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Des Sultans Gemach.
Machmud. Floristane, als alte Wahrsagerin.
Floristane (des Sultans Hand genau betrachtend).
Ich sag' es dir! Er strebt dir nach dem Leben!
Machmud. Mein eigner Sohn? Unmöglich!
Floristane. Diese Zeichen
In deiner rechten Hand, sie trügen nicht.
Bescheint der nächste Mond nicht Agib's Leiche,
Wird er die deine sehen.
Machmud (verdrießlich). Da ist Gold!
Jetzt mache dich sogleich nur aus dem Staube!
Hinaus! aus dieser Hinterthüre! Hurtig!
Ich höre den Vezier; der darf nicht wissen,
Daß ich Verkehr mit alten Hexen habe.
(Floristane ab.)
Machmud (boshaft lächelnd).
Und wenn das Gatter seinen Dienst verrichtet,
So fällst du Hexe in den Abgrund tief,
Und wirst nicht fürder einen Sultan ängst'gen,
Auch nicht Vertraute seiner Thaten sein.
(Der Vezier kommt.)
Machmud. Wo ist mein Sohn? Schwärmt er noch immer närrisch
Als Hirt im Thale für sein Blumenmädchen?
Vezier. Nein, großer Sultan, während tapfer du
Den Aufruhrshaufen auf dem Berg bezwangst,
Hat Agib zärtlich sich ein Herz erobert.
Schon als Gemahlin prangt das schöne Weib
An seiner Seite. Beide sehnen sich
Nach deinem königlichen Vatersegen.
Machmud. Es eilt nicht! Ohne mich zu fragen, hat
Auf eigne Hand er Hochzeit ja gehalten;
Und während ich, ein Greis, kühn der Gefahr
Die Stirne bot, hat er auf weichen Kissen
Geruht und schnöder Wollust nur gefröhnt.
Vezier. Er wäre gern mit dir in Kampf gegangen,
Wenn du es ihm erlaubt.
Machmud. Um mir den Lorber
Vom Haupt zu reißen? Um auf meinen Lorbern
Nachher zu ruhn? Nein, das gelingt ihm nicht.
Wenn ich im Grabe bin, dann kann er kämpfen
Und siegen, und handthieren wie er wünscht;
Noch brauch' ich seine Hülfe nicht. Hör', Hassan,
Ich will mich dir vertrau'n, noch hast du mich
Nicht hintergangen.
Vezier. Allah! Hintergehn!
Das bloße Wort macht mir die Seele zittern.
Machmud. Du denkst dir wol dein hübsches bärt'ges Haupt
Auf einer Eisenpike blutig prangen
Hoch über des Palastes Cederthor?
Vezier. Nicht knecht'sche Furcht, auch freie Dankbarkeit,
O großer Sultan, bindet mich an dich.
Der Edelmuth nur macht sich will'ge Diener.
Machmud. Ja, ja! Ich glaub' es wohl. Doch ist die Furcht
Auch ein recht hübsches Ding, nicht zu verachten!
Du kennst die treffliche Geschicklichkeit
Ja meiner schwarzen Sklaven? Köpfe haun sie
So leicht und kalt dir ab, wie einen Kohlstrunk.
Erblasse nicht! 'S ist nur so hingesprochen;
Du bist mir nützlich, du bist tapfer, klug,
Hast nichts zu fürchten, wenn du ehrlich bist.
Vezier. O edler Herr!
Machmud. Sag', Hagi Hassan! glaubst du,
Daß Agib in der That so weich und weibisch
Verzogen ist, als er gern scheinen möchte,
Um sicher mich zu machen? Will er meinen
Verdacht und Argwohn nicht dadurch einschläfern?
Und lauert er nicht auf Gelegenheit,
Bald unabhängig sich von mir zu machen?
Vezier (schüttelt den Kopf).
Machmud. Er weiß, daß meine Brüder ich ermordet!
Kein Vorurtheil von nahverwandtem Blut
Drückt das Gewissen mir. Er ist mein Sohn,
Doch erst nach meinem Tod' erbt er das Reich;
Wie kann er mir denn langes Leben wünschen?
Und könnt' er auch nicht glauben, daß ich seinen
Geheimen Wunsch entdecke und den Wünscher,
Der Wünsche wegen, selbst zur Hölle wünsche?
Vezier. Er ist ein frommer Sohn, liebt seinen Vater.
Machmud. Was lieben? Wieder eine Redensart!
Ein europäisch Wort, ein Ketzerwort,
Worin kein Sinn liegt. Glühend hassen soll
Der Sarazen', genießen, kräftig wirken.
Wer kann mir das verdenken, daß mir Agib
Zuwider ist? Auch wenn man gar nicht wüßte,
Was ich schon aus geheimer Quelle weiß?
Zwar Sultan bin ich; bin ich aber glücklich?
Ein jeder Schuft beneidet meine Macht!
Der feigste Knecht kann mir das Leben rauben;
Und dieser Sohn – der ungeduldig geht
Und schweigt, auf meine Todesstunde lauert,
Mit ehrerbiet'gem Lächeln meine Stirn
Betrachtet jeden Morgen, ob vielleicht
Nicht Gram und Alter eine Furche noch
Darin gezeichnet haben? Pfui, o pfui!
Vezier. Nein, Agib, Herr, ist nicht von diesem Schlage!
Ein leichtes Blut und dem Vergnügen hold,
Scheut er Geschäft und Arbeit; Heldenthat,
Staatskunst und Rechenkunst sind ihm zuwider;
Mit Gelde weiß er gar nicht umzugehn.
Er liebt nur Poesie, Philosophie,
Natur und Blumen, und die hübschen Weiber.
Aus Eisen ist er nicht, wie du, geschmiedet;
Anstrengung haßt er; und die weiche Hand,
Die Rosen pflückt, kann nicht das Steuerruder
Der Staaten lenken. Laß ihm sein Vergnügen,
Den ernsten Fleiß, die Arbeit gönnt er dir.
Machmud. Ein Schmetterling!
Vezier. So ist's. Und glaubest du,
Es fühle sich der Schmetterling geneigt,
Mit Königsadlern einen Flug zu wagen?
So laß ihn flattern auf den Rosenhecken,
Derweil du auf dem Felsen Nester baust.
Machmud. Dein Gleichniß ist nicht übel. – Zwar – ich könnte
Dir etwas sagen – Doch – ein ander Mal!
(Hustet.)
Ich leide wieder an dem schlimmen Husten;
Der Arzt, der Duban, soll mir Tropfen bringen. (Ab.)
Vezier (allein).
Du armer Tropf! Doch auch: du gift'ger Tropfen!
Man muß dem eiteln, bösen Graubart schmeicheln,
Wenn seiner Grausamkeit man einen Maulkorb
Anlegen will. Armseliges Geschäft,
Der Wärter eines solchen Tigers sein!
Und nimmer weiß man, ob er nicht das Gitter
Zerbrechen wird und seinen Wärter morden.
Er geht mit Mordgedanken um! Ich kenn' ihn!
Und er verschweigt mir etwas, was es ist!
O edler Agib! meine ganze Hoffnung
Steht nur zu dir – und wolltest du wie ich – –
Doch, Agib, es ist deine Großmuth nur,
Die dieses grimm'gen Schakals Leben rettet. (Ab.)
Großer Saal.
Agib. Duban, der Arzt.
Agib. Ich seh' es deutlich, es ist abgemacht!
Sie liebt mich nicht; und jene süßen Freuden,
Der ersten Liebe Morgenthau, die Perlen,
Die in der Sonne wie Demanten blinkten –
Verdunstet sind sie, weggetrocknet – und
Das Grün der Hoffnung – ein verwelktes Heu!
Doch scheint es Kälte nicht, nicht Wankelmuth,
Vielmehr ein stiller Wahnsinn, der sie trügt.
Ach sage, Duban! ist noch Hoffnung, glaubst du?
Duban. Nun, wenigstens für meine Wissenschaft,
Wenn auch sonst keine. Die Erfahrungskunde
Gewinnt bestimmt durch diesen seltnen Fall.
Du sagst, sie seufzt für einen garst'gen Mohren?
Agib. Für den abscheulich häßlichen Abdallah.
Und weil er schwarz ist, liebt sie nur das Schwarze.
In schwarzem Sammt geht sie einher; mit schwarzen
Tapeten ist ihr Schlafgemach bekleidet.
Und erst in dunkler Nacht schwärmt sie im Wald.
Duban. So thut die Eul' es auch, und von den Franken
Wird sie der Weisheit Vogel doch genannt.
In einen dummen Mohren sich verlieben,
Wenn einen edeln Gatten man besitzt,
Scheint Raserei; doch Raserei und Liebe
Sind ja Geschwister, Herr! Wer wagt die Linie
Der Grenze mit Gewißheit wol zu zeichnen?
Zum Wahnsinn neigt sich öfter das Genie,
Und thier'sche Dummheit ist wahnsinnig auch;
Da treffen wir den Grund der Sympathie!
Agib. Ach, Duban! wenn du meinen Kummer kenntest!
Duban. Mein Fürst, es wäre wol am besten, dich
Zuerst zu heilen. Wie? Du bist verliebt?
Erlaub' mir, das ist Thorheit, Eigensinn!
Agib. Du scherzest, Duban!
Duban. Bloßer Eigensinn!
Was zwingt dich wol in aller Welt, sag' mir's,
An einem einz'gen Gegenstand zu hangen?
Trägst Etwas du im Magen, in den Lungen,
Der Leber, in der Milz, das solches fodert?
Im Blut, Gehirn, im Rückgrat, in den Nerven?
Du bist ein Mann und wünschest dir ein Weib,
Das ist natürlich! Du bist Asiat
Und Fürst, und willst Veränderung – auch gut!
Was schreibt dir da die Grenze vor? Vernunft,
Klugheit, Geschmack und eigne Manneswürde.
Doch, Geist und Körper schwächen, edler Agib,
Mit Seufzen, Weinen, weicher Schwärmerei
Für eine Einz'ge, Eigensinn'ge, Spröde,
Die nur aus Tollheit dein Verdienst verschmäht,
Ist wieder Tollheit. Also theilest du
Die Krankheit, leider, die du sehr bedauerst.
Agib. So streng, o Duban, tadelst du die Liebe?
Duban. Ja, sie ist süß, wie manches andre Gift.
Denn was ist Gift? Nur die einseit'ge Richtung
Der Kräfte, die das Gleichgewicht zerstört.
Thut Liebe nicht desgleichen? Sie erschlafft
Das Herz für jeden andern Wohlgenuß,
Und wie geschmacklos oft selbst in der Wahl!
Drum haben sie die schlauen Griechen stets
Als einen läpp'schen Knaben abgebildet,
Der mit dem Tüchlein vor den Augen geht.
Und spielt man einmal Blindekuh, Gebieter!
Warum nicht einen garst'gen Mohren greifen,
So gut wie einen schönen, edeln Jüngling?
Ich seh' nicht ein, was daran hindern sollte.
Agib. Auch ich kann sprechen, meine Meinung auch
In Worte kleiden: Lieb' ist nur der Zauber,
Der unsre Jugendstrahlen, die sonst kalt
Verschwinden würden, in dem Punkt vereinigt,
Wo der Altar der Lebensflamme steht;
Sie ist der Teich, der alle Bäche sammelt,
Die sonst in Sümpfe sich verlieren würden,
Und treibt mit reichen Fluten so die Mühle,
Die nur das gute Korn der Thaten mahlt;
Und Leidenschaften sind die mächt'gen Flügel.
Nimm weg die schöne Leidenschaft der Jugend,
Der Mensch wird kleinlich und ein kaltes Thier.
Was Weisheit Männer lehrt, lehrt uns die Liebe,
Denn sie nur schwächt die mächt'ge Eitelkeit
Und ist die erste Kraft, die außer sich
Der Jüngling achtet. So lehrt ihn die Liebe
Freundschaft, die Welt, Gott, den Propheten schätzen,
Und was im Anfang weiche Krankheit schien,
Entfaltet sich in blühende Gesundheit.
Duban. So wünsch ich denn viel Glück zu der Gesundheit,
Wenn diese Krisis überstanden ist.
Agib (seufzend in sich selbst zurückkehrend).
So wirkt die Liebe, wenn sie glücklich ist;
Unglücklich tödtet sie wie Frühlingskälte
Jedwede Knosp' in ihrer zartsten Blüthe.
Amine (kommt).
Wie schwer ist's mir, ihm Freundlichkeit zu heucheln!
(Laut.)
Erlaubest du, mein fürstlicher Gemahl,
Daß ich mich wieder nach dem Wald begebe,
Um des Abdallah Predigt beizuwohnen?
Agib (leise zu Duban).
Du siehst, sie hat den Mohren nur im Kopf.
Duban. Im Herzen leider auch.
Agib. Soll ich's erlauben?
Duban. Erlaubst du es, wird sie sehr dankbar sein.
Agib. Sie dauert mich, die schöne Schwärmerin!
Ach, sie ist krank – verworren. Welch ein Werk,
Natur, hast du vernichtet!
Duban. Ja, gewiß!
Ein wahres Kind ist die Natur: sie macht
Sich Spielzeug nur, um es entzweizubrechen.
Agib (laut).
Wie geht es, liebe Frau?
Amine. Recht gut! Ich liebe
Dich immer noch! (Liebkoset ihn kalt.)
Agib (schmerzlich). O laß das lieber bleiben!
Duban (lachend).
Ehstand ist Wehstand. Wie glückwünsch' ich mir,
Der ich ein ew'ger Junggesell geblieben!
Und schelten mich die Weiber Hagestolz –
Das kleine Übel kann ich leicht ertragen.
Amine (betrachtet Duban mit einem verächtlichen Blick).
Bist du der kluge Arzt?
Agib. Ja, das ist Duban.
Amine. Willst du mich auch verwandeln?
Duban. Wenn ich könnte
Recht gern!
Amine. Bei Allah, du bist offenherzig
Und plump auch schon genug, selbst unverwandelt.
Duban. Von Mondschein, Rosen bin ich nicht geschmiedet.
Vielleicht bin ich dir auch nicht schwarz genug!
Amine. Ha, wehe dir, wenn wir uns wiedersehn. (Ab.)
Duban. Sie ist verrückt!
Ein Sklav (kommt). Der Sultan ruft den Arzt.
Duban. Gleich, gleich!
Sklav. Er hustet!
Duban. Gut!
Sklav. Nein, gar nicht gut.
Er will nicht husten mehr.
Duban. Das glaub' ich dir.
Sklav. Und du sollst ihm den Husten gleich vertreiben. (Ab.)
Duban. Hier ist's nicht leicht ein Arzt sein; denn für Husten
Und Liebe gibt es keine schnellen Mittel.
Agib. Ich höre meinen zorn'gen Vater kommen.
In diesem Augenblick' kann ich unmöglich
Ihn sprechen – da ich selbst so ganz verstimmt;
Das würd' ihm Öl nur in sein Feuer gießen.
Besänft'ge Machmud, wenn's dir möglich ist,
Und rette meine holde Schwärmerin!
Wo nicht – beraube mich auch des Verstandes,
Damit ich länger nicht mein Unglück fühle. (Ab.)
Machmud (kommt).
Wer lief da fort?
Duban. Der da?
Machmud. Es war mein Sohn,
Warum flieht er vor mir?
Duban. Er hat vermuthlich
Dich nicht gesehn.
Machmud. Gewiß! Deswegen lief er.
Duban. Vergib, mein gnäd'ger Sultan! Kobad sagt,
Du hustest –
Machmud (verdrießlich).
Ja – ich huste, wenn es mir
Gefällt; jetzt hust' ich nicht; jetzt haben wir
Was Wichtigers zu thun, Herr Arzt, als husten.
Duban. Ich stehe zu Befehl.
Machmud (freundlicher). Hör', lieber Duban!
Man sagt, du seist ein Held in Wundercuren,
Hast manches Leben schon dem Tod entrissen;
(Mit boshaftem Lächeln.)
So kannst du auch wol, wenn es nöthig ist,
Das ganz Entgegengesetzte thun, und Tod
In Leben bringen?
Duban. Diese Kunst ist leicht;
Man braucht nur der Natur ihr freies Spiel
Zu lassen; Alles reibt sich auf zuletzt!
Machmud. Doch was zu langsam nach dem Grabe kriecht,
Dem kannst du Flügel an die Füße binden?
Duban. Was nur ein Arzt vermag, vermag ich auch.
Ich prahle nicht, doch Wahrheit ist es, Herr!
Wenn auch ein Schwert mein Haupt vom Rumpfe trennte,
Es würd' im Silberbecken besser sprechen,
Tiefsinn'ger wenigstens, als auf den Schultern.
Machmud. Es freut mich, einen solchen Mann zu finden,
Der mir mit seiner Weisheit nutzen kann.
Du kennst wol noch nicht diesen Agib?
Duban. Herr,
Ich lieb' in diesem Jüngling deinen Sohn.
Machmud. Das brauchst du nicht. Mein Sohn? Ich zweifle sehr
Denn seine Mutter Zandra war leichtsinnig
Und hatte viel mit einem Frankensklaven
Im Rosenhain zu schaffen. Dieser Jüngling
Wünscht meinen Tod! Ich weiß es ganz gewiß,
Sein Handeln und sein Wesen zeigt es schon;
Und eine biedere Wahrsagerin
Hat ohnedies in meiner Hand gelesen,
Daß seinetwegen ich ermordet werde,
Wenn ich nicht schnell ihn aus dem Wege räume.
Nun könnt' ich zwar ihn mit dem Richterschwert
Vertilgen, doch das will ich nicht, das gibt
Anlaß zu Klagen, zu Verleumdung wieder.
Wenn aber sich in deinen Krügen, Arzt,
Ein solcher seltner Saft befinden sollte,
Der ohne Schmerz und Schand', auch ohne Blut,
Den ungerathnen Sohn entfernen könnte –
Dann wär' dein Glück gemacht!
Duban. Mein Herr! ich habe
Nicht solchen Krug in meiner Apotheke,
Denn meine Krüge tragen mit einander
Dieselbe Überschrift.
Machmud. Und welche denn?
Duban. Auf jedem steht mit reiner Hand geschrieben:
»Unschuld'ge Wissenschaft«.
Machmud (mit boshaftem Lächeln). So? Ist das möglich?
So bitt' ich tausend Mal denn um Verzeihung,
Daß ich verlangt, was du nicht leisten kannst.
Duban. Vergib, daß ich's nicht leisten kann, und rechne
Auf meine dauernde Verschwiegenheit.
Machmud. Das werd' ich!
Duban (der beugt sich und will gehen).
Machmud. Wart' ein wenig, lieber Arzt!
Ein Kunststück möcht' ich erst doch von dir sehn.
Duban. Und welches, Herr?
Machmud. Das mit dem Todtenkopf.
Duban (stutzt).
Machmud. Du sagst: es könne weit gescheiter noch
Dein abgehau'nes Haupt im Becken reden
Als auf den Schultern?
Duban (entsetzt). Hab' ich das gesagt?
Machmud. Weil du nun schon im Leben so gescheit
Dem Sultan widersprichst, möcht' ich gar gern
Im Tod' dich noch gescheiter sprechen hören.
Duban. Ich will nicht hoffen –
Machmud. Und warum nicht, Freund?
Ein abgehau'nes Haupt, das sprechen kann,
Darf immer hoffen.
(Er klatscht in die Hände, seine Leibwache und Sklaven treten herein.)
Meine Unterthanen!
Trabanten, Schergen, Sklaven und Verschnitt'ne!
(Es füllt sich nach und nach der Saal.)
Der Arzt will uns ein großes Kunststück zeigen!
Er sagt: es könne nach dem Tode noch
Sein abgehau'nes Haupt verständig reden.
Ich hasse Prahlerei, wißt ihr, wie Pest:
Um nun des Freundes Biederkeit zu retten,
Erlaub' ich ihm, die Wahrheit seines Worts
Im königlichen Saale zu beweisen;
Und bei dem Probestück' will, ihm zu Ehren,
Mit meinem Hof ich selbst zugegen sein.
Duban. Sultan! Vergiß nicht, daß ein größ'rer Scheik,
Als du, die Thaten schaut und richtet dort.
Willst du ein Spiel – die kurze Sinnenlust –
Mit des unschuld'gen Mannes Morde kaufen?
Machmud. Also: dein Kopf kann nach dem Tode sprechen?
Duban. Ja, ein'ge Augenblicke, während Leben
Noch in den Nerven, in den Fibern ist.
Machmud. Das wäre! Und verständig sprechen?
Duban. Kann
Ein wichtiges Geheimniß dir entdecken.
Doch des unschuld'gen Mannes Mord allein
Wird dir das Siegel brechen.
Machmud. Nun, mein Freund!
Wenn es nichts weiter ist, so kniee du
Getrost nur auf das blut'ge Fell, das dir
Der Büttel breitet. Kehre dich um mein
Gewissen nicht! Ich werde mich mit dem
Abfinden schon.
Duban. Machmud! Ich bin ein Mann,
Der das Unwürd'ge haßt, und niedrig wär's,
Mein Leben knieend noch von dir zu betteln.
Wenn Neugier, stärker als Gerechtigkeit,
Dich treibet, des Unschuld'gen Mord zu sehn,
So sei dem also!
(Zu einem Sklaven.)
Bringt ein Linnentuch,
Und auch ein blankes Silberbecken her.
Machmud. Thut, wie er euch gesagt!
Duban. Wenn ich es recht
Bedenk', ist ja der Tod für einen Weisen
Auch gar nicht fürchterlich! Der Lebensbürde,
Die oft den Rücken knechtisch mir gebeugt,
Entladet er mich sanft; die Seele fliegt,
Und kehrt, vom Staub' befreit, nach Mahom's Freuden.
Machmud. Ja, ja! ganz recht!
Duban. So will ich auch mit Muth
Den Streich empfangen; Angst und schlaffe Furcht
Sollst du in meinem Angesicht nicht lesen,
Der Krampf des Schreckens soll es nicht entstellen;
Und ruhig, wie ein weißes Marmorhaupt,
Mit offnen Augen, aber ohne Stern,
Soll dich mein Haupt nach meinem Tode grüßen;
Die Veilchenlippen werden sich bewegen
Und dir die kalte Zunge Rede stehn.
Machmud. Ich sehne mich! Geschwind!
Duban. Doch jedes Ding
Hat seine Form im Leben, großer Fürst!
Und selbst der Tod kann sie nicht ganz entbehren.
Wenn dies Experiment gelingen soll,
Sind ein'ge Vorbereitungen vonnöthen.
Laß einen Sklaven auf mein Zimmer gehn,
Den großen Folianten dir zu holen,
In schwarzen Sammt gebunden und mit Silber
Beschlagen. Auf dem Schreibetische liegt er.
Machmud. Thut, was er sagt.
(Sklav ab.)
Duban (zum Scharfrichter). Und du, mein Herr Collega!
Hast du nun auch dein Handwerk recht gelernt?
Stolz lehnst du dich da auf den krummen Säbel;
Kannst du ihn auch gebrauchen?
Büttel. Sei nur ruhig
Und kniee nieder! Leichter springt kein Hagel
Vom Dach', als dir der Kopf vom Halse springt.
Duban. In das Gelenke mußt du sauber treffen.
Erlaube mir!
(Er befühlt die Schärfe des Säbels.)
Ist er auch scharf genug?
Machmud. Die Ruh', womit er stirbt, muß ich bewundern.
Er spielt mit Todeseisen, Henkerschwert,
Wie mit der Lichtscher', eh' das Licht gelöscht wird.
Duban. Was ist es anders? Ich bin Wundarzt, Herr!
Gewohnt an diese Todesinstrumente.
Sklaven. Hier bringen wir das Buch, das Tuch, das Becken.
Duban (zum Scharfrichter).
Wenn meinen Kopf du abgehauen hast,
G'rad im Gelenke, mache, daß er fällt
Ins Silberbecken, auf das weiße Tuch!
Dann wird das Blut nicht aus den Adern laufen,
Es stürzt der Körper nicht, er wackelt nur,
Bis wieder er sein Gleichgewicht gefunden.
Nimm dann den Kopf, setz' ihn auf meinen Hals,
Und binde diesen rothen seidnen Faden,
Den ich dir gebe, fest darum.
Scharfrichter. Schon gut!
Duban (nimmt das Buch und reicht es dem Sultan).
Und du, gestrenger Sultan, nimm das Buch!
Gar Vieles wird der Inhalt dir verkünden;
Und was dir dunkel ist, erklär' ich noch,
Wenn fest das Haupt an seine Wunde schließt.
Machmud. Ich danke dir!
Duban. Was mich unruhig macht,
Ist der Gedanke, daß du einen Mord
Doch eigentlich begehst; und besser wär's,
Wenn diese thör'ge Neugier du bezähmtest.
Machmud. Sie läßt sich gar nicht zähmen. Kitzelst mich
Mit Nesseln erst, sodaß die Haut mir juckt,
Und widerräthst mir weise dann das Kratzen?
Scharfrichter, spute dich!
Duban (kniend, zum Scharfrichter).
Thu' deine Pflicht!
(Der Scharfrichter enthauptet ihn so, daß der Kopf ins silberne Becken fällt. Der Körper bleibt aufrecht auf den Knien ruhend, nachdem er ein paar Mal gewackelt hat. Das Blut springt, wie ein Springbrunnen, hoch in die Luft, kehrt aber in die Adern wieder zurück, sodaß nur wenig verschüttet wird. Der Scharfrichter setzt den Kopf auf den Hals und verbindet die Wunde mit dem seidnen Faden.)
Machmud (mit einem tiefen Seufzer).
Ha, wunderbar!
Menge. O seltsam! Unbegreiflich!
Sieh doch – wie todtenblaß er wieder da
Die Augen öffnet; doch die Augen zeigen
Das Weiße nur. Es rühren sich die Lippen,
Er will gern sprechen, doch das wird ihm schwer.
Duban (leise, mit halberstickter Stimme).
Gebieter! Blätt're nur im schwarzen Buch'!
Bald wirst du deutlich das Geheimniß finden.
Machmud. Die Blätter kleben an einander fest.
Duban. So feuchte dir die Finger in dem Mund.
Machmud (feuchtet die Finger und blättert).
Ich habe sieben Blätter durchgesehn;
Doch – nichts Geschrieb'nes! Sie sind rein und leer.
Duban. Leer? Wie dein Leben! Aber rein? Nein, Sultan,
Es wird schon kommen, du mußt weiter blättern.
Machmud (blättert weiter und sagt).
Es wird mir so beklommen – ha, mir schwindelt.
Duban. Ist's das Gewissen?
Machmud (schaudert). Nein – es ist der Tod!
Duban. Hast endlich du das schwarze Blatt gefunden?
Machmud. Da ist es!
Duban. Nun, so lies die Worte laut!
Das wird dich bald von deinem Uebel heilen.
Machmud (liest).
Dein Ziel hast du erreicht!
In deinem Blut sich schleicht
Das Gift, das du geliebt;
Es deinen Lohn dir gibt.
Dein Körper fällt in Staub,
Und ohne Ehrenlaub,
Du Bösewicht verrucht!
Dein Name wird verflucht.
So geht es jedem Haupt,
Das Wüthen sich erlaubt!
Duban. Da hast du deine Grabschrift selbst gelesen.
(Er richtet sich wieder gesund auf, mit rothen Wangen.)
Zuschauer. O Allah! Seht! Die Leiche geht, bewegt sich!
Machmud. Ergreift den Zauberer! (Fällt zurück und stirbt.)
Duban (mit Nachdruck und Würde einen stolzen Blick auf die Menge werfend).
Der Zauberer
Laßt sich nicht greifen! – Nun, gehabt euch wohl!
(Lächelnd).
Herzlos und kopflos kämpften mit einander;
Kopflos hat wieder seinen Kopf gefunden,
Doch diesem Wüthrich brach das wilde Herz.
(Er geht ruhig von dannen, das Volk schaut ihm staunend nach.)