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Theodor Fontane, dem die Stadt, als ihrem gefeierten Sohn, durch den Bildhauer Max Wiese ein schlicht-gefälliges Denkmal hat setzen lassen, Theodor Fontane sagt eigentlich schon alles Erwähnenswerte über sie in den Versen:
Und fragst du mich: Den vollsten Reiz,
wo birgt ihn die Ruppiner Schweiz?
Ist's norderwärts in Rheinsbergs Näh'?
Ist's süderwärts am Malchowsee?
Ist's Rottstiel tief im Grunde kühl?
Ist's Kunsterspring, ist's Boltenmühl?
Ist's Boltenmühl, ist's Kunsterspring?
Birgt Pfefferteich den Zauberring?
Ist's Binenwalde? – Nein, o nein,
wohin du kommst, da wird es sein!
An jeder Stelle gleichen Reiz
erschließt dir die Ruppiner Schweiz!
Köstlich zwischen Fluß und Seen, von frischen Buchenwäldern umringt, liegt die Stadt. Die Wasserflächen der Grafschaft tauchen oft überraschend zwischen den mächtigen grauen Baumsäulen auf, und die wellige Bodengestaltung, die den neckischen Kosenamen Ruppiner Schweiz verursacht hat, erhöht die Lust an der Wanderung in diesen Bezirken. Man tut unrecht, Ruppins Umgebung schüchtern nur und verlegen lächelnd mit Thüringen zu vergleichen – sie hält, schon ihrer großen, klaren Seeaugen wegen, die Nebeneinanderstellung recht wohl aus. Natürlich darf man nicht an Thüringens reisebuchberühmte Glanzpunkte denken, sondern muß seine waldigen Durchschnittslandschaften heranziehen. Schade, daß Neu-Ruppins gegenwärtige drei Eisenbahnverbindungen allsämtlich ungemein geduldige Fahrgäste verlangen und daß die Reise von der Hauptstadt her recht umständlich und ziemlich langwierig ist. Sonst stünde das Revier bei allen fahrenden Gesellen in sehr hohem Ansehen und könnte Zweiflern, die das kränkende Wort von der Reichssandbüchse noch nicht verlernt haben, als überzeugender Gegenbeweis angeführt werden.
Die Stadt ist anspruchslos. Da 1787 eine wütende Feuersbrunst sie von Grund auf zerstörte und völligen Neubau nötig machte, hat sie keine Insignien der Vergangenheit bewahren können und stellt sich ohne den anziehenden Schmuck glücklicher Schwesterstädte in einiger Nüchternheit dar. Soweit Farbe und Bewegung von ihr ausstrahlen, trägt die Verantwortung dafür Gustav Kühn, der bekannte Gustav Kühn in Neu-Ruppin, dem wir die schauerlich bunten Bilderbogen verdanken. Keine Land- oder Seeschlacht, kein Bombardement oder sonstige kriegerische Begebenheit, die die phantasievollen, mit bezwingend einfacher Technik arbeitenden Künstler des Welthauses nicht schon wenige Tage nach dem schrecklichen Ereignis aus dem Kopfe nachgemalt und als Bilderbogen zum Verkauf gebracht haben. Man kann von jeder Kühnschen Kunstschöpfung und ihrem Anlaß mit Recht sagen, daß ein Unglück selten allein komme. Aber wie schon bemerkt, es war ein großes Geschäft. Millionenweise sind diese Meisterwerke der Farbe ins Volk gedrungen, dem die Verwogenheit der Idee wie die knallend ins Auge springende Buntheit der Ausführung gleicherweise ans Herz griff.
Neben seinen blauen Seen, seinen buchenbestandenen Höhen und seiner volkstümlichen Bilderbogen-Kunst hat Neu-Ruppin etwas ganz Großes aufzuweisen. Kronprinz Friedrich, der junge Fritz, lebte hier nach den Küstriner Schreckenstagen, von 1732-1740, als Oberst des Regiments von Goltz. Es ist nicht allzu weit von Neu-Ruppin nach Rheinsberg, dem Jugendparadies des preußischen Löwen. Rheinsberg und Neu-Ruppin sind klein unter den Städten in Juda; Friedrich hat jede von ihnen zum Bethlehem Ephrata gemacht. Für jede von ihnen gilt das leicht gewandelte Wort: »Ein Strahl der Königssonne fiel auf sie, so reich, daß er Unsterblichkeit ihr lieh.«
Rheinsberg verdankt unter allen Städten der Grafschaft sein Licht fast ausschließlich dem großen König. Es ist freilich indirektes Licht. Denn wenn auch der junge Fritz hier vielleicht die frohesten Jahre seines Lebens verbracht hat; wenn auch Rheinsberg der begnadete Ort gewesen ist, wo er von den Schrecken Küstrins genesen durfte, so war sein Aufenthalt hier doch nur von kurzer Dauer. Ein paar glückliche Jahre der Freundschaft, die unter angestrengter Kronprinzenarbeit und heiterer Erholung dahinflossen, – »saure Wochen, frohe Feste« – und schon rief ihn Preußens gewaltiges Schicksal für immer aus dem anmutigen Schlosse fort.
Nach ihm residierte dort von 1753-1802 sein Bruder Heinrich. Rheinsberg, das des jungen Adlers stilles Werden gesehen hatte, wurde zum Mittelpunkte fruchtloser, deshalb aber doch nicht ganz einflußloser Opposition gegen ihn. Beide Brüder verstanden sich nicht zum besten. Heinrich glaubte sich dem König himmelhoch überlegen und hielt es wohl für eine außerordentliche Dummheit des Zufalls, daß nicht ihm, sondern Friedrich die Macht überantwortet worden war. Er wußte alles besser als der andere, er hatte den weiteren Blick, die größeren Feldherrn- und Regentengaben; ihm, dem einzigen, der nach Friedrichs eigener freundlicher Behauptung keinen Fehler während des ganzen Krieges gemacht hatte, ihm wäre ein Kolin oder gar ein Kunersdorf niemals zugestoßen. So saß er denn und grollte. Um ihn herum scharte sich eine Gemeinde von Frondeuren, die teils Eigennutz, teils verwandter Nörglergeist und nur zum kleineren Teil echtes herzliches Empfinden zu Heinrich hinzog. Rheinsberg wurde so mehr und mehr der Mittelpunkt eines zwar tatenlosen, aber an Worten und Bosheiten reichen passiven Widerstandes gegen die Fritzische Ära. Dieser verhaltene Zorn entlud sich in hundert Kleinlichkeiten, deren steinerner Ausdruck schließlich der berühmte Obelisk im Park geworden ist. Alle Feldherren und Generäle, denen Friedrich angeblich unrecht getan hatte, fanden auf diesem Denkmal, das gleichzeitig zu Heinrichs Grabstätte bestimmt war, ihre Verewigung. Der kuriose Bau faßte sozusagen alles bittere Empfinden Heinrichs und alle Unannehmlichkeiten, die er dem Bruder zeitlebens zu bereiten suchte, zusammen. Friedrich selbst kümmerte sich, echt fürstlichen Sinnes, wenig um die Rheinsberger Treibereien. Er blieb dem Bruder bis zuletzt sein wohlaffektionierter König. Er erkannte willig und gern, vielleicht über das notwendige Maß hinaus, die zweifellos hohen Gaben des Grollenden an und freute sich, wenn er ihm herzliches Lob zollen konnte. So hat er die Verdienste Heinrichs um die Teilung Polens, sein diplomatisches Wirken bei der russischen Kaiserin in hohen Tönen gepriesen und der Überzeugung des Bruders, daß dieser Erfolg ausschließlich ihm persönlich zu verdanken gewesen wäre, niemals widersprochen. In dem Schriftwechsel zwischen beiden ist Friedrich immer der Nachgiebige, Liebenswürdige gewesen. Er übersah die Nücken und Tücken, die zwischen den Zeilen der Briefe Heinrichs grinsten, und gab sich redliche Mühe, jede Spitze umzubiegen.
Bis in seine letzten Jahre hat er es an Ehrenbezeugungen für den Bruder nicht fehlen lassen. Allerdings kannte auch seine Nachgiebigkeit bestimmte Grenzen. Wenn Heinrich selbst in den allerschwersten Tagen, die den Preußenstaat bedrohten, Mut genug fand, zu mäkeln und zu tadeln und dem König nach Möglichkeit das Herz schwer zu machen, so rief ihn ein nicht mißzuverstehendes Herrscherwort doch immer wieder zur Pflicht zurück. Solange Friedrichs Adler siegreich vordrangen, ließ der Bruder es bei ausgiebigen Kritiken bewenden, die aller Welt klar bewiesen, daß er die Sache hundertmal besser gemacht hätte. Preußische Niederlagen dagegen erweckten seine ganze negierende Schöpferkraft. Nicht einmal, nein drei- und viermal sah er den »Untergang des Staates« mit tödlicher Sicherheit voraus und scheute sich nicht, ihn seiner ganzen Umgebung schier triumphierend zu verkünden. Auch im Jahre 1760, wohl dem schlimmsten, das dem Großen beschieden war, bat Heinrich, »von dem ihm anvertrauten Kommando entbunden zu werden, da er den Untergang des Staates unwiderruflich vor Augen sehe«. Damals schrieb ihm Friedrich die folgenden ernsten Worte: »Ich kann nicht glauben, daß das, was Sie sagen, Ihr Ernst ist. Es ist gewiß, daß weder Sie noch ich in der gegenwärtigen Lage für die Ereignisse verantwortlich sind; allein wenn wir alles, was in unseren Kräften steht, getan haben, wird unser eigenes Gewissen und das Volk uns Gerechtigkeit widerfahren lassen. Was die gegenwärtige Lage anbetrifft, so wird es allem Anschein nach in wenigen Tagen zur Entscheidung kommen. Wir werden uns für die Ehre und das Vaterland schlagen, ein jeder wird das Unmögliche zum Gelingen tun, die Mehrzahl der Feinde schreckt mich nicht, doch kann ich trotz aller günstigen Umstände nicht für den Ausgang stehen.« Heinrich gehorchte damals. Aber dem Bruder auch nur einmal freudig und mit ganzem Herzen zu folgen, in Treue und preußischer Manneszucht zu seinem Herrn zu halten, das war ihm schlechterdings nicht gegeben. Er kritisierte und mäkelte weiter, rechte Stütze und Herzensstärkung allen Übergangenen, Mißvergnügten und auch wohl Mißhandelten jener Zeit. Die Versuchung, seine Opposition und seinen »Defaitismus« mit der entsprechenden Stimmung in unseren Kriegsjahren zu vergleichen, liegt zu nahe, um ihr nachzugeben. Wenn schließlich doch alles gut ausging, wenn es dem Unerschrockenen und Überlegenen, der nur einmal, beim Kanonengebrüll von Kunersdorf, an seinem endlichen Siege gezweifelt hatte, schließlich doch gelang, sich gegen das ganze Europa zu behaupten, so hielt Heinrich das für einen unerhört glücklichen, innerlich durch nichts berechtigten Zufall. Die Späße mit der Kommandoniederlegung wiederholte er sogar noch im bayrischen Erbfolgekrieg. Auch bei dieser Gelegenheit mußte ihn Friedrich, mühevoll genug, beruhigen. Erst der scharfe Appell an seine Pflichttreue schlug durch.
Heinrich überlebte den Bruder um anderthalb Jahrzehnte. Es wurde allmählich einsam um ihn, und seine Hoffnung, unter den Nachfolgern Friedrichs zu größerem Einfluß zu gelangen, verwirklichte sich nicht. Schloß Rheinsberg stieg niemals zu jener überragenden Höhe empor, die der Ehrgeizige ihm zeitlebens in brennender Begier gewünscht hatte. Und als dieser schärfste Kritiker des größten Monarchen in Preußen die Augen geschlossen hatte und als auf königlichen Befehl die Tür des Obelisken vermauert worden war, da sank Rheinsberg wieder zum vergessenen Landstädtchen herab. Wenn märkischer Sinn heute durch die Parkgänge um das Haus Knobelsdorffs wandert, dann gedenkt er nicht des eifrigen Tadlers und Besserwissers, sondern nur des starken Vollbringers. Prinz Heinrich ist vergessen, vergessen sind die Jahre seiner Herrschaft auf Rheinsberg. Lebendig bleibt allein die Zeit, da Rheinsberg die Zufluchtsstätte des jungen Fritz gewesen ist.
Von H. Osman.
Auf Fontanes Spuren im – Kraftwagen! Eigentlich ein widersinniger Gedanke! Da, wo der alte Wanderer auf Schusters Rappen oder zu Pferde von Ort zu Ort gepilgert ist und mit liebevollem Spürsinn die Kirchenbücher durchstöbert oder alte Frauen, wie z. B. die Stägemannsche über die Krautentochter, ausgefragt hat, auf diesen Wegen mit dem Kraftwagen dahinzusausen, das hat fast etwas Beschämendes. Man hat auch weniger davon, als wenn man bedachtsam fürbaß wandert. Die Eindrücke reihen sich zu schnell aneinander: Oranienburg mit seinem verlassenen Schlößchen, das wie verträumt am Wasser liegt und mit leeren Fensterscheiben trübe und wehmütig auf den Platz mit der Kurfürstin Henriette hinstarrt, lockt schier unwiderstehlich, Halt zu machen und in den etwas verwahrlosten Park hineinzugehen, um von alten Zeiten zu träumen. Aber es sind seit Berlin noch zu wenig Kilometer abgerast worden, und das Ziel liegt noch fern.
Und so geht's hinaus aus dem Städtchen, links ab, vorbei an Roggenfeldern, auf denen schon in langen Zeilen die Mandeln stehen. Ein feiner, süßer Duft, wie von Blütenhonig, liegt in der Luft. Er kommt von den Lupinenschlägen, die überall ihre tausend gelben Kerzen angezündet haben und nun wie goldgrüne Teppiche rechts und links von der Chaussee liegen. Ein prachtvoller Eichenbestand, am Wege hohe, schlanke Eichenstämme, dahinter dichtes Grün, – kilometerlang nichts als Eichenwald, hie und da vermischt mit dunklem Nadelholze oder vereinzelten lichten Birken – alles fliegt vorüber.
Der Chauffeur sieht nichts von alledem. Er sitzt, über das Steuerrad gebückt, und stiert auf die Strecke vor sich. Hinten im Wagen ist's einem, als sähe man jemandem über die Schulter, der in einem schönen, alten Bilderbuche blättert, und der die Seiten immer so schnell herumschlägt, daß man nur einen kurzen Blick auf jedes Bild werfen kann. Dann kommt wieder ein anderes, immer wieder ein neues, so daß man zuletzt ganz verwirrt ist. Liebenwalde, Zehdenick, – ein Gewirr von alten, niedrigen Häusern und krummen Straßen, an denen Akazienbäume mit altmodisch verschnittenen Kronen stehen, – dann wieder ein langgestrecktes Dorf mit einer märkischen Feldsteinkirche, die der feste, niedrige Turm krönt.
Hinter Zehdenick wird das Gelände wellig. Auf der breiten guten Staatsstraße ist's noch sonntäglich leer. Der Wagen saust wie ein Teufel dahin. Die Luft knattert an den Ohren wie ein Fahnentuch im Winde. Endlich sieht man, noch in ziemlicher Ferne, zwei Türme, dicht nebeneinander, als gehörten sie zusammen, und doch sind sie ganz verschieden – den einen krönt ein wuchtiger stumpfer Kegel, während der andere eine leichte, zierliche Spitze trägt: die Granseer Kirchtürme. Noch einige Augenblicke, dann hält der Wagen auf einer Höhe, von der man einen weiten Überblick in den Granseer Kessel hat.
Zur Linken des Weges ragen drei mächtige Linden, wie ein Wahrzeichen. Früher soll hier irgendwo der eine Wartturm der Stadt gestanden haben, von dem aber heute nichts mehr zu sehen ist. Auf der anderen Seite des Tales hebt sich, mitten aus dem Kiefernwalde, ein trutziger Luginsland, der zweite Wartturm empor, zu dessen Füßen das Städtchen Gransee liegt.
Nach drei Minuten stuckert der Wagen über das holprige Pflaster. Zunächst geht es an einigen neumodischen Villen vorbei, die vor der eigentlichen Stadt liegen. Aber sie stören das Bild wenig, das sich nun bietet, denn die hohe Stadtmauer, die sich rings um das Städtchen herumzieht, schließt sie gleichsam aus. Die Hauptstraße ist, wie in den meisten märkischen Städten, von niedrigen Häusern eingerahmt, mit breiten runden Torbögen, über denen hier und dort eine Jahreszahl steht. Besonders zeigt sich dem Auge kaum, höchstens vielleicht einige Häuser im friderizianischen Baustile, die an Sanssouci und Potsdam erinnern.
Jenseits des Marktes beginnen die Sehenswürdigkeiten der Stadt. Zuerst die Marienkirche, von der Fontane sagt, daß sie »von keiner in der Grafschaft Ruppin übertroffen wird«. Und das ist wahr. Auch anderen geweihten Stätten darf sie sich kecklich vergleichen. Die Ruinen von Chorin weisen vielleicht edlere Linien auf, mit ihren schlanken Pfeilern und hohen Fensterbögen, aber dieser Bau wirkt doch beinahe wuchtiger und großartiger. Im echten märkischen Baustile, jenem Gemisch von romanischer Bauart mit gotischen Bögen, zeugt der mächtige Backsteinbau davon, daß die Bauherren sich damals nicht von sogenannten künstlerischen Motiven, sondern nur von natürlichem Kunstempfinden leiten ließen.
Die beiden Türme mit den schon oben erwähnten verschiedenen Spitzen scheinen der älteste Teil zu sein. Ihr Unterbau ist aus Feldsteinen gemauert, während die übrige Kirche aus roten Backsteinen aufgeführt ist. Fontane ist der Ansicht, die verschiedene Bedachung der Türme rühre daher, daß man Zimmermann und Maurer in gleicher Weise an dem Bau beteiligen wollte. Es scheinen dabei aber eher Sparsamkeitsgründe gewaltet zu haben. In der ersten Hälfte des vorigen Jahrhunderts hat ein Kreisbaumeister der Kreise Templin und Grafschaft Ruppin als Ersatz für das von Feuer zerstörte Dach des einen Turmes die jetzige Holzspitze errichtet, weil das billiger und leichter ausführbar war. Besonders schön wirkt die geradezu verschwenderisch über die ganze Kirche sich hinziehende Filigranverzierung, in der das vierblättrige Kleeblatt immer wiederkehrt, nicht nur an den Friesen, sondern ganze Flächen berankend. Namentlich am westlichen Giebel klettert das regelmäßige Rankwerk über die starren Mauern und verleiht ihnen so etwas Warmes.
Vor der Südwestfront wurde uns ein mächtiger Maulbeerbaum als etwas besonders Sehenswürdiges gezeigt; interessanter als er aber waren an der Nordseite merkwürdige, eingeschliffene Marken und Löcher, die etwa von Mannshöhe bis einen Meter über den Erdboden reichten, und an Fenstergesimsen und Mauerwerk häufig wiederkehrten. Sie sind vollkommen unregelmäßig verstreut, so daß sie kaum eine Verzierung bedeuten können. Noch weniger glaubhaft klingt die Auslegung, daß sie zum Zwecke der Befestigung von Marktbuden gedient haben. Es scheint eher, als ob sie durch Schleifen von harten Gegenständen, wahrscheinlich Pfeil- und Speerspitzen, entstanden sind. Diese sogenannten Näpfchensteine dürften entweder von Landsknechten herrühren, die ihre Waffen weihen wollten, oder aber von Büßenden, die die Steine mit ihren Fingern durch Reiben und Drehen näpfchenartig, ausgehöhlt haben.
Der Name Gransee wird verschieden gedeutet. Vermutlich ist in den beiden ältesten Schreibarten: Granzoye und Granzoyge die Silbentrennung Granz-oye und -oyge die richtige. Nach dieser Trennung würde der Name »Grenzauge«, d. h. der Ort, der nach der (mecklenburgischen) Grenze hinsieht, bedeuten. Wenden und Obotriten grenzten in dieser Gegend tatsächlich seit alters aneinander. J. Knuth entscheidet sich in seiner Geschichte von Gransee für diese Auslegung. Indessen kommt bei der Trennung Gran-zoye = Grenzsee dem heutigen Sinne doch näher. Pest, Kriegsgeläufe und Feuersbrünste haben auch ihrer nicht geschont; namentlich im 17. Jahrhundert ist sie von schwerem Feuer heimgesucht worden, aber irgend etwas Schwerwiegendes hat sich nicht in ihren heute noch fast völlig erhaltenen Mauern abgespielt. Den Anhaltiner Markgrafen hat sie einige Male als gutes Pfandobjekt dienen müssen – die Herren waren immer in Not um Geld –, und so hat Gransee dies Schicksal mit noch anderen Orten der Grafschaft teilen müssen.
Waldemar der Große mußte sie im Jahre 1319 an die vier Grafen von Lindow verpfänden. Diese erteilten ihr ein Privileg, worin es heißt: »Die Stadt Granzoyge in allen, bei denen Markgrafen gehaltenen Rechten und Besitzungen verbleiben, und nicht, ihrer Bitte zufolge der Mühle zu Tornow fernerhin mahlpflichtig sein sollte, sondern sich eine eigene Mühle erbauen könne.« Der große Waldemar, ein streitlustiger Herr, brauchte eben zu seinen Kriegen, die er mit seinen neidischen Nachbarn führte, viel Geld. Eine seiner blutigsten Schlachten lieferte er im Jahre 1316 zwischen Gransee und Schultzendorf, davon das »rote Luch« bei Gransee noch heute seinen Namen hat. Die Grafen von Ruppin und Lindow waren ordentliche Leute, litten aber ebenfalls viel unter ewiger Geldnot, so daß auch sie die Stadt häufig in Pfand geben mußten.
Die beste Zeit brach wohl für das Städtchen unter Markgraf Joachim im 16. Jahrhundert herein, wie für das gesamte Bürgertum in der Mark. Ob die stellenweise noch heute in ihrer vollen Höhe von 18 Fuß erhaltene Stadtmauer damals in ihrer jetzigen Gestalt aufgeführt worden ist, konnte man mir nicht sagen. Wahrscheinlich ist sie aber schon früher errichtet worden. Mit zahlreichen eingebauten Mauerwarten und Galerien, zu denen steile Treppen hinaufführen, muß diese Stadtmauer damals ein gutes Bollwerk gegen die fehdelustigen Herren vom Lande gewesen sein. Heute ist das Feldsteinwerk vielerorts durchbrochen. Kleine Tore führen hindurch zu den Bürgergärten, – dreihundertundeinundzwanzig an der Zahl, umgeben sie das Städtchen an der Stelle, wo früher der Stadtgraben lag. An der Mauer selbst rankt sich Wein empor, und auffallend viele Walnußbäume stehen an ihr entlang neben Kirschbäumen und Holundersträuchen.
Die Mauern haben gewiß schon aufgeragt, ehe noch die Zollern ins Land kamen. Denn in jenen unruhigen Zeiten, da die Mark wie ein schlechter Groschen von einer Hand in die andere ging, mußte sich der friedliche Städter vor trutzigen Überfällen schützen. So hatte auch Gransee mit dem benachbarten Adel zahlreiche Fehden auszukämpfen. In den trübsten Jahren der Mark, unter der bayrischen Herrschaft, waren es hauptsächlich die Winterfeld und die Quaste, die ihm viel Abbruch taten, darunter Tile Quast und neben ihm Tacke de Wontz tu Predulyn, Reinecke de Gartz, Hans von Lüderitz und Hans Lüddecke vom Roten Hause. An die Figur dieses letzteren, eines gar gewalttätigen Herrn, knüpft Willibald Alexis in seinem Falschen Waldemar an. Aber um von dieser Geschichte zu reden, muß man an den richtigen Platz gehen, wo sie sich abgespielt hat. Der liegt draußen, vor der Stadt. Und so nehmen wir Abschied von dem Luisendenkmal und wenden uns der Lindower Landstraße zu, die zum Ruppiner Tor führt. Zur Rechten liegt noch ein ganz interessantes Gebäude, eine kleine, weißgetünchte Kapelle, die zum St. Spiritus-Hospital gehört, – mit schlichten Säulen am weißgetünchten Mauerwerk und einem Türmchen auf dem niedrigen Dache, das sich scheu umsieht, als gehöre es gar nicht unter die ziemlich nüchternen Häuser in seiner Umgebung.
Dann kommt das Tor, das nach Ruppin hin den Weg weist. Das heißt, in Wahrheit sind es zwei – das eine ein schlichter, etwas plumper Bau, aber auch mit dem Filigranwerk des viereckigen Kleeblattes überwuchert, das andere ein gotischer Bau mit Türmen und Türmchen, viel reicher und feiner. Trotzdem steht das erste Tor gerade in der Fluchtlinie der Straße, während das andere etwas abseits steht. Auf die Frage, was das zu bedeuten habe, wird uns die Antwort, »das ältere Tor ist das Woldemar-Tor«, das mußte zugemauert werden, zur Buße, weil die Granseer den falschen Woldemar durch dieses Tor in die Stadt passieren ließen. Erst im Jahre 1818 ist das Woldemar-Tor wieder aufgebrochen und der Bann von ihm genommen worden. –
Ob diese Erklärung stimmt, steht dahin. F Knuth berichtet in seiner Geschichte von Gransee darüber: »Alle Städte, die dem falschen Woldemar ihre Tore geöffnet und dadurch sich zu ihm bekannt hatten, wurden, als der bayrische Markgraf wieder herrschte, dahin bestraft, daß sie die Tore zumauern mußten, durch die der falsche Woldemar eingezogen war. Hart neben ihnen waren inzwischen neue, reichgegliederte, mit Türmen und Zinnen geschmückte gotische Tore entstanden, die nun jahrhundertelang den Verkehr vermittelten, bis das neuerblühte Leben der Städte den verhältnismäßig schmalen Eingang der gotischen Portale störend empfand. Da entsann man sich der zugemauerten Tore, nahm den fünfhundertjährigen Bann von ihnen, brach die Steine aus dem alten Rundbogen wieder heraus und schuf so dem Leben und Verkehr eine doppelte Straße.« W. Schwarz deutet diese Woldemar-Tore anders: sie seien Wendentore gewesen, durch die man die als unrein betrachtete wendische Bevölkerung vertrieben und sie dann zugemauert habe. Daneben gibt es noch eine dritte Version, die wieder auf den falschen Woldemar hindeutet, und die auch etwas für sich hat. Die Lübecker mauerten das Tor, durch das Kaiser Maximilian in die Stadt einzog, zu, damit nach ihm kein zweiter Einzug es entweihen solle. Bei der großen Verehrung, die der falsche Woldemar im Lande genoß, wäre auch diese Lesart nicht ganz von der Hand zu weisen.
Ob nun der »Jaeckel Rebuck«, von dem Kramtzow in seiner Pommerschen Chronik spricht, tatsächlich nur der schlaue Müllerbursch aus Hundeluft im Anhaltischen gewesen ist, oder ob der Glauben, den er durch sein sicheres Auftreten und sein energisches Walten in der Mark nicht nur beim Volke, sondern auch bei den Reichsfürsten und bei Kaiser Karl IV. durch lange Jahre gefunden hat, eben doch der richtige Glaube war, das wird wohl ein ewiges Rätsel bleiben. Wenn es wirklich nur ein schlauer Betrüger war, so war er doch einer der erfolgreichsten in der Weltgeschichte, erfolgreich trotz seines schließlichen Verzichtes auf die Macht – bis zu seiner letzten Ruhestätte in der Dessauer Fürstengruft.
Unter diesen Betrachtungen sind wir an der Seufzerallee, einem köstlichen Laubengange aus verschnittenen Buchen, der rechter Hand die Chaussee begleitet, entlang gefahren. Links ragt da eine bewaldete Höhe auf, die mit schön gepflegten und sehr geschmackvoll angelegten Anlagen bepflanzt ist. Hier steigen wir aus und gehen unter schattigen Birken am Waldesrande den Anhang hinauf. Der Weg führt durch gemischten Wald – das heißt, es sind noch junge, vierzig- bis fünfzigjährige Bestände, – zu dem Wartturm, der als erstes Wahrzeichen von Gransee weithin sichtbar ist.
Ein trutziger Bursche, dem die Jahrhunderte nicht viel anhaben konnten, steht er da, etwa 17 m hoch, aus groben Feldsteinen aufgeführt. Eine schmale, halsbrecherische Wendeltreppe führt in seinem Innern nach oben. Es ist eine mühselige Kletterei auf den glatten, ausgehöhlten Stufen, aber oben wird man für die Mühe ausgiebig belohnt. Ein herrlicher Fernblick! Meilenweit schweift das Auge über Wälder und Fluren; am Horizont sieht man vereinzelte Türme: Zehdenick, Schloß Meseberg, an dem ein Graf Wartensleben sich einst »kaput gebaut« hat und das dann Prinz Heinrich seinem Freunde, dem Major v. Kaphengst, schenkte.
Aber immer wieder kehrt der Blick nach dem reizvoll zu Füßen der Anhöhe gelegenen Gransee zurück. Man spricht von Rothenburg ob der Tauber immer mit einem solch wehmütigen Bedauern, weil es heute nur noch so wenige Städte gibt, die sich ihre altertümliche Schönheit bis in die Neuzeit erhalten haben. Nun, wer Gransee oben von der Turmwarte herab liegen sieht, der kann sich wohl eine klare Vorstellung machen, wie eine alte Stadt ausgesehen hat. Wie die hohen Mauern es einschließen, und wie die Häuserchen alle um die stolze Kirche herumkriechen wie Küchlein, die unter den Flügeln der Glucke Schutz suchen! Die Schornsteine der zahlreichen Ziegeleien, die weit verstreut im Umkreise liegen, sind das einzige, was daran erinnert, daß heute eine andere Zeit ist als damals, als der falsche Woldemar hier vor den Toren stand. Nach Willibald Alexis hatten die Granseer gerade ihren schlimmsten Gegner, Herrn Hansen Lüddecke, beim Koller erwischt. Er war nächtens in die Stadt mit seinen Raubkumpanen eingedrungen, nachdem er den Turmwart durch einen seiner Gesellen hatte trunken machen lassen. Aber der Überfall war dem kecken Ritter, der sich schmunzelnd zu rühmen pflegte, daß die Granseer Kühe sein eigen und die Granseer Bürger seine Viehhirten seien, diesmal mißlungen. Und die erbitterten Bürger wollten ihm ans Leben. Mit ihm sollte der ungetreue Torwart sterben. Ob sie nun tatsächlich mit einem Opfer sich begnügen wollten oder ob die andere Version richtig ist, nach der die guten Granseer sich gerade mit dem auswärts wohnenden Henker erzürnt hatten und sich die Ratsherren deshalb scheuten, die hohe Halsgerichtsbarkeit manu propria auszuüben – jedenfalls wurde beschlossen, ein Gottesurteil herbeizuführen und die beiden Schelmen da büßen zu lassen, wo ihre Schuld begonnen hatte: auf dem Wartturme. Sie wurden beide in dem Luginsland eingesperrt und sollten dort miteinander um ihr Leben kämpfen. Wer übrig bliebe, sollte frei von dannen ziehen. Dem Ritter soll's gar nicht recht gewesen sein, mit dem Tölpel von Wächter zusammen kämpfen zu müssen. Hat sich überhaupt gesträubt es zu tun und von den Bürgern verlangt, sie sollten's kurz machen, und – wenn sie es wagen sollten, die Halsgerichtsbarkeit an ihm ausüben. Zum Narrenspiel mit dem Kerl gäbe er sich nicht her. Der Wächter hat natürlich gewinselt und bald den Ritter, bald wieder die Bürger um Gnade angefleht, – hat ihnen aber schließlich beiden nichts geholfen. Sie sind in den Turm gesperrt worden, und ganz Gransee ist mit hinausgezogen, wie zum Schützenfeste, um sich das Spektakel mit anzusehen. Da ist aber die Sache zunächst anders gekommen, als man erwartete. Die Gefangenen sind, anstatt im grimmigen Zweikampfe, ganz vergnügt oben auf dem Turme erschienen und haben vor den Augen der geprellten Bürger ein leckeres Mahl von den Vorräten des Turmwarts gehalten. So ist es eine Reihe von Tagen gegangen, ohne daß die Granseer etwas dazu tun konnten – sie wollten ihr einmal gefälltes Urteil nicht ändern, und zum andern konnten sie's wohl auch nicht recht, denn die beiden hatten den Turm kräftig von innen verrammelt, und nun trotzte er seinen eigenen Erbauern. Wenn sie aber das Tor zu erbrechen suchten, warf ihnen der vom Roten Hause tüchtige Quadersteine auf den Kopf. Die Granseer waren in keiner guten Lage. Von oben Spott und Hohn und – Steine, und aus dem Lande konnte man täglich erwarten, daß die Winterfelde und Quaste ihrem bedrängten Freunde Entsatz bringen würden. Da erschien am fünften Tage der geheimnisvolle Pilgrim, von dem in den letzten Wochen schon überall in der Mark gesprochen wurde – aber er kam nicht als Jaeckel Rebuck, sondern als Markgraf Woldemar mit einem glänzenden Gefolge. Das Ende kann mit wenig Worten erzählt werden. Nach anfänglichen Zweifeln erkannten ihn die Granseer als Herrn an, nachdem auch der gefangene Ritter für ihn gezeugt hatte. Hans Lüddecke schwur der Stadt Urfehde, wurde befreit und ritt im Gefolge des Markgrafen in die festlich geschmückte Stadt ein.
Soweit die Erzählung von des falschen Woldemars Auftreten in Gransee, die ich nicht nach Willibald Alexis, sondern so aufgeschrieben habe, wie sie mir in Gransee berichtet wurde, und zwar nicht als das, was sie wirklich sein mag: eine sagenhafte Historie, die auf einigen mageren geschichtlichen Tatsachen aufgebaut ist – sondern als ein wirklich geschehenes Ereignis. Zu Füßen des Wartturmes erschien sie mir auch ganz glaubhaft, und ich hätte mich nicht gewundert, wenn auf einmal aus den Tannen der falsche Woldemar mit seinem Gefolge, darunter der Magdeburger Bischof, herausgeritten wäre.
Auf dem Rückweg wurde noch dem recht geschmackvollen Kriegerdenkmale, einem schlichten Sandsteinobelisk, der auf halber Höhe nach der Stadt herunterblickt, ein Besuch abgestattet, und dann hieß es Abschied nehmen von dem freundlichen Städtchen, dessen Bewohnern man das Zeugnis ausstellen kann, daß sie pietätvoll erhalten, was von den Vätern auf sie überkommen ist, und daß sie das Neue so schaffen, daß es dem Alten sich würdig anpaßt.
Noch eine kurze Rast beim Kloster Lindow, das halbwegs zwischen Ruppin und Gransee liegt. Ein Gang durch den stillen herrlichen Garten des alten Stifts mit seinen Linden am Wutzer See, die ihre mächtig ausladenden Äste zur Erde niederhängen, so daß sie von da aus in leichter Krümmung wieder emporstreben, ein Blick auf die stillen Gräber der Konventualinnen, die im vorderen Teile des Parkes neben den Ruinen einer alten Kirche ihre letzte Ruhestätte haben. Alte, gute märkische Namen liest man auf jedem der Steine, und man kann die tröstliche Gewißheit mitnehmen, daß die Damen, die hier in der wunderbaren Stille dahinlebten, fast alle ein hohes Lebensalter erreichten.
Im Besitz des Herrn Oberkammerherrn Grafen A. Lewenhaupt auf Schloß Sjöholm in Södermanland befindet sich das Autograph des Briefes des Kronprinzen Friedrich an Voltaire vom 15. April 1739, der zuerst in der Kehler Ausgabe der Werke Voltaires und daraus in den ɶuvres de Frédéric le Grand XXI, 279 gedruckt ist. In dem Drucke, der übrigens bis auf drei kleine, von dem ersten Herausgeber angebracht stilistische Verbesserungen das Original treu wiedergibt, fehlen die folgenden, dem Briefe beigefügten Verse:
à Reinsberg, ce 15 d'Avr. 1739.
Quel monstre sur tes jours versant ses noirs poisons
elétrit de ton repos la fleur si passagère?
Sans doute il échappa des profondes prisons
qu'Alecto, Némésis, Tisiphone et Mégère
embrasent de leurs tisons.
O Ciel! qu'il est affreux! Son œil est morne et louche,
sa gueule meurtrière, encor teinte de sang,
nourrit de trahisons sa cruauté farouche.
Le héros vertueux et toujours l'innocent
servent de proie à sa bouche.
L'Enfer qui le forma, distilla ses fureurs
et de ses intestins le vomit sur la terre
afin d'éterniser le crime et les malheurs.
Mais du ciel irrité la tardive colère
saura venger ses noirceurs.
De ce nuage obscur quel raxon de lumière
écarte de la nuit le voile ténébreux,
que le vive clarté vient frapper ma paupière?
La vérité paraît. Fuyez, monstres affreux.
C'est son flambeau qui m'éclaire.
Reconnaissez enfin, trop crédules mortels,
d'un monstre détesté l'infâme perfidie.
Fuyez de ses douceurs les appas criminels;
au lieu que le mérite enflamme votre envie,
élevez-lui des autels!
Tombez, bandeux épais, qui fascinez la vue
d'imbéciles humains par le crime aveuglés.
Adorez humblement la vertu reconnue,
et que paraisse enfin à vos yeux dessillés
la vérité toute nue.
Du cygne de Cirey vénérez les talents;
ses accords enchanteurs, sa lyre harmonieuse
et son premier soleil et ses jours défaillants
furent pour ce public, race ingrate, envieuse,
indigne de ses présents.
Elle dit! Et sitôt d'un vol prompt et rapide
un rayon la transporte à la céleste cour
de l'espace infini elle parcourt le vide,
à l'ombre paraissant fait fuir l'astre du jour
au fond de la plaine humide.
Ainsi pour ton secours la chaste vérité
daigna quitter les cieux pour éclairer la terre.
C'est ce que la vertu n'a que trop mérité,
mais ce secours est vain; la vérité, Voltaire,
ne peur rien sans l'équité.
Mitgeteilt von Fr. Arnheim in den Forschungen zur brandenburgischen und preußischen Geschichte. 2. Band. Leipzig, Duncker & Humblot.
Von Andrew Hamilton.
Fast plötzlich verwandelte sich der Wald aus einem Bestande dunkler Föhren, die, dicht aneinandergereiht, aus dem ebenen, glatten Nadelteppich ausragten, in ein prächtiges Gewirr von Zweigen in allerlei Gestalt und von glänzendem Laubwerk in dem verschiedenartigsten Grün; alles untereinander verwoben, einander drängend und fast erdrückend im Kampfe um freien Raum zum Leben, dazu ein herrlicher Unterwuchs, der sich überall an die dicken Stämme anschmiegte. Auch der Waldesboden war mit einem Male wellig und hügelig geworden und mit einem üppigen Gras- und Blumenteppich überzogen; kurz, es war, wenn nicht das großartigste, so doch wenigstens das prächtigste und lieblichste, und was noch mehr ist, das scheinbar von Menschenhand unberührteste Stück Wald, das ich in dieser Gegend gesehen hatte.
Wahrlich, die grüne, in Julisonnenlicht getauchte Waldesherrlichkeit wollte kein Ende nehmen, und so wanderte ich weiter und weiter, in der Hoffnung, daß ich auf dem richtigen Wege sei, mich nur nach dem Stande der Sonne richtend. Keinem menschlichen Wesen begegnete ich, erblickte kein lebendes Geschöpf. Nur bisweilen blitzte es hoch über mir plötzlich auf, von irgendeiner beschwingten Kreatur, die durch die Zweige strich. Wege gab es in großer Fülle, oder richtiger, Spuren und Pfade, die einen aber nur verwirrten und in Versuchung führten, wenn sie, wie hier, alle bis auf einen nur da sind, um nicht eingeschlagen zu werden.
An einem See kam ich vorüber, an dessen entgegengesetztem Ende sich ein schmaler Ausblick in freies Land hinaus, wohin weiß ich nicht, öffnete. Hier und da stieß ich auf abscheuliche, mit Dornen dicht verwachsene Sumpflachen, die tief sein mochten, aber mit allerhand Unkraut und Massen gefallenen Laubes angefüllt waren; dann wieder passierte ich einen starken Bach braunen Wassers auf einer malerischen Brücke. Sein »Fließen« würden wohl die meisten als seine schwächste Seite bezeichnen, wenigstens da, wo ich auf ihn stieß; aber schon in dem trägen Dahinschleichen eines Gewässers dieser Art im dichten Walde, in dem Vergessensein, das es umgibt, wenn es so verborgen zwischen seinen zusammenbröckelnden, halb überwachsenen Ufern sich hinschleppt, gleichsam lauernd und eher zurückhaltend, als wirklich sich von der Stelle bewegend, dunkelfarbig, geräuschlos, tückisch und Unheil brütend, liegt eine seltsame, Widerwillen einflößende Gewalt.
Das war nun die große Menzer Forst, so genannt nach einem an ihrem Rande gelegenen Dorfe. Sie bildet, glaube ich, das größte zusammenhängende Stück Waldes in der Grafschaft Ruppin und bedeckt 24 000 Morgen Land, indem sie gerade die äußerste nordwestliche Ecke der Grafschaft ausfüllt und sich längs der mecklenburg-strelitzschen Grenze hinzieht. Da sie weitab in einem der verlassensten Landstriche der Mark, fern von jeder großen Straße, jeder Stadt, jedem Herrensitze oder sonst einem Platze von irgendwelcher Bedeutung gelegen ist und in ihrem Umkreise kaum eine menschliche Wohnstätte aufzuweisen hat, so kann es schwerlich einen einsameren, weniger begangenen Fleck Erde geben. Bei der Schwierigkeit, die es hat, zu ihr zu gelangen, bekommt sie selten jemand aus der Welt draußen zu sehen, und es ergeht ihr, wie anderen Dingen auch, die man immer nur von fern, nie aber aus der Nähe sieht, d.h. sie erhält das Gepräge des Fabelhaften, Geheimnisvollen, und ist dazu auch noch in den Ruf gekommen, weder ein sehr wirtlicher, noch ein sehr sicherer Aufenthalt zu sein. Ein Schleier von Gerüchten, und selbst von Sagen, hat sich um sie gewoben, für die freilich ihre vergangene wie gegenwärtige Geschichte Belege genug aufzuweisen hat. Bei ihrer gewaltigen Größe und infolge ihrer geographischen Lage war die Menzer Forst von jeher ein Lieblingsschlupfwinkel der Schmuggler, in jenen Zeiten, da jeder deutsche Staat noch seine eigene Zollgrenze hatte. Da der Wald an der Grenze nicht aufhört, sondern sich, ich weiß nicht wie weit, ins Mecklenburgische hinein fortsetzt, und die Grenze durch einen Graben markiert wird, so konnte es kaum eine bequemere Gelegenheit zum Schmuggeln und Wildern geben. In den zahllosen Dickichten und schilfverwachsenen Lachen gibt es Verstecke in Fülle; und auch ohne direkte Gewalttat wird ein gesetzwidriges Treiben in so wilder Natur unter den gegebenen Bedingungen oft seine Opfer fordern. Ein solches Wetter wie an diesem köstlichen Julitage herrscht eben nicht das ganze Jahr hindurch. Unter so klarem Himmel ist es nicht so leicht, sich eine Vorstellung davon zu machen, was ein Wintersturm hier zu bedeuten hat, wenn alle Elemente freies Spiel haben, Nebel und Finsternis, Regen und Schnee den Wanderer blenden und irreführen, rasende Winde sich ihm entgegenstemmen, herabstürzende Äste und geschwollene Wasser ihm den Weg verlegen. Solche Zeit sucht sich das gesetzwidrige Treiben gern für seine Unternehmungen aus, sei es auch nur für die armselige Praxis des Holzstehlens, weil es dann weniger Gefahr läuft, ertappt zu werden. Aber auf so wildem Schauplatze ist es immer gefährlich, mit den Elementen zu spielen; die Polizei wählt sich gerade solche Tage, weil sie weiß, daß man sie nicht erwartet, und dann geschieht es wohl, daß der Kampf der um Mein und Dein streitenden Interessen sein Opfer fordert, sei es, indem der Verfolgte beim unsicheren Lichte der kurzen Tage oder bei einem Wintersturm in ein verborgenes Wasserloch gerät und ertrinkt oder daß ein Schuß ihn fällt; vielleicht kommt er auch mit einer Kugel im Bein, und eine Blutspur hinter sich zurücklassend, davon; ein Waldsee, den er, rasch entschlossen, durchschwimmt, nimmt ihn freundlich auf (es ist gerade nicht jedermanns Sache, ihm dorthin zu folgen), und er hat dann obenein noch etwas zu erzählen.
Jeder Wald von so bedeutender Ausdehnung wird stets eine Reihe Unglücksfälle von verschieden spezieller Natur aufzuweisen haben; und wollte man darüber eine Liste führen, so würde sie am Ende eines Zeitraumes von hundert Jahren von recht erklecklicher Länge sein. Die braven Leute, welche ihr Geschäft in den Wald hineinführt, büßen oft ihr Leben dabei ein. Einen Holzfäller trifft der Tod häufiger auf seinem Berufswege als den Ackersmann. Er verletzt sich mit seiner Axt, oder ein Baum, den er fällt, erschlägt ihn; irgendein mächtiger Ast, der schon lange faul war, stürzt plötzlich herab und tötet ihn oder einen zufällig des Weges Kommenden. Wasserbecken von allen Größen, tiefe, halbverborgene Sumpflachen, die, wie Fontane sagt, »von alter Zeit her den Hang nach Menschenleben haben« und, in den am dichtesten verwachsenen Stellen des Waldes, »ihre Polypenarme phantastisch ausstrecken«, sie alle fordern an nebeligen Tagen oder in stürmischen Nächten ihre Opfer.
Natürlich ereignen sich neben diesen Unglücksfällen, welche unschuldige, fleißige Menschen treffen, ab und zu auch solche von komplizierterer und mehr anekdotischer Natur. Die gewöhnlichen bösen Leidenschaften der Menschen, der Zorn, der Haß und die Rachsucht, tragen auch ihren kleinen Teil bei zu der Totalsumme von Gewalttaten. Unter dem Schutze von Schonungen und morgengroßer Dickungen hochgewachsenen Schilfes kann man sich ihnen leicht, ja bisweilen ganz ungestraft überlassen.
So erzählt Fontane in seiner dritten Ausgabe (1875), als er bei der Beschreibung einer Fahrt durch die Menzer Forst von den dunklen Taten spricht, die sich dort vollziehen:
»Eben haben wir eine solche Stelle passiert, die ihre Geschichte hat und von neuestem Datum dazu. Hier, wo das Unterholz sich durch die Waldrinne zieht, gleich links neben der Weißbuche, da lag er, da fanden sie ihn, den Kopf nach der Tiefe zu, den einen Fuß im Gestrüpp verwickelt. Und neben ihm die Büchse. Er war erst 19 Jahre. Der grüne Aufschlag des einen Ärmels war rot, und man sah deutlich, er war mit der Rechten nach der Brust gefahren. Wessen Kugel hatte ihn getroffen? Einen Augenblick war man dem Geheimnis auf der Spur: in Herz und Lunge des Toten hatte man das Kugelpflaster gefunden und an diesem acht scharfmarkierte, schwarze Strichelchen, die es dem Kundigen verrieten, daß die Kugel aus einer Büchse mit acht Rillen geschossen war. Und solcher Büchsen gab es am Rande der Menzer Forst hin nicht allzu viele. So wies man denn mit Fingern auf den und den. Aber die Sache kam dadurch zu früh in Kurs, und als an den verdächtigsten Stellen gesucht wurde, waren die achtrilligen Büchsen verschwunden. Sein Begräbnis war groß, groß wie die Teilnahme, das Geheimnis aber ›Wer tat es?‹, das hat der Tote mit ins Grab genommen.«
Das Leben in einem großen Forste oder in einer vorwiegend aus Waldland bestehenden Gegend (d.h. das Leben an sich, abgesehen von seinen dunklen Seiten) hat überhaupt vieles, was den Leuten draußen fremd und ungewohnt erscheint. Die in einem Ackerbaudistrikte gewöhnlichen Zweige menschlicher Tätigkeit fehlen hier. Es gibt eben keinen Ackerbau. Der Mensch gräbt, Pflügt, erntet hier nicht. Die Waldesbäume bedürfen nicht der täglichen Pflege, daher ist die Zahl derjenigen, die nach ihnen zu sehen haben, verhältnismäßig nur klein. Gejagt wird das ganze Jahr hindurch, gefischt ab und zu, d.h. nach der in Deutschland üblichen unwirtschaftlichen, für die Fischzucht unheilvollen Art und Weise. Wo, wie im vorliegenden Falle, Glashütten vorhanden sind, da entwickelt sich durch sie eine eigene Industrie, welche dann einer Menge Menschen Beschäftigung gewährt. Veränderung gibt es hier wenig, so wie die Dinge vor hundert Jahren gestanden haben, so stehen sie heute noch. Je nach ihrer Lage (obgleich dieser Umstand heutzutage mit der zunehmenden Entwicklung der Transportmittel immer mehr an Bedeutung verliert) sind die Wälder entweder von enormem Werte oder nicht. Was den der Menzer Forst betrifft, so will ich mir hier noch einmal die Freiheit nehmen, Fontane zu zitieren, und zwar diesmal in ziemlicher Länge. Er erzählt uns:
»Um die Mitte des vorigen Jahrhunderts ward in der Kriegs- und Domänenkammer die Frage rege: ›Was machen wir mit diesem Forst?‹ Hochstämmig ragten die Kiefern auf, aber der Ertrag, den diese herrlichen Holz- und Wildbestände gaben, war so gering, daß er kaum die Kosten der Unterhaltung und Verwaltung deckte. Hirsch und Wildschwein in Fülle, doch auf Meilen in der Runde kein Haus und keine Küche, dem mit dem einen oder anderen gedient gewesen wäre. ›Was machen wir mit diesem Forst?‹ so hieß es wieder. Kohlenmeiler und Teeröfen wurden angelegt, aber wenig war damit geholfen, Teer und Kohle hatten keinen Preis. Die nächste, nachhaltige Aushilfe schien die Errichtung von Glashütten zu bieten: die Kiefern lieferten die Feuerung, das Laubholz gab die Pottasche, und der quarzene Sand war ja der Grund und Boden, auf dem die ganze Waldherrlichkeit ruhte. Also Glashütten! Wirklich, so entstanden ihrer verschiedene, in Dagow, in Globsow, in Stechlin, und ein Feuerschein lag bei Nacht und eine Rauchsäule bei Tag über dem Walde. Aber auch die Glashütten vermochten nichts, und der Wald brachte es nur spärlich auf seine Kosten.
Da zuletzt erging Anfrage von Berlin her an die Menzer Oberförsterei: wie lange der Forst aushalten werde, wenn Berlin aus ihm zu brennen und zu heizen anfange? worauf die Oberförsterei mit Stolz antwortete: ›Die Menzer Forst hält alles aus.‹ Das war ein schönes Wort, aber doch schöner, als sich mit der Wirklichkeit vertrug. Das sollte bald erkannt werden. Die betreffende Forstinspektion wurde beim Wort genommen, und siehe da, ehe 30 Jahre um waren, war die ganze Menzer Forst durch die Berliner Schornsteine geflogen. Was Teeröfen und Glashütten in alle Ewigkeit hinein nicht vermocht hätten, das hatte die Verbrauchskraft einer großen Stadt in weniger als einem Menschenalter geleistet. Hilfe war gekommen, die Menzer Forst hatte sich rentiert, aber freilich die Hilfe war gekommen nach Art einer Sturzwelle, die, während sie das aufgefahrene Schiff flott macht, es zugleich auch zerschellt. Abermals mußte Abhilfe geschafft werden, diesmal nach der entgegengesetzten Seite hin.«
Nicht ganz zwei Stunden später sah ich vor mir eine breite Öffnung. Bald darauf trat ich in eine Pflanzung ganz junger Bäume hinaus, und wenige Minuten später erblickte ich den Großen Stechlin, der vor mir lag, – ein weites, einsames Meer von Glas, rings umgeben von endlosem Walde. In der Tat, nichts konnte einsamer, die Stille nicht größer sein. Der Große Stechlin ist bei weitem der ausgedehnteste und auch der an Gestalt regelmäßigste See in dieser Gegend. Nimmt man es nicht zu genau und läßt Landzungen und Einbuchtungen aus dem Spiele, so könnte man ihn kreisrund nennen. Er liegt von allen Seiten in den Föhrenwald eingebettet, und die einzigen menschlichen Wohnstätten, die man, soweit mir bekannt ist, von seinen Ufern aus erblickt, sind ein paar halbverfallene Fischerhütten, die im Winkel einer seiner Buchten liegen. Zu gewissen Zeiten des Jahres mögen wohl einige wenige Fischerboote hier auf den Fang ausgehen, aber während der ganzen übrigen Zeit des Jahres – wohl aller Jahre – berührt kein Ruder seine Fläche, wird kein Segel auf ihr gesehen. Kein Zeichen des Lebens rings umher an seinen Ufern, am allerwenigsten irgendeine Spur menschlichen Daseins, sei es nun dem Vergnügen oder der Tätigkeit gewidmet. Fast überall treten die Föhren bis dicht an den Rand des Wassers heran. Am fernen jenseitigen Ufer der Einbuchtung, in der ich stand, und die nur eine Ecke des gewaltigen Sees bildet, standen die Bäume, die hier nur erst halbwüchsig und deshalb noch nicht gelichtet worden waren, so dicht und hatten eine so tiefgrüne Färbung, daß sie einem schweren dunklen Vorhange glichen, der sich um den Rand eines Spiegels legt. In regungslosem Glanze lag der See unter dem sonneglühenden Himmel gebreitet; kein flüchtiger Schatten, kein Spiegelbild einer Wolke streifte über die stille schimmernde Fläche, kein noch so kleines Fältchen kräuselte sie, nichts regte sich ringsumher, kein Laut ließ sich hören. Eine blendende, sonnendurchglänzte, schweigende Schönheit, lieblich und doch voll herben Ernstes, voll unvergänglicher, keinen Wechsel kennender Trauer. Überall derselbe dunkle Waldesrahmen, dasselbe tiefe Himmelsgewölbe, derselbe süße Sonnenschein, er allein frei, zu kommen und zu scheinen, wo es ihn gelüstet. Es war die Schönheit eines Wesens, das niemals gelächelt oder gewußt hat, was Freude ist, welches durch unerbittlichen Schicksalsschluß auf immer von aller irdischen Gemeinschaft ausgeschlossen, dahinlebt, ungekannt, unbewundert, ungeliebt, in Abgeschlossenheit und Selbstentsagung, ohne Erinnerung an Vergangenes, ohne Hoffnung auf Zukünftiges, ewig hinaufstarrend in den unendlichen Raum des Himmelsgewölbes über sich, schutzlos und doch unantastbar, den Stürmen zahlloser Winter preisgegeben, immer nur allein mit seiner eigenen unsterblichen Schönheit und unbekümmert um die Teilnahme der Menschen.
Der Große Stechlin soll reich an Sagen, namentlich solchen übernatürlichen Inhalts sein. Das behaupten alle Schriftsteller, welche den Gegenstand behandeln, und geben ihm, wo sie von ihm reden, die vielversprechenden Beiworte »der sagenreiche, sagenumwobene usw.«. So fühlte ich mich denn ein wenig enttäuscht, als ich fand, daß sie sämtlich nur ein einziges Beispiel solcher Sagen, und zwar immer nur ein und dasselbe, anzuführen wissen. Es ist folgendes:
Wenn ein Sturm wütet und der Stechlin sehr aufgeregt ist, dann steigt bisweilen ein roter Hahn aus den Tiefen des Sees empor und flattert krähend über die Kämme der Wellen hin, die sich zu furchtbarer Höhe aufbäumen; und dann heißt es weiter, daß die Fischer sich in der Tat vor dem Hahne sehr fürchten und meistens eilen, ans User zu kommen, wenn sie meinen, er könne erscheinen, denn in schlimmen Fällen »greift er das Boot mit seinen Krallen an, laut dabei kreischend und krähend, und mit seinen Flügeln das Wasser schlagend, daß es rings die ganze Forst durchhallt, und die Wogen bergehoch aufschäumen, bis die Planken des Bootes auseinanderreißen und die Fischer in die Tiefe sinken.«
Während des Erdbebens von Lissabon soll der Stechlin in Wallung geraten und bis auf den Grund aufgerührt worden sein.
A. Hamilton. Rheinsberg, Friedrich der Große und Prinz Heinrich von Preußen. Berlin, R. v. Deckers Verlag.
In eins verschmolzen Flut und Baum.
Zwei Inseln wie verschollener Traum.
Nur Licht, kein Klang. Keine Welle schwellt.
Fernferner Stern. Wo liegt die Welt?