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17.

Was mußte mit jenem chaotischen Durcheinander des Urzustandes vor aller Bewegung gemacht werden, damit aus ihm, ohne jeden Zuwachs neuer Substanzen und Kräfte, die vorhandene Welt mit den regelmäßigen Bahnen der Gestirne, mit den gesetzmäßigen Formen der Jahres- und Tageszeiten, mit der mannigfachen Schönheit und Ordnung, kurz, damit aus dem Chaos ein Kosmos werde? Es kann dies nur Folge der Bewegung sein, aber einer bestimmten und klug eingerichteten Bewegung, Diese Bewegung selbst ist das Mittel des Nous, sein Ziel würde die vollendete Ausscheidung des Gleichen sein, ein bisher noch unerreichtes Ziel, weil die Unordnung und Mischung anfangs eine unendliche war. Dieses Ziel ist nur durch einen ungeheuren Proceß zu erstreben, nicht durch einen mythologischen Zauberschlag auf einmal herbeizuschaffen: wenn einmal, in einem unendlich fernen Zeitpunkt, es erreicht ist, daß alles Gleichartige zusammengeführt ist und jetzt die Urexistenzen, ungetheilt, neben einander in schöner Ordnung lagern, wenn jedes Theilchen seine Genossen und seine Heimat gefunden, wenn der große Friede nach der großen Zertheilung und Zerspaltung der Substanzen eintritt und es gar nichts Zerspaltenes und Zertheiltes mehr giebt, dann wird der Nous wieder in seine Selbstbewegung zurückkehren und nicht mehr selbst zertheilt, bald in größeren, bald in kleineren Massen, als Pflanzengeist oder Thiergeist die Welt durchschweifen und sich in andre Materie einwohnen. Inzwischen ist die Aufgabe noch nicht zu Ende geführt: aber die Art der Bewegung, welche der Nous ausgedacht hat, um sie zu lösen, erweist eine wunderbare Zweckmäßigkeit, denn durch sie wird die Aufgabe in jedem neuen Augenblicke mehr gelöst. Sie hat nämlich den Charakter einer concentrisch fortgesetzten Kreisbewegung: an irgend einem Punkte der chaotischen Mischung hat sie begonnen, in der Form einer kleinen Drehung und in immer größeren Bahnen durchmißt diese Kreisbewegung alles vorhandene Sein, überall das Gleiche zum Gleichen herausschnellend. Zuerst bringt dieser rollende Umschwung alles Dichte an das Dichte, alles Dünne an das Dünne und ebenso alles Dunkle, Helle, Feuchte, Trockne zu Ihresgleichen: über diesen allgemeinen Rubriken giebt es wieder zwei noch umfassendere, nämlich Äther, das heißt Alles, was warm, licht, dünn ist, und Aër, alles Dunkle, Kalte, Schwere, Feste bezeichnend. Durch Scheidung der ätherischen Massen von den aërischen bildet sich, als nächste Wirkung jenes in immer größeren Kreisen rollenden Rades, etwas Ähnliches, wie bei einem Wirbel, den Jemand in einem stehenden Gewässer macht: die schweren Bestandtheile werden in die Mitte geführt und zusammengedrückt. Ebenso formt sich jene fortschreitende Wasserhose im Chaos nach außen aus den ätherischen, dünnen, lichten, nach innen aus den wolkigen, schweren, feuchten Bestandtheilen. Dann scheidet sich, im Fortgange dieses Processes, aus jener im Innern sich zusammenballenden aërischen Masse das Wasser und aus dem Wasser wieder das Erdige aus, aus dem Erdigen aber, unter der Wirkung der furchtbaren Kälte, die Gesteine. Wiederum werden einige Steinmassen bei der Wucht der Drehung einmal seitwärts von der Erde fortgerissen und hinein in das Bereich des heißen lichten Äthers geworfen; dort, in dessen feurigem Elemente zum Glühen gebracht und in der ätherischen Kreisbewegung mit fortgeschwungen, strahlen sie Licht aus und beleuchten und erwärmen die an sich dunkle und kalte Erde, als Sonne und Gestirne. Die ganze Conception ist von einer wunderbaren Kühnheit und Einfachheit und hat gar nichts von jener täppischen und menschenähnlichen Teleologie an sich, die man häufig an den Namen des Anaxagoras geknüpft hat. Jene Conception hat gerade darin ihre Größe und ihren Stolz, daß sie aus dem bewegten Kreis den ganzen Kosmos des Werdens ableitet, während Parmenides das wahrhaft Seiende wie eine ruhende todte Kugel anschaute. Ist jener Kreis erst bewegt und durch den Nous in's Rollen gebracht, so ist alle Ordnung, Gesetzmäßigkeit und Schönheit der Welt die natürliche Folge jenes ersten Anstoßes. Welches Unrecht thut man Anaxagoras an, wenn man ihm seine in dieser Conception sich bezeigende weise Enthaltung von der Teleologie zum Vorwurf macht und von seinem Nous verächtlich wie von einem deus ex machina redet. Vielmehr hätte Anaxagoras, gerade wegen der Beseitigung mythologischer und theistischer Wundereingriffe und anthropomorphischer Zwecke und Utilitäten, sich ähnlicher stolzer Worte bedienen können, wie sie Kant in seiner Naturgeschichte des Himmels gebraucht hat. Ist es doch ein erhabener Gedanke, jene Herrlichkeit des Kosmos und die staunenswürdige Einrichtung der Sternenbahnen durchaus auf eine einfache rein mechanische Bewegung und gleichsam auf eine bewegte mathematische Figur zurückzuführen, also nicht auf Absichten und eingreifende Hände eines Maschinengottes, sondern nur auf eine Art der Schwingung, die, wenn sie nur einmal angefangen hat, in ihrem Verlaufe nothwendig und bestimmt ist und Wirkungen erzielt, die der weisesten Berechnung des Scharfsinns und der durchdachtesten Zweckmäßigkeit gleichen, ohne sie zu sein. »Ich genieße das Vergnügen, sagt Kant, ohne Beihülfe willkürlicher Erdichtungen, unter der Veranlassung ausgemachter Bewegungsgesetze, sich ein wohlgeordnetes Ganze erzeugen zu sehen, welches demjenigen Weltsysteme, das das Unsrige ist, so ähnlich sieht, daß ich mich nicht entbrechen kann, es für dasselbe zu halten. Mich dünkt. man könnte hier, in gewissem Verstande, ohne Vermessenheit sagen: gebt mir Materie, ich will eine Welt daraus bauen!«


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