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(Anfang 1873.)
1.
Daß diese gesammte Auffassung der anaxagorischen Lehre richtig sein muß, beweist am deutlichsten die Art, wie die Nachfolger des Anaxagoras, der Agrigentiner Empedokles und der Atomenlehrer Demokrit in ihren Gegensystemen thatsächlich dieselbe kritisirten und verbesserten. Die Methode dieser Kritik ist vor Allem die fortgesetzte Entsagung in jenem erwähnten naturwissenschaftlichen Geiste, das Gesetz der Sparsamkeit, auf die Naturerklärung angewendet. Die Hypothese, die mit dem kleinsten Aufwande von Voraussetzungen und Mitteln die vorhandene Welt erklärt, soll den Vorzug haben: denn in ihr ist das wenigste Belieben, und das freie Spiel mit Möglichkeiten untersagt. Sollte es zwei Hypothesen geben, die beide die Welt erklären, so ist streng zu prüfen, welche von beiden jener Forderung der Sparsamkeit am meisten genügt. Wer mit den einfacheren und bekannteren Kräften, vor Allem den mechanischen, bei jener Erklärung auskommen kann, wer aus möglichst wenigen Kräften den vorhandenen Bau der Welt ableitet, wird immer Demjenigen vorgezogen werden, der die complicirteren und weniger bekannten Kräfte, und dazu diese noch in größerer Zahl, ein weltbildendes Spiel treiben läßt. So sehen wir denn Empedokles bemüht, den Überfluß an Hypothesen aus der Lehre des Anaxagoras zu beseitigen.
Als erste nicht nothwendige Hypothese fällt die vom anaxagorischen Nous, denn seine Annahme ist viel zu voll, um etwas so Einfaches wie die Bewegung zu erklären. Es ist doch nur nöthig, die beiden Arten der Bewegung, das Sichhinbewegen eines Gegenstandes zu einem andern und das Sichwegbewegen von einem andern zu erklären.
2.
Wenn unser jetziges Werden ein Ausscheiden ist, wenn auch kein völliges, so fragt Empedokles: was hindert die völlige Ausscheidung? Also eine entgegenstrebende Kraft, das heißt eine latente Bewegung der Anziehung.
Sodann: um jenes Chaos zu erklären, muß auch schon bereits eine Macht thätig gewesen sein, es ist zu dieser innigsten Verschlingung eine Bewegung nöthig.
Also periodisches Überwiegen der einen und der andern Macht sicher. Diese sind entgegengesetzt.
Die Macht der Attraktion wirkt auch jetzt noch, denn sonst gäbe es gar keine Dinge, es wäre Alles geschieden.
Das ist das Thatsächliche: zwei Bewegungsarten. Diese erklärt der Nous nicht. Dagegen Liebe und Haß: daß diese bewegen, sehn wir doch gewiß, so gut als daß der Nous sich bewegt.
Jetzt verändert sich die Auffassung des Urzustandes: es ist der seligste. Bei Anaxagoras war es das Chaos vor dem architektonischen Werk, gleichsam der Steinhaufen des Bauplatzes.
3.
Empedokles hatte den Gedanken einer der Schwere entgegenwirkenden, durch den Umschwung entstehenden Tangentialkraft gefaßt ( de coelo I p. 284), Schopenhauer W. a. W. II 390.
Er hielt die Fortsetzung der Kreisbewegung für unmöglich bei Anaxagoras. Es gäbe einen Wirbel, d. h. den Gegensatz der geordneten Bewegung.
Wären die Theilchen unendlich durch einander vermischt, so könnte man die Körper ohne Kraftanstrengung auseinanderbrechen, sie würden nicht zusammenhalten, sie wären wie Staub.
Die Kräfte, die die Atome an einander drücken und der Masse die Festigkeit geben, nennt Empedokles »Liebe«. Es ist eine Molekularkraft, eine constitutive Kraft der Körper.
4.
Gegen Anaxagoras.
5.
Die Symbolik der Geschlechtsliebe. Hier wie in der platonischen Fabel zeigt sich die Sehnsucht nach dem Einssein, zeigt sich, daß einmal größere Einheit schon existirte: wäre diese größere Einheit hergestellt, dann würde diese wieder nach einer noch größeren streben. Die Überzeugung von der Einheit alles Lebendigen verbürgt, daß es einmal ein ungeheures Lebendiges gab, von dem wir Stücke sind: das ist wohl der Sphairos selbst. Er ist die seligste Gottheit. Alles war nur durch Liebe verbunden, also höchst zweckmäßig. Diese ist zerrissen und zerspalten worden durch den Haß, in seine Elemente zerstückt und dadurch getödtet, des Lebens beraubt. Im Wirbel entstehn keine lebenden Einzelwesen. Endlich ist Alles getrennt, und nun beginnt unsere Periode. (Der anaxagorischen Urmischung setzt er eine Urentzweiung entgegen.) Die Liebe, blind wie sie ist, wirft mit wüthender Hast wieder die Elemente an einander, versuchend, ob sie sie wieder zum Leben bringt. Hier und da gelingt es. Es setzt sich fort. Ein Ahnungsgefühl in den belebten Wesen entsteht, daß sie noch höhere Vereinigungen erstreben müssen, als Heimat und Urzustand. Eros. Es ist ein furchtbares Verbrechen Leben zu tödten, denn damit strebt man zur Urentzweiung zurück. Einstmals soll Alles wieder ein einziges Leben sein, der seligste Zustand.
Die pythagoreisch-orphische Lehre in naturwissenschaftlicher Umdeutung: Empedokles beherrscht beide Ausdrucksmittel mit Bewußtsein, darum ist er der erste Rhetor. Politische Ziele.
Die Doppelnatur – das Agonale und das Liebende, Mitleidige.
Versuch der hellenischen Gesammtreform.
Alle unorganische Materie ist aus organischer entstanden, es ist todte organische Materie. Leichnam und Mensch.
6.
Demokrit.
Möglichste Vereinfachung der Hypothesen.
Werth des Materialismus und Verlegenheit desselben.
Plato und Demokrit.
Der weltflüchtige heimatlose edle Forscher.
Demokrit und die Pythagoreer finden zusammen das Fundament der Naturwissenschaften.
Welches sind die Ursachen, welche eine gedeihliche Experimentalphysik im Alterthum nach Demokrit unterbrochen haben?
7.
Anaxagoras hat von Heraklit die Vorstellung genommen, daß in jedem Werden und Sein das Entgegengesetzte zusammen ist.
Er empfand wohl den Widerspruch, daß ein Körper viele Eigenschaften hat, und pulverisirte ihn, in dem Glauben jetzt ihn in seine wahren Qualitäten aufgelöst zu haben.
Plato: erst Herakliteer, consequent Skeptiker: Alles, auch das Denken, Fluß.
Durch Sokrates zum Beharren des Guten, Schönen gebracht.
Diese als seiend angenommen.
An der Idee des Guten, Schönen nehmen alle Gattungsideale theil und sind deshalb auch seiend (wie die Seele an der Idee des Lebens). Die Idee gestaltlos.
Durch Pythagoras' Seelenwanderung ist die Frage beantwortet: wie wir etwas von den Ideen wissen können.
Ende Plato's: Skepticismus im Parmenides. Widerlegung der Ideenlehre.
8.
Schluß.
Das Denken der Griechen im tragischen Zeitalter ist pessimistisch oder künstlerisch optimistisch.
Ihr Urtheil über das Leben besagt mehr. Das Eine, Flucht vor dem Werden, Aut Einheit aut künstlerisches Spiel.
Tiefes Mißtrauen gegen die Realität: Niemand nimmt einen guten Gott, der Alles optime gemacht, an.
Pythagoreer religiöse Sekte.
Anaximander.
Empedokles.
Eleaten.
Anaxagoras.
Heraklit.
Demokrit: die Welt ohne moralische und ästhetische Bedeutung, Pessimismus des Zufalls.
Wenn man sie Alle vor eine Tragödie stellte, so würden die drei Ersten sie als Spiegel der Unseligkeit des Daseins erkennen, Parmenides als vergänglichen Schein, Heraklit und Anaxagoras als künstlerischen Bau und Abbild der Weltgesetze, Demokrit als Resultat von Maschinen.
Mit Sokrates beginnt der Optimismus, der nicht mehr künstlerische, mit Teleologie und dem Glauben an den guten Gott: der Glaube an den wissenden guten Menschen. Auflösung der Instinkte.
Sokrates bricht mit der bisherigen Wissenschaft und Cultur, er will zurück zur alten Bürgertugend und zum Staate.
Plato löst sich von dem Staate, als er merkt, daß er mit der neuen Cultur identisch geworden ist.
Der sokratische Skepticismus ist Waffe gegen die bisherige Cultur und Wissenschaft.