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6.

In Breslau langte ich wohlbehalten mit dem Wagen des Couriers an und fand meinen Verwandten sehr besorgt um mich. Bei dem gewaltthätigen Charakter der Gräfin Callenberg hatte er gefürchtet, daß sich ihre Wuth gegen mich wenden könnte, was freilich auch beinahe der Fall gewesen wäre; um so größer war seine Freude, als er mich glücklich entkommen sah. Er führte mich hierauf zu dem Grafen Schafgotsch, der mich nicht minder theilnehmend empfing und dem ich nun Alles erzählen mußte.

Graf Schafgotsch war ein kleiner, etwas verwachsener Herr, aber er besaß ein kluges und einnehmendes Gesicht und war als redlicher Mann, der kein Unrecht duldete, im ganzen Lande beliebt. Er tadelte das Benehmen des Herrn von Fevre und tadelte noch mehr die Herzogin und den Grafen von Promnitz, obwohl dies seine eigenen nahen Verwandten waren, nahm jedoch im Ganzen die Sache ziemlich leicht, lachte zuletzt, und tröstete sich und uns mit dem allgemeinen Troste, daß geschehene Dinge nicht zu ändern seien, die Comtesse Agnes Maria sei bei ihrer Großmutter in Sicherheit, wogegen de Fevre es ganz wohl verdiene, für seine Aventures und seinen Leichtsinn einige Zeit im Gefängniß zuzubringen.

Die Gemahlin des Herrn Grafen und die Damen im Hause nahmen für den unglücklichen Cavalier und für die arme kleine Comtesse lebhaften Antheil. Sie sprachen unumwunden ihren Abscheu gegen die wilde und leidenschaftliche Gräfin Callenberg aus, deren Leben genugsam bekannt war. Alle freuten sich herzlich darüber, daß einer ihrer Liebhaber sie tüchtig angeführt, und spotteten über die Ausbrüche ihrer Wuth, von denen ich ihnen Manches mittheilte.

Viel hätte nicht gefehlt, so hätte Graf Schafgotsch den allgemeinen Bitten nachgegeben und den Herrn v. Fevre aus seinem Gefängniß entlassen, denn nun kamen auch Briefe von der Herzogin aus Drehna, und von dem Grafen von Promnitz aus Sorau, welche ihn inständigst darum angingen, den Gefangenen frei zu geben, wobei die Herzogin sich zu jeder Strafzahlung in Geld bereit erklärte. Ich glaube jedoch beinahe, daß ich die Schuld trug, daß es nicht geschah, denn als ich dem Grafen eben in dieser Zeit, wo er geneigt schien, mit einer Geldstrafe de Fevre zu entlassen, zufällig erzählte, was zwischen der Gräfin und dem Grafen zuletzt verhandelt wurde, ward er nachdenklich, schüttelte den Kopf, und sagte darauf:

Diese Althan haben einen großen Anhang am Hofe, und ich kann's mir wohl denken, wohin das hinaus will.

Hierauf schlug er die Bitten ab, mit der Erklärung an seine Verwandten, daß die Untersuchung gegen den Herrn von Fevre ihren Gang gehen müsse, derselbe solle jedoch so viel als irgend möglich berücksichtigt werden; auch sehe er nicht ein, welche schwere Strafe ihn treffen könne.

Hierauf wurde de Fevre nach Breslau gebracht, kam in ein gutes Gefängniß, erhielt, was er wünschte, wurde von mir besucht und von vielen Anderen, die sich für ihn interessirten, und war bald auch lustig und guter Dinge, wie dies in seinem leichten, französischen Blute lag. Denn er war, wie ich jetzt von ihm erfuhr, der Sohn eines französischen Obersten und Calvinisten aus einer tapferen Hugenottenfamilie, welche länger als ein Jahrhundert in den Glaubenskriegen gestritten, und endlich nach der Aufhebung des Edictes von Nantes nach Deutschland ausgewandert war.

De Fevre erzählte mir nun auch, wie er, der Hofcavalier und Erzieher des jungen Grafen am Hofe zu Drehna, dazu gekommen sei, in diese Abentheuer verwickelt zu werden. Die Herzogin empfing mehre anonyme Briefe mit Schilderungen der grausamen Behandlung ihrer Enkelin, die sie in die größte Verzweiflung versetzten. Der Briefschreiber sagte, die junge Gräfin werde mit Peitschenhieben und Faustschlägen mißhandelt, wenn sie die bösen Lehren ihrer Mutter nicht befolge, welche sie zeitlich und ewig verderben wolle, denn sie wolle ihre Tochter so liederlich machen, wie sie selbst sei, und wolle ihr obenein den katholischen Glauben aufzwingen, wozu sie von den Geistlichen und von ihrem Hausmeister fortgesetzt aufgereizt werde. Dieser Hausmeister Mordoch sei ein Jesuit, ihr Liebhaber und Vertrauter.

Die Briefe kamen, wie sich später ergab, von Georgi, der weiter darin sagte, daß, wenn die Herzogin eine vertraute Person nach Steinau schicken wollte, die aber jung und angenehm sein müsse, um der Gräfin den Hof zu machen, welche sich immer nach solcher Gesellschaft sehne, und wenn diese Person mit Geldmitteln wohl versehen sei, um alle Kosten zu decken, so könnte die junge Gräfin gewiß befreit und glücklich zu ihrer gnädigsten Frau Großmutter gebracht werden.

Dieser Plan wurde eifrig festgehalten, und dem Herrn von Fevre der Antrag gemacht, ihn auszuführen. Der leichtfertige junge Mann, kaum 28 Jahre alt, ließ sich gleich dazu bereit finden, die Herzogin ließ ihm vier der allerschönsten Kleider von Sammet und brabanter Tuch mit Gold und Spitzen besetzt machen, bestellte Alles, was zur nobelsten Ausrüstung eines jungen reichen Herrn von Stande gehörte, in Dresden und wählte drei ihrer getreusten Bedienten aus, ihn zu begleiten. Eine große französische Reisekutsche wurde in Dresden gekauft, und endlich, nach dem er einen Beutel mit zweitausend Ducaten bekommen, begab der Cavalier sich auf die Reise und schwur der Herzogin auf den Knien, daß er die Gräfin befreien oder sein Leben lassen wolle.

Dies Alles wurde mit größter Heimlichkeit betrieben; weil aber der Graf von Promnitz in Sorau darum wußte, blieb es doch nicht ganz verborgen, und wie der böse Zufall oft die bestangelegten Pläne vereitelt, so geschah es auch hier, wo es das Unglück wollte, daß Fevre den Grafen Dietrich Althan und mich in Steinau antraf. Der Graf benachrichtigte seine Schwester sogleich von dem, was vorgefallen, und diese verschlagene Frau hatte soeben von einem Freunde des Grafen Promnitz, der im Kudowabade sich befand, erfahren, daß die Familie um jeden Preis die junge Gräfin von ihrer zügellosen Mutter trennen wolle, weshalb auch kürzlich eine Art Congreß in Drehna gehalten worden sei. Sie setzte nun alle Mittel in Bewegung, um mehr zu erfahren, und kam in ein intimes Verhältniß mit jenem Edelmann, der ihr endlich vertraute, was sie bei ihrer Ankunft in Steinau dort mittheilte

Dies kam nach und nach Alles zu unserer Kenntniß, denn es vergingen jetzt mehre Wochen, wo sich in den Verhältnissen wenig änderte. Aber die Geschichte wurde überall bekannt. Herr von Fevre erhielt viele Zeichen lebhafter Theilnahme, besonders von dem protestantischen Theile des Adels und der reichen Bürger in Breslau, er bekam auch viele Briefe, in welchen ihm Hülfe angeboten wurde, um zu entfliehen, allein er glaubte ohnehin bald frei zu werden und sprach mit vieler Sicherheit davon.

Einmal traf ich ihn besonders aufgeregt. Er hatte einen Brief von der Herzogin empfangen, dem ein anderer Seitens der Comtesse Agnes Maria beigeschlossen war. Voller Freude zeigte er mir beide. Die Herzogin drückte ihm ihre Theilnahme und ihr Bedauern aus, und tröstete ihn mit vielen schönen Versprechungen. Er solle immer bei ihr bleiben, so lange sie lebe, auch wolle sie für ihn sorgen, wenn sie sterbe, und niemals seine Dienste und seine Treue vergessen. Die junge Gräfin dankte ihm dagegen in einer Sprache, welche ihn viel mehr beglücken mußte.

Ich weine täglich viele Thränen um meinen guten Herrn von Fevre, schrieb sie, da er meinetwegen so viel Noth leiden muß, und möchte lieber wieder in den Händen meiner grausamen Frau Mutter sein, wenn ich ihn dadurch befreien könnte. Alle Tage bete ich zu Gott, daß er meinen lieben Freund gnädig beschützen, und die Thür seines Kerkers bald öffnen möge, denn nicht eher werde ich wieder froh werden, bis ich ihn bei mir sehe, und allen Kummer, so er erduldet, ihm abbitten kann.

Fevre's Augen hefteten sich leuchtend auf diese Zeilen, und ich sah wohl, welchen Träumen sein Herz nachhing. Er küßte das Papier und drückte es an seine Brust, dann umarmte er mich in seiner Begeisterung, und rief entzückt:

Ich habe sie gerettet und würde es noch tausend Male thun, wenn ich auch dafür sterben müßte. O, sie ist so schön und so unschuldig, wie ein Engel! Erinnert Ihr Euch noch, wie wir am Abende vor der Flucht mit ihr im Park umherspazierten? Wie sie ein Sträußchen Blumen sammelte, und es mir schenkte? Ich habe es aufbewahrt in meiner Tasche, und jetzt ist es meine liebste Gesellschaft, mit der ich stundenlang sitze und in die Zukunft schaue.

Gebt Euch keinen falschen Hoffnungen hin, sagte ich warnend.

Falschen Hoffnungen! lachte er, warum sollen das falsche Hoffnungen sein? In kurzer Zeit muß man mich loslassen, dann kehre ich nach Drehna zurück, und werde bei ihr sein. Die Herzogin ist eine vortreffliche Dame, deren Wohlwollen ich besitze. Begütert bin ich allerdings nicht, allein mein Adel ist so alt, wie der ihrige, das weiß sie sowohl, wie der Graf von Promnitz. Warum soll ich nicht hoffen, Freund? Das sind ja keine spanischen Schlösser, das ist Wahrheit, Wirklichkeit. Ihr werdet sehen, daß ich Recht habe.

Allein er hatte nicht Recht, und schon nach sehr kurzer Zeit änderte sich sein Schicksal und diese ganze Angelegenheit in bedenklicher Weise. Als ich eines Tages den Herrn von Fevre besuchen wollte, hörte ich, daß er strenger bewacht und Niemand zu ihm gelassen werde, und wie ich darauf zu dem Herrn Oberamtsdirector ging, kam er mir betrübt entgegen und sagte:

Ich weiß, warum Ihr kommt, aber ich vermag nichts mehr zu ändern. Ich habe Befehl erhalten, dem Grafen von Promnitz zu Sorau alle kaiserlichem Vasallen zu gebieten, binnen zwei Wochen, bei sechs tausend Ducaten Strafe, die junge Gräfin in Breslau abzuliefern, wider deren Entführer aber einen peinlichen Proceß wegen Menschenraub anzustellen und ihn nach den Gesetzen unnachsichtlich zu bestrafen.

Was wird demnach mit ihm geschehen? fragte ich erschrocken.

Mindestens wird er langes, hartes Gefängniß zu erdulden haben, erwiderte er, denn auf Menschenraub stehen die schwersten Leibes- und Lebensstrafen, und ich wage nicht, zu behaupten, ob nicht hier – brach er ab, aber ich merkte wohl, was er sagen wollte, und rief voller Angst:

Schützt ihn, Excellenz, wenigstens vor dem Aergsten, das ihm geschehen kann.

Was sich irgend thun läßt, soll geschehen, antwortete er. Ich will sogleich nach Wien berichten, allein ich hoffe wenig davon. Man hat die Religion hinein gemischt. Ohne Zweifel haben die Althan die Hand im Spiele, und ich fürchte nur zu sehr, daß eine mächtige Partei am kaiserlichen Hofe Alles, was ich vorstelle, hintertreibt.

Aber die Herzogin wird ihre Enkelin nicht ausliefern, sagte ich, und der Graf von Promnitz ist so reich, daß er Geldstrafen nicht zu achten bat.

Meint Ihr? sagte der Graf von Schafgotsch mit einem verächtlichen Zucken seiner Lippen, und dann setzte er hinzu: Wir werden ja sehen, was er thut. Er ist Oheim und Vormund der jungen Gräfin, die sich nicht bei ihm, sondern in Drehna befindet. Wenn sich die Großmutter nicht willig finden läßt, kann der Graf allerdings nichts thun, und da sie Reichsfürstin ist, würde selbst ein Befehl des sächsischen Hofes nichts ausrichten.

So ist die Hoffnung nicht verloren, die junge Gräfin zu retten, sagte ich, und vielleicht auch den unglücklichen de Fevre.

Wenn die Herzogin standhaft bleibt, antwortete der Graf von Schafgotsch, so sehe ich nicht ein, wie der Graf von Promnitz selbst beim besten Willen seine Nichte hierher bringen kann. Was jedoch den Herrn von Fevre anbetrifft, so wäre es wohl besser für ihn, wenn dies geschähe, denn in diesem Falle würde man in Wien wohl nicht mehr so strenge auf seine Bestrafung dringen.

Das war ein trauriger, zweischneidiger Trost, allein ich sah die Wahrheit wohl ein. Würde die Gräfin Agnes Maria nicht ausgeliefert, so war de Fevre um so gewisser Gegenstand der Rache, die ihm jetzt vom kaiserlichen Hofe drohte. Kaiser Karl der Sechste, von jung auf für den spanischen Thron erzogen und sein Leben lang in den Händen seiner Beichtväter und deren Vertrauten, war der eifrigste Beschützer der Kirche, welche die Protestanten in den kaiserlichen Erbländern hart bedrängte. Viele Tausende wanderten aus, und machten es wie die Salzburger, die im Jahre 1731 nach Preußen gingen. In Schlesien hatte Karl der Zwölfte von Schweden, als er 1707 nach Sachsen kam, den Protestanten durch seine Drohungen einige bessere Bedingungen verschafft, und dabei hatte ihm König Friedrich der Erste von Preußen geholfen. Der Kaiser mußte die altranstädtische Convention unterschreiben, wonach die Protestanten in den Fürstenthümern Liegni, Brieg, Wohlau und Oels Gottesdienst halten, auch in Breslau Kirchen und Schulen errichten und öffentliche Aemter verwalten durften; aber die Religionsparteien waren dennoch ungleich genug in Rechten, und in Folge dessen auch voller Haß und Neid.

Kaum wurde es bekannt, daß die katholische Hof- und Priesterpartei in der Kaiserburg die Sache der Gräfin Callenberg zu ihrer eigenen gemacht habe, die junge Gräfin ausgeliefert, und der unglückliche de Fevre aufgehenkt werden sollte, so entstand die heftigste Parteinahme in der Stadt Breslau, wo diese Sache erbittert besprochen und beurtheilt wurde. Alle Protestanten hofften, daß die Herzogin und der Graf von Promnitz ihre junge Verwandte standhaft verweigern würden, und um de Fevre zu befreien, wurde ein Versuch gemacht, den Gefängnißaufseher zu bestechen, was jedoch, mißlang. Dabei war ich nicht betheiligt, obwohl dies von mehren Personen geglaubt wurde.

Der unglückliche Chevalier de Fevre hatte das Schicksal, nie das zur rechten Zeit zu thun, was nöthig gewesen wäre. Er hätte einige Wochen vorher leicht entkommen können, allein er verschmähte es; jetzt bewachte man ihn so strenge, daß es sehr schwer war, ihm zu helfen.

Im Geheimen jedoch wurde Geld von den Protestanten gesammelt und einige ausgezeichnete Personen vom Adel und Rechtsgelehrte schrieben an den Grafen von Promnitz und an die Herzogin, auf keinen Fall nachzugeben, so werde ihnen nichts geschehen können. Der Graf möge sich stellen, als begehre er seine Nichte, die Herzogin aber solle ihm diese entschieden verweigern und sich nicht allein an den Kurfürsten von Sachsen, sondern auch an das Corpus Evangelicorum auf dem Reichstag wenden, so könne man die Sache mehre Jahre hinhalten und während dieser Zeit die junge Gräfin in Dresden mit einem protestantischen Herrn vermählen, wodurch die Partei in Wien sicher die Neigung verlieren werde, eine Angelegenheit weiter zu treiben, die ihren Nutzen verloren habe.

Ich selbst aber schrieb ebenfalls an die Herzogin, schilderte ihr die Lage des Herrn von Fevre und verhehlte ihr nicht dabei, daß er besonders in dem Fall, wo die katholische Partei die junge Gräfin nicht in ihre Gewalt bekommen könne, einem üblen Processe entgegen sehen müsse; ich fügte jedoch dabei hinzu, daß ich überzeugt sei, de Fevre werde sein Schicksal standhaft ertragen, und nichts in der Welt würde ihn so betrüben, als wenn das, was er zum Heil der jungen Comtesse Agnes Maria gethan, umsonst gewesen wäre. Viel leichter sei es jedenfalls, den Chevalier über kurz oder lang aus seinem Gefängniß zu befreien, als die junge Gräfin in Freiheit zu erhalten, wenn diese einmal nach Breslau ausgeliefert werde. Dann gab ich der Herzogin den Rath, sich nach Berlin zu wenden, wenn etwa der sächsische Hof, der ja auch katholisch sei, sich dem Kaiser willfährig erweisen wollte. Sie möge den Schutz des Königs Friedrich Wilhelm anrufen, der das Haupt der protestantischen Fürsten Deutschlands und ein entschlossener Schirmherr aller wegen ihres Glaubens Verfolgten sei. Er werde auf jeden Fall die junge Gräfin kräftig beschützen und in Wien sowohl wie in Regensburg durch seine Gesandten solchen Lärm machen lassen, daß dieser auch dem armen de Fevre zu Gute komme.

Ich stattete dies Alles mit vielen Gründen und dringenden Mahnungen aus, gab auch Mittel und Wege an die Hand, um in Berlin rasch zum Zwecke zu kommen, und bot mich an, selbst sogleich dahin zu gehen, wenn die Herzogin mich mit Aufträgen begnadigen wolle; aber sie ging nicht darauf ein. Als eine sächsische Fürstin mochte sie nichts von Berlin hören; das preußische Wesen und der soldatische König waren dem Reichsadel keine besonders wohlgefälligen Gegenstände, und der Adel in Preußen selbst damals im hohen Grade unzufrieden. Der König hatte ihm die Steuerfreiheit genommen, verlangte von Fürsten und Grafen denselben pünktlichen Gehorsam, wie vom Bürger oder Bauer, und machte sich eben sowohl über Geburtsvorurtheile lustig, wie er alle Rangordnung und Prunk und Pracht mißachtete. Das gefiel dem Adel nicht, der sogar öfter schon Schutz beim Kaiser gesucht und ihn auch gefunden; den vielen kleinen Reichsgrafen und Baronen aber, die auf ihren Gütern Hof hielten und auf ihre Geburt und Rechte unmäßig stolz waren, gab es das größte Aergerniß, daß der König häufig Bürgerliche vorzog, Heirathen des Adels mit Bürgerstöchtern begünstigte und so wenig nach Abkunft und Stammbaum fragte.

Auch in Schlesien wußte man viel davon zu erzählen, kannte auch die Antwort, welche der König dem Grafen Dobna gegeben, der, weil der Adel in Ostpreußen Hufensteuer zahlen sollte, an ihn geschrieben: tout le pays sera ruiné. Worauf der König geantwortet: tout le pays sera ruiné? Nihil Kredo, aber das Kredo, daß die Junkers ihre Autorität wird, ruinirt werden. Ich stabilire die Souveraineté wie einen Rocher de Bronce! Dergleichen erzählte man in allen Adelskreisen, haßte und verspottete den König, der nichts liebe und achte, als »seine lieben blauen Kinder,« wie er selbst seine Soldaten nannte, und mochte nichts mit ihm zu schaffen haben. Dazu kam, daß die Herzogin eine alte, gutmüthige Dame war, ohne irgend bedeutende Geistesgaben und ohne Charakterfestigkeit, endlich aber fielen auch die Schläge zu schnell, welche sie einschüchterten und ihr den Muth zum Widerstande nahmen.

Von Breslau schrieb Graf Schafgotsch die dringendsten Bitten und Ermahnungen an die Herzogin, seine Verwandtin, den Befehlen des kaiserlichen Hofes doch in so weit nachzukommen, daß die junge Gräfin nach Breslau gebracht werde, wo alsdann immer noch Alles, was irgend thunlich geschehen könne, um den Kaiser zur Nachsicht zu stimmen; dabei versicherte er auf seine Ehre, daß die Comtesse ihrer Mutter auf keinen Fall wieder überliefert werden solle.

Zugleich kamen von Dresden drängende Vorstellungen an die Herzogin von Seiten des allvermögenden Ministers von Flemming, sie möge sich dem kaiserlichen Willen fügen und den Kurfürsten von Sachsen nicht in die üble Lage bringen, mit Ernst und Strenge gegen sie verfahren zu müssen. Der Regierungspräsident in Lübben, auch ein Graf von Promnitz, wurde nach Drehna geschickt, um die Herzogin zu überreden, des Kaisers Befehlen zu gehorchen, und bei dieser Gelegenheit erfuhr dieselbe auch, daß die Gräfin Callenberg in Dresden gewesen sei und Alles angewandt habe, sowohl ihre Tochter, wie den Stallmeister Georgi ausgeliefert zu erhalten, und daß wenigstens der Stallmeister ihr von hohen Personen versprochen wurde, um ihre Rache zu sättigen.

Das Leben eines Menschen, der nicht einmal von adliger Geburt, hatte in den Augen vieler Gewaltigen damals geringe Bedeutung; allein der Regierungspräsident war ein Herr von anderer Gesinnung, und kam zur rechten Zeit, um Georgi zu retten. Er bat die Herzogin, den Mann sogleich zu entlassen, ehe er Befehl erhalte, ihn zu verhaften; er selbst wolle ihn an einen Ort empfehlen, wo er sicher sei. Dies geschah denn auch. Die Herzogin gab Georgi zweihundert Louisd'or Reisegeld, und damit wurde er nach Petersburg an den General Grafen von Münnich als ein geschickter Stallmeister empfohlen, der ihn auch in seine Dienste genommen hat.

Während dies vorging, kam aber von Wien ein neuer Befehl an den Grafen Schafgotsch, dem Grafen von Promnitz in Sorau außer der schon verwirkten Strafe von 6000 Ducaten eine neue Buße von 12 000 Ducaten aufzulegen, wenn er seine Mündel nicht jetzt sofort nach Breslau einliefere. Nun wurde dem Grafen bange. Er reiste nach Drehna zu seiner Mutter, der Herzogin, lamentirte kläglich über die 18 000 Ducaten, welche er bezahlen sollte, benahm sich wie ein filziger Geizhals, dem sein Geld viel mehr am Herzen lag, als seine Nichte, und beschwor die alte von allen Seiten bedrängte Dame, doch nicht länger zu widerstehen, weil des Kaisers Zorn ihn sonst gänzlich ruiniren und sammt seinen Kindern unglücklich machen werde. Dabei zeigte er einen Brief des Grafen Schafgotsch vor, in welchen dieser die Herzogin dringend bat, doch die junge Gräfin nicht länger zurückzuhalten. Man sei in Wien von der schlechten Aufführung ihrer Mutter hinlänglich unterrichtet, sie solle gewiß nicht wieder in deren Hände kommen, allein der Kaiser verlange Gehorsam, nach Breslau müsse die Comtesse gebracht werden.

So wurde die arme Herzogin von ihren nächsten Verwandten bestürmt, welche ihr zusicherten, daß Alles zum Besten ablaufen würde, wenn sie nur nachgeben wollte, und damit brachten sie es endlich so weit, daß die Herzogin dem Grafen Schafgotsch schrieb, sie wolle mit ihrer Enkelin nach Breslau kommen, wenn er ihr zusichere, daß die Comtesse Agnes Maria ihr zur Erziehung und Versorgung überlassen und ihrer Mutter nicht zurückgegeben werde.

Der Graf von Schafgotsch befand sich nicht in der Lage diese Zusicherung zu ertheilen, auch konnte er als ein Diener des Kaisers nicht sagen, was er dachte. In seinem Herzen war er ein ehrlicher Mann, und wäre er der Graf von Promnitz gewesen, würde er nimmermehr wie dieser sich benommen haben. Er schrieb der Herzogin, daß sie über die letzte Bedingung ganz ruhig sein könne, die erste überging er mit Stillschweigen und es konnte scheinen, als sei Alles, wie es sein sollte.

Die letzten Zweifel und Sorgen der Herzogin wurden nun überdies von der jungen Comtesse selbst beseitigt. Sie verlangte nach Breslau geführt zu werden, denn ihr Herz war voller Mitleid und geheimer Sehnsucht für den armen Herrn von Fevre, der ihretwegen so viel zu leiden hatte. Mit der Begeisterungsfähigkeit der Jugend vergaß sie ihre eigenen Gefahren und dachte nur daran, ihm beizustehen; ja sie fand den Gedanken wohl süß, lieber selbst Ungemach zu dulden, als den Mann zu verlassen, der so viel für sie gethan und so großen Eindruck auf ihre Erstlingsgefühle gemacht. So war sie es denn selbst, welche zuletzt den Ausschlag bei den Berathungen gab, welche in Drehna gehalten wurden und denen zufolge die Reise der Herzogin beschlossen ward.



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