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Die Milch ist für die Ernährung des Menschen von größter Wichtigkeit.
Da man der Milch nicht ansehen kann, ob sie von einem gesunden oder kranken Tiere stammt, so genieße man die Milch niemals ungekocht.
Läßt man die Milch einige Zeit stehen, so steigen die leichteren Fetttröpfchen in die Höhe und bilden den Rahm.
Läßt man Milch einige Zeit stehen, so zersetzt sich der Milchzucker unter dem Einfluß von Organismen in Milchsäure. Durch diese Milchsäure wird der Käsestoff der Milch abgeschieden.
Will man das Sauerwerden einige Tage lang verhindern, so muß die Milch sofort nach Empfang aufgekocht werden, damit die Organismen, welche das Sauerwerden hervorrufen, vernichtet werden.
Hat die Milch eine auffallende Farbe, besonderen Geruch oder Geschmack, so weise man sie zurück.
Es ist allgemein bekannt, daß man Milch durch Kochen haltbar machen kann; wenigstens 1 bis 2 Tage, wie es für den Haushalt meistens genügt.
Kocht man die Milch zu lange, so wird der Käsestoff verändert und löst sich nicht mehr so schnell im Magensaft.
Eine große Anzahl der Pilze, welche sich in ungekochter Milch befinden, wird durch dieses Kochen unschädlich gemacht. Einigen Arten schadet das Aufkochen jedoch nicht und diese sind es, welche im Sommer den Säuglingen so sehr viele Beschwerden machen und häufig den Tod herbeiführen.
Besonders sind es die Milchsäurebakterien, welche den Milchzucker unter starker Gasbildung zersetzen. Die Krankheiten, welche dabei auftreten, haben ihren Sitz im Magen und dann stellt sich nach genossener Milch Erbrechen ein; oder die Zersetzung des Milchzuckers findet im Dünndarm oder Dickdarm statt; die gebildete Milchsäure reizt die empfindlichen Schleimhäute und Diarrhöe ist die Folge.
Was kann man nun thun, um die Säuglinge, welche auf künstliche Ernährung angewiesen sind, über die gefährliche Sommerzeit hinüberzubringen und soweit es möglich ist gegen diese Krankheiten zu schützen?
1. Die Auswahl eines Milchlieferanten, welcher stets frische, mit möglichster Reinlichkeit gemolkene Milch liefert.
2. Sofortiges Aufkochen der Milch nach dem Empfange.
3. Beziehen der Milch in weißen Glasflaschen, deren Reinlichkeit leichter zu kontrollieren ist wie die der großen Blechkannen.
Treten trotzdem Erbrechen und Diarrhöe ein, so ist der Arzt der allein maßgebende Berater. Man warte nicht in der Hoffnung, daß es am nächsten Tage besser werde, sondern man schicke sofort zum Arzte.
Ein Kind im Alter bis zu 6 oder 7 Monaten ist nicht im Stande, Stärkemehl oder stärkemehlhaltige Nahrungsmittel zu verdauen. Wenn trotzdem den Kindern derartige Speisen gegeben werden, so ist eine Störung der Verdauung die Folge. Ist ein Kind ein Jahr alt, so werden stärkemehlhaltige Speisen schon vertragen, besonders wenn diese durch Kochen in Milch vollkommen aufgeschlossen sind. Ein Kind soll auch keine von den schweren verdaulichen Speisen, wie Roggenbrot oder Kartoffeln, in größeren Mengen genießen, weil die Organe zu sehr angefüllt werden.
Von den leicht verdaulichen Speisen lasse man ein Kind so lange essen bis es aufhört. Eine Gefräßigkeit unter Kindern giebt es nicht. Jedes Kind wird nur soviel verlangen bis es satt ist. Ein Kind braucht aber im Verhältnis zum Erwachsenen weit mehr Nahrung; der Körper will doch größer werden, während der Erwachsene nur soviel gebraucht, wie er zur Erhaltung seiner Kräfte nötig hat.
Es kommt vor, daß ein Kind gegen gewisse Nahrungsmittel einen ausgesprochenen Widerwillen hat; dann zwinge man das Kind nicht zur Aufnahme, sonst tritt Brechreiz ein. Die sogenannte Leckerheit des Kindes verliert sich, wenn ihm nach und nach die Speisen der Erwachsenen in kleinen Mengen vorgesetzt werden. Ein lebhaftes Kind verlangt mehr Nahrung wie ein ruhiges Kind. Je lebhafter ein Kind ist, um so mehr Arbeit leistet es und um so mehr Nahrung muß es haben, damit die verbrauchten Stoffe ersetzt werden.
Je besser das Futter ist, welches eine Kuh bekommt, um so besser ist die Milch. Manche scharfe Stoffe gehen in die Milch über und erteilen dieser einen unangenehmen Geschmack, z. B. Steckrüben oder Rapskuchen.
Die Milch für Kinder muß stets aufgekocht werden und nach dem Kochen muß der Milchtopf zugedeckt werden damit aus der Luft keine Pilze, Bakterien und Fliegen hineinfallen.
Der Milchkochapparat nach Professor Soxleth ist sehr verbreitet und gebe ich hier die Vorschrift zu seiner Benutzung, damit die Mütter sich zum Vorteile der Säuglinge danach richten können.
1. Man verwendet möglichst frische Milch, und zwar Mischmilch von mehreren Kühen, nicht die Milch einer Kuh, verdünnt die Milch mit Wasser, giebt ihr passende Zusätze – bevor man sie erhitzt – oder verwendet sie im unverdünnten Zustande, nach Angabe des Arztes. Zur Bereitung der Mischungen dient das geschnäbelte Misch- und Einfüllglas, welches 1½ Liter faßt und in 1/10 Liter eingeteilt ist.
2. Man füllt die für einen Tagesverbrauch ausreichende Menge der Milch oder der Milchmischung mittelst des Einfüllglases in die einzelnen Flaschen, welche 150, 200 oder 250 gr. fassen. Die Flaschen werden höchstens so voll gefüllt, wie vorstehende Zeichnung anzeigt, können aber auch zu ½, ¼ etc. voll gefüllt werden.
3. Man stellt die gefüllten Flaschen in den Flascheneinsatz, legt auf die Mündung jeder Flasche eine Gummischeibe, stülpt über den Hals der Flasche die Schutzhülse, stellt den Einsatz in den Kochtopf, füllt letzteren mit so viel kaltem Wasser, daß das Wasser im Kochtopf in gleicher Höhe mit der Milch in den Flaschen steht, drückt den Blechdeckel in den Topf – er darf nicht lose aufliegen – und erhitzt auf dem Herde, oder mittelst Gas- oder Petroleumofens, zum Kochen. Nachdem man das Wasser ¾ Stunden lang im lebhaften Kochen erhalten hat – wobei der Dampf stets am Deckelrande herausblasen muß – hebt man den Deckel ab, wartet bis sich der Dampf etwas verzogen hat und nimmt nun den Einsatz samt Flaschen aus dem Kochtopf. Die Flaschen verschließen sich schon beim Abheben des Topfdeckels infolge eintretender Abkühlung von selbst (durch den Luftdruck). Sobald, nach etwa zehn Minuten, die Gummischeiben sich etwas eingezogen haben, kann man die Schutzhülsen abheben; zweckmäßiger ist es jedoch, hiermit bis zum völligen Erkalten der Flaschen zu warten, oder die Schutzhülsen überhaupt auf den Flaschen bis vor dem Oeffnen zu lassen. Da die Gummischeiben nach der Benützung etwas eingedrückt bleiben, so legt man sie bei der nächsten Kochung so auf die Flaschenmündung, daß die gewölbte Seite nach oben kommt.
4. Soll dem Kinde Milch gereicht werden, so stelle man eine der Flaschen in den Wärmebecher, fülle diesen mit kaltem oder lauwarmem Wasser und erhitze letzteres mittelst einer kleinen Spirituslampe oder auf dem Herde bis die Milch trinkwarm ist, d. h. bis die Flasche nach mehrmaligem Umschütteln an das Auge gedrückt, weder das Gefühl von Kühle noch Hitze hervorruft, also annähernd Körperwärme angenommen hat. Häufiges Schütteln der Flasche und Wiedereinstellen derselben in das Wasser beschleunigt die Erwärmung. Einstellen der kalten Flaschen in heißes Wasser oder rasches Abkühlen der noch heißen Flaschen im kalten Wasser bewirkt – wenn die Flasche auch nicht sofort springt – eine solche Veränderung im Glase, daß die Flaschen beim nächsten Kochen zerspringen. – Absolut unstatthaft ist es, sich von der Wärme der Milch durch Probieren zu überzeugen, da hierdurch leicht Gährungserreger oder Ansteckungsstoffe in die Milch gelangen können.
5. Für Spaziergänge oder Reisen können die Milchflaschen auf mehrere Stunden dadurch warm erhalten werden, daß man sie heiß macht – jedoch nur so weit, daß die Gummischeiben noch gut eingezogen bleiben – und dann in wollene Tücher einwickelt; hierbei müssen die Schutzhülsen auf den Flaschen bleiben.
6. Erst wenn die Milch trinkwarm geworden ist und unmittelbar vor der Verabreichung derselben öffnet man die Flasche, indem man den Rand der Gummischeibe nach aufwärts drückt; hierbei tritt Luft in die Flasche und die Gummischeibe liegt nun lose auf der Flaschenmündung.
7. Von dem Kinde übrig gelassene Milch soll für die Ernährung des Säuglings nicht mehr verwendet werden. Verschlossen gebliebene Flaschen können aber am 2. oder 3. Tage ohne Anstand noch benutzt werden.
8. Behufs Reinigung der Milchflaschen fülle man dieselben sofort nach dem Gebrauch mit Wasser, damit die Milchreste nicht eintrocknen, säubere sie mit breiförmig nasser Holzasche und mit Zuhilfenahme der Drehbürste, oder man fülle die Flaschen halbvoll mit Emailschrot und Wasser und schüttle sie kräftig. Die spiegelblank gereinigten Flaschen stellt man umgekehrt in das Holzgestell oder in den Flascheneinsatz. Die von den Flaschen abgenommenen Gummischeiben legt man ins Wasser und entfernt vor deren Wiederverwendung alle Milchreste durch gründliches Abwischen. Sie erhalten sich am längsten gebrauchsfähig, wenn man sie alle 4-6 Wochen mit Lauge – 1 Teil Laugenessenz und 2 Teile Wasser – eine Stunde lang auskocht. Ebenso sauber müssen die Schliffflächen an den Flaschenmündungen sein, sonst ziehen sich die Gummiplättchen nicht ein. Flaschen, deren Schliffflächen verletzt sind, lassen sich nicht verschließen, sind also durch neue zu ersetzen.
Wenn der Arzt keine andere Vorschrift giebt, so gelten für die Anwendung folgende Mischverhältnisse von Milch, Wasser und Milchzucker nach dem Alter des Kindes:
Alter: | Kuhmilch Eßlöffel | Abgekochtes Wasser | Verdünnungs-Verhältnis | Milchzucker-Zusatz Theelöffel |
bis zur 2. Woche | 1 | 4 | 1:4 | 1 gehäufter |
bis zum Ende des 2. Monats | 1 | 3 | 1:3 | etwas über 1 gestrichener |
bis zum 4. Monat | 1 | 2 | 1:2 | 1 gestrichener |
bis zum 6. Monat | 2 | 2 | 1:1 | 1 gestr. |
bis zum 8. Monat | 2 | 1 | 2:1 | knapp 1 gestr. |
und von da ab auf 6 Eßlöffel ungemischte Kuhmilch ein gestrichener Theelöffel Milchzucker.
Die Kuhmilch unterscheidet sich von der Muttermilch durch ihren hohen Gehalt an Eiweiß und deshalb muß die Kuhmilch so weit verdünnt werden, daß der Gehalt an Eiweiß dem Verhältnisse wie es in der Muttermilch enthalten ist, möglichst nahe kommt.
Kommt diese verdünnte Kuhmilch in den Magen des Kindes, so gerinnt das Eiweiß zu einer dicken Masse und um dies zu verhindern, koche man die Milch mit einer Messerspitze voll Gustin, dann scheidet sich das Eiweiß in feinen Flocken ab, schließt die Fettkügelchen der Milch ein und der Magensaft kann das Eiweiß leicht in Lösung bringen.
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Nach dem Buttern erhält man je nach der Methode, welche man angewandt hat, eine Magermilch von verschiedener Zusammensetzung.
In einem Liter Magermilch sind enthalten 40 Gramm Eiweißstoffe, welche in dem Nährwerte 160 Gramm magerem knochenfreien Fleische entsprechen.
Ferner sind darin enthalten 47 Gramm Milchzucker, welche einem Nährwerte von 20 Gramm Butter entsprechen. Außerdem noch 2½ Gramm Butterfett in Gestalt feinst verteilter Tropfen. Rechnet man diese Werte zusammen, so ist ein Liter Centrifugenmilch einer Fleischmenge von 182 Gramm gleichwertig.
Kostet das Pfund knochenfreies Kochfleisch 75 Pfennig, so haben diese 182 Gramm einen Wert von 27 Pfennig, während die Molkereien das Liter Magermilch gern mit 6 Pfennig verkaufen. Die Nahrungsmittel sind in der Magermilch also 4½ mal so billig wie im Fleische.
Es giebt für die Menschen, besonders für Heranwachsende Kinder, kaum ein billigeres Nahrungsmittel, schmeckt dabei sehr angenehm und löscht den Durst. Wo es immer möglich ist, gebe man den Kindern die Magermilch als ein schönes Sommergetränk. Die süße Magermilch ist eine der billigsten Quellen für tierisches Eiweiß. Insbesondere empfiehlt es sich, diese süße Magermilch zum Backen von Weißbrot zu benutzen.
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