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12. Der Kürassier zur rechten Zeit.

Dem einen schönen Wintertage folgten mehr, und Elisabeth war es zufrieden, sie wurde ihres Schlittenvergnügens nicht müde. Sie fuhr die Großeltern in der blühenden Kirschallee, und Charlottchen und die Leute aus der Oberförsterei in der Stadt umher. Außerdem machte sie weite Spaziergänge, begleitete den Onkel Oberförster nach den Schlägen, oder sie inspicirte auch Hof und Wirthschaft, um den Onkel Karl zu unterhalten. Sie war ganz und gar befriedigt von ihrem Land-Aufenthalt.

Das Mädchen sieht wirklich nicht aus, als ob sie eine stille Neigung hätte, sagte der Großvater zu seiner lieben Frau.

Ich weiß aber, entgegnete sie lächelnd, daß man trotzdem äußerlich recht vergnügt und übermüthig sein kann.

Richtig, sagte der Großvater nachdenklich, ich wußte selbst kaum, wie es damals in Deinem Herzen stand.

Ja, fuhr die Großmama fort, das ist auch ein sonderbares Ding: zuweilen ist es, als ob man nur träume und es sei alles nicht wahr, dann schlägt man sich dies Hangen und Bangen aus dem Sinn und ist frisch und fröhlich, und dann ist es wieder, als ob es doch wahr sei, und dann ist das Herz wieder schwer. Wenigstens bei uns Mädchen ist das so, fügte sie ernsthaft hinzu.

Und bei uns Jünglingen auch, sagte der Großpapa vergnügt, aber wir wollen uns um andere Mädchen und Jünglinge doch wohl nicht mehr sorgen.

Wollen? nein, sagte sie, aber –

An demselben Tage kam eine Einladung von Oberförsters. Mariechen, das zwölfjährige Töchterlein, erschien ganz feierlich, der Papa hatte in diesen Tagen einen schönen Hirsch geschossen.

Da soll es gewiß heut Abend die Leber geben unterbrach sie der Großpapa, Mama Julchen versteht zu wirthschaften.

O nein, entgegnete Mariechen ganz gereizt, die Leber haben wir Mittag schon gegessen, es giebt heute Abend ein Blatt, und Du weißt, Großpapa, ein Blatt ist eben so zart als der Rücken, es war ein wunderschönes junges Thier. Die Mama wird auch noch das Halsstück dazu braten, damit es sehr reichlich ist, denn Onkel Karl und Charlottchen müssen mitkommen. Der Doctor ist bei uns gewesen und hat gesagt, mit der großen Kutsche kann der Onkel ausfahren, und es wäre ihm sehr gut, wenn er nicht immer in der Stube sitzt.

Die Einladung wurde angenommen. Mariechen ging aber nicht gleich fort, sie nahm Elisabeth in eine Fensternische, sie hatte ganz heimlich herrliche Dinge mit ihr zu besprechen. Ich habe mir zu heute Abend eine künstliche Vorstellung ausgedacht, begann sie eifrig, wir wollen den Tell aufführen, Du weißt, den Tell von Schiller. – Elisabeth nickte. – Du sollst eine gewisse Bertha spielen, fuhr Mariechen fort, das ist die vornehmste im ganzen Stück, Herr Rennicke (das war der Rechnungsführer) hat den Geßler übernommen, ich bin die Frau von Tell. Max hat den Tell schon wunderschön eingeübt, die Kleinen spielen dann auch mit, und einen großen Apfel hat uns Mama schon gegeben.

Habt Ihr aber schon das Costüm? fragte Elisabeth theilnehmend.

Beinah alles fertig, versicherte Mariechen: ich ziehe eine schwarze Sammetjacke über einen weißen Unterrock und eine Tändelschürze mit rosa Schleifen. Tell hat eine Jagdmütze mit einer Feder, nun fehlt der Geßler noch, und Du mußt nun sehr wie eine Dame aussehen.

Schlank wie eine Ritterdame, fiel Elisabeth ein, ich will mir das schon überlegen! Ihre Augen leuchteten in kindlicher Freude und in Güte zugleich. Auch einen herrlichen Rittermantel für den Geßler will ich machen, ich stecke meine Boa um Großmama ihr Sammetmäntelchen.

O das wird aber zu schön! versicherte Mariechen und klatschte in die Hände, und als der Großpapa neugierig that und näher trat, wurde er feierlich ersucht, sich nicht durch Neugierde einen ungewöhnlichen Genuß, der ihm für heute Abend bestimmt sei, zu verderben. Mariechen verließ endlich die theure Cousine, ganz erfüllt von der Wichtigkeit und Schönheit ihres Vorhabens, und Elisabeth überlegte ebenso ernsthaft, wie sie als die gewisse Bertha sich zu. kleiden habe.

Höre, liebe Großmama, begann sie Nachmittag beim Kaffee, nachdem sie in Charlottchens Stube den Geßler-Mantel zur eignen höchsten Zufriedenheit vollendet hatte: Du mußt mir nun noch den Schlüssel zu Deinem alten Kleiderschrank erlauben, ich weiß da ein schönes weißes Kleid mit einer kurzen Taille.

Aber nicht mein Hochzeitskleid, warf die Großmama ein.

Nein, versicherte Elisabeth, ich meine das mit den vielen Stickereien, ich habe es zu nöthig.

Die Großmama verstand sich auf diese Notwendigkeiten und war gewohnt Kindern und Enkeln bei so künstlichen Vorstellungen gefällig zu sein, sie gab also den Schlüssel und Elisabeth lief damit oben auf den großen Flur und verschwand dann mit ihren Schätzen in Charlottchens Zimmer.

Charlottchen war zu glücklich über das liebe Kind, sie war ihr auch beim Aus- und Anziehen behilflich, denn natürlich mußte sie das Kleid hier erst anprobiren, ehe sie als Fräulein Bertha erscheinen konnte. Sie trat vor den Spiegel, als eben Charlottchen sich vor sie stellte, um sie zu bewundern: Liebe Elisabeth! rief sie jetzt, das ist wirklich rührend, herzbewegend, Du siehst ackurat wie Deine Großmama aus!

Nur noch das Haar ändern, sagte Elisabeth geschäftig. Sie selbst fand diese Aehnlichkeit und war entzückt darüber. Sie legte ihre lichtbraunen Locken mit Charlottchens Seitenkämmen etwas zurück, nahm die Flechte aus dem Nacken und steckte sie mit einem Kamme hoch auf den Kopf. So! rief sie jetzt: und nun hilft es nicht, Großpapa soll mich sehen, er wird sich zu sehr freuen, ich stelle mich neben Großmamas Bild.

Charlottchen mußte voran und die Großeltern bitten, einen Augenblick das Wohnzimmer zu verlassen. Elisabeth forderte Onkel Karl dringend auf, sogleich mit ihr zu kommen, und nun ging der Spaß an. Sie setzte sich auf das Sofa, gerade unter das Bild der Großmama, Onkel Karl und Charlottchen standen bewundernd gegenüber, der dunkelroth leuchtende winterliche Abendhimmel erfüllte die Stube mit einer magischen Beleuchtung, da rief Elisabeth: Nur herein, Ihr lieben Zuschauer!

Wirklich, der Großpapa stand verwundert: das war seine jugendliche Braut, dieselbe Gestalt, aber auch derselbe übermüthige und doch so gütige Ausdruck in den hellen Augen.

Ja, sagte Onkel Karl und rieb sich vergnügt die Hände: das Bild wie es leibt und lebt, nun fehlt nur noch der Kürassier-Offizier, dann wäre die Sache fertig.

Da klopfte es an die Thür. – Gleich darauf trat herein – Herr von Kadden.

Die kleine Gesellschaft war fast erschrocken, und der Großvater hatte seine Noth, den Onkel Karl von der Wiederholung seiner letzten Worte abzuhalten. Der Gast mußte die Erklärung der vergnüglichen Scene hören, aber es war ihm ebenso wie dem Onkel Karl auffallend, daß hier nur der Kürassier fehlte, um das Bild vollständig zu machen.

Elisabeth war aufgestanden, und er war zu ihr getreten. Da standen sie beide in jugendlicher Schönheit, vom Abendlicht umstrahlt und wenig im Stande ihre Empfindungen zu verbergen, als sie einige verlegene Worte zusammen redeten. Der Onkel räusperte sich und rieb sich die Hände, es ward ihm zu schwer nicht zu sagen: Da ist ja der Kürassier! und ein hübscher Kürassier! Charlottchen aber reichte ihm ihre Tabacksdose, die sie ihm zu Gefallen sich angewöhnt hatte zu führen und zu benutzen, und sah ihn mit stillen Thränen an; es war ihr beim Anblick dieses Bildes gerade zu Muthe als damals, wo sie sagte: O Karl, wie golden steigt der Mond auf! Die Großmama selbst, die sonst immer so gewandt und fein ihre Geistesgegenwart behaupten konnte, war aus dem Gleichgewicht, Herr von Kadden hatte sie nicht allein durch sein wunderbares Hinzutreten überrascht, sein Anblick bewegte ihr Herz. Und der Großpapa dachte: Es scheint da doch unter euren alten Augen etwas vor sich zu gehen. Das Sorgen für unser liebes Kind aber wollen wir doch Dem überlassen, ohne den kein Sperling vom Dache fällt.

Elisabeth entfernte sich schnell, um sich umzukleiden, und Herr von Kadden erzählte nun den Großeltern, daß er mit Stottenheim von einer längstgegebenen Erlaubniß des Herrn Oberförsters Gebrauch gemacht und die Oberförsterei aufgesucht habe. Vorher aber mußte er hierher kommen und einen Brief seines Großvaters, den er im alten Koffer zwischen den Briefen an seinen Vater gefunden, mittheilen. Ich habe mich gefreut wie ein Kind, sagte er warm, der Großvater, spricht darin von seinem Liegen in Brachnitz –

Ja so hieß das Dorf! fiel Herr von Budmar ein. Und spricht von Ihnen mit so großer Liebe, das müssen Sie lesen.

Herr von Budmar nahm den Brief und trat damit an das Fenster. Den Bibelspruch habe ich mir auch angesehen und habe ihn auswendig gelernt, wandte sich der junge Mann unterdessen zur Großmama. – Sie sah ihn freundlich fragend an. – Er steht Jeremias 31, V. 3.: »Ich habe dich je und je geliebet, darum habe ich dich zu mir gezogen aus lauter Güte.«

Das ist ein schöner Spruch, sagte die Großmama nachdenklich, und ist eigentlich ein rechter Herzensspruch von mir; ich wünsche von Herzen, daß der Herr Ihnen den Spruch in seiner ganzen Bedeutung erfüllen möge.

Ja, sagte Herr von Kadden, der Vers hat mich sehr gefreut, er klang wie eine Profezeihung für die Zukunft.

Die Großmama ging nun, wenn auch sehr zartfühlend, auf die Sache näher ein und überzeugte sich bald, daß der junge Mann diese Profezeihung für die Zukunft nicht auf sein Seelenheil, sondern auf sein Lebensglück überhaupt beziehen wollte. Der Herr Gott sollte ihn glücklich machen, das war sein Hoffen und Wünschen, und wie nahe Elisabeth mit diesem Hoffen in Verbindung stand, war aus seiner ganzen Erregung und seiner Rede wohl zu fühlen.

Herr von Budmar reichte seiner Frau den Brief, und sie las, während er mit Herrn von Kadden darüber weiter sprach.

Brachnitz, den 9. November 1813.

Lieber Johann! Durch Gottes Gnade scheint es, soll mir das Leben noch einmal geschenkt sein. Ich bin es wohl zufrieden, weil ich meine, daß Du armer Junge mich noch nöthig hast, obgleich der Herr Gott Dir ein treuerer Vater sein kann als ich. Ich habe acht Tage zusammen gelegen mit einem lieben theuern Mann, einem Herrn von Budmar, er weiß es kaum, wie seine Nähe mir ein Trost war, als ich mich am Rande des Grabes fühlte. Wenn Du einmal in der Welt verlassen bist, so darfst Du Dich an ihn wenden, er hat mir versprochen, er will Dir ein Freund und Rathgeber sein. Ich fühle mich noch sehr schwach, Gott weiß es, wie es mit mir wird, und ich bin es wohl zufrieden.

Es erfolgten nun noch einige Anordnungen und zuletzt auch die genaue Adresse des Herrn von Budmar.

Die Großmama hielt das Blatt gedankenvoll in der Hand. Wie wunderbar, daß der Enkel diesen Brief brachte! Brachte er nicht mit ihm eine Art Anwartschaft auf des Herrn von Budmar Freundschaft? War er denn nicht ebenso verlassen als der Sohn Johann? Als Herr von Stottenheim bei seinem ersten Besuche den Freund schilderte, wie er so gerne in dem alten Erbkoffer seine Heimath liebe, und daß er neulich dazu gekommen, wie er seiner alten Wirthin, einer braven Bürgersfrau, sein Leinen gezeigt, um ihr deutlich zu machen, daß er auch eine Groß- und eine Urgroßmutter hatte, das hatte ihr eigenes Herz bewegt und sie hatte den jungen Mann mit Theilnahme betrachtet. Was halfen aber jetzt alle Reflexionen? Die Wirklichkeit ging ganz leise und harmlos neben her, ohne davon Notiz zu nehmen.

Elisabeth erschien wieder im Hauskleide, dann wurde die große Kutsche angekündigt, Charlottchen und Onkel Karl machten sich reisefertig. Die Großeltern wollten zu Fuße gehn, erstens war es ein kurzer hübscher Gang, und dann mußten sie die jungen Leute begleiten, denn Herr von Kadden hatte natürlich um Erlaubniß gebeten, sich gleich anschließen zu dürfen.

Man ging durch den Gartensaal in den Garten und gelangte bald durch eine kleine Pforte in die Kirschenallee. Herr von Kadden ging mit Elisabeth, die Großeltern folgten, zuweilen blieb das junge Paar stehen, um die langsamer Folgenden zu erwarten. In der Kirschenallee brach Elisabeth vorsichtig einen langen Zweig ab, der wunderschön mit Kristall-Sternchen und -Blüthen geschmückt war. Herr von Kadden nahm ihn etwas lebhaft aus ihrer Hand und die Sternchen fielen ab. O! sagte er bedauernd, – aber solche Blumen liebe ich nicht, sie sind doch zu vergänglich.

Mir sind diese auch lieber, die unter den kleinen braunen Knospen verborgen sind, sagte Elisabeth, und der winterliche Frühling erfreut ja auch nur, weil man dabei gern an den wirklichen denkt.

In der Allee und dann bis zur Oberförsterei war der Weg breit genug, die jungen Leute blieben nun mit den Großeltern zusammen und alle freuten sich über die schöne weiße Welt und den verblühenden Abendhimmel.

Die Frau Oberförsterin, durch Herrn von Stottenheim schon von Kaddens Besuch bei den Großeltern benachrichtigt, nahm die Großmama gleich bei Seite, um ein Privatgespräch über diesen höchst interessanten Gegenstand mit ihr anzuknüpfen. Die Mama konnte nicht leugnen, daß von seiner Seite eine Neigung befürchtet würde. Und Elisabeths warmes Herz? fügte Julchen bedenklich hinzu. Weißt Du, daß sich Bürgermeisters Anna heimlich verlobt hat? Die Eltern haben es jetzt erst erfahren und es ist öffentlich gemacht. – Die Mama erschrak ordentlich, – Elisabeth würde zwar das nicht thun, aber was ist nicht möglich in der Welt? und das Kind war ihnen anvertraut. Nein, man durfte die Sache nicht mehr ganz gleichgiltig nehmen, sie mußte ernstlich überlegt werden, die Großmama mußte selbst Elisabeth schnell nach Berlin bringen und mit der Tochter sprechen.

Während Elisabeth mit den Kindern im Eßzimmer mittelst einer Waschleine und verschiedener Decken und Teppiche einen Vorhang zu fabriziren suchte, saß die große Gesellschaft in derselben Ecke, wo der Großvater einst dem alten Onkel Oberförster seine Liebe anvertraute. Das Gespräch kam sogleich auf die Verlobung von Bürgermeisters Anna.

Ich begreife nicht, sagte Herr von Budmar ernsthaft, wie der Bürgermeister seine Tochter einem Manne anvertrauen kann, der so schändlich gehandelt hat.

Wie so? fragte Herr von Stottenheim neugierig.

Er hat sich heimlich mit dem Mädchen verlobt und hat den Eltern nichts davon gesagt, war Herrn von Budmars Antwort.

Halten Sie das für ein so großes Unrecht? fragte jener verwundert.

Ein Mädchen zur Lüge und Verstellung zu verleiten und zur Uebertretung des vierten Gebotes? fragte Herr von Budmar ebenso verwundert; das kann doch nur in unseren zerfahrenen Zeiten, wo alle von Gott verordneten Verhältnisse frech mit Füßen getreten werden, so ungeahndet geschehen, so als ob es nur das unschuldige Thun zweier liebenden Herzen wäre. Glauben Sie mir, setzte er lebhaft hinzu, Gottes Segen kann da nicht sein, wo seine Gebote übertreten werden. Das Mädchen wird bald genug mit dem gewissenlosen Liebhaber eine sehr moderne Ehe führen.

Herr von Stottenheim schwieg, indem er sehr einverstanden mit dem Kopfe nickte, und der Oberförster erzählte, daß der Bräutigam nicht viel tauge, und für Annas Glück nicht viel zu hoffen sei.

Herr von Kadden war schweigsam. Selbst als die künstlichen Vorstellungen der Kinder vor sich gingen und wirklich sehr unterhaltend waren, stand er mit untergeschlagenen Armen nachdenklich im Fenster. Die Frau Oberförsterin gerieth darüber in eine sichtliche Unruhe, sie versuchte es immer wieder, ihn in ihrer gemüthlichen und sehr gesprächigen Art herbei zu ziehen, und dann war er mit seinen treuherzigen Augen auch gern bereit theilzunehmen, aber es währte nicht lange.

Sie sind musikalisch? fragte sie endlich.

Er singt himmlisch! war Stottenheims Antwort.

Das war der Frau Oberförsterin angenehm zu hören, sie öffnete schnell das Instrument und Herr von Kadden weigerte sich nicht länger. Er spielte erst einige Accorde und sang dann die Lorelei:

Ich weiß nicht was soll es bedeuten,
Daß ich so traurig bin,
Ein Mährchen aus alten Zeiten
Das kömmt mir nicht aus dem Sinn.

Ja, diesesmal hatte Herr von Stottenheim nicht übertrieben, die Zuhörer waren sehr erfreut über eine solche Stimme. Mama Julchen, in jugendlichem Eifer, holte den Arion hervor, er mußte mit ihr ein Duett singen. Dieses herrliche Duett zu hören, versicherte sie die Gesellschaft, wird Euch nur Freude machen.

Die Sache wird immer bedenklicher, – dachte die Großmama und sah auf Elisabeth, er ist wirklich sehr hübsch und liebenswürdig. Dann sah sie auf ihren Mann und erinnerte sich ihrer Jugendgefühle: Nun freilich, neben meinem lieben Fritz darf er nicht stehen, dachte sie, aber neben Herrn von Stottenheim und hundert andern jungen Leuten ist er doch eine liebenswürdige und herrliche Erscheinung. Sie überlegte und sorgte wieder so großmütterlich, wahrend die Wirklichkeit immer leisen sicheren Schrittes nebenher ging.

Das Duett war gesungen, jetzt waren die Kinder an der Reihe, man war sehr musikalisch hier im Hause, und die Großeltern hatten ebenso große Freude an der Musik. Der Großpapa war während des Kinder-Conzertes an das Klavier getreten und zufällig etwas näher zu Herrn von Kadden, der wieder hörend und betrachtend in einem Fenster stand. – Wollen Sie mich einen Augenblick hören? flüsterte Herr von Kadden plötzlich, und holte tief Athem. Der alte Herr erschrak wirklich, er ahnete was kommen sollte, aber er konnte die Bitte nicht abschlagen und trat höflich näher.

Ich bin heut bange geworden, ich möchte mich einmal übereilen, begann der junge Mann zagend, darum sollen Sie es eher wissen als Ihre Enkelin. Sie müssen mir rathen.

Lieber Herr von Kadden, entgegnete der Großpapa hastig, Sie irren sich vielleicht, Sie wissen, wie oft eine Neigung wechselt.

Finden Sie meine Liebe nicht begreiflich? unterbrach ihn Herr von Kadden sehr bescheiden.

Begreiflich, o ja, aber – – Das Conzert nahm eben ein Ende. – Sie versprechen mir für jetzt, vorsichtig zu sein.

Herr von Kadden reichte ihm schnell die Hand. Darf ich wieder kommen? fragte er leise.

Ich komme in diesen Tagen und mache den beiden Herren meine Gegenvisite, sagte der Großpapa laut, weil der aufhörende Gesang eine Privat-Unterhaltung nicht gut zuließ.

Herr von Stottenheim, an den die Rede mit gerichtet war, ergoß sich in Ausdrücken der Höflichkeit über diese ganz unerwartete Aussicht, und führte noch einige Zeit die Unterhaltung, bis die Zeit des Aufbruchs erschienen war. – Herr von Kadden suchte sein Wort gewissenhaft zu halten, er sprach den Abend nicht mehr mit Elisabeth und empfahl sich ihr eben so höflich und ruhig als den übrigen.


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