen. – Hooft und der König fingen ihn zu gleicher Zeit in ihren Armen auf. Wie rührend war der König in der Sorgfalt und Theilnahme für den tödtlich getroffenen, lang bewährten Freund – wie war alles eben unter ihnen Vorgefallene rein vergessen! Wie ein Sohn seinen Vater, so stützte er ihn, so liebevolle Trostesworte, so flehende gefühlvolle Bitten sich zu ermuthigen, rief er ihm zu!

Marseeven hatte für einige Augenblicke alle Besinnung verloren; als sie ihm zurückkehrte, trat zuerst eine bedenkliche Geistesverwirrung hervor, als er sie überwand, eine Erinnerung dessen, was Hooft ihm gesagt – er schlug beide Hände vor die Stirn und begann heftig zu weinen.

Dies war für den König wie für Hooft erschütternd, denn wer kann den starken Geist vom Unglück gebrochen sehen ohne tiefes Mitgefühl.

»O, Marseeven,« sagte der König, fast mit ihm weinend – »faßt euch – faßt euch! – euch – euch in solcher Schwäche zu sehen, das löscht mein letztes Vertrauen auf menschliche Kraft aus!«

»O, Freund,« stammelte Hooft – »ermannt euch – die Luft wird euch eure Kraft zurückgeben! Eure Karosse wartet im Hof – denkt, daß ihr sie jetzt vielleicht noch lebend findet – daß sie nach eurem letzten Abschied sich sehnen mag – denkt an eure trostlosen Kinder, die verzweifelnd ihren Vater rufen, und ermannt euch – und werdet auch in diesen schweren Augenblicken allen eine Stütze.«

Marseeven schreckte zusammen – er erhob sich mit anscheinender Kraft – er zog die Hände von seinem blassen entstellten Gesicht – er rang nach Kraft, aber seine Füße trugen ihn noch nicht. Auch schien er den König kaum zu erkennen, denn er lehnte wieder schwindelnd einen Augenblick seinen Kopf an die Brust des Monarchen.

»O,« sagte Hooft – »hätten wir ihn nur erst im Wagen.«

Der König schien, in Theilnahme verloren, ihn umfassen und nach dem Wagen tragen zu wollen – Hooft hielt ihn zurück – der König verstand ihn, aber ungeduldig wandte er sich nach Laneric um, dessen Beistand ihnen bis jetzt gefehlt hatte.

Laneric stand vor dem Tische, wo die Papiere lagen; eins derselben war eben unter dem Mantel des Grafen verschwunden, eine Sekunde früher, als der König sich umwandte. Auf den Ruf des Königs, der ihm seine Theilnahmlosigkeit vorwarf, eilte er herbei; er war sogleich bereit, Marseeven mit Hooft zu unterstützen, und so führten ihn Beide aus dem Zimmer, ohne daß Marseeven vom Könige Abschied genommen, oder der wichtigen Unterhandlungen sich bewußt geworden wäre, welche sein schnell auf ihn einstürmendes Unglück unterbrochen hatte.

Als er mit seinem edlen Freunde Cornelius Hooft durch die Straßen fuhr, sammelte sich sein Bewußtsein und gab ihm das ganze Gefühl seines nahen Verlustes. Dieser Mann hatte geliebt, wie Wenige vermögen, und die jugendliche Leidenschaft war in eine ehrfurchtsvolle Freundschaft übergegangen – das Leben ohne seine Gattin schien ihm ein Problem, welches zu lösen er keine Kraft fühlte.

Der König kehrte für einen Augenblick in seine Zimmer zurück, von Laneric gefolgt, der sogleich in unfeine Spöttereien über den Zustand des Oberschulzen ausbrach – und es war derselbe Karl, der ihn eben fast mit Thränen in den Augen bis an die Treppe geleitet, der von der Macht seiner schlechten Gesellschaft beherrscht, jetzt zu den Rohheiten seines Günstlings schwieg und endlich in ein gleichgültiges, abgespanntes Lachen ausbrach.

So herabgesunken nun auch seine Stimmung dadurch geworden war, dachte er doch an die wichtigen Papiere, die Marseeven zurückgelassen; aber freilich zu gedankenlos, um den Verlust des Testaments zu bemerken, trennte er gleichgültig die Duplicate, die er unterzeichnet hatte, befahl Laneric, eines davon in sein königliches Portefeuille zu legen, schob das andere in die Brieftasche des Oberschulzen und fügte nicht ohne besondere Befriedigung das Dokument über die Schuldanerkennung gegen die Marquise von Montrose hinzu, welches ohne Angabe eines Zahlungstermines geblieben war; auch später fand sich keine Zeit mehr dazu, da das Sterbelager und die nahe Abreise die Unterhandlungen darüber trennen mußte.

Er glaubte, viel gethan zu haben, als er das Portefeuille dann eigenhändig verschloß, den Schlüssel mit der Adresse an den Oberschulzen einsiegelte und beides seinem Kammerdiener zur Besorgung übertrug; aber er sah nicht das höhnische Lächeln, womit Laneric diese seltene Anstrengung des Königs verfolgte, weil er am besten wußte, welche Sicherheit derselbe dadurch über seinen Raub verbreitete, den der leichtsinnige Monarch nicht bemerkt, und der vielleicht grade darum zu den sehr späten Entdeckungen des Oberschulzen gehören konnte, weil der König diesen Schein der eigenen Vorsorge über die Sicherheit der Papiere verbreitet hatte.

 

Nachdem das Unglück des Herrn von Marseeven bekannt geworden war, beschlossen die Herren der Stadt, der Admiralität, welche ohnedies heute das Hauptvergnügen der Stadt leitete, auch die Honneurs für die hohen Personen zu übertragen, und so kamen die Herren der Admiralität, um den König zum Frühstück einzuladen, und ihn zur Prinzessin von Oranien, der jungen Fürstin von Anhalt, zu begleiten.

Das Vergnügen, welches den hohen Gästen nach der Mittagstafel angeboten wurde, war nun das Manöver in Ruderböten, welches wir bereits erwähnt haben. Wir müssen es aber ablehnen, dasselbe beschreiben zu sollen. Es ist allerdings mit vielen Details zur Ueberlieferung gekommen, wir zweifeln aber, daß diese Relation aus einer nautischen Feder geflossen und einer der gelehrten Schüler der Marineschule sie anerkennen würde, und suchen also gerade diese gefährlichen Details zu vermeiden.

Wir können aber dennoch das Fest nicht ganz übergehen; wir müssen erzählen, wie der glänzendste Himmel über der See lag, wie ein balsamischer Lufthauch die Strahlen der Sonne milderte, wie imposant der Anblick war, als der König mit der Fürstin und ihrem Gefolge in die prachtvoll verzierte Gondel stieg und dieser Moment von einem solchen Donner der Geschütze gefeiert wurde, daß selbst die Wasserfläche davon zu erbeben schien.

Die Gondel ruderte nun in Mitte des bestimmten Kreises, welcher durch einen Zirkel von Ruderböten gebildet war, den die Marine-Kadetten mit ihren Offizieren schlossen.

Dieser Kreis war, als der König einfuhr, so fest geschlossen, so unbeweglich und regelrecht aufgestellt, daß es nicht glaublich schien, er habe sich auf den bewegten Wogen des Meeres gebildet, und die Bildsäulen ähnliche Ruhe der jungen Männer, die in ihren geschmackvollen Kostümen auf den bunten, mit dem reichsten Aufwand geschmückten Booten standen, und das Signal von dem Admiralitätsschiffe erwarteten, welches der königlichen Gondel entgegen kam, war in Wahrheit ein imposanter Anblick vollendeter Disciplin.

Nachdem die Erlaubniß zum Anfang des Manövers eingeholt war, ruderte das Admiralitätsschiff wieder zurück, und nun begann das erste Signal, was diesen Zauber, worunter bis jetzt alle Böte gestanden zu haben schienen, löste – und das Leben und die Schnelligkeit der Bewegungen, die nun eintrat, war eben so überraschend und erstaunenswürdig.

Jetzt begann das Manöver, und trotz der gleichen Thätigkeit, welche dazu erforderlich war, mußten dennoch Einzelne sich dabei auszeichnen können; denn man hörte von der königlichen Gondel, welche der Mittelpunkt des Manövers war und in den gewagtesten, kühnsten und gewandtesten Windungen umkreist wurde, das Beifallrufen, welches die Einzelnen noch auszeichnete, unter dem verschwenderischen Lobe, welches dem Ganzen gezollt wurde.

Mit dem Sinken der Sonne löste sich dieser Tumult endlich in die feste und unbewegliche Stellung wieder auf, welche die hohen Gäste zu Anfang empfangen, und der König lud nun die Herren der Admiralität ein, in seine Gondel zu steigen, befahl, an den Böten herumzufahren und forderte, daß ihm die Einzelnen der jungen Leute, die sich bei dem Manöver ausgezeichnet, mit Namen vorgestellt werden sollten.

Die Prinzessin wünschte aber vorzugsweise einem jungen Manne unter den Kadetten zu danken, welcher mit besonderer Gewandheit und nicht ohne Gefahr ihren Handschuh, den sie in der Lebhaftigkeit ihres Applaus über eine sehr kunstreiche Bewegung, die gerade er unter dem Schnabel der Gondel ausgeführt, in die Wellen geschleudert, mit einer unglaublichen Kühnheit auf der Spitze des Ruders balancirend wieder herausgezogen und ihr mit einem Sprunge auf den Rand der königlichen Gondel zu Füßen gelegt, um im selben Augenblicke schon wieder sein Kommandoboot erreicht zu haben.

»Das ist Hexerei!« riefen Alle, und die Prinzessin zog den andern Handschuh aus, welcher mit einer kostbaren Perlenschnur eingefaßt war – und rief: »In Wahrheit, er soll den andern zum Andenken an diese kühne That von mir bekommen.«

Sie bat den Grafen von Laneric, der ihr zunächst stand, sich doch auch den Jüngling zu merken, und dieser erkannte ihn auch zuerst wieder, als man sich dem einen Boote näherte, obwohl fast zur selben Zeit auch der König und die Prinzessin ihn bezeichneten, da seine Schönheit, seine edle Haltung und das Feuer seiner blitzenden Augen ihn unter der Masse bemerklich machte.

Auf Befehl des Admirals verließ der Jüngling seinen Posten und stand, mit der Leichtigkeit einer Feder sich über den Bord des königlichen Schiffes schwingend, vor der Prinzessin, nicht mehr mit der strengen Haltung der Disciplin, sondern mit der ehrerbietigen und feinen Grazie eines vollkommenen Edelmannes.

Das Lächeln der Freude, welches sein geistreiches Gesicht verschönte, als er es von seinem tiefen Gruße zur Prinzessin aufhob, überraschte Alle, und ehe noch einer der Anwesenden sprach, hörte man den Herzog von Hamilton rufen: »Admiral, wer ist dieser Jüngling?«

»Eben wollte ich ihn Sr. Majestät als einen Unterthan vorstellen,« sagte der Admiral –

»Wie?« rief der König – »das macht uns Freude, daß ein Engländer die Ehre unseres Namens unter diesen Kindern des Neptuns rettet. Heil'ger Gott, Admiral! Was für Rivalen erzieht ihr in eurer Marine meinem armen Vaterlande!«

»Mein junger, muthiger Seeheld,« sagte die Prinzessin lächelnd, indem sie ihm winkte näher zu treten – »wir wollen euch danken für eure fast zu kühne That, und wollen euch und Allen, denen euer Leben lieb ist, wünschen, daß es der letzte Handschuh ist, den ihr retten wollt.«

»Das wird er sein!« rief der Jüngling, indem alles Blut sein schönes Gesicht überstürzte – »denn es kann keine zweite Veranlassung, wie diese, geben.«

»Nicht übel!« rief der König, und alle Anwesenden schienen mit der Antwort zufrieden, nur Laneric und sein Vater, der Herzog von Hamilton, welcher sichtlich ergriffen war, hörten nicht zu; er hatte mit dem düster blickenden Sohne die gewöhnliche stolze, übellaunige Art sich mitzutheilen, welcher dieser so rücksichtslos wie möglich zu entgegnen pflegte.

»Wollen wir einen Tausch machen, junger Mann?« rief die Fürstin heiter – »ich gebe euch meinen andern Handschuh, und ihr sagt mir euren Namen – so haben wir Beide ein Andenken, was wir nicht vergessen wollen.«

Sie nahm den kostbaren Handschuh und reichte ihn dem Jüngling; dieser aber kniete nieder und empfing das Geschenk, indem er bewegt sagte: »Möchte der Name William Bedfort berühmt werden, um diese Ehre einst zu verdienen.« Dann stand er auf und von dem Rausch glücklicher Jugend erfaßt, hob er den Handschuh in die Höhe und rief: »Wenn ich Admiral werde, soll er über meiner Flagge wehen!«

Der König und die Prinzessin lachten. »Wie kommt es, daß ein Engländer unter der holländischen Flagge dient?« fragte der König wohlwollend. –

»Ich ward überhaupt in Holland erzogen!« entgegnete William. –

»Sind eure Eltern hier ansäßig?« – fragte die Fürstin. –

»Meine Eltern,« sagte der Jüngling – »meine Eltern sind Verwandte der Marquise von Montrose. Nach ihrem Tode ward ich von ihr an Kindes Statt angenommen und hier erzogen, wo sie seitdem lebte.«

»Wieder die Marquise von Montrose!« sagte der König naiv lachend, indem er sich nach Laneric umsah. Doch dieser hatte kein einladendes Gesicht zum Scherz; seine düsteren, tückischen Augen schienen den Jüngling zu durchforschen, ein boshafter, grausamer Zug um den Mund entstellte ihn und die vorgebogene Haltung des Kopfes war wie zum Anlauf auf den Hals gesteift.

Man könnte sagen, der König habe sich gefürchtet, wenn er in einzelnen Fällen diesem Ausdruck seines Günstlings begegnete, denn er machte eine halb verlegene und abweisende Bewegung und wagte es nicht, ihn aus seiner Stellung zu ziehen; er wandte sich, um den Herzog von Hamilton zu suchen und sah mit Zufriedenheit, daß er sich schon dem Jüngling genaht hatte und ihn in großer Leutseligkeit anzureden begann.

Den rauschenden Tönen der kriegerischen Musik, der Signalschüsse und Attacken-Salven folgten nun die Böte mit den Stadt-Musikbanden, welche heitere oder sanftere Weisen aufführten und in einiger Entfernung der königlichen Gondel nachzogen. Diese beschrieb einen Halbkreis um die schöne Stadt Amsterdam, von den Marinebooten in so guter Ordnung gefolgt, daß sie der königlichen Gondel, wie lang nachflatternde bunte Bänder angeheftet schienen und auf dem ruhigen, glänzenden Wasserspiegel ein schönes und höchst originelles Schauspiel darstellten, dem die sich neigende Sonne den vollen Glanz ihrer glühenden Strahlen zur Verschönerung nachsandte.

»Der junge Mann hat eine sehr gute Erziehung genossen,« sagte die Fürstin von Anhalt zu ihrem Gemahl, der vom Könige über den neuen Anbeter seiner jungen Gattin geneckt wurde – »seine Antworten sind voll Geist und Leben und sein jugendliches Feuer wird durch etwas Sittiges gemäßigt, was nur frühe, gute Eindrücke möglich machen.«

»Der alte Hamilton ist ja ganz bezaubert von dem Burschen!« rief der König lachend. – »Seht nur, Hoheit! er ist verbindlich gegen ihn, und dem jungen Manne steht die Schüchternheit gut, mit der er ihm zuhört und antwortet. He! Laneric!« rief er diesem zu, der näher geschlichen war und den Ausdruck verändert hatte – »was horchst du? Mußt du durchaus eifersüchtig werden, wenn dein Vater sein Wohlwollen auf fünf Minuten von dir abzieht?«

Laneric lachte höhnisch auf – »Dies Cartel gilt zwischen mir und Seiner Herrlichkeit nicht,« sagte er schneidend – »wir sind immer in unserm Geschmack verschieden und beeinträchtigen uns daher nicht.«

»Wie,« sagte die Fürstin – »ihr theilt unser Aller Geschmack nicht? Ihr findet meinen liebenswürdigen Ritter vom Handschuh nicht so schön und artig wie wir Alle?«

»Nein,« sagte Laneric mit einer Schroffheit, die auffallend wurde – »Euer Hoheit müssen mir vergeben, ich finde den Burschen von unangenehmem Ausdruck, viel zu anmaßend bei so viel Jugend, genug, Alles in ihm vereinigt, was die Jugend lästig und zurückstoßend macht.«

Der König brach in ein lautes Gelächter aus und rief: »Laneric! Laneric! – dir thut es der Neid; du bist außer dir, daß es einen Engländer giebt, dem es glückte, der Königin dieses Festes einen Dienst zu leisten, da du ihn nicht selbst thun konntest?«

Alles lachte. Laneric war unverschämt genug, der schönen Fürstin einen wenig bescheidenen Blick der Bewunderung zuzuwerfen und sich tief vor ihr zu verneigen. Hamilton zog sich aber, von den auf ihn gerichtetenAugen belästigt, zurück und näherte sich dem Könige, während die Prinzessin etwas empfindlich sich mit ihrem Gemahl unter die Herrn und Damen mischte, welche theils den vornehmen Familien der Stadt, theils den fremden Gesandten und Ministern angehörten, welche gekommen waren, dem Könige zu huldigen. Neben Floripes aber, welche zum ersten Male einen großen Schmerz in Prunkkleidern und dem Geräusch eines Festes durchmachen mußte und von einigen älteren Damen mitleidig geschützt, im Hintertheil der Gondel sich verborgen hatte, vermißte jetzt die Fürstin, die auch hierhin promenirte, das Fräulein von Marseeven, und als sie die arme blasse Floripes nach ihrer Freundin fragte, brach diese überwältigt von dem bezwungenen Schmerz in Thränen aus und die junge Fürstin erfuhr nun, was ihr bis jetzt verborgen gehalten war – das schnell eingebrochene Unglück des edlen Hauses Marseeven! Noch hatte man zwar keine Nachricht, daß die edle Frau verschieden; aber daß dies eintreffen müsse, daran war schon kein Zweifel mehr – und sie war Allen schon entrissen, und Jeder der sie liebte, und das waren Viele, wünschte, daß ihre Qualen geendet sein möchten.

Da die Bewegung in der Gondel ohne den Zwang der Etikette blieb, hatte sich William leise der Fürstin nachgedrängt, denn er hatte Floripes schon während des Manövers am Rande der Gondel mit dem tief traurigen Ausdruck ihres lieblichen Gesichts erkannt, und als er sich brüderlich zärtlich zu ihr bog, erfuhr die Fürstin den Zusammenhang, den Beide zu einander hatten und der sie geschwisterlich an einander fesselte. Auch war die Fürstin nicht unbekannt mit dem Schicksal der Marquise von Montrose, da die Gräfin Comenes bis zu ihrem vor wenigen Jahren erfolgten Tod ihre Oberhofmeisterin gewesen war, und Urica ihr Lieblingsthema für alle Lobeserhebungen, aus denen sie wünschte, daß die Prinzessin sich selbst ein Beispiel nehmen möchte.

Die junge Fürstin erfüllte indessen der armen Floripes gern die schüchtern vorgetragene Bitte, den Abend vor dem großen Feste, welches in der Admiralität gegeben wurde, und welches auf alle junge Schönheiten der Stadt ganz besonders berechnet zu sein schien, wegbleiben zu dürfen.

Da die Gondel jetzt landete und bis zum Balle eine Pause eintrat, die der Ruhe und der Toilette bestimmt war, suchte Floripes unter dem Schutz von William und Caas das Trauerhaus zu erreichen und in ihren Schleier tief verhüllt durch die lärmende und jauchzende Menge zu dringen, welche die am Ufer harrenden Karossen unter dem Donner der Geschütze, den lärmenden Musikchören und dem Vivatgeschrei Aller bis zu den Wohnungen der hohen Gäste begleiteten.

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