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Zwirn, Leim (von links)
Leim Du bist ein Lump in Folio. Du trittst dein Glück mit Füßen. Wegen meiner, wenn du die guten Tag' nicht ertragen kannst, so geh hin, wo der Pfeffer wachst.
Zwirn Bruder Leim, du mußt nicht bös' sein, ich blieb' gern bei dir, aber ich halt's nicht aus. Ich hab' eine Herzensangst in mir, eine Bangigkeit – mit einem Wort, Bruder, ich halt's nicht aus.
Leim Schau', damit du siehst, daß ich dein wahrer Freund bin, so leg' ich für dich hundert Dukaten an; die kriegst aber nicht eher, als bis du dich fest und ordentlich wo ansässig machst. Außer dem hast du keinen Groschen von mir zu erwarten.
Zwirn Wann krieg' ich die hundert Dukaten?
Leim Wenn du ordentlich und fleißig geworden bist.
Zwirn (für sich) Da krieg' ich mein Leben keinen Kreuzer. (Laut.) Ich will dir einen Vorschlag machen: gib du mir jetzt vier oder fünf Dukaten, das ist mir lieber, als wenn du mir nachher tausend gibst.
Leim Keinen Kreuzer eher, als bis du brav und ordentlich geworden bist!
Zwirn Na, so b'hüt' dich Gott. (Für sich.) Jetzt weiß ich nicht, soll ich ihm sagen davon, daß ich ihm seinen Dienstboten entwend'? – Nein – zu was braucht er das zu wissen! (Laut.) Bruder Leim, der Abschied von dir fallt mir schwer – aber ich halt's nicht aus.
Leim Du kriegst alles, wenn du fleißig, brav und arbeitsam geworden bist.
Zwirn Das halt' ich nicht aus. (Läuft ab.)
Leim, gleich darauf Knieriem
Leim Er halt's nicht aus, sagt er. Hätt' der Kerl alles bei mir, was sein Herz verlangt, er kann's aber nicht erwarten, bis er wieder draußen im Elend ist.
Knieriem (sehr betrunken, kommt von außen ans Fenster) Bruder – mach' die Tür auf.
Leim Da ist die Tür. – Nu, der hat schön aufg'laden, sieht der 's Fenster für die Tür an!
Knieriem (tritt ein) Kamerad – laß dich umarmen.
Leim Du hast schwer g'laden.
Knieriem Bruder, gib mir die Hand!
Leim Na, da – da ist meine Hand.
Knieriem Einen Kuß – Bruder, meinst du's auch ehrlich mit mir? – Bru –
Leim Du bleibst bei mir, solang du lebst, was willst denn mehr?
Knieriem Du mußt es aber auch aufrichtig mit mir meinen, sonst geh' ich fort. (Wankt zur Türe.)
Leim (ihn aufhaltend) Wo willst denn hin?
Knieriem Ins Wirtshaus. Ein' Brannt – wein muß ich haben.
Leim (setzt ihn auf einen Stuhl) Da bleibst – da drin hast ein Schaffel Wasser, da kannst trinken. (Versperrt die Türe.) So – jetzt geh ins Wirtshaus, wenn du kannst.
Knieriem Er hat mich eingesperrt!
Leim Astronom, schau', daß bei dir einmal ein trockenes Viertel eingeht. (Ab in die Seitentüre rechts.)
Knieriem
Knieriem (allein) Was ist das? Er hat – hat – mich eing'sperrt? – Das hat er nicht nötig – ich war schon eingesperrt – wie er noch Lehrbub' war, war ich schon eingesperrt. Bruder, das ist schä – schändlich von dir. (Es blitzt und donnert.) Ich weiß, was ich tu' – ich steig' beim Fenster hinaus. (Er schlägt das Fenster ein.) Ich muß ein' Branntwein haben. (Steigt hinaus.)
(Einige Takte Gewittermusik fällt ein, bis Knieriem gänzlich vom Fenster verschwunden ist.)
Beleuchtete Bauernwirtsstube
Wirtin, Stellaris (als Reisender)
Wirtin (indem sie den Fremden hereinführt) Ich hab' leider kein anderes Zimmer als das da daneben, und da wird's halt unruhig sein, denn die Bauern kommen vom heutigen Wettrennen zurück, sie werden bald kommen, und da gibt's Lärm.
Stellaris Das macht nichts. (Beiseite.) Diese Gestalt hab' ich gewählt, um mich von dem Treiben der drei lockeren Gesellen zu überzeugen. Fast fürchte ich, Fortuna möchte Siegerin in dem Kampfe bleiben. (Die Wirtin geht mit einem Licht in die Seitentüre rechts ab.)
Stellaris, Knieriem
Knieriem Ein armer reisender Handwerksbursch tät bitten um eine kleine Unterstützung.
Stellaris Da hat Er ein paar Kreuzer. (Gibt ihm Geld.) Er sieht ja elend aus.
Knieriem Ich küss' die Hand – ich werd' fleißig drum beten. Frau Wirtin, ein' Schnaps!
Stellaris Da hat Er auch eine Weste und ein Hemd von mir.
Knieriem O, ich küss' 's Kleid, das ist alles zu viel. (Stellaris geht in die Seitentüre rechts ab, tritt aber bald darauf, die Handwerksbursche beobachtend, aus der Türe.)
Vorige ohne Stellaris, gleich darauf Bauern, Musikanten und Zwirn
Wirtin Aha, da kommen die Bauern schon.
Alle Bauern Juhe! Das Wettrennen ist heut' prächtig ausg'fallen.
Knieriem Ah, Musik, jetzt wird's erst fidel da.
Zwirn (welcher tanzend hereinkommt, erblickt Knieriem) Was Teuxel, Brüderl, machst denn du da?
Knieriem (sein Glas Schnaps nehmend) Juhe, der Zwirn! Du, ich geh' jetzt betteln.
Zwirn Ich auch. – Aber du, im G'meinhaus drüben geht's fidel zu.
Knieriem Gehen wir hinüber.
Zwirn Wenn ich da zahl', kann ich drüben nicht zahl'n.
Knieriem Da zahl' ich. (Zur Wirtin.) Wir haben kein Geld bei uns, da nehmen S' die Weste, das ist für uns zwei miteinander. (Gibt ihr die Weste, die er von Stellaris bekam.)
Wirtin (sie nehmend) Das werden doch ein paar schöne Lumpen sein!
Zwirn Ein' Tanz möcht' ich haben!
Knieriem (wirft den Musikanten das Hemd hin) Aufg'haut, Musikanten! Da ist bezahlt! (Musik beginnt, Zwirn und Knieriem wollen tanzen, zwischen ihnen und den Bauern im Hintergrunde fällt eine Wolkendekoration vor.)
Zwirn, Knieriem, Stellaris im Ornat
Stellaris (mit starker Stimme) Halt!
Zwirn und Knieriem (erschrocken) Was ist das?
Stellaris Unglaublich schien mir der Grad der Liederlichkeit, den ihr beide erreicht habt. – Verfallen seid ihr ganz dem bösen Geist Lumpazivagabundus – nun denn, so verbann' ich euch zur Strafe eures Wandels in den Abgrund, wo der ganze Troß der bösen Geister haust. (Er winkt, Musik fällt ein, die beiden Seitenversenkungen öffnen sich, auf jeder Seite kommen zwei Furien herauf.)
Zwirn (in größter Angst zu Stellaris' Füßen) Gnade! Barmherzigkeit!
Knieriem (ebenfalls zu seinen Füßen) Ich werd' mich bessern.
Zwirn Ich bin schon gebessert.
Stellaris Es ist zu spät. Fort mit beiden! (Musik fällt ein, die Furien packen Zwirn und Knieriem und versinken zu beiden Seiten mit ihnen.)
Stellaris, Fortuna, Amorosa, Hilaris und Brillantine (treten aus den Wolken hervor)
Fortuna Ich bin besiegt. Amorosa, ich erkenne deine Macht für höher als die meine; du bist die Siegerin. Hilaris werde meiner Tochter Gemahl. (Sie fügt die Hände der Liebenden zusammen.)
Hilaris (Brillantinen umarmend) Ich bin überglücklich!
Amorosa (zu Stellaris) Mächtiger Herrscher! Auch die verirrten Söhne des Feenreichs habe ich auf den rechten Pfad zurückgeführt, und so ist Lumpazivagabundus gebannt auf immerdar.
Stellaris Nimm meinen Dank!
Amorosa Hab' ich ihn verdient, so überlasse mir die beiden lockeren Gesellen, die du zu streng bestraft.
Stellaris Es sei!
Amorosa Wohlan, so folget mir, ich will sie euch durch meine Macht nun gebessert und glücklich zeigen. (Alle ab.)
Der Wolkenprospekt erhebt sich, man sieht im Hintergrunde in einer sich öffnenden, etwas tieferen Wolkengruppe das Haus, welches Leim, Zwirn und Knieriem bewohnen. Zu ebener Erde ist die Tischlerwerkstätte, in welcher Leim mit den Gesellen ihre Arbeit beendigen. Leim zur Seite steht Peppi. Im ersten Stockwerke sieht man durch das offene Fenster Knieriem auf dem Dreifuß arbeiten, indem er dabei immer zärtlich nach einem ihm zur Seite stehenden jungen Weibe in bürgerlicher Hauskleidung blickt. An dem anderen Fenster des ersten Stockwerkes sieht man Zwirn, wie er mit großem Fleiße bügelt und dazwischen immer ein neben ihm nähendes junges Weib umarmt. In beiden Zimmern sieht man mehrere Kinder
Knieriem (zu seinem Weibe) Ist das ein Glück, Weib, der Komet is ausblieben, d' Welt steht alleweil noch, und wir stehen mitten drauf mit unserer unsinnigen Familie.
Zwirn (ruft aus dem Fenster hinüber) Du, Knieriem, wir sind eingeladen beim Bruder Leim; bist bald fertig?
Knieriem Den Augenblick; die Tischler machen eh' gleich Feierabend unt'.
Zwirn Ich muß nur noch mit der Meinigen die klein' Kinder einschlafern.
(Es schlägt sieben Uhr.)
Alle Gesellen Feierabend! Feierabend!
Leim Kommt's herunter, Kameraden! Nach vollbrachtem Tagewerk schmeckt ein' der Feierabend. Die Lustbarkeit geht los!
Alle Juhe! (Die Gesellen und Hausmädchen reihen sich zum Tanz, Knieriem und Zwirn mit ihren Weibern und Kindern kommen herab.)
Chor
Jeder hat nun seine Arbeit getan,
Jetzt bricht ein fröhlicher Fei'rabend an.
Häuslich und arbeitsam – so nur allein
Kann man des Lebens sich dauernd erfreu'n.
(Tanz beginnt.)
(Unter passender Gruppe und Beleuchtung mit griechischem Feuer fällt der Vorhang.)