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1.
Die Eskimos des Cumberlandgolfes.

Von H. Abbes.


Die Bewohner des Cumberlandgolfes bilden einen Zweig, der unter dem Namen Eskimos bekannten Völkerschaften, welche sich von der asiatischen Seite der Behringstraße über das arktische Festland von Amerika und seine Inselwelt bis zur Ostküste Grönlands ausbreiten. Ihre Gesammtzahl wird auf 30 000 geschätzt. Der Name Eskimo soll von dem Worte »Eskimantsik« – Rohfleischesser abgeleitet sein, mit welcher Bezeichnung ein canadischer Indianerstamm seine nördlichen Nachbarn spottweise benannte. Sie selber nennen sich Innuit (Sing. Innung) d. h. Menschen, eine Art der Selbstbezeichnung, der man häufiger begegnet, besonders bei abgeschlossener lebenden Völkern So bedeutet das Wort »Jamana« womit sich nach Giacomo Bove die Jagans in Feuerland bezeichnen ebenfalls Menschen, wie auch der Name »Ainu« der Bewohner Sachalins und der Kurilen., denen die Betonung eines nationalen Gegensatzes in ihrer Benennung ferner lag als das Hervorheben des Unterschiedes zwischen Vernunftwesen und Thier.

Die charakteristischen Körpermerkmale der Eskimos sind: Eine mittlere Größe bei wohl proportionirter, kräftiger, muskulöser Statur, bei älteren Leuten findet sich häufig Fettsucht. Hände und Füße sind besonders zart ausgebildet. Die Hautfarbe ist mehr oder minder braun. Das eiförmige Gesicht erscheint durch die hervorstehenden Jochbeine breit und plump. Die Nase ist flach, die Augen sind klein und schief geschlitzt. Der verhältnismäßig große Mund zeigt meistens gut erhaltene Zähne. Durch Aufeinandersetzen der Zahnreihen beim Kauen fanden sich im Cumberlandgolfe bei den Erwachsenen die Vorderzähne durchgehends flach abgeschliffen. Den pyramidalen Schädel bedeckt straffes dunkelschwarzes Haar. Die Frauen im Golfe tragen seitlich zwei kurze Flechten. Der Bartwuchs der Männer ist auffallend gering. Die pyramidale Form des Schädels soll nach Hall bei den Neugeborenen durch seitliche Pressung und eine enganliegende Lederkappe künstlich hervorgerufen werden.

Die erwähnten Körpermerkmale, insbesondere die gedrungene Figur, die geschlitzten Augen, das strähnige Haar, lassen sich für eine Rassenverwandtschaft zwischen den Eskimos und den mongolischen Völkern Asiens geltend machen, und hierauf deutet auch eine sprachliche Uebereinstimmung in der Wortbildung mit den ural-altaischen Sprachen. Wie bei diesen wird im Eskimoischen die sinnbegrenzende Wurzel der Hauptwurzel ausnahmslos angehängt. Praefixe sind der Sprache unbekannt. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft Bd. 2 S. 162 Mit den amerikanischen Sprachen hat dagegen die Eskimosprache das für jene charakteristische Princip der Einverleibung gemeinsam, nach welchem die Satzbildung vollständig von der Wortbildung verdrängt wird. Steinthal Steinthal, Typen des Sprachbaues S. 204. glaubt den Typus der amerikanischen Sprachen im Grönländischen am reinsten zu erkennen und andere sehen in jenem eigenartigen Verfahren bei der Satzbildung eine wesentliche Stütze für die Annahme einer Verwandtschaft zwischen Eskimos und Indianern, während Peschel Peschel, Völkerkunde S. 133. das Eskimoische wegen der Einseitigkeit der Wortbildung durch Suffigirung von den amerikanischen Sprachen ausschließt.

Einen weiteren Grund gegen die asiatische Herkunft der Eskimos hat man in ihrer von der der Nordasiaten durchaus verschiedenen Lebensweise gesucht. Während sich diese als Hirtenvölker vorwiegend der Rennthierzucht widmen, erwerben sich die Eskimos den Lebensunterhalt lediglich durch die Jagd. Gegen obige Schlußfolgerung muß man einwenden, daß die von den Eskimos bewohnten Küstenländer der Zucht des Rennthieres, das zu seiner Ernährung ausgedehnter Weide-Plätze bedarf, nicht günstig sind. Die mit Feuchtigkeit gesättigten Tundren des Samojedenlandes und des arktischen Sibirien sind vorwiegend mit grünen Laubmoosen bedeckt. Wo hingegen die Oberfläche leichter abtrocknet, also vor allen Dingen wo anstehendes Gestein derselben nahe liegt, da überkleiden Flechten den Boden, namentlich waltet im arktischen Amerika die Flechtentundra vor. Pesch, Physische Erdkunde Bd. 2 S. 599. Der Mangel an dauernd reichlicher Nahrung in demselben Umkreise bietet der Rennthierzucht in den Eskimoländern ein natürliches Hinderniß; und ist auch die Ursache der fortwährenden Wanderungen dieser Thiers in jenen unwirklichen Gegenden. Die häufige Verlegung der Weideplätze bereitet den auf der Cumberlandhalbinsel jagenden Eingeborenen manche bittere Enttäuschung.

Aus den Sagen der Eskimos läßt sich auf ihre frühere Heimath so lange kein bestimmter Schluß ziehen, als die Überlieferungen der mittleren Stämme unbekannt sind, zudem wird es immer schwierig sein, die Zeit zu bestimmen, in der sich der Inhalt der Sagen abspielt.

Der Umstand, daß die Tschiglit-Eskimos am Unterlaufe des Mackenzie ein schönes, warmes Land »Naterovik« im fernen Westen, dem die Sonne auch im Winter ihr Antlitz zuwendet, als frühere Heimath bezeichnen, E. Petitot, les grands Esquimaux S, 73. kann zu Gunsten der asiatischen Herkunst benutzt, aber ohne erheblichen Einspruch auch auf das südliche Alaska gedeutet werden, welches Rink in seiner neuesten Arbeit Dr. Henry Rink, the Eskimo-Tribes. Vol. XI of the »Meddelelser om Grönland«.) als den Ausgangspunkt der Wanderungen der Eskimos auf amerikanischen Boden bezeichnet. Auf Grund eingehender Untersuchungen und Vergleiche der Lebensweise, Wohnung, Kleidung, Jagd, der Religion und Sagen, der Sprache und sonstigen Stammeseigenthümlichkeiten kommt Rink zu dem Ergebniß, daß die Ur-Eskimos das Innere Alaskas und die anliegenden arktischen Gebiete des Kontinents bewohnten, ein Seitenzweig in den frühesten Zeiten die Alëuten bevölkerte, der Hauptstamm später an den Flußmündungen sich niederließ, sich nördlich längs der Behringstraße ausbreitete und von hier einige Kolonien nach der entgegengesetzten Küste sandte, dann um Point Barrow nach Osten zum Mackenzieflusse fortschritt, zur arktischen Inselwelt und schließlich nach Labrador und Grönland. Der Weg nach Grönland scheint an der Ostküste des Baffinlandes hinauf bis zum Smithsund geführt zu haben, wo der Uebergang auf die andere Seite der Bai stattfand. Grönland wurde somit von Norden her bevölkert, was dadurch bestätigt wird, daß noch heute die nördlichen Eskimos dort als die Stammväter der südlichen gelten. Waitz, Anthropologie Bd. 3 S. 59. Ueber die zeitliche Ausdehnung dieser Wanderungen fehlen alle Anhaltspunkte. Vielleicht muß man sie auf tausende von Jahren veranschlagen. Jedenfalls können die Eskimos nur schrittweise in kleineren Banden vorgegangen sein, da die Natur der arktischen Gebiete andauernde Reisen in großen Massen verbietet. Aus der allmählichen Vervollkommnung der Jagdmethoden und Jagdgeräthe der verschiedenen Stämme von Westen nach Osten zieht Rink den interessanten Schluß, daß die Eskimos während ihrer Wanderungen einer langsamen Entwicklung unterworfen wurden, welche darauf hinzielte, sie besonders zum Bewohnen der arktischen Küsten geeignet zu machen.

Die ältesten geschichtlichen Nachrichten, die wir über die Eskimos besitzen, beziehen sich auf die Grönländer. Der isländische Geschichtsschreiber Are Frode (geb. 1076) berichtet, daß kurz nach der Entdeckung Grönlands, die um das Jahr 985/6 angesetzt wird, die Normänner Spuren von Wohnungen und steinerne Geräthe vorfanden. Der erste bekannte Zusammenstoß der Normänner auf Grönland mit den »Skrälingern« fand 1377 statt, als letztere den »Westbau« überfielen und zerstörten. Cranz, Historie von Grönland. 2. Aufl. Barby 1770. Bd. 1 S. 322. – Maurer, Geschichte der Entdeckung Ostgrönlands. Die zweite Deutsche Nordpolarfahrt. Leipzig 1873. S, 235 In Folge hiervon breiteten sie sich weiter nach Süden aus, und im Laufe der Zeit unterlagen die Normänner gänzlich in diesen Kämpfen. Die Physiognomie der jetzigen Bewohner macht es wahrscheinlich, daß sie sich zum Theil mit den Eskimos vermischt haben. Waitz, Anthropologie S. 300. In persönliche – allerdings feindliche – Berührung mit Eskimos der amerikanischen Küste in Vinland (Massachusetts und Rhode Island) war bereits im Jahre 1007 der Normanne Thorfinn gekommen. Was nach Waitz die Antiquitates americanae über die Skrälinger in Vinland berichten, ist Folgendes: Sie kamen zu den Normannen, insbesondere zu Thorfinn, stets auf Schiffen und griffen mit großen Steinen an, die sie mit einem Brette schleuderten. Von Farbe werden sie dunkel und fast schwarz genannt, von wildem Wesen, kleiner Statur, großen Augen, häßlichem verwirrtem Haar und breiten Backenknochen. Häuser hatten sie nicht, sondern wohnten in Höhlen. Mit dem Namen Skrälinger (Zwerge) bezeichnen jene alten Berichte alle Eingeborenen Amerikas, mit denen die Normänner zusammentrafen, wie ebenfalls die Eingeborenen von Grönland. Es ist jedoch kaum wahrscheinlich, daß eine so beträchtliche Verschiedenheit, wie die der Indianer und Eskimos, von ihnen unbemerkt oder doch unerwähnt geblieben sein sollte, wenn sie in Vinland auf Indianer gestoßen wären. Wir haben demnach Grund zu vermuthen, daß das Vinland der Normänner von Eskimos bewohnt war und daß diese erst in späterer Zeit weiter nach Norden gedrängt wurden. Waitz, Anthropologie S. 59. Der Name »Skrälinger« hat sich in dem grönländischen »Karalek« – wie die Eskimos von den ersten Christen genannt sein wollen – erhalten. Cranz, Hist. v. Grönland Bd. 1 S. 331 Anm. Zu der Bezeichnung der Eingeborenen als Zwerge wird nicht nur ihre geringe Körpergröße, sondern vielleicht auch der Umstand beigetragen haben, daß sie in Erdhöhlen wohnten, welche die Phantasie der germanischen Völker mit jenen kleinen Fabelwesen belebte.

Die Erinnerung an Kämpfe mit den Normännern lebt in einer Sage fort, welche Cranz erzählt: »Einer der Kablunät (Bezeichnung für die Weißen) hat einen Grönländer gespottet, weil er keine Vögel treffen konnte; und da dieser jenen mit dem Pfeil getroffen, so ist der Krieg entstanden, in welchem endlich die Grönländer gesiegt und alle Ausländer umgebracht haben. Das zielt auf die Vertilgung der alten Norweger, auf welche ein solcher Haß geworfen, daß sie ihren Ursprung der Verwandlung der Hunde in Menschen zuschreiben.« Cranz, Hist. v. Grönland Bd. 1 S. 261. – Paul Egede, Nachrichten von Grönland. Kopenhagen 1790. S. 106.

Um die Mitte des 15. Jahrhunderts hörte der Verkehr zwischen den Skandinavischen Reichen und Grönland auf und damit verlieren wir für mehr als ein volles Jahrhundert alle Nachrichten über seine Bewohner. Erst in den Berichten der englischen Seefahrer, die zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt auszogen, erscheinen die Eskimos wieder. 1517 wurde Labrador vou Cabot (Sohn) zum zweiten Male entdeckt, Grönland im Jahre 1586 von John Davis, der mit den Eingeborenen einen Tauschhandel versuchte. Die dauernde Wiederbesetzung Grönlands durch Dänemark datirt vom Jahre 1721, als Hans Egede's edler Eifer mit der Bekehrung der Eskimos zum Christenthum begann. Gegen Ende des Jahrhunderts wurden die Missionsstationen auf Labrador durch die mährischen Brüder begründet, deren rastlosem Wirken die Eingeborenen beider Länder die verhältnismäßig hohe Stufe der Kultur verdanken, auf der sie sich heute befinden. Ueber die Bewohner des Baffinlandes finden sich die ersten spärlichen Mittheilungen in den Berichten über Sir Martin Frohbisher's dreimaligen Aufenthalt in dem jetzt nach ihm benannten Meerbusen der Südküste in den Jahren 1576, 77 und 78. The three voyages of Sir Martin Frobisher. London 1867. Ein kleiner Handel wurde mit den Eingeborenen eröffnet, auch einige mit nach England genommen. Zu dauernden Beziehungen mit den Eskimos führten diese und andere Besuche weder hier noch an der Westküste der Davisstraße und Baffinbai, deren Bewohner durch Walfischfänger und Nordwestfahrer hin und wieder mit der Civilisation in Berührung kamen. Auffallender Weise blieben die Bewohner des großen Cumberlandgolfes bis in die Mitte der vierziger Jahre unseres Jahrhunderts von den Besuchen der Europäer gänzlich verschont. Zwar hatte der Entdecker des Golfes John Davis bereits bei seiner ersten Einfahrt im Sommer 1585 sichere Zeichen für den Aufenthalt von Eskimos dort gefunden, jedoch keinen derselben zu Gesicht bekommen. Im Laufe der folgenden Jahrhunderte wurde der Golf nicht weiter besucht, und die Kenntniß desselben war fast verloren gegangen, als im Jahre 1839 William Penny, ein englischer Walfischfänger, in der Davisstraße von einem jungen Eskimo über den Reichthum an Walen der benachbarten, Tinikdjuarbing genannten See erzählen hörte. Penny ließ sich von Inuloaping, dies mar der Name des Eingeborenen, eine Skizze des Landes zeichnen und nahm ihn mit nach Europa, um die englische Regierung für die Aufsuchung des Golfes zu interessiren. Inuloaping's Karte wurde durch die englische Admiralität unter dem Titel »Cumberland Isle from the observations of Capt. Penny and from the information of Eenoolooapeek an intelligent Eskimo« veröffentlicht, ein Zeichen, daß man den Angaben des Fremdlings großes Vertrauen schenkte. Im folgenden Jahre fand Penny mit Hülfe Inuloaping's den Eingang des Golfes und traf auch bald die ersten Eskimos, unter ihnen die Verwandten seines Schützlings. Die Erinnerung an diesen ersten Besuch der Weißen im Golf lebt noch heute unter den Eingeborenen fort. Ein alter Eskimo, Mitek, erzählte Boas, wie erstaunt und erschreckt die Eingeborenen gewesen seien, welche nie zuvor Europäer gesehen hatten. »Aber William Penny,« fuhr er fort, »war ein guter Mann, er schenkte jedem von uns etwas und Inuloaping hat uns später erzählt, wie gut es im Lande der Weißen ist. Dr. Fr. Boas, Baffinland S. 26.

Seit Penny's Entdeckung wurde der Gols regelmäßig von den Walfischfängern besucht, von denen einige auch dort zu überwintern pflegten, in Folge dessen sich bald ein reger Verkehr zwischen Europäern und Eingeborenen entwickelte, allerdings nicht zum Vortheil der letzteren und ohne irgend welchen Nutzen für die Kenntniß der Ethnographie des Landes. 1877 bis 1878 überwinterte eine amerikanische Expedition aus der »Florence« bei Anarnitung im nördlichen Ende des Golfes, welche über die Eingeborenen jedoch nur spärliche Nachrichten zurückbrachte. Der Verkehr der deutschen Polarstation im Kingua-Fjord mit den Eskimos beschränkte sich auf die Indienststellung eines Eingeborenen und gelegentliche Besuche seiner Landsleute aus der deutschen Niederlassung. Die hierbei gemachten Beobachtungen sind im »Globus« Jahrgang 1884 Heft 13 und 14 und 19 bis 21 veröffentlicht und bei der vorliegenden Arbeit im Wesentlichen wieder verwerthet.

Eingehendere Kenntniß von den Eingeborenen brachte Herr Dr. Boas zurück, nachdem er sich zum Zwecke ethnologischer Studien von 1883 bis 1884 unter den Eskimos des Cumberlandgolfes und der Baffinsbai aufgehalten hatte. Die Ergebnisse seiner Forschungen sind im achtzigsten Ergänzungsbande zu Petermann's geographischen Mittheilungen veröffentlicht.

Bevor wir uns zu der Schilderung der Eskimos und ihrer Sitten wenden, wird es zweckmäßig sein, einige Bemerkungen über die Hauptbedingungen, welche die Lebensweise der Eingeborenen regeln, über Bodenbeschaffenheit und Klima ihres Wohnsitzes vorauszusenden.

Von der See aus zeigen sich die Küsten des Cumberlandgolfes als ein ausgedehntes Hügelland ohne wesentlich hervorragende Erhöhungen, dessen steile oft senkrecht abfallende, seltener sich allmählich erhebende oder flache Abhänge eine auf starke Verwitterungseinflüsse zurückzuführende kräftige Zerklüftung aufweisen. Zahlreiche vorgelagerte Inseln (Scheren), deren klaffende Spalten den Seevögeln willkommene Brutplätze bieten, sind für das Auge des Vorüberfahrenden vom Festlande nicht zu trennen und verhindern meistens den Einblick in die tief ins Land sich hinein erstreckenden Fjorde. An der freien Oberfläche ist das Gestein fast durchweg von Flechten überzogen und erscheint deßhalb in wechselnden Farben: grün, schwarz, bräunlich, gelbgrünlich.

Durch die Fjorde und weiterhin längs der Ufer, der in ihnen sich ergießenden Flüsse von kurzem, an Stromschnellen und Wasserfällen reichem, Laufe gelangt man allmählich auf die Höhe des Gebirges, falls man es nicht vorzieht, einen zwar kürzeren aber beschwerlichen Weg an flacheren Abhängen oder über die Trümmerhaufen gewaltiger Felsstürze hinweg zu suchen. Auf der Höhe erkennt man leicht den Charakter des Küstenlandes. Regellos zerstreut erheben sich die rundlichen Kuppen der Granitfelsen nur wenige hundert Fuß aus der Grundmasse des Gebirges, hier durch tiefe Schluchten getrennt, dort durch schmale Sättel verbunden und so kesselförmige Thalsenkungen bildend, die im Sommer das von den sonnenbestrahlten Gipfeln hinabrieselnde Schmelzwasser zu kleinen Bergseeen sammeln, welche die Gegend freundlich beleben Diese Becken senden ihren Wasserüberfluß durch Spalten und Klüfte in munteren Bächlein zum Fjorde hinab.

Die Süd- und Südost-Abhänge der Berge beginnen schon im März schnee- und eisfrei zu werden. Hier entwickelt sich auch bald, wo der verwitterte Felsboden durch die unmerkliche aber stetige Zersetzungsarbeit der bescheidenen aus Flechten und Moosen bestehenden Pflanzendecke in eine dünne Schicht lockerer Erde überging, eine verhältnißmäßig reiche Flora. Laubmoose, Binsenarten und mehrere zu den Haidekräutern und Heidelbeerarten gehörige Species. Die reifen Beeren der letzteren werden im Sommer von den Eskimofrauen und Kindern gesammelt. Sie sind die einzige vegetabilische Nahrung, welche das karge Land seinen Bewohnern bietet. Zn den erwähnten Pflanzen gesellt sich an den Südabhängen der einzige Vertreter eines Strauches, die in mehrere Fuß langen Stämmen am Boden hinkriechende Polarweide, deren Bast den Docht für die Thranlampen der Eskimos liefert. In günstig gelegenen, tieferen Thälern, wo stetiger Abfluß die Ansammluug von Wasserbecken hindert, tritt Mitte Juni unter dem belebenden Einflusse einer fast zwanzigstündigen Sonnenstrahlung die eigentliche arktische Blumenflora auf. Weiß ist auch hier die vorherrschende Farbe; es hebt sich vom dunklen Felsgrunde oder dem gelbgrauen Flechtenüberzug, beziehungsweise dem grünlichbraunen Teppich der Haidekräuter deutlich genug ab. Hier blühen Steinbrecharten, Sternblumen und andere mehr. Dazwischen zeigen sich schwefelgelbe Beete, die von Weitem vollständig gleich aussehen, aber aus Vertretern zweier verschiedenen Gattungen bestehen. Eine Ranunkelart, welche auch in den Polargegenden der Butterfarbe ihrer Blüthen, der sie bei uns ihren Volksnamen verdankt, treu bleibt, sowie eine zierliche Mohnblüthe aus dünnem blätterlosem Stiele, sind es, welche jene gelben Beete bilden.

Die vorstehend geschilderten kleinen Thäler erscheinen zur Sommerszeit als anmuthige Oasen inmitten der felsigen, starren Oede der Küsten des Cumberlandgolfes. Hier sucht das bräunlich gefleckte Schneehuhn seine Nahrung. Lemming und Wiesel haben ihre Schlupfwinkel im Geröll der Steintrümmer und aus der engen Felsspalte ertönt das muntere Gezwitscher der Schneeammer. Bunte Falter des Genus Vavessa flattern von Blüthe zu Blüthe, und schließlich dürfen auch die Rennthierbremsen nicht unerwähnt bleiben, die in zahlloser Menge umherschwirren und an heißen Tagen den Aufenthalt im Freien durch ihre schmerzhaften Stiche unleidlich machen. Seltener verirrt sich das Rennthier in diese der Küste nahen Gebiete. Seine Weidegründe findet es auf der Hochebene des Hinterlandes der Nord- und Nordostküste und in der grasreichen Umgebung der großen Binnenseeen zwischen dem Cumberlandgolf und dem Foxbecken. Das weiche wollige Fell der Thiere ist für die warme Winterkleidung und die Schlafdecken unentbehrlich und die Erlangung desselben zwingt die Bewohner des Golfes zu den weiten, gefahrvollen Sommerreisen ins Binnenland, auf welche wir später zurückkommen.

Das bunte, freundlich belebte Landschaftsbild der kurzen Sommerszeit bedeckt der kalte Winter mit einförmigem, ermüdendem Weiß. Im August beginnen Regen und Schneeschauer abzuwechseln und bereits Ende October erscheint Meer, Berg und Thal eingehüllt in ein großes gewaltiges Leichentuch. Wenn die Schneedecke diesen Namen irgendwo verdient, so ist es in den Polargegenden, wo mit ihrem Ausbreiten alles und jedes Leben erstorben scheint. Kein Lüftchen regt sich, das Rauschen der Wellen im Fjord ist verstummt und das Plätschern der Bäche erstickt durch die darauflagernde mächtige Eisdecke. In den langen Nächten flammt das geheimnißvolle Polarlicht auf und überzieht den tiefblauen, funkelnden Sternenhimmel in lautloser Ruhe mit leuchtenden Bändern. Nur ab und an unterbricht Krachen und lautes Stöhnen die wahrhaft feierliche Stille, mahnend, daß die Natur nicht erstorben ist, sondern schläft. Und in der That – wie die Brust einer Schlafenden hebt und senkt sich die Eisdecke des Golfes in gewaltigen Athemzügen unter dem Einflusse von Fluth und Ebbe. Weithinschallender Donner verkündet, daß Sprünge und Risse entstanden sind. Sobald aber das letzte Echo in den Bergen verhallt ist, herrscht Grabesstille wie zuvor.

Die Rennthierjagd wird mit Eintritt des Winters zur Unmöglichkeit. Die Thiere wandern zur Erlangung ihrer spärlichen Nahrung über weite, ungeheure Flächen, dahin der Jäger nicht zu folgen vermag. Eine Familie im Winter durch Rennthierjagd zu erhalten, ist nicht denkbar, und niemals würde die geringe Ausbeute an Fett den Thran der Lampen ersetzen können, ohne welchen der Untergang besiegelt wäre. Wenn somit das Land die Nahrung versagt, bleibt dem Eskimo nur das Meer mit dem unerschöpflich reichen Thierleben, zu dem er seine Zuflucht nehmen muß. Beim ersten dauernden Frost werden deßhalb die Zelte im Binnenlande abgebrochen, und in eiligen Märschen strebt die Bevölkerung der Küste und den Inseln zu, die von October oder Anfang November ab für den größten Theil des Jahres zum Aufenthaltsort erkoren werden.

Die ganze Landstrecke von Prince Regents-Inlet bis Frobisherbai wird nach Boas, in drei Theile getheilt: Aggo, Akudnirn und Oko, d. h. das Land über dem Winde, die Mitte und das Land unter dem Winde.

Die Okomiut haben ihre Niederlassungen an den Küsten und auf den Inseln des Cumberlandgolfes und an der Davisstraße. Man unterscheidet im Golfe die Talirpingmiut (von talirpia seine Rechte) die Bewohner der westlichen Küsten, die Kinguamiut (von kingua sein oberes Ende) die Bewohner des nördlichen Endes, die Kingnaitmiut(?) die Bewohner der mittleren Ostküste, die Saumingmiut (von saumia seine Linke) die Bewohner der Südküste. Die Ortsbezeichnungen beziehen sich auf den Golf der Tinikjuarbing: das Große, wo es stark ebbt, benannt und dessen unteres Ende folglich nach Süden verlegt wird.

Zur Zeit, als die Walfischfänger den Golf entdeckten, soll sich die Zahl seiner Bewohner auf 600 belaufen haben. 1857 wurde die Zahl auf 300 geschätzt und 1883 zählte Boas die Talirpingmiut zu 86, die Kinguamiut zu 60, die Kingnaitmiut zu 82 und die Saumingmiut gar nur zu 17 Köpfen. Die Ursache dieser schnellen Verminderung ist außer in der häufigen Sterilität der Frauen und der großen Kindersterblichkeit in den mancherlei Krankheiten zu suchen, die von den Weißen eingeschleppt wurden und noch werden. 1853 brach die Cholera aus und raffte ein Drittel der Ansiedelung von Naujateling fort. 1883 trat zum ersten Male Diphtheritis auf, wodurch Herrn Boas manche Unbequemlichkeit bereitet wurde, da ein Angakok in seiner Anwesenheit die Ursache der Epidemie erkannt haben wollte. Zu dem üblen Umstande, daß die Eskimos keine Mittel zur Bekämpfung der Krankheiten besitzen, kommt die geringe Widerstandsfähigkeit ihres Körpers gegen innere Leiden. Nach den Beobachtungen des Arztes der deutschen Station waren selbst die leichtesten Formen von Halsentzündungen in ihrem Beginn mit hohem Fieber und so auffallendem Verfall der Kräfte verbunden, daß man versucht war, an eine viel ernstere Erkrankung zu denken.

Bei den Frauen mag die geringe Bewegung, das andauernde Sitzen während der langen Winterszeit die Schwäche des Körpers verschulden. Bei den Männern muß man das anstrengende Jägerleben in den Unbilden des arktischen Klimas, verbunden mit höchst unregelmäßiger Ernährung – bald tagelanges Fasten, bald übermäßiger Genuß von rohem, vielfach gefrorenem Fleische – dafür verantwortlich machen. Die Hungersnöthe, welche nur allzuhäufig, nicht aus Mangel an Fleisch aber wegen der Schwierigkeit es zu erlangen, entstehen, tragen ebenfalls ihr redlich Theil zur Verminderung der Eskimos bei. »Am häufigsten werden reisende Familien, die mit den neuen Landesverhältnissen nicht vertraut sind, von Nahrungsnoth betroffen. So verhungerte einst eine Reisegesellschaft am Foxbecken, weil sie die Jagdweisen an der flachen Küste nicht kannte und zur unrichtigen Jahreszeit, als das Wild nach entfernteren Gegenden gezogen war, reiches Thierleben daselbst erwartete. In der inselreichen Osthälfte des Binnenseees Nettiling kam einst eine Anzahl Frauen und Kinder vor Hunger um, weil die Männer, welche sich bei der Rennthierjagd zuweit entfernt hatten, die Insel, auf der ihre Hütten standen, nicht wiederfinden konnten. Ganz Aehnliches geschah einer Reihe von Familien, die von Akulik nach Nugumiut reisten, indem sie die Landenge zwischen dem White Bear Sound und der Frobisher Bai überschritten. Als sie nach langwieriger Reise das Meer wieder erreicht hatten, ließen die Männer ihre Familien nahe Kairoliktung zurück und wanderten zu den Nugumiut um einige Männer zu bitten, mit ihren Booten die Bai hinaufzukommen und die Familien abzuholen. Unterwegs wurden sie von Stürmen überfallen und mittlerweile litten die Frauen und Kinder solche Noth, daß sie zur Menschenfresserei gezwungen wurden. Nur wenige entrannen der Bedrängnis; jener Tage.«

Im Herbst schlagen die Eskimos ihre Wohnsitze an den Küsten des Cumberlandgolfes oder auf den kleinen Inseln nahe der Küste auf. Die Nähe des Landes bietet immer einigen Schutz gegen die gewaltigen Stürme, welche um diese Jahreszeit das Land heimsuchen und die offene See für die leichten Boote unbefahrbar machen. Später im Winter ziehen sie wohl weiter hinaus aus das feste Eis nach Stellen, die gute Gelegenheit zur Seehundsjagd bieten. Zur Zeit existiren noch acht Ansiedlungen im Golfe, wovon vier, Naujateling, Idjurituaktuin, Nuvujen an der Süd- und Südwestküste und Karassuit am Eingang des Nettiling-Fjordes auf die Talirpingmiut entfallen. Ein großer Theil der Bewohner des Nettiling-Fjordes soll einst im Binnenlande an den Ufern des Nettilingsees gewohnt haben. Der See Nettiling, ein großer Binnensee in dem weiten Gebiete zwischen dem Cumberlandgolf und Fox Channel gelegen, besitzt Abflüsse nach beiden Meerestheilen, durch welche er zum Theil mit Booten zu erreichen ist. Wie schon sein Name andeutet – Nettiling – mit Seehunden, von Nettin die Seehunde – ist er reich an diesen unentbehrlichen Thieren und lieferte daher auch im Winter genügende Nahrung. Im Sommer weiden in seiner Umgebung zahlreiche Rennthierheerden, für welche der üppige Graswuchs in den sumpfigen Niederungen des flachen Landes vortreffliche Weideflächen darbietet. Die Entdeckung des Nettiling wird von den Eskimos in die neuere Zeit verlegt, muß aber wahrscheinlich schon bald nach der Besiedelimg des Golfes erfolgt sein. Die Eskimos lassen manche Sagen, deren frühere Entstehung nachweisbar ist, sich in der jüngsten Vergangenheit abspielen.

Vor etwa dreißig Jahren war die Lebensweise der Tarlirgpingmiut ungefähr die folgende: Im November versammelten sie sich in der östlichen Bucht des Nettiling und wanderten von dort zum Ausgang des Fjordes um in dessen Umgebung der Seehundsjagd obzuliegen. Im Frühjahr nach der Beendigung der Jungseehundsjagd zog ein Theil auf Schlitten gen Westen, während der Rest wie die übrigen Bewohner des Golfes zum Walfang rüstete. Die ersteren begaben sich zum Nettiling, nahmen dort die im Herbst zurückgelassenen Boote auf Schlitten, überquerten nach kurzer Rast den See und wanderten von seinem westlichen Ende aus über das Hochplateau hinab zum Foxbecken, dessen Küste sie eine Strecke nach Norden verfolgten. Ende August kehrte der Stamm auf einem anderen Wege zum Nettiling zurück, an dessen Ufern bis zum November verweilt wurde. Ausgedehntere Streifzüge in das Küstengebiet des Forbecken scheinen sie im Allgemeinen nicht unternommen zu haben. Allerdings wird von vereinzelten Reisen nach Igluling, einer Eskimoansiedlung im Nordwestende des Foxbecken berichtet. Um 1800 ging eine Gesellschaft unter Kotuko dorthin, die erst nach drei Jahren zurückkehrte. 1835 kamen drei Bootsmannschaften auf der Reise nach Igluling um. Darunter befand sich eine Schwester der berühmten Hannah (Tukulitu), der Begleiterin Hall's. Ein regelmäßiger Verkehr mit jener Ansiedlung auf Igluling erscheint indessen niemals bestanden zu haben. Der zweite Theil der Bewohner des Nettiling-Fjordes ging erst im Juli zum See und kehrte im Herbst schon vor Eintritt des Frostes zurück. Die Bootsfahrten den Fjord hinauf und hinunter sind mit manchen gefährlichen Wagnissen verknüpft, die eine geschickte Führung der gebrechlichen Fahrzeuge erfordern. Fluth und Ebbe erzeugen an den schmalen Durchlässen reißende Strömungen und mächtige Wirbel. An den gefährlichsten Stellen werden die Boote ans Land gezogen und mühsam über die Felsen geschleppt. Vor einigen Jahren schlug ein Boot um, als ein waghalsiger Eskimo bei Springfluth und heftigem Winde eine Enge passiren wollte, und sämmtliche Insassen ertranken.

Heutigen Tages halten die Talirpingmiut wahrscheinlich in Folge ihrer starken Verminderung mehr zusammen. Nur selten lebt noch Jemand im Winter an den Ufern des Sees. Im Herbst werden dort alle entbehrlichen Haushaltungsgegenstände zurückgelassen und man begiebt sich nach dem Ende des Nettiling-Fjordes, wo zunächst die Schneehäuser errichtet werden, und erst im December, wenn die Jagd am offenen Meere erfolgreicher ist, zum Ausgang des Fjordes. Von Ende März bis Anfang April währt die Jungseehundsjagd und dann beginnt die Frühlingsjagd auf die sich sonnenden Seehunde auf dem Eise. Die Eskimos beschleichen diese scheuen Thiere bis auf Wurflänge, indem sie auf dem Bauche liegend in täuschendster Weise ihre Bewegungen nachahmen. Bis zum Mai sind alle Eskimos mit Fellen für die Sommerkleidung versehen. Alsbald rüstet man eifrig zur Fahrt nach dem See. »Die weiten Reisen, welche hier unternommen werden, bewirken, daß diese Eskimos mehr als irgend ein anderer Stamm der Führung eines Einzelnen folgt.

Nach alten Ueberlieferuugen darf man annehmen, daß früher fast alle Stämme einen Pimmain, d. h. Jemanden, der Alles am besten versteht, ein Stammesoberhaupt besessen haben, dessen Machtbefugnisse jedoch recht gering waren. Vermuthlich beschränkten sich dieselben darauf, daß der Pimmain die Zeit für den Umzug oder für andere öffentliche Angelegenheiten angab, daß nach seinem Beschlusse gewisse Feste gefeiert wurden und Aehnliches. Heute sind solche Vorrechte eines Einzelnen nur in wenigen Fällen anerkannt, und vermuthlich spielt die Persönlichkeit dabei eine große Rolle. So hat ein Mann Aujang in Tununirn seine Autorität bis heute bewahrt. Ebenso führt ein Eskimo Kunung, die Akudnirmiut von Niaxonaujang, die aber trotzdem recht selbständig gegen ihn auftreten, und eine ähnliche Macht übten bis vor kurzer Zeit einige Männer unter den Talirpingmiut. Heute führt sie ganz und gar ein Mann Namens Piarang, ein gutmüthiger und verständiger Eskimo, der durchaus keinen Anspruch auf die Führerschaft erhebt, dessen Entschlüssen die übrigen aber stets folgen.« Boas a. a. O.

Zur Reise von der Winteransiedlung Karassuit (die Höhlen) im Ausgang des Nettiling-Fjordes bis Tikerakdjung (die kleine Landspitze) am Nettilingsee, wo die Sommerzelte aufgeschlagen werden, brauchen die Eskimos fünf Tage. Außer den Rennthieren bilden die wilden Gänse einen beliebten Gegenstand für die Jagd. Zur Mauserzeit vermögen die Vögel schlecht aufzufliegen und werden dann leicht in Steinkreise getrieben, aus denen sie nicht wieder entweichen können. Mit ihrem Fleische füttert man die Hunde. Die Männer machen im Sommer weite Jagdausflüge auf dem See und in das Land hinein, während die Frauen zu Hause die Felle bereiten und die Winterkleidung nähen. Zur Erlegung der Rennthiere bedienen sich die Eskimos jetzt wohl allgemein der Feuerwaffen der Weißen, welche an Stelle der Bogen aus Rennthiergeweih mit knöchernen Pfeilen (Taf. III, Fig. 7) getreten sind. Pulver und Blei werden von den Walfischjägern erhandelt. Um Schießmaterial zu sparen kommt noch heute eine listige Methode beim Jagen der Rennthiere in Anwendung. Man treibt dieselben gegen eine lange Reihe hoher Steinmänner, die auf den See hinführt. In der Nähe der Haufen scheuen die Thiere und lassen sich ohne Mühe in den See treiben, wo sie von den Kayaks aus mit Speeren leicht erlegt werden. In derselben Weise wird die Jagd von den Eingeborenen auf König Wilhelmsland betrieben. Diese Stämme, welche noch keine Feuerwaffen besitzen, fangen die Rennthiere im Winter auch in tiefen Schneegruben, die mit einer dünnen Kruste aus Schneetafeln bedeckt werden. Zum Anlocken wird Hundeurin auf die zerbrechliche Decke geschüttet, dem die Rennthiere des Salzgehaltes wegen nachgehen Klutschak, als Eskimo unter den Eskimos. Wien 1881. S. 119 u. 131

Nordöstlich von K'arassuit liegt die größere Insel Imigen und 60 Kilometer weiter nördlich Anarnitung, die beiden einzigen Winteransiedlungen der Kinguamiut, welche den nördlichen Theil des Cumberlandgolfes bewohnen. Im Frühling schlagen die Imigenleute ihre Wohnungen auf der Eisfläche zwischen Imigen und dem an der jenseitigen Küste liegenden Augpaluktung auf, weil die Umgebung ihrer Insel alljährlich von tiefem Schnee bedeckt wird. Im Sommer ziehen sie den auf den Karten als Kingua-Fjord bezeichneten Issortukdjuak (das Große mit trüben Wasser) hinauf, in welchem 1882 bis 1883 die deutsche Polarstation überwinterte. Hier errichten sie ihre Zelte in einigen Nebenbuchten, von welchen aus die Männer das westlich des Penny Plateaus gelegene Hügelland durchstreifen. Die kleinen Gebirgsflüsse, welche sich in diesen Fjord ergießen, sind reich an Lachsen. Mit Vorliebe werden deshalb ihre Ufer zur Ansiedlung gewählt.

Die Kingnaitmiut an der Ostküste des Golfes leben jetzt ausschließlich auf Kekkerten, wo die Walfischfängerstationen einen Hauptanziehungspunkt für die Eingeborenen bilden. Zur Rennthierjagd besuchen sie vom oberen Ende des Kingnait-Fjordes aus die Berglande nordwestlich des Pagnirtung. In denselben Gebieten jagen gleichfalls die Padlimiut von der Davisstraße aus und weiter südlich in dem hohen Berglande von Saumia die Saumingmiut, deren Winteransiedlungen im Fjorde Ugjuktung zu finden sind.

Man sollte glauben, daß die ausgedehnten Reisen der Eingeborenen vielfache Beziehungen und einen regen Verkehr zwischen den einzelnen Stämmen herbeiführen müßten. Dieses scheint jedoch nach Boas Ermittelungen nicht der Fall zu sein. Von den Okomiut sind es einzig die südlichen Talirpingmiut, welche mit den Nugumiut der Frobisher Bai Verbindungen besitzen. Von den Letzteren sind zur Zeit als die Walfischfänger in den Golf kamen, mehrere Familien in den Golf eingewandert und haben sich an die Talirpingmiut angeschlossen. Unter den Saumingmiut ist Niemand, der südlich über Naujateling hinausgekommen wäre. Früher soll ein lebhafter Verkehr zwischen den Padlimiut an der Davisstraße und allen Stämmen des Golfes bestanden haben, der sich jedoch sehr vermindert hat seitdem die Bewohner des Golfes europäische Waaren von den Walfischfängern direkt beziehen. Heute unterhalten diesen Verkehr nur noch die Bewohner von Kekkerten. Für die Okomiut sind die Akudnirmiut Fremde, doch fand Boas bei den letzteren Blechdosen, die von der deutschen Polarstation im Kingua-Fjord herrührten und die somit in kaum einem Jahre den weiten Weg aus jenem Fjorde über Kekkerten den Kingnait hinauf bis Padli und von dort nach Norden gewandert waren. In früheren Zeiten bildeten Eisen und Holz, letzteres von Resolution Island, wo es als Treibholz angeschwemmt wird, hervorragende Handelsartikel, die von den Bewohnern der Davisstraße gegen Tropfstein aus dem Inneren des amerikanischen Archipels eingetauscht wurden.

Man trifft unter den Mitgliedern eines Stammes nicht selten einzelne Individuen, die von weit entfernten Ansiedlungen stammen und durch Heirath oder Adoption in jenem aufgenommen sind. Meistens kehren sie im Alter nach der Heimath zurück. Auch die Furcht vor Blutrache treibt manchen zu fremden Stämmen, um Schutz zu suchen. »Zwischen den fremden Stämmen finden sich seltsame Begrüßungsformen, die nicht dazu angethan sind den Verkehr zu erleichtern. Wenn nämlich ein Mann zu einem Stamme kommt, in dem er Niemanden kennt, muß er folgende Ceremonie über sich ergehen lassen. Die einheimischen Männer stellen sich Ball spielend in eine Reihe auf, aus der ein Einzelner hervortritt und dem Fremden entgegen geht, der ihn mit untergeschlagenen Armen und seitwärts gesenktem Kopfe erwartet. Er empfängt geduldig eine mit voller Kraft gegebene Ohrfeige, die er dann ebenso zurück zu geben hat. Beide Männer erproben so lange ihre Kraft aneinander, bis einer sich als besiegt erklärt. Ein zweiter Kampf muß noch von dem Fremden bestanden werden, indem er selbst und ein Einheimischer sich gegenübersetzen und mit gekrümmten Armen einander vom Flecke zu ziehen suchen. Es scheint, daß der Unterliegende bei beiden Kämpfen in gewissem Sinne in die Gewalt des Siegers kommt, der das Recht hat, den Besiegten zu tödten. Wenigstens wird von verschiedenen Fällen berichtet, bei denen der unterlegene Ankömmling ermordet wurde. Deshalb und weil bei einzelnen Stämmen, z. B. den Sinimiut der Pellybay gefährliche Zweikämpfe im Gebrauche sind, werden Berührungen mit fremden Eskimos sehr gefürchtet und die Wanderungen bleiben auf Stämme beschränkt, deren Sitten und Gebräuche bekannt sind und bei denen freundliche Aufnahme erwartet werden darf.«

»Bei den einander zunächststehenden der oben besprochenen Stämme fallen diese Begrüßungsformen fort, so zwischen den Padlimiut und Akudnirmiut, während ein in Oko unbekannter Nugumio oder Akudnirmio die Ceremonie durchzumachen hat. Es liegt dies jedenfalls daran, daß zwischen benachbarten Stämmen so viele verwandtschaftliche Beziehungen bestehen, daß kein Mitglied eines Stammes dem andern ganz fremd ist.« Boas a. a. O.

Kriegerische Unternehmungen der Stämme gegen einander gehören zu den Seltenheiten. Wenn sie aber vorgekommen sind, liegen die Beweggründe meistens in der Blutrache. In manchen Fällen werden Feindseligkeiten zweier Stämme gegeneinander durch Zweikämpfe einzelner Mitglieder ausgeglichen. Die Verwundung eines Kinnipetu-Eskimo bei einem Scheibenschießen der Aivilliks, dem ersterer als Gast beiwohnte, veranlaßte die Kinnipetus von den Aivilliks einen Schadenersatz zu verlangen. Als dieser verweigert wurde, erwählten sie aus ihrer Mitte drei Männer, die drei Männern der Aivilliks als Vertreter des ganzen Stammes die Fehde erklärten. Jede dieser sechs Personen konnte fortan die Grenze der aneinanderstoßenden Jagdgründe nur auf die Gefahr seines Lebens hin überschreiten. Die übrigen Mitglieder beider Stämme lebten indessen in Frieden weiter miteinander Klutschak a. a. O. S. 227

Den Wanderungen der Eskimos im Sommer angemessen, bestehen ihre Wohnungen in dieser Jahreszeit aus leicht versetzbaren Zelten. Das Gerüst derselben bilden sechs bis acht an den Kreuzungsstellen mit Riemen fest verbundene Stangen aus Holz oder Walfischrippen, über welche sich die aus zusammengenähten Seehundsfellen hergestellte Zeltwand ausspannt. Am Boden verhindern aufgelegte Steine das Lüften der Bekleidung durch den Wind und das Eindringen der Kälte. Den Eingang schützen übergreifende Vorhänge. Das nöthige Licht empfängt die enge Behausung durch dünn geschabte Felle oder gespannte Gedärme, die in die Zeltdecke eingenäht sind. Der Grundriß des Zeltes ist annähernd rechteckig mit polygonalem Abschluß an der dem Eingang gegenüber liegenden Seite. – Dieser hintere Raum stellt die eigentliche Wohn- und Schlafstätte der Familie dar, die Zeltdecke erhebt sich daher hier etwas höher, wie im vorderen Theile und der Boden ist zur Abhaltung der aufsteigenden Feuchtigkeit mit Seehundsfellen und bisweilen auch mit Brettern ausgekleidet. Der längliche Raum vom Eingang bis zur Lagerstätte, von derselben durch die Lampen getrennt, dient als Aufbewahrungsort für die Vorräthe an Fleisch, Fischen und Thran, welche – der letztere in großen Lederschläuchen – dort rechts und links am Boden lagern. Dieser primitiven Speisekammer verdankt die Behausung jene pestilenzialischen Gerüche, die dem Eintretenden entgegen strömen. Im Hochsommer, wenn häufig ein reichlicherer Vorrath von Fischen dort aufgehäuft ist, als die Familie zur Zeit verzehren kann, sind diese Düfte für eine europäische Nase geradezu unerträglich.

Nahe den Lampen liegt das Kochgeschirr, heutigen Tages ausschließlich Blechgeschirr, die alten Steingefäße sind im Cumberlandgolf verschwunden. Hier und da sieht man im Vorderraume auch wohl eine Kiste mit den kostbarsten Schätzen des Hausvaters: eiserne Werkzeuge, kleine runde Spiegel, wie sie die Matrosen gebrauchen, eine Porzellankanne, Blechflöte oder gar eine Handharmonika; alles Dinge, die von den Walfischfängern gegen Felle und Thran oder für geleistete Dienste als Zahlung in Tausch gegeben werden.

Zwischen dem Vorrathsraume und der Wohnstätte sind die Thranlampen eingeschoben. Man könnte sie besser Thranöfen oder Thranheerde nennen, da sie zu Koch- und Heizzwecken eigentlich mehr bestimmt sind, als zur Beleuchtung. Die Gefäße dieser Lampen sind rechteckige, auch wohl halbmondförmige Tröge aus Speckstein, etwa 40 Centimeter lang und 15 Centimeter breit. An ihren, dem Wohnraume zugekehrten Längenseiten liegt ein aus verfilzten Bastfädchen gefertigter Docht, der die Nahrung für seine zahlreichen Flämmchen aus der Thranfüllung der Tröge saugt, die wiederum durch ein darüber hängendes Stück geklopften Seehundsspeckes erneuert wird.

Die strahlende Wärme der Flämmchen bringt den Thran des Speckes zum Ausfließen und Abtropfen. Der steten Unterhaltung der Flämmchen durch Aufmunterung des Dochtes mit kleinen Stäben haben die Frauen eine besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Während der Nacht wird die Hälfte der Flammen gelöscht. Durch die Walfischfänger erhalten die Eskimos heute die bequemen Zündhölzchen, die sie der Sparsamkeit halber vorsichtig spalten. Früher bediente man sich des umständlichen Verfahrens der Feuererzeugung durch Reibung. Ein harter Stab wurde aufrecht zwischen zwei weiche Hölzer geklemmt und durch das Auf- und Abwickeln eines dünnen Riemens in schnelle Drehung versetzt. Das untere zugespitzte Ende bohrte sich in den auf der Erde liegenden Stab. Nach langer Drehung bringt die Reibung schließlich die Bohrspähne zum Glimmen. Zu dieser Arbeit waren zwei Personen erforderlich, wie man aus einer Abbildung bei Rink, Eskimoiske Eventyr og Sagn S. 201, ersehen kann.

Ueber der Lampe erhebt sich ein leichtes hölzernes Gerüst, an welchem die Kochgefäße hängen. Ein Topf zum Schmelzen des Schnees darf hier im Winter niemals fehlen. Derselbe muß häufig gefüllt werden, denn der schmelzende Schnee liefert nur eine geringe Wassermenge. Daneben dient das erwähnte Gerüst zum Auflegen feuchter Kleidungsstücke. Handschuhe und Strümpfe werden des Nachts darauf ausgebreitet.

Während des kurzen Sommers bieten diese engen Zelte Obdach und hinreichenden Schutz für eine Familie. Der Nachtheil der dunstigen Behausung für die Gesundheit wird durch den häufigen Aufenthalt im Freien leicht wieder ausgeglichen.

Eine geräumigere Wohnung wird erst Bedürfniß, wenn die herbstliche Witterung die Familie mehr und mehr an das Haus zu fesseln beginnt. Im Herbst nach der Rückkehr von der Rennthierjagd vereinigen sich mehrere Familien zum Bau eines Wohnhauses aus dem Material ihrer Zelte. An die halbkreisförmige Fläche der erhöhten Lagerstätte schließt sich der rechteckige Vorraum. Ueber das Ganze, von einem festgefügten Stangengerüste getragen, breitet sich die Zeltwand aus, deren Saum am Boden mit schweren Steinen belastet wird. Die Zeltwandung besteht aus einer doppelten Lage von Fellen mit einer Zwischenlage von Haidegestrüpp und Moos. Starke Schneemauern schützen die Wände gegen den Wind. Im Vorraum scheiden zwei Steinreihen den Flur, der vom Eingange auf die Lagerstätte führt, von den Vorrathsräumen zur Rechten und Linken. Diese finden ihren Abschluß durch die Lampen vor dem Lager. Letzteres, wie die Vorrathsräume, liegen um 30 bis 50 Centimeter höher, als der mittlere Gang, so daß sie von der kalten Luft, die durch die Thüröffnung eindringt und am Boden hinzieht, nicht berührt werden. Die Vorräume, welche den Eingang vor der windigen Zugluft schützen, sollen bei Gelegenheit der Schneehäuser beschrieben werden. Die Familienwohnungen sind bei den Eskimostämmen nach der Form verschieden, während der Grundgedanke der Anlage – die im Hintergrunde erhöhte Lagerstätte, der Flur, den ein langer, niedriger Gang mit der Außenwelt verbindet – überall derselbe bleibt. Erdhöhlen, ebenfalls in dieser Art gebaut, die nach den darin gemachten Funden bis in neuere Zeit bewohnt gewesen sein müssen, entdeckte die zweite deutsche Nordpolarexpedition auf der Sabineinsel an der ostgrönländischen Küste. Das westgrönländische steinerne Haus zeigt im Grundriß ein langgestrecktes Rechteck. Die Schlafstellen liegen alle an einer Seite. In Alaska und am Mackenzie sind die Häuser quadratisch, an drei Seiten mit Alkoven, an der vorderen Seite der Eingang. Eine Eigenthümlichkeit dieser Häuser ist der »Itsark«, ein kegelförmiges Zelt, das im Frühjahr auf der Decke des aus Schneeplatten erbauten Thürganges errichtet wird und dann als Rauchfang für die Küche dient, die man um jene Zeit aus dem Wohnraume dorthin verlegt. Die Verlegung wird durch den Umstand bedingt, daß diese Eskimos keine specifischen Seehundsjäger sind und aus Mangel an Thran soviel wie möglich Haidekraut und Reisig brennen, deren Rauch im Wohnraume nicht zu ertragen sein würde. Vollständig aus Schnee erbaute Häuser werden von den Stämmen östlich des Mackenzie an der amerikanischen Nordküste und auf den Inseln des Archipels gebraucht, im Cumberlandgolf während der kältesten Zeit, etwa Ende Dezember bis März. Diese anscheinend einfachen und doch mit viel Kunst und Ueberlegung ausgeführten Bauten sind ein beredtes Zeugniß für die Intelligenz ihrer Bewohner und verdienen deshalb etwas ausführlicher beschrieben zu werden. Das Material wird der Schneedecke an solchen Stellen entnommen, wo die Stürme die feinen Crystalle so fest in einander getrieben haben, daß die harte Masse mit dem Messer geschnitten werden muß. In früherer Zeit bediente man sich hierzu langer knöcherner Werkzeuge in Art großer Falzbeine (Taf. 4 Fig. 6), neuerdings meist eiserner, im Tausch erhandelter Messer europäischen Ursprungs. Die trapezförmigen Schneequadern, etwa 15 Centimeter dick und 40 Centimeter lang und breit, werden zu einem Kuppelgewölbe von Bienenkorbform zusammengesetzt; und zwar nicht Schicht um Schicht über einander, sondern so, daß die Horizontalfugen eine Schneckenlinie bilden, die am Boden beginnt und am Schlußstein der Decke endigt. Nur dadurch ist es möglich, das Gewölbe in seinen oberen, geneigten und schließlich horizontalen Theilen ohne Lehrgerüst zu bauen, da jeder neue Quader an den vorhergehenden genügenden Halt findet. Wir haben hier somit die kühnste Gewölbe-Konstruktion der italienischen Renaissance und vielleicht schon aus einer Zeit stammend, da die griechische Kunst den ersten schüchternen Versuch am Schatzhause des Atreus machte.

Zwei solche an einander schließende Kuppeln (Taf. I Fig. 2, 3, 4) verbinden sich zu einer Wohnung, deren Größe sich nach der Anzahl Personen richtet, die darin hausen sollen. Seitlich lehnen sich kleinere Anbauten aus demselben Material zur Aufbewahrung von Jagdgeräthen und Kleidungsstücken an.

Ein 50 Centimeter tiefer Kanal führt von Außen durch die Vorhalle bis etwa in die Mitte des Wohnraumes, wo er vor der Schlafstätte endigt. Durch den Kanal wird der Eingang unter das Niveau der Schlafstätte gelegt und dadurch das Eindringen der kalten Luft in dieselbe, sowie das Entweichen der oberen warmen Luft geschickt verhindert. Die niedrige Thür, durch welche man nur auf allen Vieren in das Innere der Häuser gelangen kann, schließt man Nachts durch eine Schneetafel. Ebenso wie im Zelte stehen rechts und links vor der Schlafstelle die Lampen. Die Oeffnungen der Vorrathshäuser sind nicht am Boden, sondern etwa in Armhöhe angebracht, um den Hunden den Eingang zu verwehren.

Der Aufenthalt in diesen Schneehäusern ist im Allgemeinen ganz behaglich. Eine Temperatur von 13 bis 15 Grad läßt sich in einem mittelgroßen Hause durch zwei Lampen ganz gut erzielen. Die durch das allmälige Schmelzen der inneren Wandfläche sich bildende Feuchtigkeit wird anfangs von der porösen Schneemasse aufgesogen und bewirkt deren langsame Vereisung. Die Vereisung der Wände führt jedoch zwei Uebelstände mit sich. Einmal durch das Schmelzwasser, welches theilweise zwar unschädlich an den Wänden niederrinnt und sich im Boden verliert, in der Mitte jedoch an kleinen Unebenheiten der Decke zur Bildung von Tropfen neigt, welche beim Niederfallen allerhand Unheil anstiften können. Hier gerathen sie in die Lampen und drohen die Flammen der Dochte knisternd auszulöschen, dort werden die großen Schlafdecken, die schwer wieder zu trocknen sind, befeuchtet. Am Ende fallen sie gar dem sanft Schlummernden kalt und boshaft auf die Nase. Solchen unliebsamen Vorgängen muß eine sorgsame Hausfrau rechtzeitig vorbeugen. Ein Häufchen Schnee an die verdächtige Stelle gebracht, genügt für längere Zeit, die Wasseransammlungen aufzusaugen und kann immer leicht erneuert werden. In großen Schneehäusern behängt man die Wände zur Abhaltung der Wärme mit Fellen.

Der zweite Uebelstand einer vereisten Wohnung ist die schnelle Luftverschlechterung. Die langsame gleichmäßige Erneuerung der Luft durch die porösen Schneewände hört auf. Man sucht sie durch Ventilationsöffnungen in der Decke, die aber nach der jeweiligen Windrichtung zu verlegen sind, zu ersetzen.

Auch in Bezug auf Reinlichkeit sind die Schneehäuser den Zelten vorzuziehen. Der öftere Wechsel der Wohnungen – ein Schneehaus hält sich höchstens ein bis zwei Monate – läßt schon keine große Schmutzansammlungen zu, da aller Abfall im alten Hause zurückbleibt. So wenig reinlich die Eskimos im Allgemeinen sind, so sehen sie doch mit peinlicher Sorgfalt auf das Fernhalten von Feuchtigkeit und Schnee von ihren Lagerstätten. Betritt man mit Schneeflocken im Anzuge eine Wohnung, so kann man sicher sein, sanft wieder hinaus geschoben zu werden, ehe man noch den Versuch gemacht hat, sich zu setzen. Im Vorderraum beginnen alsdann die Frauen, sorgfältig jedes Flöckchen zu entfernen und bevor das nicht geschehen ist, darf man nicht bei ihnen Platz nehmen. Nach Boas sollen sich übrigens die Bewohner der Küsten des Cumberlandgolfes den Ansiedlern der Davisstraße gegenüber durch Sauberkeit auszeichnen und sind sich dieser Tugend auch voll bewußt, denn als er ihnen von dem Unrath in den Wohnungen jener Eskimos erzählte, erwiderten sie lachend: »Ja, dort ist man schmutzig. Wir sind wie die reinlichen Möwen, die ihre Nahrung wohl aus dem Thran heraussuchen müssen, aber sorglich ihre Glieder rein erhalten; jene aber wie die schmutzigen Sturmvögel, die sich unbekümmert um ihr Aeußeres in jeden Schmutz hineinsetzen.«

Die Kleidung der Eskimos besteht aus einem Jacket mit Kapuze, kurzen, bis zu den Knien reichenden Beinkleidern, Strümpfen und Stiefeln. Sämmtliche Stücke sind aus Seehunds- oder Rennthierfellen sauber gearbeitet. Die letzteren Felle werden ihrer dichten und weichen Behaarung wegen besonders zur Winterkleidung benutzt. Jacket und Beinkleid werden in je zwei Exemplaren übereinander getragen. Das Unterzeug, welches mit Vorliebe – ebenso wie die Strümpfe – aus den wolligen weichen Fellen der jungen Seehunde gearbeitet wird, liegt mit der behaarten Seite auf dem Körper, der obere Anzug zeigt die Haare auf der Außenseite. Beide Anzüge haben gleichen Schnitt und passen sehr genau übereinander. Das Jacket wird über den Kopf angezogen, vorne und hinten ist es geschlossen. Die Kleidung der Frauen unterscheidet sich von der der Männer durch den Schnitt der Beinkleider, die aus zwei getrennten Stücken bestehen, sowie durch einen bis auf die Fersen hinabreichenden Schurz an der Rückseite des Jackets.

Einiges über die Kleidung der Kinder soll später erwähnt werden.

Die Herstellung der Kleidung ruht ganz in den Händen der Frauen und nimmt deren Thätigkeit fast unausgesetzt in Anspruch. Die zur Verwendung kommenden Felle werden sauber von allen anhängenden Fett- und Fleischtheilen befreit und dann auf dem Moose oder Schnee ausgebreitet und mit kleinen Stäbchen befestigt. Haben Luft und Sonne die genügende Trocknung bewirkt, so reinigt man die Felle nochmals durch sorgfältiges Abschaben der Innenseite mit einem Messer oder rauhem Steine. Die erforderliche Weichheit erhalten sie durch Reiben zwischen den Händen oder mit einem kräftigen Knochen. Zum Zuschneiden bedienen sich die Frauen eines halbmondförmigen Messers. Die einzelnen Stücke wissen sie immer so auszuwählen, daß die Zeichnung der Felle auf Brust und Rücken symmetrische Figuren bildet. Diese Symmetrie in der Zeichnung, sowie breite Streifen dunkleren Pelzes an den Rändern der Aermel und Beinkleider bilden den einzigen Schmuck der Kleidung. Nur einmal bemerkten wir eine junge Eskimofrau, die ihr Jacket besonders herausgeputzt hatte, und zwar mit losen Bändchen aus weißem Fell, die von den Schultern gleich Troddeln eines Epauletts herabhingen. Diesen merkwürdigen Schmuck hatte sie nach dem Tode ihres Kindes angelegt. Es ist daher nicht ausgeschlossen, daß demselben irgend eine besondere Bedeutung innewohnte. An Stelle des Zwirns werden bei der Pelzbekleidung dünne Sehnenstreifen benutzt, die in der Länge von etwa einem und einem halben Meter sich in der Bauchfaser des kleinen weißen Walfisches ( Beluga Catodon) in großer Menge eingewebt finden. Beinerne Nadeln sind wenig mehr in Gebrauch, seitdem die Frauen stählerne Nadeln durch die Walfischfänger in genügender Anzahl erhalten können.

Mit der Frostperiode beginnt für die Eskimos die Zeit des ausschließlichen Seehundsfanges, die bis Ende April oder Mai währt. Im Laufe der Monate September und Oktober pflegen die meisten Familien aus dem Innern des Landes, wo sie der Rennthierjagd und in den kleinen Wasserläufen auch dem Fischfange oblagen, nach dem Golf zurückzukehren und ihre alten Wohnsitze an den Küsten und auf den Inseln wieder in Beschlag zu nehmen. Die Boote werden ans Land gezogen und in Sicherheit gebracht. Der Kayak wird des Ueberzuges entkleidet, damit die Hunde ihn nicht zerreißen und auffressen. Die Eskimos sind das einzige Volk unter der amerikanischen Urbevölkerung, welche ein Fuhrwerk auf festem Grunde besaßen. Dieses Fuhrwerk, der Schlitten, Akkomatik, besteht aus zwei hölzernen Kufen, die durch Querhölzer mit einander verbunden sind und zwar wird die Verbindung durch Riemen hergestellt, deren Elasticität auf unebenem Terrain oder beim Anstoßen gegen Schollen eine geringe Verschiebung der Kufen gegen einander gestattet, was der Haltbarkeit des Schlittens zu Gute kommt. Statt des eisernen Beschlages der Kufen sieht man meistens einen Streifen von Walfischknochen untergenagelt. Vor dem jedesmaligen Gebrauch bespritzt der Eskimo diesen Streifen mit Wasser. Der dadurch erzielte dünne Eisüberzug gewährt eine wesentliche Erleichterung beim Fortkommen. In der Ermangelung anderen Materials ist ein Schlitten auch stets schnell aus zwei Eiskufen mit einer Eisdeckplatte herzustellen. Den Schlitten ziehen drei bis zwölf Hunde, je nach der gerade zur Verfügung stehenden Anzahl. Jeder bekommt ein leichtes Ledergeschirr umgeworfen und zieht an einem besonderen Strang, der zwei bis fünf Meter lang ist. Der längste Strang mißt etwa fünf Meter. An ihm ist der Leithund befestigt, der den übrigen die Richtung angiebt und selber einzig durch Zurufe gelenkt wird. Die Hunde ähneln durch Gestalt, Bildung des Kopfes, sowie durch den buschigen Schweif am meisten unseren Spitzhunden. Was sie jedoch von diesen zu unterscheiden scheint, ist das gedehnte klagende Geheul, das man an Stelle des freudigen Gebelles unserer Hunde ausschließlich von ihnen zu hören bekommt. Ob aber diese Stimmänderung nicht vielleicht eher einer Abweichung im Bau des Kehlkopfes als ihrem gedrückten Gemüthszustande zuzuschreiben ist, wie Herr Schliephake annimmt, wird wohl vorläufig noch unentschieden bleiben.

Allerdings führen diese Hunde ein wahrhaft jammervolles Leben. Ein Hundeleben in des Wortes tiefster Bedeutung. Der Lohn für ihre treuen Dienste, für das anstrengende Schlittenziehen sind ein- oder höchstens zweimalige Fütterung mit den Resten fauligen Fleisches, das der Eskimo nicht mehr zu seiner Nahrung gebrauchen kann, und im Uebrigen Schläge und Fußtritte. Sogar die Knochen der Mahlzeiten werden den Hunden vorenthalten, weil der Aberglaube verbietet, sie ihnen zu überlassen. Kein Wunder daher, daß sie sich mit maßloser Gier auf Alles werfen, was nur einigermaßen freßbar erscheint. Leder ist vor ihnen nicht sicher, altes Tauwerk, die Kadaver ihrer verendeten Kameraden, ja selbst ihren eigenen Koth kann man sie mit Gier verschlingen sehen. Während der strengen Kälte des Winters liegen die Hunde meistens im Freien, seltener suchen sie die Vorhalle der Wohnungen auf, wo sie allerdings geduldet werden. Um sich wenigstens einen leidlichen Schutz gegen den Wind zu verschaffen, scharren sie cylindrische Höhlungen in den Schnee, in denen sie sich niederlegen, während der Wind darüber hinwegstreicht. Zu den Rennthierjagden des Sommers bedarf der Eskimo der Hunde nicht und läßt sie deshalb auf kleinen Inseln im Golf zurück. Hier leben sie von Muscheln und anderen Schalthieren, die zur Ebbezeit am Strande unter den Steinen hervorgesucht werden.

Sobald die See beginnt, sich mit Eis zu bedecken, verziehen die Seehunde an die Eiskante oder sammeln sich in schmalen Wasserstraßen zwischen Inseln und in den Ausgängen der Fjorde, wo das Gefrieren des Wassers durch starke Gezeitenströmungen verhindert wird. Nach diesen Stellen fährt frühmorgens der Jäger auf seinem Schlitten und wartet, oft stundenlang unbeweglich still an einen Eisblock gelehnt, auf das Erscheinen des Wildes, das ihm ein sicherer Schuß überliefern soll. Bei dieser Jagd sind außerordentliche Geduldsproben zu bestehen; so erzählt Hall, daß sich ein Eskimo, Kudlago, eine tödtliche Erkältung dadurch zugezogen, daß er zwei Nächte und einen Tag auf einen Seehund gewartet habe. Weiter findet sich in seinem Tagebuche: »Ugarog ist soeben von einem Loche zurückgekehrt, das er sechs und dreißig Stunden nicht verlassen hat. Die ganze Belohnung für diese Ausdauer bestand darin, daß er einmal einen Seehund schnaufen hörte. Er trug sein Mißgeschick mit großer Ruhe und sagte bloß: »Morgen früh gehe ich wieder hin.« Auch dieses Mal kehrte er mit leeren Händen heim und seine Familie mußte hungern. Das getödtete Thier treibt auf dem Wasser und wird durch eine Harpune oder eisernen Haken auf das Eis gezogen. Wenn es die Strömung jedoch nicht in den Bereich der Harpune bringt, besteigt der Jäger eine treibende Eisscholle und lenkt sie mit einigen kräftigen Stößen des Harpunenschaftes in die Nähe des Kadavers. Ist die Beute endlich in seinem Besitz, so wird sie auf den Schlitten geladen und nach Hause gefahren zur willkommenen Mahlzeit für die Daheimgebliebenen. Nicht immer verläuft die Jagd so glücklich. Schon häufig ist es vorgekommen, daß Stürme und Unwetter die Jäger überraschte, die Scholle, worauf sie sich befanden, löste und von dem festliegenden Eise abtrieb, ehe sie es gewahrten. Dann stehen die Männer wohl rathlos und müssen mit festem Muthe dem Tode des Verhungerns oder Erfrierens entgegensehen, während die Angehörigen zu Hause mit Verzweiflung nach den Ihrigen ausschauen. Wird ein solches Unglück rechtzeitig bemerkt, so mag es gelingen, die Vermißten mit Böten vor dem sicheren Verderben zu bewahren. Zuweilen auch erbarmt sich der Wind und führt die Scholle an eine rettende Küste, von wo sie früher oder später zu den Ihrigen gelangen können. Selbst in so verzweifelter Lage verläßt den Eskimo seine kaltblütige Ruhe und sein Humor nicht.

Vor mehreren Jahren trieben von Kekkerten einige junge Männer auf solche Weise in die See hinaus. Tagelang waren sie ein Spiel des Windes und der Strömungen, welche sie weit den Golf hinaufführten, bis plötzlich der Wind umschlug und sie durch einen merkwürdigen Zufall nach Kekkerten zurücktrug, wo sie glücklich das Land erreichten. Sie hatten während ihrer unfreiwilligen Reise einige Seehunde zur Nahrung gefangen und aus deren Fellen eine nothdürftige Hütte gebaut. Herr Dr. Boas, dessen Schilderungen dieser Vorfall entnommen ist, hat einen Spottgesang aufgezeichnet, den einer jener jungen Männer Namens Utütiak in den Stunden der Gefahr gedichtet und komponirt hatte und der heute überall an den Küsten des Cumberlandgolfes nach einer einfachen munteren Melodie gesungen wird. Derselbe lautet:

Aja. Ei, so ist's wahrlich gut,
So ist's gut!
Ei, so ist's wahrlich gut, ja so ist's wahrlich gut!
So ist's gut.

Aja. Gar schön ist's auf dem Eise,
Hier ist's gut!
Schau her auf meinen Pfad: wie weich er ist, wie naß!
So ist's gut.

Aja. Gar schön ist's auf dem Eise,
Hier ist's gut!
Schau her, mein Heimathland! wie weich es ist, wie naß!
So ist's gut.

Aja. Erblicke stets dasselbe
Rings umher,
Wenn ich mich von dem Lager des Morgens früh erheb',
So ist's gut.

Aja. Ei, so ist's wahrlich gut!
So ist's gut.

Die Frühjahrsmonate April und Mai sind die Zeit für den Fang der jungen Seehunde. Die Thiere werden in Höhlungen unter der Schneedecke des Eises zur Welt gebracht, von welchen ein oder mehrere Gänge nach dem Loche führen, durch das die Mutter die Verbindung mit dem Wasser unterhält. Die Hunde wittern die Lager und jagen in rasendem Laufe darauf zu. Schnell springt der Jäger hinauf und vermag leicht durch Eintreten der Schneedecke den Ausweg in das Wasser zu versperren. Um das Fell nicht zu verletzen, setzt der Eskimo ihm den Fuß auf den Bauch und erstickt es durch anhaltenden Druck. Bisweilen muß der Kadaver des Thierchens noch dazu dienen, die Mutter anzulocken, die dann durch einen sicheren Harpunenwurf für ihre Liebe belohnt wird.

Die bei dem niedrigen Stande der Sonne im Frühjahr fast vollständige Reflexion der Strahlen auf den weiten Schneeflächen verursacht um diese Jahreszeit häufig die unter dem Namen »Schneeblindheit« bekannte schmerzhafte Ueberreizung der Netzhaut. Die Eskimos suchen sich dagegen durch eine hölzerne Brille (Taf. III Fig. 1, 2) zu schützen, bei welcher ein schmaler horizontaler Spalt dem Auge nur das nothwendigste Licht zukommen läßt, während ein weit vorstehender Schirm die direkten Sonnenstrahlen gänzlich abhält. Diese einfachen Instrumente beschlagen nicht wie die Brillen aus gefärbtem Glas oder Drahtnetzen. Es würde sich deshalb empfehlen, dasselbe System bei Polarexpeditionen anzuwenden. Der Apparat bewahrt auch die Nase, welche in einem Ausschnitte liegt, vor dem Erfrieren.

Zum Fange der Seehunde und Wale im offenen Wasser besitzt der Eskimo ein besonderes Jagdboot, den »Kayak«. Das fischförmige Holzgestell dieses leichten Bootes, das ein kräftiger Mann bequem fortzutragen vermag, ist mit einem wasserdichten Ueberzug aus Seehundsfellen überzogen, welcher oben in der Mitte eine einzige Oeffnung enthält, groß genug, daß sich der Jäger, seine Beine unter das Deck vorausstreckend, darin niederlassen kann. Von hier aus bewegt er mit einem Doppelruder das gefällige Fahrzeug schnell und gewandt nach jeder beliebigen Richtung. Auf dem Verdeck liegen wohlgeordnet die Jagdgeräthschaften, durch Riemen und Schleifen gehalten. Vor ihm der »Ihimak« oder Tukak (Taf. II Fig. 1, 2, 3), der große Wurfspeer für Seehunde und Wale, dessen Spitze durch einen Walroßzahn oder das Horn des Narwals gebildet wird. Die eigentliche Harpune, »Naulak«, aus Walroßzahn geschnitten und mit einer eingesetzten dreieckigen Spitze aus Eisen, ruht, so lange sie nicht im Gebrauch ist, in einem hölzernen Futteral, Kinailissanga (wörtlich: das Mittel, es nicht ohne Schneide zu machen). Zur Benutzung wird die Harpune auf das Ende des Zahnes gesetzt und mit Riemen fest angezogen. Die Fortsetzung des Riemens liegt aufgerollt in einem hölzernen, tellerförmigen Vorsatz in der Mitte des Vordertheils des Kayaks, während das andere Ende mit einem zu einer Boje aufgeblasenen Seehundsfell auf dem Hintertheil des Schiffes verbunden ist. Ist ein Wurf geglückt, so löst sich vom Schaft der mit Riemen gelenkartig eingesetzte Zahn und in Folge dessen die Harpunenspitze von letzterem und bleibt im Bauche des Thieres sitzen. Der Riemen läuft ab und zieht die Boje mit sich fort. Letztere zeigt den Weg, den das verwundete Thier nimmt, hindert es am Tauchen und schnellen Entweichen. Ist es schließlich mit den übrigen Harpunen vollends getödtet, so wird es ins Schlepptau genommen und ans Land gebracht. Zuvor schließt man jedoch die von der Harpune verursachte Wunde mit beinernen Nadeln, welche durch die Wundränder gezogen werden, um das Ausfließen des kostbaren Blutes zu verhindern. Ein ledernes Täschchen mit solchen Nadeln zeigt Fig. 3 auf Taf. III.

Zum Fangen der großen Wale umringen mehrere Kayaks mit kühnem Muthe das gefährliche Thier und befestigen so schnell als möglich ihre sämmtlichen Bojen in der bezeichneten Weise an demselben.

Der Wurfspieß für Enten, Nuing (Taf. II Fig. 4, 5), besitzt außer einer beinernen Spitze am Ende drei mit Widerhaken versehene Ausläufer in der Mitte des Schaftes. Ist die Vorderspitze unschädlich vorbeigeglitten, so bieten die hinteren noch die Möglichkeit, das Thier mit Hals oder Flügeln an den Schaft zu klemmen. Um den Speer mit solcher Gewalt schleudern zu können, daß er bis zur Mitte in das Wasser taucht, wird er mit dem hinteren Ende in ein eigenthümliches Handholz von etwa 45 Centimeter Länge eingelegt, wodurch der Hebelarm der Kraft um dieses Stück vergrößert wird.

Eine alte Lanzenspitze aus Knochen zeigen Fig. 4 und 5 auf Taf. III in der Vorder- und Rückansicht, Fig. 7 auf Taf. II eine solche mit eingesetzter eiserner Schneide. Zugleich ist in dieser Figur die Art der Befestigung dieser Spitze mittels Riemen an dem ebenfalls beinernen Schaft zu erkennen. Beide Lanzen sind heute nicht mehr im Gebrauch. Die Spitze der ersteren stammt augenscheinlich aus einer Zeit, in welcher eiserne Schneidewerkzeuge noch unbekannt waren. Man sieht an dem Orginal, daß die Ruthen auf der Rückseite, in welche die Befestigungsriemen eingelassen wurden, durch eine Reihe neben einander liegender Löcher hergestellt sind. Diese Löcher sind wahrscheinlich mit einem spitzen Feuerstein oder dergleichen eingebohrt. In Fig. 6 Taf. II ist eine Harpune mit langer knöcherner Spitze dargestellt; zwei solcher liegen gewöhnlich auf dem Hintertheile des Kayaks.

Nächst der Rennthierjagd ist der Lachsfang die Hauptbeschäftigung des Eskimos in der kurzen Sommerszeit. Diese Fische, welche in zahllosen Schaaren die nördlichen Meere zu bevölkern scheinen, ziehen im Frühjahr zum Laichen die Flüsse und kleinen Wasserläufe hinauf und kehren im Laufe des Sommers in das Meer zurück. Mit gespreizten Beinen an den schmalen untiefen Stellen der Flüsse stehend, lockt der Eskimo die Fische durch kleine aus Walroßzahn geschnitzte Fische oder Rennthierzähne an, die er an dünnen Fädchen im Wasser spielen läßt. Naht sich ein Lachs, so fährt mit schnellem kräftigen Stoße der Ukadluneung, eine dreizackige Harpune (Fig. 5 Taf. III) hernieder und spießt das Thier auf seine mittlere Spitze. Die seitlichen Zacken sind mit Widerhaken versehen, die den Fisch festklemmen.

Zur sicheren Handhabung der Waffen ist eine Geschicklichkeit erforderlich, die nur durch langjährige Uebung erworben werden kann. Frühzeitig muß sich daher der Knabe mit ihnen vertraut machen, wenn er als Mann in den harten Kämpfen bestehen will, ohne welche jene karge Natur sich die Mittel zu seinem und der Seinigen Unterhalt nicht entreißen läßt.

Hat der Jüngling den Beweis geliefert, daß er im Stande ist, mit kräftigem Wurfe den Seehund in seinem Athemloche zu harpuniren und das schnelle Rennthier zu erlegen, so darf er auch an die Gründung eines eigenen Haushaltes denken. Die Eskimos heirathen frühzeitig, die Männer um das siebzehnte, die Mädchen häufig schon im vierzehnten Lebensjahre. Schon bei der Geburt werden die Kinder für einander bestimmt, so daß immer dem jüngsten Knaben das letztgeborene Mädchen anverlobt ist. Besondere Zeremonien scheinen mit der Hochzeit nicht verbunden zu sein, doch soll der junge Mann die Verpflichtung haben, den Schwiegereltern ein Geschenk zu machen, das in der Regel in einigen Hunden und erbeuteten Fellen besteht und wahrscheinlich eine Entschädigung für den Verlust an Arbeitskraft darstellt, den der elterliche Haushalt durch den Fortgang der erwachsenen Tochter erleidet. Ein gewisses Eigenthumsrecht, das den Eltern an ihrer Tochter nach deren Verheirathung noch verbleibt, läßt der Umstand erkennen, daß der Ehemann in den weitaus meisten Fällen zur Familie seiner Frau und damit auch in deren Stamm übertritt. Erst nach dem Tode der Eltern folgt die Frau ihrem Gatten in dessen Heimath.

Klutschak erwähnt die Tätowirung der Frauen als Zeichen der Ehe bei den Eingeborenen der Nordküste Amerikas. Im Cumberlandgolf muß diese Sitte in jüngster Zeit aufgehört haben, wenigstens konnte man nur bei älteren Frauen eine Bemalung der Gesichter bemerken.

Recht umständlich waren die Eheschließungen heidnischer Eskimos in Labrador. Die Anfrage des Bräutigams in spe bei den Eltern der Braut war eine ziemlich ausführliche. Die Besprechungen für und wider währten oft wochenlang. Ehe ein Beschluß von den Eltern gefaßt war, durfte keine Anfrage an die Auserlesene gerichtet werden, die ihre Zusage gewöhnlich in den Worten abgab: » egi-punga« d.h. »ich werfe mich weg«. Sie zog sodann die Kapuze über den Kopf, ließ den Bräutigam mehrere erfolglose Versuche machen, sie in sein Haus zu holen, bis sie endlich den Bitten der künftigen Schwiegermutter, zu ihr ins Haus zu kommen, nachgab. Die junge Frau pflegte acht bis vierzehn Tage mehr oder weniger ununterbrochen zu weinen, dem der junge Ehemann oft durch Schläge vergeblich ein Ende zu machen suchte. Dieses Prügeln ist sprichwörtlich geworden, man kann noch jetzt von mißvergnügt lebenden Ehepaaren sagen hören: »sie zanken sich wie junge Eheleute.« Aus brieflichen Mittheilungen des Herrn Pastor Elsner in Bremen, früher Prediger der Brüdergemeinde in Labrador.

Die erwähnte, aller symbolischen Handlungen bare Art der Eheschließung steht vollkommen im Einklang mit der ganzen Auffassung des ehelichen Lebens der Eingeborenen, wie es sich in ihren Sitten zu erkennen giebt. Die Polygamie ist gestattet, kann jedoch wegen der geringen Ueberzahl der Frauen über die Männer und wegen der Schwierigkeit des Unterhaltens mehrerer Frauen nur selten vorkommen. Umgekehrt dürfen zwei Männer auch eine Frau gemeinsam haben. Waitz, Anthropologie S. 308. Der Ehemann hat das Recht, eine Frau, die ihm auf die Dauer nicht zusagt, insbesondere nicht den nöthigen Fleiß und die Geschicklichkeit zur Anfertigung der Kleider besitzt, ihren Eltern zurückzugeben. Frauentausch gehört ebenfalls nicht zu den Seltenheiten.

Der Kinguamio Okeitung, den die deutsche Polarstation für die Dauer ihres Aufenthaltes in Baffinland in Dienst genommen hatte, nahm nach dem Tode seiner zweiten Frau ein junges Mädchen Namens Avinga als Gattin zu sich, vertauschte sie jedoch schon nach wenigen Monaten gegen ihre Schwester, die bis dahin mit einem anderen Eskimo in Ehegemeinschaft gelebt hatte.

Die Frauen werden übrigens gut behandelt, wenigstens erhalten sie keine Schläge, über deren Mangel sich die Frauen aller unkultivirten Völker sonst nicht beklagen können. Man darf jedoch nicht übersehen, daß in den Prügeln, die eine Frau von ihrem eifersüchtigen Gatten erhält, nächst dem Zorn auch liebevolle Theilnahme für das moralische Wohlergehn der besseren Hälfte zum Ausdruck kommt. Der Eskimo steht hingegen dem sittlichen Lebenswandel des weiblichen Geschlechts mit Gleichgültigkeit gegenüber. Die Frauen lassen sich kaufen, verkaufen, vertauschen, verleihen und entehren, ohne daß die Männer sich viel darum kümmern. Erstere haben infolgedessen jede Zurückhaltung und Treue verloren. Petitot weist zur Erklärung dieses Verhältnisses auf die Möglichkeit hin, daß die Frauen einer unterworfenen Bevölkerung angehört haben könnten, welche die Innuits mit sich verschmolzen haben, indem sie die Frauen und Mädchen zu ihren Weibern nahmen, an denen jedoch der Charakter des Gemeingutes haften blieb, der dann im Laufe der Zeit auf das ganze Geschlecht überging. Petitot will auch körperliche und sprachliche Merkmale für eine Rassenverschiedenheit zwischen Männern und Frauen bemerkt haben. Als richtig dürfte diese Erklärung indessen wohl nur dann angenommen werden, wenn sie in den bisher nur wenig bekannten historischen Ueberlieferungen der Eskimos Bestätigung fände. Einfacher erscheint die Annahme, daß sich das sexuelle Leben der Eskimos noch auf der Entwicklung von Geschlechtsgenossenschaft zur Ehe befindet.

Ein Brauch, der mit dem Frauentausch verwandt ist, kommt bei einer religiösen Feier zur Ausführung, die später beschrieben werden soll.

Die leichte Adoption fremder Kinder bei Eskimofamilien läßt sich aus den oben geschilderten Verhältnissen ebenfalls verstehen, wenn man annimmt, daß ihnen zufolge die Kinder gewissermaßen als gemeinsames Eigenthum betrachtet werden, für dessen Wohlfahrt nach Kräften zu sorgen, ein Jeder in gleichem Maaße verpflichtet ist. Als große Kinderfreunde werden die Eskimos von allen Reisenden gerühmt. Körperliche Züchtigung kommt als Erziehungsmittel niemals in Anwendung, ebensowenig wie harte Scheltworte, dagegen scheinen die Kinder sich auch gerade keiner hervorragenden Unarten zu befleißigen. Fremden gegenüber sind sie scheu und halten sich bescheiden zurück. In Begleitung ihrer Eltern kamen im Sommer häufig Kinder zur Station und in den Proviantraum. Man konnte ihnen kein größeres Vergnügen bereiten, als durch ein Stückchen Schiffszwieback, das zuvor in das Syrupsfaß getaucht war. Die kleinen braunen Gesichtchen strahlten dann vor heller Freude und mit einem aufrichtigen »kuyonamik« sprangen sie davon, um den köstlichen Bissen im Freien zu verzehren. Die Kinder vergelten die sorgliche Liebe der Eltern durch Achtung und Gehorsam und folgen den Weisungen der Alten auch als Erwachsene unbedingt. Für den Unterhalt der alten und schwachen Leute sorgen die Jüngeren in aufopfernder Weise. Bei den gemeinsamen Mahlzeiten werden die Greise und Wittwen zuerst bedacht, so lange überhaupt noch ein Stück Fleisch im Hause ist.

In dieser durch Erziehung und Sitte bedingten hohen Achtung vor dem erfahrenen Alter wird man wohl zum Theil die Erklärung für die anscheinend fehlende richterliche Gewalt suchen müssen.

Im grellen Gegensatze zu den erwähnten edlen Charakterzügen steht das Verhalten der Eskimos Sterbenden gegenüber. Neigt sich die Krankheit eines Familienmitgliedes zum Schlimmeren und sieht der Angekok sich außer Stande, durch Zauberei und geheimnisvolle Gesänge den bösen Geist zu verscheuchen und muß er den Kranken dem Tode zusprechen, so wird der Sterbende unbarmherzig aus der Wohnung und der Umgebung seiner Familie entfernt. Im Winter errichtet man ihm ein kleines Schneehaus, im Sommer ein dürftiges Zelt, eben groß genug, um seinen Körper vor Wind und Regen zu schützen.

»Niemand wagt sich zu ihm, um nicht mit der Leiche in Berührung zu kommen. Alles, was der Todte benutzt hat, wird unbrauchbar für die Lebenden; das Zelt, in dem er starb, seine Geräthe, die Kleidung, welche Jemand trug, der mit dem Todten in Berührung kam: alles fällt der Vernichtung anheim. Die Häuser, in denen der Todte einst gemeinsam mit den Ueberlebenden wohnte, werden verlassen und fallen der Gier der Hunde zur Beute, welche sie bald niederreißen und die Felle, aus denen sie erbaut sind, zerfressen. Nur die nächsten Verwandten müssen drei Tage lang in der Hütte wohnen, ohne dieselbe zu verlassen, um über den Todten zu trauern. Drei Tage nach dem Hinscheiden umschwebt der »Tupilak«, die Seele des Verstorbenen, den todten Körper, um erst dann hinabzusteigen zu Sedna's Wohnung, wo er ein Jahr lang weilt.

Während dieser Tage darf kein Jäger ausziehen, kein Hund darf vor den Schlitten gespannt werden, keine Arbeit darf verrichtet werden und selbst in strengen Hungerszeiten gehorchen die Eskimos dem strengen Gebote. Der Leichnam wird sogleich nach eingetretenem Tode auf den Schlitten gelegt und unter Steinen begraben, oder auch nur an einen entfernten Ort getragen. Mitunter bringen ihm die Eskimos im Laufe des Jahres Nahrung, die der dankbare Geist des Todten hundertfach zurückgeben wird.« Boas, die Eskimos des Baffinlandes, Vortrag vom V. Deutschen Geographentage.

Nach persönlicher Mittheilung eines seit Jahren unter den Eskimos weilenden Walfischfängers muß der einmal ausgesetzte Kranke, wenn er trotz aller Weissagung des Angekok die Gesundheit wiedererlangt, bei der Rückkehr zum Stamme einen neuen Namen annehmen und wird als ein neues, fremdes Mitglied betrachtet.

Will man für die vorstehend geschilderten, seltsamen und strengen Gebräuche bei Sterbefällen eine natürliche Erklärung suchen, so läßt sich annehmen, daß sie ihr Entstehen einer dunklen Vorstellung der möglichen Krankheitsübertragung durch Personen und Sachen verdankt, die mit dem Kranken in Berührung waren.

Die Mitglieder der deutschen Polarstation hatten Gelegenheit einen Fall der eben beschriebenen Art zu beobachten. Um die Weihnachtszeit erkrankte die etwa ein und einhalbjährige Tochter des Eskimos Okeitung. Die schwache Constitution des zarten Wesens ließ von vornherein wenig Hoffnung auf Genesung zu. Okeitungs Schwiegervater kam bald von Anarnitung zur Station herüber und brachte zwei seiner Landsleute mit, die ohne Zweifel Angekoks waren, wenigstens hörte man während ihrer Anwesenheit des Nachts häufig monotone Gesänge im Zelte erschallen. Im Uebrigen hielten sie ihr Treiben jedoch geheim. Neben den Angekoks wurde jedoch der Arzt der Station Herr Dr. Schliephake täglich um Rath gefragt und diesem gelang es trotz der Zauberer die Hoffnung auf Genesung des Kindes bei den Eltern bis zum Aeußersten wachzuhalten und dadurch das Aussetzen des armen Geschöpfes zu verhindern. In den ersten Tagen des Januar starb das Kind. Der Vater erbat sich für die Beerdigung eine leere Kiste. Die kleine Leiche wurde in ihrer Kleidung hineingelegt und auf dem Schlitten durch zwei Männer nach einem Vorgebirge in der Umgebung der Station gebracht und dort in halber Höhe des Berges im Schnee beigesetzt, Okeitungs Schwiegervater hatte schon mehrere Tage vor dem Tode des Kindes unter beständigem Weinen ein Schneehaus zum künftigen Aufenthalt der Familie errichtet. Zunächst schlossen sich jedoch die Eltern, nachdem die Angekoks wieder abgereist waren, einige Tage in ihrem alten Zelte ein. Dann suchte Okeitung um Urlaub nach um mit seiner Frau nach Anarnitung zu gehen, wo sie Felle zur Anfertigung neuer Kleider zu erhalten hofften. Vom Verfasser erbat er sich einen Anzug zurück, den er diesem für seine ethnographische Sammlung früher verkauft hatte. Die Familie verweilte einige Wochen unter ihren Landsleuten in Anarnitung und bezog nach ihrer Rückkehr im Februar das neuerbaute Schneehaus. Bei dieser Gelegenheit brachte Okeitungs Frau die bereits erwähnte Avinga als Gefährtin mit, welche sich im folgenden Sommer mit einem Halbblut-Eskimo, dem Sohne eines Portugiesen und eines Eskimomädchens vermählte, um ein Jahr darauf nach dem Tode von Okeitungs Frau dessen Gattin zu werden. Das alte Zelt, aus dem einige Sachen, wie die Lampen und andere Geräthe, die von Europäern herrührten, bereits vor der Abreise entfernt waren, wurde vollständig verlassen und niemals wieder betreten. Den Hunden bot es zunächst willkommenen Schutz gegen die empfindliche Kälte des letzten Wintermonats, wenigstens so lange bis sie die Decke herabgerissen und zerfressen hatten. Dann fiel es gänzlich zusammen. Im Sommer zog Okeitung vorsichtig die noch zusammenhängenden Zeltstangen heraus ohne den verfehmten Platz zu betreten. Die Stangen durften zum Bau eines neuen Zeltes wieder verwendet werden. Man sieht, daß so streng dieser Brauch auch ist, er doch kleine Concessionen an die Nützlichkeit zuläßt.

Die Gefahr, welche mit einer Entbindung mehr oder weniger stets verknüpft ist, mag auch der Grund sein, weshalb den Frauen einige Zeit vor der Niederkunft – nach Klutschak sogar vier Wochen – ein besonderes Obdach, Zelt oder Schneehaus, errichtet wird, in welchem das Kind das Licht der Welt erblickt.

»Das erste Kleid, welches die Mutter ihm bereitet, besteht aus dem Gefieder irgend eines Vogels. Aber schon nach wenigen Tagen wird dieses gegen ein aus Rennthierfellen bestehendes vertauscht. Eine kleine Mütze, aus dem Kopfe eines Rennthierkalbes gearbeitet, deckt den Kopf, eine kleine Jacke den Oberkörper und zwei Stiefelchen aus Rennthierfell, von denen das eine mit Seetang umwunden wird, bedecken die Füße. So lange das Kind die zweite Kleidung trägt, wird die erste auf einer Stange auf der Hütte aufgestellt; ebenso später die zweite, und beide werden ein Jahr lang sorgfältig aufbewahrt. Ein Theil dieses ersten Gewandes ist es, welches der Eskimo alljährlich beim Herbstspiele als Amulett an der Spitze der Kapuze zum Schutze gegen Sedna befestigt. Bleibt das Kind gesund, so erhält es bald ein drittes Gewand, welches ganz aus Rennthierfellen gearbeitet wird.

Die Mutter verläßt nun wieder die kleine Hütte und trägt das Kind in der großen Kapuze ihres Kleides umher. So lange sie in der Hütte weilt, darf sie nur von ihrem Gatten erlegtes Fleisch essen oder solches, das von einem Kinde als erste Jagdbeute nach Hause gebracht ist. So gastlich auch sonst der Eskimo seine Vorräthe mit dem Bedürftigen theilt, der jungen Mutter giebt er Nichts, da er glaubt, daß es ihm und ihr Verderben bringen muß.

Ist das Kind ein Jahr alt, so werden die beiden ersten Kleidungen desselben in das Meer versenkt; nur ein Theil der ersten aus Vogelfellen gearbeitete wird, wie schon erwähnt, als Amulett sorglich aufbewahrt. Den Namen erhält das Kind schon vor der Geburt, indem es regelmäßig den des letztgestorbenen Eskimo der Ansiedlung erbt. Es ist gleichgültig, ob dieser ein Mann oder eine Frau war, da es keinen Unterschied zwischen Männer- und Frauennamen giebt. Zu diesem Namen kommt bei jedem Todesfalle ein neuer, der des Verstorbenen hinzu, bis das Kind etwa 4 Jahr alt ist, doch bleibt für gewöhnlich der erste Name der Rufname. Stirbt indeß ein naher Verwandter der Familie, zu welcher das Kind gehört, so wird sein Name geändert und der des Todten der Rufname. In Fällen schwerer Krankheit pflegen sie auch wohl die Namen – selbst alter Leute – zu ändern, um die Krankheit abzuwenden, oder den Kranken als einen Hund Sednas zu weihen. In diesem Falle erhält er den Namen eines Hundes und muß sein Leben lang ein Hundegeschirr über dem inneren Pelzkleide tragen. Auf solche Weise kommt es, daß die Eskimos sehr viele Namen haben und in den einzelnen Ansiedlungen oft unter verschiedenen Namen bekannt sind Boas, die Eskimos des Baffinlandes. S. 13

Die Angekoks, deren im Vorhergehenden mehrfach gedacht wurde, nehmen bei den Eskimos dieselbe Stellung ein, wie die Medicinmänner bei den Indianern; sie sind Aerzte und Zauberer und stehen in dem Rufe, mit der Geisterwelt persönliche Beziehungen zu unterhalten. In Krankheiten und Unglücksfällen werden sie stets um Rath gefragt und kommen dabei selten in Verlegenheit, da sie ihren Landsleuten die unglaublichsten Geschichten aufzubinden wagen.

Egede erzählt: Ein Angekok hatte einem Manne, der über Bauchgrimmen klagte, eingebildet, daß er mit einem Seehunde schwanger ginge. Ein wenig Branntwein vertrieb diese Furcht, von der er schon glaubte den Kopf zu fühlen. Ein Eskimo behauptete, er habe die Stütze worauf der Himmel im Norden ruht, krachen hören. Der Angekok hatte ihm nachher erzählt, daß sie verfault wäre und falls der Himmel herunterfiele, zerschmettere er alle Menschen. Nicht immer findet der Angekok gläubige Zuhörer. Ein Angekok wurde auf eine recht artige Weise von seinem eigenen Landsmanne beschämt. Als er wie gewöhnlich im Finstern hexte, seine Stimme veränderte und sich selbst als Tornarsuk (der gute Geist der Grönländer) antwortete, hielt einer sein Ohr zur Erde und antwortete mit Tornarsuks Stimme: »Angekkorsoak seglokan«, d. i. der große Zauberer lügt unverschämt, worauf das Schauspiel mit Gelächter endigte Egede, Nachrichten von Grönland

Einer der Angekoks unter den Kinguamiut, Abbok mit Namen, ein großer stattlicher Mann, war als Matrose mit einem Walfischfänger nach New-York und den canarischen Inseln gekommen und wußte daher seinen Landsleuten Vieles zu erzählen. Als er sich jedoch zu der Behauptung verstieg, ein mächtiger Geist habe ihn auch zum Monde geführt, wo er von den Bewohnern freundlich aufgenommen sei, erhielt er den Beinamen »der Lügner«. Die grönländischen Zauberer bedienten sich ehemals einer besonderen Sprache, in welcher sie die Worte in einer der gewöhnlichen entgegengesetzten oder metaphorischen Bedeutung gebrauchten, z. B.:

 

Landessprache Angekoksprache
Nukakpiok = Junggeselle Mädchen
Niviarsiak = Mädchen Junggeselle
Tarsoak = die große Finsterniß Erde
Tarrub tunga = diese Seite der Finsterniß Norden
Kaumatib tunga = diese Seite des Lichtes Süden

 

Die religiösen Vorstellungen der Eskimos weichen bei den Bewohnern verschiedener Landstriche wesentlich von einander ab.

In Labrador soll vor der Einführung des Christenthums die Ansicht verbreitet gewesen sein, daß die guten Menschen nach dem Tode auf dem Monde ein glückliches, die bösen in einem Loche in der Erde ein unglückliches Leben führen. Auf das Vorhandensein eines Glaubens nach dem Tode weisen auch die Gefäße hin, die man dort mit den Todten zu begraben pflegte. Die auch von Waitz (Anthropologie S. 311) erwähnte Sitte, mit der gestorbenen Mutter zugleich den überlebenden Säugling zu begraben, beruht auf keinem religiösen Aberglauben, sondern ist eine traurige Nothwendigkeit, zu welcher der Mangel an Nahrung für das Kind treibt.

Von einem eigentlichen Religionssystem fanden sich in Labrador kaum Spuren, doch glaubten diese Eskimos an zwei höhere Wesen, aber merkwürdiger Weise nicht an ein gutes und böses, sondern beide standen dem Menschen feindlich gegenüber. Das eine »Torngak« in Gestalt eines Moschusochsen suchte sie zu Lande zu schädigen, dem anderen »Mitteluk« hatten sie dieselbe Art zu wirken in der See zugewiesen. Seine Gestalt beschreiben sie als die eines großen fürchterlich aussehenden Fisches, aber im Kleide der Eidervögel. Daher auch wohl sein eskimoischer Name, welchen die ersten Missionare unter ihnen mit Gespenst übersetzt haben, während sie das deutsche Wort »Teufel« mit »Torngak« wiedergeben. Später hat man jedoch diese Uebersetzung beanstandet und das Wort »Satan« eingeführt. Jetzt würde es auf den Missionsstationen kein Mensch mehr glauben, daß das Wort Satan in der Eskimosprache ein Fremdwort ist. Es fehlte aber den Missionen ganz und gar an einer Benennung für »Gott«. Daher mußte ein Wort eingeführt werden und man wählte das dänische »Gud«, welches sich in der Deklination den eskimoischen Lauten anschmiegt, z. B. Genitiv: Gudip, Gottes; Dativ: Gudiptingnut, unserem Gotte. Auch von diesem Worte wird jetzt kaum ein Eskimo an der Labradorküste glauben, daß es nicht urwüchsig ihrer Sprache entstamme Briefl. Mittheilung des Herrn Pastor Elsner

Bei den Eskimos der Nordküste des Festlandes von Amerika findet man den Begriff einer einzigen Gottheit, von der keine Götzenbildnisse gemacht werden. Man begegnet auch den Ideen eines künftigen Lebens in einem ewig dauernden Sommer, sowie dem Glauben an einen guten und schlechten Ort Klutschak, als Eskimo unter den Eskimos. S. 227

Die Grönländer besaßen nach Egede's, Cranz' und Rink's Forschungen zwei Hauptgottheiten: »Den guten nennen sie Tornarsuk, das ist der Angekoks ihr Orakel, zu dem sie so manche Reise an den unterirdischen glückseligen Ort anstellen, um sich mit ihm über Krankheiten und deren Kur, über gut Wetter, guten Fang und dergleichen zu besprechen. Wegen seiner Gestalt sind sie nicht einig. Einige sagen er habe gar keine Gestalt. Andere beschreiben ihn als einen großen Bär, oder als einen großen Mann mit einem Arm, oder so klein als einen Finger. Er ist unsterblich und doch könnte er getödtet werden, wenn Jemand in dem Hause, wo gehext wird, einen Wind ließe.

Der andere große aber mißgünstige Geist ist eine Weibsperson ohne Namen, ob sie des Tornarsuks Weib oder Mutter ist, darin sind sie nicht einig. Doch glauben die Nordländer, daß sie des starken Angekok's Tochter ist, der das Eiland Disko vom festen Lande beim Bals-Revier abgerissen und an die hundert Meilen nach Norden bugsirt hat. Diese höllische Proserpina wohnt unter dem Meere in einem großen Hause, darinnen sie durch ihre Kraft alle Seethiere gefangen halten kann. In der Thranbütte, die unter ihrer Lampe steht, schwimmen die Seevögel herum. Die Hütte wird von aufrechtstehenden Seehunden, die sehr beißig sind, bewacht. Oft steht auch nur ein großer Hund davor, der nie länger als einen Augenblick schläft, und also sehr selten überrascht werden kann. Wenn einmal Mangel auf der See ist, muß der Angekok für gute Bezahlung eine Reise dahin vornehmen. Sein Torngak oder spiritus familaris, der ihn vorher wohl unterrichtet hat, führt ihn zuerst durch die Erde oder See. Dann passirt er das Reich der Seelen, die alle herrlich leben. Hernach kommt ein gräulicher Abgrund oder Vacuum, darüber ein schmales Rad, das so glatt wie Eis ist, sehr schnell herum gedreht wird. Wenn er glücklich darüber gekommen ist, führt ihn der Torngak bei der Hand auf einem über den Abgrund gespannten Seil durch die Seehundswache in den Palast dieser höllischen Furie. Sobald sie die ungebetenen Gäste erblickt, schüttelt und schäumt sie vor Zorn und bemüht sich einen Flügel von einem Seevogel anzuzünden, durch dessen Gestank sich Angekok und Torngak ergeben müssen. Diese aber greifen sie an, ehe sie räuchern kann, schleppen sie bei den Haaren herum, reißen ihr das unfläthige Angehänge ab, durch deren Charme die Seethiere aufgehalten werden, die darauf sogleich in die Höhe des Meeres fahren. Sogar findet der Held den Rückweg ganz leicht und ohne Gefahr Cranz, Hist. v. Grönland. S. 263 u. ff«

Der den Menschen wohlgesinnte Geist Tornarssuk d. i. der große Tornak wohnt nach Vorstehendem unter der Erde, und bei ihm die Arsissut (d. h. »solche die im Ueberfluß leben« Rink, Tales and traditions of the Esquimana. S. 30., die Geister der guten Menschen und der eines gewaltsamen Todes Gestorbenen. Ein gewaltsames Ende scheint hiernach als Strafe und Sühne für die Verbrechen der Menschen im Leben aufgefaßt zu werden. Wer dagegen schuldbeladen eines natürlichen Todes stirbt, lebt droben im Himmel fort und muß Hunger und Kälte erdulden. Diese Seelen werden Arsassut oder Ballspieler genannt, weil sie mit dem Schädel eines Walrosses Ball spielen, wodurch das Nordlicht erzeugt wird.

Der Glaube an eine Fortexistenz der menschlichen Seele nach dem Tode, an einen Aufenthalt für die guten und einen für die schlechten Geister findet sich gleichfalls bei den Bewohnern des Baffinlandes, nur verlegen diese ihr arktisches Paradies Kudlivun, das von zahlreichen Rennthierheerden bevölkert und frei von Eis und Schnee ist Boas, die Sagen der Baffinland-Eskimos. Verhandl. d. Berl. Anthropol. Ges. S. 162, in die Oberwelt und die Hölle, Adlivun in die Unterwelt. Auffallender Weise ist jedoch diesen Eskimos der Glaube an einen guten Beherrscher der Geister völlig unbekannt, während die Unterwelt unter der Botmäßigkeit eines weiblichen, den Menschen übelgesinnten, Wesens steht.

Wenn man annimmt – und hierfür bietet die Sprache genügenden Anhalt – daß die Eskimos Grönlands und Baffinlands ursprünglich eines Stammes und somit sicher auch eines Glaubens gewesen, so läßt sich nicht einsehen, wie den Letzteren ein so wesentlicher Bestandtheil ihrer religiösen Anschauungen wie die Vorstellung eines guten Gottes gänzlich verloren gegangen sein könnte. Vielmehr liegt der Gedanke nahe, daß diese Vorstellung nach der Trennung beider Stämme, also erst in Grönland entstanden ist. Läßt man aber die Ansicht von Waitz bestehen, daß die Ueberreste der früheren normanischen Bevölkerung auf Grönland sich mit den Eskimos vermischt haben, so ist auch die Vermuthung gerechtfertigt, daß jene Christen den Glauben an einen guten Gott auf die Eskimos übertragen, den diese dann ihrem religiösen Ideenkreise angepaßt haben. Die Aehnlichkeit im Wesen des Tornarssuk mit dem christlichen Gotte ist so groß, daß, wenn sie von unserem Gotte hören, sie stets glauben, es sei ihr Tornarsuk gemeint, wie Egede bemerkt.

Die religiösen Vorstellungen der Bewohner des Baffinlandes concentriren sich ganz auf »Sedna« die Göttin der Unterwelt. Der Inhalt dieser Sage ist nach Boas Boas, die Eskimos des Baffinlandes. Vortrag vom V. Deutschen Geographentag in Hamburg. S. 7 u. ffwesentlich der Folgende:

»Vor langer, langer Zeit lebte ein Innung mit seiner Tochter Sedna am einsamen Strande. Seine Frau war längst gestorben, und beide führten in ihrer Hütte ein gar stilles Leben. Sedna war zu einer schönen Jungfrau herangewachsen, und von allen Seiten strömten Jünglinge herbei, um ihre Hand zu werben. Keiner aber vermochte es, das stolze Herz Sednas zu rühren. Einst, als der Frühling nahte und das Eis brach, kam ein Sturmvogel auf stolzen Fittigen über das Meer gezogen und warb mit schmeichelnden Tönen um Sedna.

›Komm zu mir,‹ so sprach er, ›komm ins Land der Vögel, wo niemals Hunger herrscht! Mein Zelt ist aus den schönsten Fellen erbaut; auf weichen Rennthierfellen sollst Du ruhen. Meine Genossen, die Sturmvögel, sollen Dir alles bringen, was Dein Herz begehrt, ihre Federn sollen Dich kleiden, Deine Lampe soll immer mit Oel, Dein Topf immer mit Fleisch gefüllt sein.‹

Solchem Werben widerstand Sedna nicht lange, und sie zogen zusammen über das weite Meer.

Als sie endlich nach langer, beschwerlicher Reise im Lande der Sturmvögel ankamen, sah Sedna, daß ihr Gatte sie schmählich betrogen hatte. Nicht aus glänzenden Fellen war ihr neues Heim erbaut; elende, durchlöcherte Fischhäute, durch welche Wind und Schnee eindrangen, deckten es. Statt weicher Rennthierfelle dienten harte Walroßhäute ihr als Lager, und von armseligen Fischen, welche ihr die Vögel brachten, mußte sie sich ernähren. Nur zu bald mußte sie sehen, daß sie einst in thörichtem Hochmuthe ihr Glück verscherzt hatte, als sie die Innuitjünglinge stolz zurückwies. In ihrem Schmerze sang sie:

›Aja. O Vater, wüßtest Du mein Leid, zu mir würdest Du ziehen. In Deinem Boote durcheilten wir die weiten Gewässer. Unfreundlich blickt auf mich, die Fremde, jeder Vogel. Die kalten Winde umtosen mein Lager; schlechte Nahrung bietet man mir. O, komm und nimm mich zurück zur Heimath! Aja.‹

Als ein Jahr vergangen war und das Meer sich wieder unter milderen Winden bewegte, verließ der Vater seine Hütte, um Sedna zu besuchen. Voller Freude begrüßte ihn die Tochter und flehte ihn an, sie zurückzunehmen zu seiner Hütte. Der Vater, den seine Tochter jammerte, nahm sie ins Boot, als der Vogel auf Jagd ausgegangen war, und rasch verließen beide das Land, welches Sedna so viel Jammer gebracht hatte.

Als Abends der Sturmvogel nach Hause kam und sein Weib nicht fand, ward er sehr zornig. Er berief seine Genossen um sich, und alle flogen aus, um die Verschwundene zu suchen. Bald erblickten sie den Kahn mit den Flüchtigen und beschworen nun einen schweren Sturm. Das Meer erhob sich in gewaltigen Wogen, welche das kleine Fahrzeug mit Tod und Verderben bedrohten.

Da, in der höchsten Todesgefahr, beschloß der Vater, Sedna dem Zorne der Vögel zu opfern und warf sie über Bord. Sie aber klammerte sich mit der Kraft der Todesangst an den Rand des Bootes fest. Da ergriff der grausame Vater ein Messer und schlug ihr die ersten Glieder der Finger ab. Als diese ins Meer fielen, verwandelten sie sich in Wale. Nur fester hielt Sedna das schützende Boot – und auch die zweiten Glieder fielen unter dem scharfen Messer. Sie schwammen als Seehunde davon. Als der Vater auch den Rest der Finger abschnitt, entstanden die Bartrobben.

Mittlerweile hatte sich der Sturm gelegt, da die Sturmvögel glaubten Sedna sei ertrunken. Daher erlaubte der Vater ihr wieder, in das Boot zu kommen. Sie aber hegte seit diesem Augenblicke unauslöschlichen Haß gegen ihn und schwur bittere Rache.

Als sie an das Land gekommen waren, rief sie zwei Hunde zu sich und ließ sie die Füße und Hände ihres schlafenden Vaters fressen. Da verfluchte dieser sich selbst, seine Tochter und die Hunde, welche ihn verstümmelt hatten; die Erde öffnete sich und verschlang die Hütte, Vater, Tochter und Hunde. Seitdem leben beide in dem Laude Adlivun, dessen Herrin Sedna ist.

Die Seehunde, Robben und Wale, die aus den Fingern Sedna's entstanden waren, vermehrten sich rasch und erfüllten bald alle Gewässer, den Innuit willkommene Nahrung bietend. Sedna aber haßt seitdem die Innuit, die sie schon auf Erden verachtete, da sie die Geschöpfe, die aus ihrem Fleisch und Blut entsprossen sind, verfolgen und tödten.

Ihr Vater, welcher sich nur noch kriechend fortbewegen kann, erscheint dem Sterbenden und dann sieht der Angekok seine verkrüppelte Hand den Todten ergreifen und fortziehen.

Ein Jahr lang müssen die Verstorbenen in dem gefürchteten Hause Sedna's bleiben. Die beiden gewaltigen Hunde liegen auf der Schwelle und bewegen sich nur zur Seite, um den Todten einzulassen. Finster und kalt ist es drinnen. Kein Rennthierfelllager ladet zum Ausruhen ein; auf harten Walroßhäuten wird der Ankömmling gebettet.

Nur die, welche sich auf Erden als gut und tüchtig bewiesen haben, entgehen Sedna, und führen im Lande Kudlivum droben ein glückliches Leben. Zahllose Rennthiere bevölkern dieses Land in dem es nie kalt ist und kein Eis und Schnee den Bewohner heimsucht. Auch diejenigen, welche eines gewaltsamen Todes gestorben sind, dürfen einziehen in die Gefilde der Seeligen. Wer aber bei Sedna war, muß ewig in ihrem Lande Adlivun bleiben und Wale und Walrosse jagen.

Wenn im Späthherbste wüthende Stürme das Land durchbrausen und das kaum vom Eise gebändigte Meer aufs neue von seinen Fesseln befreien, die losgebrochenen Eisfelder knirschend gegeneinander gedrängt werden und mit lautem Krachen zerbrechen; wenn die zersplitterten Schollen in wilder Unordnung gegen und übereinander gethürmt werden, glauben die Eskimos, daß Sedna unter ihnen weile. Sie glauben die Stimmen der Geister zu hören, die unheilbringend die Lüfte erfüllen.

Die Geister der Verstorbenen, die Tupilak, rütteln wild an den Hütten, die sie nicht betreten dürfen, und wehe dem Unglücklichen, den sie ergreifen. Rasch siecht er dahin und ist dem baldigen Tode geweiht. Der böse Krikirn verfolgt die Hunde, welche, sobald sie ihn sehen, unter Zuckungen und Krämpfen sterben; Kallopalling zeigt sich im Wasser und zieht die muthigen Jäger in die eisige Tiefe hinab, indem er sie in die ungeheure Kapuze seines Entenfellkleides steckt Vergl. S. 41 Alle die zahllosen Unbill stiftenden Geister sind dem Menschen nahe, um Krankheit und Tod, schlechtes Wetter und Unglück auf der Jagd zu bringen.

Mit all diesen Unholden weilt auch Sedna im Herbste unter den Innuit. Aber während jene Luft und Wasser erfüllen, steigt diese unter der Erde auf.

Das ist eine geschäftige Zeit für die mächtigen Zauberer. In jeder Hütte hört man ihr Singen und Beten, in jedem Hause sind sie beschäftigt, die Geister zu beschwören. Niedrig brennen die Lampen. Im fernsten Hintergrunde der Hütte, im geheimnißvollen Halbdunkel sitzt der Zauberer. Sein äußeres Gewand hat er abgestreift und die Kapuze des inneren sich über den Kopf gezogen. Während er unverständliche Worte murmelt, fliegen in fieberhafter Hast seine Arme. Dann stößt er Laute aus, die man kaum einer menschlichen Stimme zuschreiben möchte. Endlich erscheint der angerufene Schutzgeist. Der Angekok liegt in Verzückungen und erst, wenn er erwacht, verkündet er in abgebrochenen Sätzen die Hülfe des guten Geistes gegen den Tupilak und theilt den gläubig lauschenden Innuit mit, wie sie ihm entgehen können.

Die schwerste Arbeit aber bleibt für einen der mächtigsten Zauberer aufgespart, nämlich Sedna zu verjagen. Auf dem Flur einer großen Hütte ist ein Seil so aufgerollt, daß oben ein enges Loch bleibt, welches das Athemloch eines Seehundes darstellt. Daneben stehen zwei Zauberer, der eine den Seehundsspeer in der Linken, als stände er im Winter wartend am Seehundsloch; der andere hilft das Harpunenseil halten. Im Hintergrunde der Hütte sitzt auch hier ein Angekok, dessen Aufgabe es ist, durch zauberkräftige Gesänge Sedna herbeizulocken. Endlich haben seine Gesänge die gewünschte Wirkung. Durch das feste Gestein zieht Sedna herbei, der Angekok hört ihr schweres Athmen; jetzt taucht sie aus dem Boden hervor, und mit sicherem Wurfe hat sie der am Loche wartende Zauberer getroffen. Die Harpune haftet, mit rasender Eile versinkt Sedna, indem sie die Harpune nach sich zieht, die nun von beiden Männern mit voller Kraft gehalten wird. Nur durch eine gewaltige Anstrengung gelingt es ihr, sich loszureißen, und sie kehrt heim zu ihrer Hütte in Adlivun. Den Männern bleibt nichts als die blutbefleckte Harpune, die sie stolz den Innuit vorzeigen.

Nun sind Sedna und viele der anderen bösen Geister vertrieben. Zur Feier dieser That ist am nächsten Tage ein großes Fest für Jung und Alt. Doch ist noch immer Vorsicht geboten, da die verwundete Sedna ergrimmt auf die Innuit ist und jeden fassen wird, der nicht auf seiner Hut ist. Darum tragen alle ein schützendes Amulett auf der Spitze der Kapuze.

Am frühen Morgen versammeln sich sämmtliche Männer in der Mitte der Ansiedlung. Sind alle beisammen, so laufen sie schreiend und singend um die Hütten der Ansiedlung herum, indem sie dem Laufe der Sonne folgen. Einige wenige, in Weiberjacken Gekleidete gehen den entgegengesetzten Weg; es sind die in abnormer Lage Geborenen.

Nachdem die ganze Ansiedlung umkreist ist, besuchen sie jede Hütte, in welcher die Hausfrau sie erwarten muß. Auf das laute Lärmen der Menge tritt sie heraus und wirft eine Schüssel voll kleiner Geschenke, wie Fleisch, Elfenbeinschnitzereien, Seehundsfell, unter die lärmende Rotte, von der sich ein jeder bemüht, irgend etwas zu erhaschen. So machen sie die Runde und verschonen keine Hütte.

Nun theilt sich die Schaar in zwei Abtheilungen, die »Schneehühner«, die im Winter Geborenen, und die »Enten«, die Kinder des Sommers. Ein langes Tau aus starkem Seehundsfell wird ausgebreitet, jede Partei ergreift ein Ende und versucht mit aller Kraft, die Gegenpartei nach ihrer Seite herüberzuziehen. Doch jene halten das Tau fest in den Händen und versuchen, für sich Raum zu gewinnen. Weichen endlich die Schneehühner, so hat der Sommer gewonnen und schönes Wetter wird den ganzen Winter hindurch herrschen. Keine Stürme werden Zeiten des Hungers verursachen und immer wird klares Wetter sein.

Ist der Streit der Jahreszeiten entschieden, so bringen die Frauen aus einer der Hütten einen großen Kessel voll Wasser und jeder geht, sein Trinkgeschirr zu holen. Dicht gedrängt umsteht die Schaar den Kessel und aus ihrer Mitte tritt zuerst zitternden Schrittes der älteste Mann. Er schöpft einen Trunk Wasser aus dem gefüllten Gefäße, sprengt einige Tropfen auf die Erde, kehrt das Gesicht der Heimath seiner Jugend zu und spricht: »Naktukerling heiße ich, in Kaiofsuit bin ich geboren.« Ihm folgt ein altes Mütterchen, das ebenso Namen und Heimath nennt und so nach und nach alle bis zum jüngsten Kinde, das die Mutter zum Kessel heranträgt und für das Unmündige spricht. Wurden die Worte der Alten mit Ehrfurcht angehört, so wird die umstehende Menge bei den jungen bekannten Jägern, die wohl von weit hergewandert kamen, immer heiterer und ausgelassener. Mit lautem Zurufe grüßen sich die Landesgenossen, oder Spott ertönt über Gebräuche und Sitten fremder Länder.

Da plötzlich erschallt ein lauter Ruf der Ueberraschung, alle Augen wenden sich auf eine Hütte, aus der zwei riesige Gestalten schreiten. Gewaltige Stiefel bedecken ihre Füße, durch mehrfach übereinander gezogene Fellbeinkleider erscheinen sie unförmlich dick, eine riesige Weiberjacke bedeckt ihren Oberkörper und eine tätowirte Maske aus Seehundsleder das Gesicht. In der Rechten tragen sie den Seehundsspeer, auf dem Rücken die aufgeblasene Boje aus Seehundsfell, in der Linken den Tessirkun, das Werkzeug zum Gerben der Felle. Lautlos, aber mit schweren Schritten nähern sich die Kailertetang der gedrängten Menge, die kreischend vor ihnen auseinanderweicht.

Mit feierlicher Geberde führen beide die Männer auf einen Platz und lassen sie sich in einer Reihe aufstellen, der gegenüber sie die Weiber in eine zweite Reihe ordnen. Dann führen sie der Ordnung nach die Männer den Frauen zu, und das Paar entflieht, von den Kailertetang verfolgt, in die Hütte der Frauen und ist für den folgenden Tag Mann und Weib. Vergl. S. 34. Nachdem die Kailertetang diese Pflicht erfüllt haben, gehen sie mit langen Schritten hinab zum Meeresstrande und winken den guten Nordwind herbei, der klares Wetter zu bringen pflegt. Dem bösen Südwinde wehren sie mit dem Tessirkun und legen ihn in Bande.

Kaum ist die Beschwörung beendet, so stürmen alle Männer mit lautem Geschrei auf die Kailertetang zu. Sie stellen sich, als hätten sie Waffen in den Händen und tödten die beiden Geister. Dieser durchbohrt sie mit dem Speere, jener ersticht sie mit dem Messer; der eine schneidet ihnen Arme und Beine ab, der andere schlägt unbarmherzig auf den Kopf los. Die Boje aus Seehundsfell, welche die Kailertetang auf dem Rücken tragen, wird durchlöchert, so daß die Luft entweicht und bald liegen beide todt neben ihren zerbrochenen Waffen.

Die Eskimos verlassen sie, um wieder ihre Trinkgeschirre zu holen. Mittlerweile erwachen die Kailertetang zu neuem Leben. Jeder füllt etwas Wasser in die leeren Seehundsfellschläuche, reicht ihnen ein Trinkgeschirr und befragt sie über die Zukunft, über Jagdglück und Lebensschicksale, worauf die Kailertetang mit brummenden Tönen antworten, die der Frager sich selber deuten muß.

So endet dieser Tag, an dem Lachen und Singen, Freude und Fröhlichkeit herrscht. Am folgenden kehrt der Eskimo zu seinem täglichen Leben zurück, noch wochenlang bildet aber die Herbstfeier das Gespräch in den Hütten und auf der Jagd.«

Entkleidet man die Figur Sedna's allen sagenhaften Beiwerkes, so wird man geneigt, sie für eine Allegorie des Meeres zu halten. Seine Fruchtbarkeit ist in ihrem Geschlecht ausgedrückt. Die Geschöpfe des Meeres liefern dem Innung reichliche Nahrung, aber gleichzeitig vertheidigt die See ihre Gaben durch tausendfältige Gefahren, mit denen es den Menschen bedroht. Vom Meere kommen die gewaltigen Stürme, in deren Tosen der Angakok die Stimmen der von Sedna gesandten Geister vernimmt, sie selbst aber taucht gleich einem Seehunde im Wasserloche auf und wird wie dieser harpunirt.

Nach einer Variation der vorstehenden Sage verdanken Sedna auch die Rennthiere ihre Existenz, indem sie diese nebst den Walrossen aus ihrem Fette geschaffen. In Folge solcher nahen Verwandtschaft dürfen beide Thiere nicht an einem Tage gejagt werden und muß die Bearbeitung der Rennthierfelle so lange unterbleiben, als die Walroßjagd dauert. Der Fang eines jeden Seehundes oder Wales erfordert eine Sühne durch nachfolgende Arbeitsenthaltung. Boas, die Sagen des Baffinland Eskimos. Verhandl. d. Berl. Anthropol. Ges. 1885. S. 163.

Bei dieser Gelegenheit mag erwähnt werden, daß die Grönländer den ersten Menschen Kallak aus der Erde entstehen lassen und aus seinem Daumen die erste Frau. Von diesen stammen alle Menschen. Als ihre Zahl zu groß wurde, brachte eine Frau den Tod in die Welt, indem sie sagte: »Laßt diese sterben, damit die Nachfolgenden Platz bekommen.« Den Ursprung der Weißen schreiben sie einer Frau zu, die Hunde geboren und diese ins Meer geworfen habe, worauf sie fortgeschwommen und Menschen geworden sind. Die Fische sollen aus Holzspähnen entstanden sein, die ein Eskimo ins Meer geworfen, nachdem er sie zwischen den Beinen durchgezogen.

Menschen und Thiere haben sowohl Seele wie Körper. Die Seele besorgt das Athmen, mit welchem sie fest verbunden ist, sie ist vollständig unabhängig vom Körper, sogar im Stande, denselben zeitweilig zu verlassen und dahin zurückzukehren. Sie kann durch die gewöhnlichen Sinne nicht wahrgenommen werden, sondern nur durch Hülfe eines bestimmten Sinnes, welcher Personen in einer besonderen Gemüthsverfassung oder ausgestattet mit besonderen Qualitäten eigen ist. Wenn sie von diesen Personen gemerkt wird, so zeigt sie sich in derselben Form wie der Körper, welchem sie angehört, aber in einer feineren und ätherischeren Natur. Die menschliche Seele fährt fort, nach dem Tode in derselben Weise zu leben, wie vorher, auch von der Thierseele scheint man bis zu einem gewissen Grade anzunehmen, daß sie eine vom Körper unabhängige und nach dem Tode fortdauernde Existenz besitzt.

Hier und dort sind Spuren eines Glaubens an Seelenwanderung gefunden, doch muß man diese vielleicht besser im allegorischen Sinne erklären. Schließlich glauben sie, daß die menschliche Seele beschädigt, sogar zerstückelt werden kann. Andererseits kann sie aber auch wiederhergestellt und zusammengesetzt werden, zuweilen finden wir den Gedanken einer theilweisen Seelenwanderung, d. h. daß einige Theile der Seele einer bestimmten Person in eine andere übergehen, worin sie dann eine Aehnlichkeit mit der ersteren hervorrufen. Aus » Rink, tales and traditions of the Esquimanis.« Edinburgh 1875

Sonne und Mond sind Geschwister. Als der letztere seiner Schwester im Dunkeln liebend nahte, strich sie ihm Lampenruß in das Gesicht. Daran erkannte sie nachher ihren Bruder und flieht seitdem ihn, der sie unablässig verfolgt. Die Rußflecken aber erkennt man noch heute in dem Gesicht des Mondes. Peschel, Völkerkunde S. 268.

Nach der Wiederentdeckung des Golfes durch Penny trat auch der Gedanke auf, die Eingeborenen zum Christenthum zu bekehren. Pastor Elsner von der Mission in Labrador erbot sich zu verschiedenen Malen, nach Baffinland überzusiedeln. Das Schiff, welches ihn abholen sollte, konnte jedoch wegen des Eises die Küste von Labrador nicht erreichen. 1857 ging Mathias Warmow von Grönland mit Pennty in den Cumberlandgolf, sah sich jedoch genöthigt, unverrichteter Sache zurückzukehren, nachdem er zur Ueberzeugung gekommen war, daß es unmöglich sei, bei dem überwiegenden Einfluß der Walfischfänger seinen Lehren Geltung zu verschaffen. In welcher Weise die Matrosen solcher Schiffe auftreten, wird man sich vorstellen können, wenn man liest, daß zur Zeit als Egede in Grönland wirkte, ein Grönländer Kava es nicht wagte, Christ zu werden, aus Furcht, er möchte dann den unordentlichen Matrosen gleich werden. Egede, Nachrichten von Grönland S. 279.

Im Gegensatz zu den abweichenden religiösen Vorstellungen der Eskimostämme zeigt ihre Sprache eine große Uebereinstimmung.

»Trotzdem die Eskimos in Labrador von denen Grönlands seit wenigstens 1000 Jahren getrennt sind, bemerkt Kleinschmidt, sind doch die Sprachen beider weniger verschieden als z. B. Dänisch und Schwedisch oder Holländisch und Hamburger Plattdeutsch.

Die Bewohner von Boothia Felix, bei denen Kapitän John Roß auf seiner zweiten Polarreise drei Jahre verbrachte, verstanden manches von dem, was er ihnen aus einem grönländischen Buche vorlas und würden ohne Zweifel noch mehr davon verstanden haben, wenn sie dasselbe von einem Grönländer gehört hätten; und vielleicht Alles, wenn ein Grönländer über Dinge des gemeinen Lebens mit ihnen gesprochen hätte. Kleinschmidt, Grammatik der Grönländischen Sprache. Berlin 1851.

Das Grönländische weicht selbst von der Kadjaksprache im äußersten Westen Nordamerikas nicht sehr bedeutend ab und können beide selbst von sprachwissenschaftlichen Laien als Schwestern erkannt werden.

Trotz der lautlichen Rauheit offenbart die Sprache eine nicht unbedeutende Empfindlichkeit gegen Häufungen sowohl von Konsonanten als auch von Vokalen.

»Der Proceß der Wortbildung geht durchgehends mittels der Suffixe vor sich, Präfixe sind der Sprache gänzlich unbekannt.«

Die grammatischen Casus (Nominativ, Accusativ, Genitiv) sind mangelhaft bezeichnet, dagegen legt die Sprache in der Auffassung der rein räumlichen Verhältnisse eine seltene Feinheit und bewundernswürdigen Scharfsinn an den Tag. Ueberall zeigt sich eine scharfe Auffassungsgabe in Betreff des sinnlich Individuellen, während der Mangel auch des einfachsten Abstraktionsvermögens deutlich hervortritt. Das Verbum ist vom Nomen nicht geschieden; es ist ein mit Possessiv-Elementen bekleideter Nominal-Ausdruck, daher beherrscht nicht das prädikative, sondern das possessive Verhältniß die ganze Satzfügung. Es ist nicht das Subjekt mit dem Prädikat, sondern das Objekt jenes Element, welches den Mittelpunkt des sprachlichen Denkens bildet. Friedr. Müller, Grundriß der Sprachwissenschaft. Bd. II. S. 163.

Als Verkehrssprache zwischen den Eskimos und Weißen hat sich im Laufe der Zeit ein seltsames Gemisch von Englisch und Eskimoisch herausgebildet, das bei einiger Wortkenntniß in der letzteren Sprache leicht zu verstehen ist. Die meisten Eingeborenen der jüngeren Generation zeigten sich auch des Englischen mächtig, wenigstens so gut oder schlecht diese Sprache von Matrosen zu erlernen ist. Fremde Sprachen scheinen sich die Eskimos ohne große Schwierigkeit anzueignen. Okeitung, der Diener der deutschen Station, hatte sich nach Verlauf eines Jahres eine ziemliche Anzahl deutscher Worte und Redewendungen zugelegt, die er in Gegenwart seiner Landsleute mit Vorliebe anzuwenden pflegte, um diesen seinen höheren Bildungsgrad zu zeigen.

An natürlicher Intelligenz darf man die Eskimos den Europäern überhaupt keineswegs nachstellen. Bei der Einrichtung des Wohnhauses der deutschen Station wurde eine größere Anzahl der Eingeborenen zur Hülfeleistung herangezogen. Sehr bald hatten dieselben die Zusammengehörigkeit der mit gleichen Buchstaben und Zahlen bezeichneten Balken und Bretter erfaßt und brachten sie auch ohne besondere Anleitung stets an den rechten Platz.

Die vorzügliche Auffassung der räumlichen Verhältnisse, welche Friedr. Müller an der Eskimosprache hervorhebt, äußert sich gleichfalls in ihrem guten Verständniß für geographische Verhältnisse. Von den Eskimos einzig nach dem Gedächtniß ausgeführte Kartenzeichnungen sind von Polarfahrern mehrfach benutzt worden und haben sich stets als zuverlässig erwiesen. Bemerkenswerth ist die peinliche Genauigkeit, mit welcher jede Bucht und jede Insel, sowie Häuser, Schlittenwege und ankernde Schiffe angegeben werden.

Ein bemerkenswerther Mangel in der Intelligenz der Eskimos ist ihr geringes Verständniß für Zahlenverhältnisse. Sie zählen nur bis zehn, was darüber ist, ist »amusuadli«, d. h. viel. Die Sprache hat Bezeichnungen für die Zahlen von 1 bis 7; 8, 9 und 10 werden aus den vorherigen gebildet.

Die Zahlwörter sind: Tosuk Eins, Makuk Zwei, Pennisuhn Drei, Zissemen Vier, Tidlimen Fünf, Agbinigen Sechs, Makauni Sieben, Pennisuhni Acht, Zissimonni Neun, Kulli Zehn.

Die Eskimos haben keine Zeitrechnung und zählen selbst die Jahre ihres Alters nicht, daher alle Altersangaben für erwachsene Personen unzuverlässig sind. Der Begriff eines Jahres ist ihnen jedoch nicht unbekannt. Fragt man nach dem Alter eines Kindes, so heißt es etwa: »Wenn die Seehunde wieder Junge bekommen, wird es zwei Jahre alt.«

Als Beweis für das Vorhandensein eines entwicklungsfähigen Kunstsinnes wird man die Schnitzereien aus Walroßzahn und Knochen (Tafel IV) betrachten müssen, mit deren mühsamer Herstellung die Männer sich manche Stunde des einsamen Winters vertreiben. Die Körper der Thierfiguren lassen im Allgemeinen ein feines Gefühl für die Formen durch richtiges Abwägen der Verhältnisse erkennen. Der Fuchs mit einer geraubten Ente zeigt sogar das Bestreben, Szenen aus dem Thierleben plastisch wiederzugeben. Mit besonderer Vorliebe werden Modelle von Kayak, Umiaks und Walböte von den Eskimos geschnitzt und mit zierlichen, wohlproportionirten Waffen allerliebst ausgestattet. Kleine Puppen aus Holz, zum Theil mit Arm- und Beingelenken und mit Fellbekleidung versehen, bilden die Bemannung dieser hübschen Erzeugnisse des Kunstfleißes der Eskimos.

Sie benutzen zur Herstellung jener Gegenstände allerdings längst die eisernen Werkzeuge der Weißen und wissen mit Hammer, Meißel und Feile sehr wohl umzugehen; dennoch muß man nicht glauben, daß diese eigenartige Industrie, deren Erzeugnisse den Fremden gern zum Tausch geboten werden, erst durch die letzteren hervorgerufen ist. Davis fand schon bei seinem ersten Besuche des Golfes im Jahre 1585 auf einer Insel allerlei geschnitzte Bilder und das Modell eines Bootes.

Wie bereits oben erwähnt, werden solche Schnitzereien bei den religiösen Spielen als Opfergaben verwandt, daher mag es rühren, daß wir in manchen Zelten einen bedeutenden Vorrath derartiger Dinge entdeckten. Gegen geringe Geschenke an Tabak, Messer u. s. w. war es in der Regel nicht schwer, dieselben zu erlangen, weshalb nicht anzunehmen ist, daß ihnen irgend welche Bedeutung innewohnt, die mit der Vorstellung von Götzenbildern verwandt wäre.

Im Verkehr mit den Mitgliedern der deutschen Expedition erwiesen sich die Eskimos stets als freundlich, gefällig und friedfertig. Ihr gutmüthiges Wesen wird von allen Reisenden gerühmt. Hall nennt die Eskimos das gutmüthigste Volk auf dem Erdboden. Thatsache ist, daß jeder, der mit ihnen in Berührung kam, nicht anders als mit großer Achtung von ihrem Charakter gesprochen hat. Wollte man – was allerdings durchaus falsch wäre – die Eskimos als »Wilde« bezeichnen, so müßte man wenigstens anerkennen, daß sie vollauf berechtigt sind, den Ausspruch des Seume'schen Huronen auch auf sich anzuwenden. Von ihrer Ehrlichkeit mag der Umstand zeugen, daß, trotzdem in der Umgebung der deutschen Station während der ganzen Zeit ihres Aufenthalts viele für die Eskimos nothwendige und wünschenswerthe Dinge im Freien ohne Bewachung umherlagen, niemals von den Eskimos auch nur ein Stückchen Holz fortgenommen ist, es sei denn, sie hätten zuvor um Erlaubniß gebeten. Als während der Errichtung der Station ein Mitglied die Befürchtung äußerte, die Eingeborenen möchten die gebotene Gelegenheit benutzen, um sich Werkzeuge und dergleichen anzueignen, gerieth eine Eskimofrau, welche die englisch gesprochenen Worte zufällig gehört und verstanden hatte, in gerechten Zorn und rief dem Betreffenden mehrmals entrüstet zu: »Innuits do not steel.« Der Verfasser hatte einer Frau Tabak als Vorausbezahlung für ein Beinkleid gegeben, welches sie ihm herstellen wollte. Als nach geraumer Zeit die Frau an ihr Versprechen erinnert wurde, entschuldigte sie sich mit dem Mangel an Fellen. Da sie aber in den Worten des Bestellers Mißtrauen gegen ihre Ehrlichkeit zu bemerken glaubte, eilte sie entrüstet auf ihren in der Nähe stehenden Gatten zu, entzog ihm nach kurzem Sträuben sein unentbehrliches Kleidungsstück und wollte damit ihre Schuld einlösen.

Neben der Ehrlichkeit ist der unverwüstliche Humor der Eskimos ein sympathischer Zug ihres Charakters. In heiteren satyrischen Ausfällen scheinen sie besonders stark zu sein. »Nichts war mir empfindlicher, schreibt der jüngere Egede, welcher auf Wunsch seines Vaters mit den Kindern der Eskimos aufwuchs, als täglich von meiner großen Nase zu hören, die sie mit dem Berge Hiortetakken, Hirschgeweih, neben Godthaab verglichen. Einer sagte, sie könne mir doch Nutzen schaffen, wenn ich in Wassersgefahr käme und nur die Nase über Wasser sei, könnte ich bei der Nase gerettet werden. Egede, Nachrichten von Grönland S. 21.

Es mag bei dieser Gelegenheit einer eigentümlichen Sitte der Grönländer, Beleidigungen zu rächen, gedacht werden, von welcher Cranz in seiner Historie von Grönland als dem »Singe Streit« Folgendes berichtet: »Wenn ein Grönländer von dem anderen beleidigt zu sein glaubt, so läßt er darüber keinen Verdruß und Zorn, noch weniger Rache spüren; sondern verfertigt einen satyrischen Gesang, den er in Gegenwart seiner Hausleute und sonderlich des Frauenvolks so lange singend und tanzend wiederholt, bis sie alle ihn auswendig können. Alsdann läßt er in der ganzen Gegend bekannt machen, daß er auf seinen Gegenpart singen will. Dieser findet sich an dem bestimmten Ort ein, stellt sich in den Kreis und der Kläger singt ihm tanzend nach der Trommel unter oft wiederholtem »Amna ajah« seiner Beisteher, die auch jeden Satz mitsingen, so viel spöttische Wahrheiten vor, daß die Zuschauer was zu lachen haben. Wenn er ausgesungen hat, tritt der Beklagte hervor, und beantwortet unter Beistimmung seiner Leute die Beschuldigungen auf eben dieselbe lächerliche Weise. Der Kläger sucht ihn wieder einzutreiben, und wer das letzte Wort behält, der hat den Proceß gewonnen, und wird hernach für etwas recht Ansehnliches gehalten.« Man wird gestehen müssen, daß bei der Unmöglichkeit einer öffentlichen Genugthuung für eine Injurie durch richterliche Entscheidung diese satyrischen Gesänge ein feines, psychologisch interessantes Mittel darstellen, das Gewicht einer empfangenen Beleidigung zu vermindern und das Beschämende derselben aufzuheben, indem man das Ansehen des Beleidigers durch Preisgebung seiner Person an die Lächerlichkeit herabzuziehen sucht.

Neigung zu harmlosem Spott trat auch bei den Eskimos des Cumberlandgolfes bei manchen Gelegenheiten hervor.

Ein Mitglied der deutschen Station versuchte einen ins Wackeln gerathenen Pfahl durch Anhäufen von Steinen, die offenbar für den Zweck viel zu klein waren, wieder zum Feststehen zu bringen. Mitek, ein alter gutherziger Eskimo, erkannte das Vergebliche dieses Bemühens und deutete es dem Betreffenden in ironischer Weise dadurch an, daß er Korkpfropfen mit ernster, wichtiger Miene, hinter der aber der Schelm unverkennbar hervorlachte, zu den Steinen legte. Darauf faßte er den Pfahl mit beiden Händen, sich stellend, als wenn es nunmehr bei Anwendung aller Gewalt unmöglich sei, ihn zu erschüttern. Mit selbstzufriedenem Nicken ließ er wieder los, brach dann aber über seinen gelungenen Scherz in fröhliches Lachen aus.

Die Erklärung einer Spieldose als das Junge einer Drehorgel seitens der Eskimos von welcher ein Reisender berichtet Peschel, Völkerkunde S. 257., wird vielleicht auch auf den Witz eines Eingeborenen zurückzuführen sein.

Wenn man bedenkt, daß trotz des ernsten gefahrreichen Lebens die Eskimos einen heiteren zu Scherz und Fröhlichkeit aufgelegten Sinn bewahren, wenn man sieht, wie, ungeachtet des harten Kampfes um die eigene Existenz, sie stets bereit sind, sich des Fremden anzunehmen, der Hülfe suchend ihren gastlichen Hütten naht, und mit ihm den letzten Bissen brüderlich theilen, so wird man ihnen eine hohe Bewunderung nicht versagen können.

»Die Eskimos, sagt Peschel, haben freilich aus gewissen Störungen des Mondlaufes die Abplattung der Erde nicht berechnet, sie haben auch nicht das Wasser in seine beiden Luftarten zerlegt, ebensowenig eine Weltreligion gestiftet, aber sie haben dafür zuerst durch eigene Kraft und Kunst sich Wege gebahnt nach Gürteln der Erde, wo Tag und Nacht über die Dauer von Jahreszeiten sich erstrecken, sie haben bewiesen, daß der Mensch sich noch behaupten kann, wo ein neunmonatlicher Winter das Land versteinert, wo kein Baum mehr wächst, ja wo nicht so viel Holz angeschwemmt wird, um als Schaft für einen Speer zu dienen. Ist es an sich schon eine kulturgeschichtliche Leistung, den hohen Norden der Erde bevölkert zu haben, so leisteten die Eskimos diese Aufgabe als sie selbst noch im Zeitalter der Steingeräthe sich befanden.«

Die großen Verdienste, welche sich die Eskimos um die arktische Forschung erworben haben, dürfen hier nicht unerwähnt bleiben. Sir William Parry entdeckte die Fury- und Heklastraße, einer Karte folgend, die von einer Frau Iligliuk gezeichnet war. Der Treue und Anhänglichkeit des Eskimohans verdankte Kane nicht zum geringsten Theile seine glückliche Heimkehr von den unwirklichen Gestaden des Smithsundes. Des Innung Inuloaping, welcher Penny zur Auffindung des Cumberlandgolfes führte, wurde bereits gedacht. Sein Bruder Tauto zeichnete 1857 für den Missionar Mathias Warmow eine Karte des Golfes, die nebst einer Beschreibung desselben, in der illustrirten Zeitschrift »Atuagagliutit«, (Etwas, das zu lesen ist), Jahrgang 1861, welche von den Eingeborenen Grönlands herausgegeben wird, veröffentlicht wurde. Seine Schwester Tukolitu ist als Begleiterin Hall's bereits erwähnt. Mit ihrem Gatten Adlala, der als Joe Eberbieng auch »Eskimo-Joe« bekannt ist, war sie in England gewesen und auch der Königin vorgestellt worden. In kurzer Zeit hatte sie fließend englisch sprechen gelernt. Mit Hall kamen beide zum ersten Mal nach den Vereinigten Staaten und besuchten später mit ihm König Wilhelms-Land. Bald darauf finden wir sie mit Hall auf der Polarreise »im Smith-Sunde«. Auf dem Rückwege nach Hall's Tode gehörten Adlala und seine Frau zu dem Theil der Polaris-Mannschaft, welcher mit Kapitän Tysen durch einen Sturm vom Schiffe getrennt, jene fürchterliche Fahrt während des Polarwinters auf der Eisscholle zu machen gezwungen war, die außer der Fahrt der Hansamänner der zweiten deutschen Polarexpedition wohl kaum in den Annalen der Seefahrt ihres Gleichen findet. Adlala's unermüdlichem Eifer und seiner Geschicklichkeit war die Erhaltung der 18 Personen auf der Scholle zu verdanken. In Anerkennung der großen Verdienste, die er sich auf fünf Polarreisen erworben, schenkte 1872 die amerikanische Regierung ihm ein Haus und Grundstück in New-London, um ihm ein sorgenfreies Alter zu sichern. Zunächst ruhte er jedoch nicht, sondern begleitete den Dampfer »Juniata« der zur Rettung des Restes der »Polaris«-Mannschaft im folgenden Jahre ausgesandt wurde. 1874 nahm Joe noch Theil an der Reise der »Pandora«. Nach dem Tode seiner Frau und Tochter hielt es ihn nicht mehr in seiner neuen Heimath; – mit der Schwatka'schen Expedition besuchte er 1878 König Wilhelmland und als er auf dieser Reise eine neue Lebensgefährtin fand, ließ er die Besitzung in New-London im Stich, um den Rest seiner Tage in dem Lande seiner Geburt zu verbringen Klutschak, als Eskimo unter den Eskimos. S. 11

Für künftige Polarforschungen wird es ohne Zweifel von großem Werthe sein, die Eskimos in ausgedehnterer Weise, als dies bisher geschehen ist, zur Theilnahme heranzuziehen. Die Grönländer stehen bereits auf einer Höhe der Kultur, welche sie befähigt, an dem geistigen Leben der Menschheit theilzunehmen. Seit 1857 besitzen sie eine Buchdruckerei in Godthaab, deren Personal aus Eingeborenen besteht. Die Leistungen derselben übertrafen die Erwartungen, welche die dänische Regierung daran geknüpft hatte. Die Buchdruckerei liefert Lithographien und Farbendruck, sowie Holzschnitte, welche ein Eingeborener in Kangak, zwei Meilen von Godthaab, verfertigt.

Eine Sammlung grönländischer Sagen erschien in drei Bänden. In der illustrirten Zeitschrift »Atuagagdliutit« finden sich Berichte über die Schiffe, welche Godthaab besuchten, den elektrischen Telegraphen, Auszüge aus den Berichten über Polarreisen mit Berücksichtigung der betheiligten Innuit-Stämme und dergleichen. von Etzel, die Entwicklung der dänischen Handelsdistrikte in Grönland. Zeitschrift f. allgem. Erdkunde. Bd. XII Heft 6 S. 414.

Die Bewohner Labradors können Dank der Wirksamkeit der Missionäre durchgehends lesen, schreiben und rechnen. Die gebräuchlicheren Kirchenlieder wissen die meisten von ihnen auswendig. Im Anschluß an die Missionäre sind sie bestrebt, sich über europäische Verhältnisse zu unterrichten. Jeden Sonntag Nachmittag besuchen sie das Missionshaus und lassen sich die illustrirten Zeitschriften erklären. Großes Interesse besitzen die Eskimos für Musik und sind auch selber musikalisch. Die Orgel zum Kirchengesange wird in Labrador von Eskimos gespielt und von einem aus Eingeborenen gebildeten Chor begleitet. Koch, die Küste Labradors und ihre Bewohner. Deutsche geogr. Blätter. 1884. Bd. VII S. 162.

Es unterliegt daher wohl kaum einem Zweifel, daß so gut wie für die geographische Forschung sich auch für wissenschaftliche Polarstationen geschickte Mitarbeiter aus den Eingeborenen heranbilden ließen. Sollten die Beobachtungsstationen in der arktischen Zone erneuert werden, so würde sich empfehlen, die kostspieligen Bedienungsmannschaften auf das Aeußerste einzuschränken und an deren Stelle des Lesens und Schreibens kundige Eskimos von Labrador oder Grönland zu nehmen.

Tafel I.

siehe Bildunterschrift

Fig. 1. Zelt (tupik) mit Schneevorhalle (iglovigak) links ein Vorrathshaus.
2. 3. u. 4. Ansicht, Querschnitt, Grundriss eines Schneehauses am Cumberlandgolf.

Tafel II.

siehe Bildunterschrift

1 Grosser Wurfspeer (ihimak) mit aufgesetzter lösbarer Harpune,
woran ein aufgeblasener Seehund als Boje mit langem Riemen befestigt ist,
2 derselbe mit gelöster Harpune.
3 Harpune (naulak) aus Knochen mit eingesetzter Eisenspitze (nat. Grösse).
4, 5 Wurfspeer für Wasservögel (nuinq) mit Schleuderholz.
6 Harpune mit knöcherner Spitze.
7 alte Lanze mit knöchernem Schaft und Spitze mit eiserner Schneide.
8 heutige Harpune zum ihimak aus Eisen, dem naulak nachgebildet.

Tafel III

siehe Bildunterschrift

1 Hölzerne Schneebrille.
2 Eskimo mit Brille.
3 ledernes Etui mit beinernen Nadeln.
4 Vorder- und Rückseite einer alten Lanzenspitze aus Knochen.
5 Ukadluneung, Harpune zum Spiessen der Lachse.
6 Messer aus Rennthiergeweih zum Schneiden des Schnees.
7 Bogen und Pfeil aus Rennthiergeweih.

siehe Bildunterschrift

Eskimo Schnitzereien aus Walrosszahn. (½ natürlicher Grösse.)

Ihre Kenntniß der arktischen Natur könnte der Forschung in vieler Beziehung von Nutzen sein und mit geringer Mühe ließen sie sich vielleicht zur Unterstützung des elementaren Beobachtungsdienstes anlernen. Vor Allem aber würde man in der erprobten Treue, Zuverlässigkeit und Aufopferung der Eskimos die beste Bürgschaft gegen eine Wiederholung der traurigen Katastrophen besitzen, an welchen die Geschichte der arktischen Forschung nur allzu reich ist.


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