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Schöne, friedliche Wochen wurden im Freundeskreise verlebt. Nur einmal wurden sie gestört, als der Telegraph am 9. Juli 1850 die Nachricht von dem plötzlichen Dahinscheiden des Präsidenten Zachary Taylor brachte. Fillmore zog nun ins Weiße Haus und Aaron Grant mußte nach der Congreßstadt zurück, wo der Kampf um die californische Sklavenfrage von neuem entbrannte, aber nicht im Sinne der Sklavenhalter, welche die Missourilinie bis zum Stillen Ocean ausdehnen wollten, entschieden ward. Californien, dessen Constitution die Sklaverei ausdrücklich verbot, blieb freier Staat, gegen den Protest zwar der Senatoren Jefferson Davis, Mason, Soulu und Julen, der spätern Rebellenführer.
Unsere deutschen Flüchtlinge wurden von Georg Baumgarten in eine der unzähligen Freimaurerlogen, die es in Amerika gibt, und zwar in die zu den Cedern des Libanon eingeführt, welche in Pennsylvanien viele Schwester- und Töchterlogen hatte.
Die amerikanische Maurerei ist zwar, sowenig wie die europäische, zu der Einsicht gelangt, daß sie in einer Zeit wie die unsere auch dann ihre wahren Zwecke wird erfüllen können, wenn sie klar und öffentlich diese Zwecke, die ganze Erdmenschheit in einer allgemeinen Menschheitsbrüderschaft zu vereinen, lehrt und verbreitet; man sieht jenseit des Atlantischen Oceans ebenso wenig ein wie bei uns, daß sie nur durch ganze und volle Oeffentlichkeit die Schlacken, das Unedle und Menschheitswidrige, das sie in ihren Formen wie in ihrer Werkthätigkeit, in ihrem Rituale wie in ihren Symbolen aus dem Dunkel des Mittelalters mit herübergebracht hat, abstreifen kann. Allein die amerikanische Maurerei versteckt sich nicht in der Art wie die deutsche, sie tritt mit Pomp und Glanz öffentlicher Aufzüge auf.
Die Loge zu den Cedern des Libanon in Pittsburg hatte zwei verschiedene Locale für Winter- und Sommerversammlungen. Die drei letzten Logentage des Freimaurerjahrs und die vier ersten des neuen Jahres, das Johannisfest selbst eingeschlossen, wurden im Sommerlocale abgehalten. Es war die erste Lehrlings- und Aufnahmeloge im neuen Jahre, am ersten Vollmondstage des Juli, als unsere Freunde nebst zehn andern Genossen in die Brüderschaft aufgenommen werden sollten. Die Brüder sammelten sich im Winterlogenhause in der Stadt, von wo man mit Musik, Fahnen und Banner, mit Schurz und Kelle, der Meister vom Stuhl und die übrigen Würdenträger mit schweren goldenen Ketten, mit Bändern und Orden der verschiedensten Art und mit den Kennzeichen ihres Amtes durch einen großen Theil der Stadt zogen, angestaunt von Tausenden von Profanen, welche den großartigen Zug von neunundneunzig Meistern, hundertsechsundsechzig Gesellen und über dreihundert Lehrlingen bis vor die Sommerloge begleiteten.
Diese war im Park, von einer zwanzig Fuß hohen Mauer umgeben, zu welchem ein Wohngebäude des Castellans den Eintritt gewährte. Aus dem Eingangsgebäude trat man durch Arcaden in ein längliches Viereck, das auf drei Seiten von offenen Säulenhallen umgeben war, hinter denen eine dicke Taxushecke dasselbe vom übrigen Park abschloß. An der vierten Seite erhob sich eine Art Kuppelbau, der durch zwei hohe aus Blech gefertigte Cedern verdeckt wurde. Die Meister nahmen ihren Sitz im Süden, die Gesellen im Westen, die Lehrlinge im Norden. Man saß unter Orangen-, Citronen-, Mandel-, Oliven-, Lorber- und Myrtenbäumen. Als alle ihre Sitze eingenommen, begann zwischen beiden Cedern das erste Viertel des Mondes, durch elektrisches Licht dargestellt, zu schimmern, das an Helligkeit den Vollmond, der eben im Osten aufging, überstrahlte. Das Mondesviertel dehnte sich nach wenig Minuten bis zum Vollmonde aus. Nun erscholl aus dem Kuppelbau ein Männerchor mit Musikbegleitung, eine Hymne zu Ehren des Baumeisters aller Welten, während die Versammlung sich erhob und die Kopfbedeckung ablegte.
Als der Gesang beendet war, wurden die zwölf Aufzunehmenden in das Wohngebäude zurückgeführt, um entkleidet zu werden.
Seitdem der Mond zwischen den Cedern im Volllichte glänzte, sah man, daß der Kuppelbau durch eine mit blauer Seide überkleidete Breterwand verdeckt war, woran in großen goldenen Buchstaben die Worte glänzten: »Eingang zum Tempel Salomonis.«
Dieser Eingang schob sich jetzt auseinander, man sah einen grünen Dom, gebildet aus Cedern und Palmen, wie im Eingange. Eine dreistufige Freitreppe, von der ganzen Breite des Baues, führte zu diesem Dome hinauf. Vorn, gleich an der Treppe, lag ein großer kostbarer Teppich, in welchen der Tempel Salomonis eingewirkt war, an drei Enden dieses Teppichs standen hohe goldene oder vergoldete Candelaber mit nicht brennenden armsdicken Wachskerzen. Nach Norden und Süden vor zwei altarähnlichen Pulten zwei in Hohepriestergewande gehüllte Männer, einen Hammer von schwarzem Ebenholz in der Hand, an dem Zirkel und Winkelmaß in Elfenbein ausgelegt waren. Auf einer Art von Thron, mehr im Hintergrunde des grünen Domes, saß der Meister vom Stuhl, einen goldenen Hammer in der Hand. Er war mit einem schwarzen Frack bekleidet und hatte einen Cylinder auf dem Kopfe, wie alle Anwesenden, außer jenen in Hohenpriesterkleidern, die mit einer Art persischen Hutes bedeckt waren. Außer mit dem Schurzfell war der Meister aber mit breiten blauen und gelben Bändern geschmückt; er trug nicht nur wie alle Anwesenden das Zeichen der Loge, die Cedern am blauen Bande, sondern war außerdem mit goldenem Richtscheit, Zirkel und Winkelmaß behangen.
Ueber den Sitz des hammerführenden Meisters senkten sich vier Cedernzweige zu einer Art Thronhimmel herunter.
Auf dem ersten dieser Zweige glänzten wie Diamantfeuer die Worte: »Freier Boden«; das zweite trug die Inschrift: »Freie Arbeit«; das dritte: »Freie Rede«; das vierte: »Freie Brüder«.
Vor ihm, auf dem Altar, lag eine Bibel in Folio, der älteste Bibeldruck Englands, auf derselben Zirkel und Winkelmaß. Im Hintergrunde glänzte über die Cedern hinweg eine Sonne, wie wir sie in Europa in Opern zu sehen pflegen. Neben und hinter dem Meister vom Stuhl saßen der Ersatzmeister, der erste Aufseher und andere Würdenträger der Loge.
Der Hammer des Meisters fiel auf den Altar, die Hämmer des zweiten und dritten Aufsehers folgten.
Der Meister erhob sich und richtete an den jüngsten Schaffner, der zum Zeichen seiner Würde einen schwarzen Maßstab trug, die Frage: »Was ist die erste Sorge eines Maurers?« worauf dieser antwortete: »Zu sehen, ob die Loge gedeckt sei.«
»So thue deine Schuldigkeit!«
Der Schaffner umkreiste die Taxushecken und meldete, auf seinen Platz zurückgekehrt: »Die Loge ist gedeckt.«
Der Meister richtete dann an den ersten und zweiten Aufseher Fragen über ihren Platz in der Loge und ihre Thätigkeit, und nachdem diese dem Brauche gemäß geantwortet, erklärte er:
»Die Loge ist geöffnet, im Namen des heiligen Johannes! Ich verbiete alles Fluchen und Schwören, alles Flüstern wie alle profanen Gespräche.«
Der Meister stieg darauf von seinem Stuhle herab, ein Schaffner brachte ihm ein Licht, mit dem er die Wachskerze des Candelabers an der Ostseite des Tempels Salomonis anzündete und die Worte sprach: »Die Sonne regiert den Tag.« Der erste Aufseher zündete darauf das zweite Licht an und sagte: »Der Mond regiert die Nacht.« Der dritte Aufseher sprach beim Anzünden des dritten Lichtes: »Der Meister regiert die Loge.«
Nun trat der Meister vom Stuhle wieder zu seinem Platze, gab mit dem Hammer einen Schlag, der von den Aufsehern am Teppich nachgeschlagen wurde, und sprach: »In Ordnung, meine Brüder!« Alle entblößten das Haupt, der Meister sprach das Gebet.
Darauf begrüßte der Meister die Brüder mit dem besondern Handschlag der Loge zu den Cedern des Libanon, welches von der Versammlung erwidert wurde. Als jeder wieder Platz genommen, sprach der Meister: »Geliebte Brüder, ich zeige euch an, daß die Meisterschaft die Arbeiten der heute aufzunehmenden Brüder, welche sie, in der Schwarzen Kammer eingeschlossen und von einem Aufseher bewacht, anfertigten, geprüft und dieselben für gut befunden hat. Wir dürfen hoffen, zwölf tüchtige Mitarbeiter an unserm Werke zu gewinnen; ich befehle daher, die neuen Brüder, wenn sie entkleidet sind, vorzuführen und den Tempel zu schließen.«
Die Wände schoben sich wieder zusammen, der Mond, dessen Licht, seitdem die Sonne über den Cedern aufgegangen, erblaßt war, strahlte wieder in hellem Glanze.
Die Aufzunehmenden waren nur mit Hosen und Hemden bekleidet, das rechte Bein war bis über das Knie entblößt, der linke Schuh war niedergetreten. Sie waren sämmtlich durch eine eiserne Kette an den Beinen miteinander verbunden, die Arme von je zweien waren mit silbernen Ketten zusammengehalten, die Handgelenke jedes einzelnen durch eine goldene Kette gefesselt. Ihre Augen waren unverbunden. So wurden sie von zwölf mit blanken Schwertern bewaffneten, das Gesicht mit Masken verhüllten Brüdern längs der Arcaden vor dem Eingange des Tempels Salomonis aufgestellt, wo sie auf der untersten Stufe in einer Reihe ihren Platz nahmen. Ihrem weitern Heraufdringen zu den beiden andern Stufen stellten sich von der Meisterstufe her die Aufseher, jetzt gleichfalls mit Schwertern bewaffnet, entgegen.
Der Führer des Gefangenenzuges aber trat die drei Stufen zum Tempel Salomonis hinauf und klopfte mit dem Griffe seines Schwertes dreimal an die Pforte.
Die bisher sitzenden Maurer erhoben sich und bildeten einen sechsfachen Halbkreis um die Gefesselten, zuerst die Meister in einfachem Kreise, die Gesellen in doppeltem, die Lehrlinge in dreifachem, und sie begannen unter Musikbegleitung von den Arcaden her aus Mozart's »Zauberflöte« den Chor der Priester zu singen, nachdem ein tiefer Baß die Worte des Sarastro vorgetragen hatte. Dieser Gesang machte einen eigenthümlichen Eindruck auf die Gefesselten.
Jetzt erscholl aus dem Innern des Tempels die Arie des Sarastro: »In diesen heiligen Hallen«, unter Begleitung des Flügels.
Als der Gesang beendet, schlug der erste Aufseher mit drei Schlägen an die Pforte des Tempels, aus diesem erfolgten drei Schläge mit dem Hammer: »Wer begehrt Einlaß?«
Der Führer des Zuges antwortete: »Zwölf Jünger, welche die Meisterschaft für würdig erachtet hat zum Eintritt in den Tempel.«
»Woher kommen sie?« fragte die Stimme von innen.
»Von Westen«, lautete die Antwort.
»Wohin wollen sie?«
»Nach Osten.«
»Was suchen sie im Osten?«
»Die Freiheit und das Licht!«
»Sind sie frei geboren und frei?«
»Sie sind freie Männer, von freien Weibern geboren.«
»So wird sich der Tempel ihnen öffnen.«
Der Verschluß schob sich nach beiden Seiten zurück und die mit dreifachen Ketten Belasteten sahen geblendet und erstaunt die Pracht des grünen Tempels und lasen die Inschriften über dem Stuhle des Meisters. Dieser erhob sich und sprach mit Pathos:
»Der Mensch ist frei geboren und frei, und die Stufen zu diesem Tempel dürfen nur freie Männer besteigen! Alle Ketten, angelegt von Gewalt und Unrecht oder eigener Selbsttäuschung, sind zerreißbar, seien sie auch von Eisen und Stahl, von Silber oder Gold. Die Ketten des Irrthums, des Luges und Truges, der Sinnlichkeit und der Lusttriebe, die wir uns selbst oder die schlechter Umgang uns anlegt, und die symbolisch dargestellt durch die goldenen Ketten, die euere Hand fesseln, und die silbernen, die zwei aneinanderfesseln, sind zerreißbar wie die Ketten der Gewalt. Zerreißt euere Ketten!«
Das erforderte keine zu große Anstrengung, die Ketten waren danach eingerichtet, daß sie bei einer mäßig starken Bewegung sich öffneten und klirrend zu Boden fielen.
»Sie sind nun frei, meine Brüder«, sagte der Meister vom Stuhle; »dieses Symbol des Abwerfens der Ketten hat zugleich eine tiefere Bedeutung, daß unser Bund, der Sie heute aufnimmt, von der Ansicht ausgeht, daß Sie sich durch die Aufnahme freigemacht haben und freigemacht werden von allen lasterhaften Gewohnheiten, welche die Sklaverei mit sich führt. Unser Bund ist ein Bund freier Männer, im reifen Alter, Männer von gesundem Urtheile und sittlichem Lebenswandel. Wenn Sie, meine lieben Brüder, diese Stufen hinaufsteigen, so stehen Sie an den Grundsäulen des alten Salomonischen Tempels, rechts die Säule Jachin, d. h. die Stärke, links die Säule Boas, d. h. Aufgerichtetsein in dem Herrn. Die Früchte, die die Cedern des Libanon tragen, versinnbildet der Baldachin über meinem Haupte; es sind: freier Boden, freie Arbeit, freie Rede, freie Brüder.
»Wenn Metallketten, wenn selbst Diamantketten zerreißbar sind, unzerreißbar ist und bleibt die Kette der Bruderliebe, die uns verbündet.
»Bruder erster Aufseher, führen Sie die Brüder einen nach dem andern mit den drei maurerischen Schritten nach Osten.«
Es erfolgte dann das Aufnahmeceremoniell, dessen Beschreibung wir unterlassen können und müssen, da es dem deutschen Ritus sehr nahe kommt. Die Symbole der Freimaurerei, wie sie in den Tempelteppich eingewirkt waren, wurden den Aufzunehmenden erklärt, die Stiftungsgeschichte der Freimaurerei an Hiram's Tod anknüpfend mitgetheilt, Zeichen, Griff und Wort gegeben.
Schließlich überreichte der Meister vom Stuhle den Neuaufgenommenen die Schurzfelle, wie jedem zwei Paar weiße Handschuhe, für sich wie für die Schwester oder künftige Schwester, eine Gabe, die unserm Freunde Oskar Schulz, wie wir später sehen werden, sehr gefährlich wurde.
Es wurde ein sehr kriegerisch klingendes Lied gegen die falschen Brüder im Süden, die sich Freimaurer nennen und Sklavenhalter sind, gesungen, und Geld für abolitionistische Zwecke gesammelt. Die beiden Deutschen wunderten sich nicht wenig, als der Schatzmeister die Summe des heute Gesammelten aus 7350 Dollars angab. Die Bruderkette wurde geschlungen, ein Bundeslied gesungen, dann berief der zweite Aufseher die Brüder zu einer Tafelloge.
Während die Brüder einen Gang durch den Park machten, wurden unter den Bäumen, wo man bisher gesessen, die Tafeln gedeckt, bunte Lampions angezündet, fünf Springbrunnen, die bisher geschwiegen, in Thätigkeit gesetzt, der Tempel Salomonis war verschlossen. Es ging bei dieser Tafelloge munter zu, aber nicht unmäßig, sondern nach der Freimaurer Spruch: »Mäßig, froh.« Der Vollmond am Himmel gab die herrlichste Beleuchtung und stellte die bunten Lampions in Schatten. Nachdem die officiellen Toaste auf die Union und das Sternenbanner, auf den Wollkämmer, jetzt Präsidenten Millard Fillmore, auf die verbundenen Logen u. s. w. getrunken waren, brachte der Meister vom Stuhle auch auf die neuaufgenommenen Brüder einen Toast aus und wendete sich dann zunächst an Hellung.
»Unsere Loge«, sagte er, »rechnet es sich zu einer Ehre an, dich, Theodor Hellung, der du als Mitglied des deutschen Parlaments wie in Dresden für die Freiheit gekämpft und geduldet, zu ihrem Mitgliede zu zählen, dich, den sein profaner Beruf schon zum Wegebahner nach Osten macht. Deine Lehrlings-, Gesellen- und Meisterarbeiten wirst du in den nächsten Jahren fern von der Loge zu den Cedern von Libanon im weitern Westen verrichten, aber du arbeitest immer für die Loge selbst, denn jeder Schritt weiter nach dem Stillen Weltmeer ist ein Fortschritt für die Menschheit, ermöglicht das Ziel einer Erdenloge. Wir, die wir das Licht von Osten empfangen, haben den Beruf, die Freiheit, die dort verschwunden ist, wieder nach Osten zu bringen. Ich sehe im Geiste die Zeit kommen, wo nicht Europa, nicht Amerika der Mittelpunkt der Welt ist, sondern jene Inseln im Stillen Ocean, die heute noch zum Theil unbewohnt sind, zum Theil von wilden Völkern bewohnt werden.
»Du wirst auf deinen Bahnen auf Rothhäute stoßen, vergiß nie, daß es Menschen, daß es Brüder sind! Vertilge sie nicht, selbst wenn sie deinen Planen hindernd in den Weg treten, deine Arbeiten zerstören. Bedenke, sie sind in Dunkel und Unwissenheit geboren und groß geworden, und die Weißen haben ihnen die Jagdgründe, in welchen ihre Väter, Großväter und Urgroßväter jagten und hausten, genommen, sie immer weiter nach Westen treibend. Verlocke sie nicht durch Feuerwasser, sondern suche sie zu belehren, womöglich zu bewegen, daß sie sich anbauen und Ackerbau treiben.
»Und nun noch Eins: unsere Loge läßt einen Bruder eine so große und gefährliche Reise, wie du sie vorhast, nicht gern ohne treue Begleitung antreten, und so hat sie denn dafür gesorgt, daß du unter deinen Begleitern zwei Brüder findest, die dir treulich und brüderlich zur Seite stehen werden, beide heute mit dir aufgenommen. Das ist Andrew Word, Chef deiner künftigen Feldmesser, und Lincoln Hickory aus Kentucky, zäh und hart wie sein Name, schlau wie ein Fuchs und geschmeidig wie ein Indianer, der nie sein Ziel verfehlt. Er spricht die Sprache vieler Rothhautstämme, ist schon einmal über das Felsengebirge hinüber gewesen und ist zum Proviantmeister und Führer der Karavane bestimmt. Nimm deinen Platz zwischen diesen beiden Brüdern und gib ihnen den Bruderkuß.«
Darauf wandte sich der Hammerführende zu Oskar Schulz und sagte: »Wenn ich dieses Glas mit allen Ehren der königlichen Kunst auf dein Wohl leere und die Brüder durch den ersten Schaffner auffordern lasse, zu laden und mit mir loszuschießen« – er machte eine Pause, um dem Schaffner Zeit zu lassen, seine Befehle zu vollziehen –, »so glaube mir, daß die Loge dich, obgleich du noch an dem rohen Stein arbeitest, zu einer nicht minder wichtigen Mission bestimmt hat. Bruder Georg Baumgarten wird dir eine versiegelte Instruction geben, die du erst im nächsten Jahre am Tage Johannis des Täufers öffnen darfst. Bis dahin magst du Land und Leute, Sitten und Gebräuche des Südens kennen lernen. Du wirst selbst sehen, ob es wahr ist, daß es dort von falschen Brüdern wimmelt, welche den Zweck der Maurerei in Niederhaltung der schwarzen Rassen und in Verbreitung der Sklaverei suchen, obwol sie als das Ziel ihrer Bauhütten angeben, bald Cuba, bald Mexico, bald Mittelamerika annectiren zu wollen. Sie nennen sich Ritter des einsamen Sterns, Ritter vom goldenen Zirkel, Ritter vom schwarzen Elfenbein, Ritter vom Goldenen Vliese, sind aber sämmtlich Prosklavereiritter. Hüte dich, je die geringste Andeutung zu geben, daß du Licht und Freiheit im Tempel Salomonis der Cedern des Libanon empfangen hast. Dies wäre dein sicherer Tod, denn Meuchelmord ist das immer bereite Mittel dieser Ritter, Dolch und Strick, Gift und Revolver sind ihr Handwerkszeug, Schurz und Kelle nur Schein.
»Umarme jetzt deinen Bürgen und danke ihm.«
Es wurde noch viel getoastet, geredet, gesungen, und wenn die Brüder nicht in der geschlossenen Ordnung, der Feierlichkeit und Stille, und so festen Schrittes, wie sie zum Tempel gingen, diesen verließen, so konnten doch selbst starke Mäßigkeitsmänner daran nicht Anstoß nehmen. Man ging eben auseinander, man zerstreute sich nach allen Richtungen, und da ging es denn lauter als gewöhnlich zu; Baumgarten's Equipage führte unsere Freunde rasch nach Georgen- und Charltonhouse.
Unsere Leser werden aus dem Mitgetheilten errathen haben, daß der jüngere Baumgarten auf seiner Tour nach Westen für den Universitätsfreund Hellung eine vortheilhafte Stellung bei der kurz vorher gegründeten Central-Pacific-Compagnie gefunden hatte. Unser Freund aus Dresden sollte in Begleitung von sechzehn bis zwanzig Personen, außer den Dienern, Pferden und Maulthieren, den directesten Weg von Saint-Louis nach Californien über das Felsengebirge, sowol für eine Eisenbahn als für eine Telegraphenverbindung suchen, vermessen, soweit es nöthig, nivelliren, kartiren; er sollte die Hülfsquellen der Gegend, welche die Bahn durchschnitt, erforschen, die Gefahren, welche Natur und Indianerstämme dem Unternehmen in den Weg stellten, ermitteln, die Mittel, sich dagegen zu schützen, ausfindig machen.
Obgleich ein solches Unternehmen eine mehrjährige Abwesenheit von Frau und Kindern erforderte, schreckte er nicht davor zurück, denn er wußte diese in Charltonhouse gut aufgehoben, und es steckte in ihm eine gewisse yankeehafte Unternehmungslust, Reisekühnheit, Waghalsigkeit.
Außer bedeutenden Diäten waren ihm ganz außerordentliche Vortheile versprochen. Er sollte, wenn die von ihm gewählte Linie genehmigt werde. nicht nur die Strecke, deren Bau er wünschte, zum Ausbau erhalten, sondern ihm von Nebraska an bis an die Grenze von Californien so viel von dem der Compagnie von der Union zugesicherten Staatsgebiet angehören, um eine Stadt von hunderttausend Einwohnern darauf gründen zu können. Auch seinen Begleitern waren von diesen Staatsländereien Dotationen versprochen, und sie sollten, wie er, die Wahl haben, den Ort zu bestimmen.
Die neuzugründende Stadt war nicht allein ein Lieblingsgegenstand der Phantasie unsers Freundes, sie diente auch den in Pittsburg vereinigten Freunden zu mannigfacher Unterhaltung. Man debattirte über Klima und Lage, entwarf Pläne zu allerlei Bauten, war natürlich sehr uneinig über alle Einzelheiten, nur in Einem Dinge war man einig: die Stadt müsse in dem amerikanischen Paradiese liegen und Hellungen heißen.