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Franz Liszt. Gemälde von Wilhelm von Kaulbach.
Franz Liszt

[Einleitung]

Im Gegensatze zu dem Verfahren bei den ersten Biographien lassen wir diesmal, sowie es auch der Meister in seinem gewaltigsten Oratorium gethan, das Leben des Helden durch seine Thaten sich selbst erzählen, die sich denn ebenfalls in steter Steigerung vor uns aufrollen.

Da ist zunächst seine erste Jugendzeit mit ihrer unbegreifbaren Virtuosenschaft. Es ist ein wahres Erdrücken der Schlangen in der Wiege, so spottet diese Kraft jeder Hemmung und Schwierigkeit in der Darstellung ihrer Kunst. Da ist die Aufnahme neuer Keime aus dem ewig fruchtbaren Naturleben, vor allem aus der dämonischen Welt der Zigeuner. Da ist jenes Aufleuchten des großen Menschen in dem großen Künstler: es ersteht an der Reibung mit einem verwandten Genie, dem aber anders als bei Liszt selbst, das Letzte, was auch dem künstlerischen Schaffen zu Grunde liegt, der Genius der Menschheit nicht aufgegangen war, – wir meinen den großen Geiger Paganini, – und es bethätigt sich dann sofort mächtig in der Berührung mit dem einzig ebenbürtigen Künstler, der ihm im Leben begegnete, dem er selbst aber auch durchs ganze Dasein treu die große That verwirklichen half, die wir heute in unserem » Bayreuth« besitzen.

Da ist ferner in bewundernswerther Vielseitigkeit die thätige Antheilnahme an sämmtlichen entscheidenden geistigen Fragen der Zeit und der Menschheit: wir erfahren es staunend aus der stattlichen Reihe der »Gesammelten Schriften«, die soeben vor uns sich aufthürmen. Da ist seine epochemachende neue Kunstthat, die Erschaffung der »Symphonischen Dichtung«: sie ergab sich ihm aus solcher Betheiligung an allem, was Poesie und Leben heißt, wie von selbst. Da ist, alles krönend, das letzte und höchste Werk, das er selbst sich gesetzt, die Erneuung der Kirchenmusik. Wir versuchten auch dem Laien wenigstens das Entscheidende dieser Hochthat annähernd zu verdeutlichen.

Und damit auch nichts Wesentliches in der Skizzirung eines solchen fast überreichen Lebens fehle, begegnen wir dem Genius zuletzt noch persönlich in seiner Schöpfung, als »Meister«! Aber so viel liebende Güte auch hierbei walten möge, es ist nicht wie Ludwig Richters gemüthlich-gemächlicher Bienenvater, es ist wie Michelangelo's gewaltiger »Herr«, dem die soeben geschaffene Eva sich demuthvoll beugt, es ist wie Prometheus unter den geliebten Geschöpfen, die sein Hauch erst zum Leben beseelen will. Und in welchem Maße dies gelungen, weiß die Welt aus der großen Zahl seiner Meisterschüler, deren stolze Namen uns das ganze Bild umrahmen.

So wandeln wir selbst hier wie in einer neuen Schöpfung und erkennen, daß unsere Tage auch in der reinen Kunst der Töne keinem anderen Zeitalter etwas nachzugeben haben, daß sie vielmehr dem großen Besitz der Vergangenheit manch herrlichst dauerndes Edelstück hinzugefügt haben.


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