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Ich hatte es wohl gedacht, daß der nächste Tag nicht der letzte sein würde, den der Baron von Kriegsheim im Schlosse Steinau erlebte, aber doch nicht vermuthet, daß eine ganze Woche vergehen könnte, ohne daß er Anstalt mache, an eine Abreise zu denken. Dies war jedoch wirklich der Fall, und Niemandem konnte es verborgen bleiben, daß er in dieser Zeit sich die Gunst der Gräfin Callenberg in solchem Grade erworben hatte, daß sie nichts mehr zu sehen schien, als ihn allein. Er war vom frühen Morgen an auch immer in ihrer Gesellschaft und immer mit derselben liebenswürdigen Heiterkeit und Freudigkeit um sie beschäftigt und zu ihren Diensten bereit.
Jagden wechselten mit weiten und nahen Spazierritten und Spazierfahrten oder Promenaden durch den Park, Wasserfahrten auf den Teichen und den Genüssen und Freuden der wohlbestellten Tafel. Verschiedentlich wurden dazu die Beamten und Geistlichen, welche ich erwähnte, geladen, einmal kamen auch einige Herren aus Oppeln vom dortigen kaiserlichen Amt, welche mit ihren Frauen Steinau besucht hatten, diesen das Schloß und die berühmten Gärten zu zeigen.
Eine wandernde Bande böhmischer Musikanten machte uns Musik, und es wurde am Abend getanzt, wobei ich wiederum Gelegenheit hatte, die Fertigkeit und Geschicklichkeit des Barons Kriegsheim zu bewundern, der Alle übertraf und mit der schönen Gräfin Callenberg ein Paar bildete, dem Jeder vergnügt zuschaute.
Bei alledem aber war es doch einsam im Schlosse, denn vom Adel umher stellte sich Niemand ein, auch wurde dieser nicht von uns besucht; was aber mich betrifft, so war ich entschlossen diesen Ort bald zu verlassen und würde es gern gleich gethan haben, wenn ich einen plötzlichen Vorwand dazu gewußt hätte.
Ich war über die Entdeckung betrübt, daß ein Nebenbuhler mir unerwartet alle meine Hoffnungen durchkreuzte und mir so ersichtlich vorgezogen wurde; gereizt war ich und innerlich ergrimmt, allein ich muß sagen, weit weniger gegen diesen Glücklichen, als gegen mich selbst und mein Mißgeschick. Bei mehr als einer Gelegenheit war Kriegsheim äußerst artig gegen mich gewesen, und obwohl ich dies mit kalter Höflichkeit vergalt, kam es mir vor, als wollte er sich mir freundschaftlich nähern und als thäte es ihm leid, daß ich mich zurückhaltend benahm und ihm auswich.
Dies war im Grunde nicht sehr schwer, da er meist immer der Gräfin als glücklicher Cavalier diente und in seinen schönen gestickten und sammtenen Kleidern, mit Gold und Brillantringen geschmückt, seinen Reichthum wie seinen Geist und seine Liebenswürdigkeit glänzen ließ. Von diesem Allen besaß ich wenig, zog mich daher, so viel es anging, zurück und suchte lieber entweder den Grafen Dietrich auf oder auch wohl die kleine Gräfin Agnes Maria mit ihrer Kammerfrau, die ich in den Garten begleitete, oder dort jene sammt dem Grafen schon antraf, der das Fräulein angenehm zu unterhalten suchte.
Ich nahm jedoch bald wahr, daß, während das Fräulein sich zu freuen schien, wenn ich kam, und mir freundlich zulächelte, Graf Althan meine Anwesenheit für sehr überflüssig erachtete. Um ihm dies zu sparen, ging ich endlich lieber in die Bibliothek, und was ich in meinem Leben noch nicht gethan, versuchte ich jetzt: ich beschäftigte mich mit den Büchern, welche ich hier vorfand, holte bestaubte Folianten aus Ecken und Winkeln, um darin zu blättern, und vertiefte mich dabei mehr in mein eigenes Nachsinnen, als in die verschnörkelten Buchstaben und Zeichen, deren Sinn ich meist nicht verstand.
Als ich dies einige Tage lang getrieben, traten plötzlich Ereignisse ein, die eben so unerwartet kamen, wie Alles, was hier geschah. Es wurde ein katholisches Fest in der Stadt gefeiert, zu welchem Graf Dietrich, der sich überhaupt fast gar nicht um mich bekümmerte, die Gräfin begleitet hatte. Ich begab mich in den Büchersaal und glaubte dort recht allein zu sein, zu meinem Erstaunen aber fand ich beim Hereintreten den Baron Kriegsheim dort, der mit dem Stallmeister Georgi an einem der großen Schränke stand. Er hatte seine Hand auf dessen Schulter gelegt und schien sehr vertraut mit ihm zu plaudern, aber in so leisem Tone, daß ich nichts davon hörte. Georgi, der mir sein Gesicht zuwandte, erschrak, als er mich erblickte, Kriegsheim jedoch wandte sich sogleich um und ging mir unbefangen lächelnd und sehr erfreut entgegen.
Das ist eine sehr schöne Sammlung gelehrter und theurer Bücher, sagte er, die leider ganz unbenutzt bleiben. Alle diese classischen Werke über Italien hat der Vater der Gräfin hier aufgehäuft. Da sind die Werke von Dandolo und Villani, welche jetzt eben so selten sind, wie diese Ausgaben des Boccaccio, des Dante, des Petrarca, des Ariosto und Tasso, sammt der ganzen Reihe jener großen Schriftsteller aus dem Mediceischen Zeitalter, welche in seltener Vollständigkeit hier beisammen stehen. Sehen Sie hier den Giambattista Marino, den Testi und Casti, Parini und sogar Salvator Rosa's Satyren. Wahrlich, dieser edle Graf muß ein großer Freund und Kenner alles Schönen gewesen sein, und sehr zu beklagen wäre es, wenn solche Schätze nicht den rechten Herrn fänden.
Sie selbst, sagte ich, könnten davon, wie es mir scheint, den besten Gebrauch machen.
Wenn ich sie mitnehmen könnte, versetzte er, würde ich mich sehr darüber freuen, denn ich liebe die Bücher und liebe ganz besonders diese italienischen Poeten mit ihrer Bilderpracht und flammenden Phantasie, der Kühnheit ihrer Einbildungen und der ritterlichen Lust an Liebesabentheuern und romantischen Thaten.
Nach meinem Geschmack, antwortete ich, lege ich mehr Werth auf eine ruhige Behandlung des Stoffes und auf Klarheit und Einfachheit der Gedanken, wie ich dies gestern hier in einem Buche angetroffen, das von einem gewissen Martin Opitz herrührt und allerlei Poesien und Schauspiele enthält.
Ich kenne es! fiel er lachend ein, kenne diese steifen Verse und moralischen Lehren, welche bei allen euren deutschen Poeten von derselben langweiligen Trockenheit sind. Welches Feuer, welche lebensfrische Begeisterung strömt dagegen in diesen Italienern. Ist Euch das etwa zu viel, so betrachtet die Franzosen, ihre Denker, ihre Dichter, die Troubadoure zahlloser süßer Lieder, ihre hinreißenden Romane, wie denn der Roman überhaupt französischen Ursprungs ist. Lest den Gil Blas – und den Diable boiteur von Lesage, lest den Pierre Corneille und den großen Racine oder Molière und Régnard, Legrand und Dancourt und halt! ich kann Euch etwas geben, was ihr wahrscheinlich noch nicht gesehen haben werdet. Etwas von dem jungen Dichter Voltaire, das so eben in Paris erschienen ist. Ein Bändchen Gedichte, das Witzigste und Geistvollste, was je geschrieben wurde, wofür er freilich in die Bastille gesperrt ward, allein was thut das? Man hat ihn dennoch mit Lorbeern überschüttet. Ihr müßt es lesen und Eure steifen, schwerfälligen deutschen Reimschmiede damit vergleichen.
Ihr thut ja wahrlich, mein Herr Baron, als wärt Ihr selbst ein Franzos, sagte ich. Man sollte meinen, ein Deutscher müßte etwas mehr vom deutschen Wesen halten.
Er lachte dazu.
Ihr habt wohl Recht, mein Herr, sagte er, aber ich liebe einmal alles Frische und Muntere und kann das Nüchtern-Ernsthafte und Bedächtige nicht leiden. Nennt das immerhin leichtsinnig, ich kann es nicht ändern, doch nun laßt uns aus diesem alten finstern Saale gehen und, wenn Ihr wollt, noch ein Weilchen im Park umherlaufen. Die Gräfin ist zu einer Andacht in der Stadtkirche, ich weiß nicht, welcher Heilige heut von ihr angebetet wird; doch es ist äußerst bequem in jeder Woche Gelegenheit zu haben, alle seine Sünden los zu werden, um Raum für die neuen zu gewinnen.
Mit diesem leichtfertigen Scherze nahm er meinen Arm und führte mich fort. Der Stallmeister hatte uns verlassen, sobald unser Gespräch begann, und während wir den Gang hinabgingen, setzte Kriegsheim seine Unterhaltung in derselben Weise fort. Er führte mich durch die langen Corridore bis zu dem alten Eckthurm des Schlosses, und hier befand sich an der dicken Mauer eine sehr schmale Wendeltreppe, welche bis zur Zinne hinauf und hinab bis auf die Terrasse leitete. Man trat aus dem Gewölbe des Thurms durch eine enge Pforte in diesen Treppenbau, dem gegenüber eine andere Pforte sich befand, welche wie jene mit einer starken Eisenthür verschlossen war.
Der Baron Kriegsheim öffnete diese aus Neugier oder weil er die Treppe dort suchte, allein es war nichts, als ein sehr kleines leeres Gewölbe, das völlig finster und nicht sechs Fuß lang und breit sein mochte. Einiges alte Gerümpel lag darin und ein übler Geruch drang daraus hervor.
Wozu, fragte mich Kriegsheim, hat man dies abscheuliche Loch wohl in diese Mauer gehöhlt? Wozu mag es benutzt worden sein?
Indem er das sagte, öffnete sich die andere Pforte, und wir erblickten den Hausmeister Mordoch, der mit dem Gebetbuche unter dem Arm die Wendeltreppe heraufgestiegen war und sich ehrerbietig verneigte.
Das wird Herr Mordoch besser wissen, als ich, beantwortete ich jene Frage.
Dieser Thurm, sagte der Hausmeister, ist in alter Zeit der Gefängnißthurm des Schlosses gewesen. Es befinden sich in dem unterirdischen Theil noch verschiedene feste Gewölbe, und auch hier mögen zu Zeiten wohl Gefangene verwahrt worden sein.
Ein abscheulicher Aufenthalt, vor dem es mich kalt überläuft, rief Kriegsheim, indem er die Eisenthür zuwarf und sich zu dem Hausmeister wandte, der vor sich hinlächelte. Ist die Frau Gräfin zurückgekehrt? fragte er.
Meine gnädigste Gebieterin verrichtet noch ihre Andacht bei unserem Herr Pfarrer, erwiderte Mordoch, und wird mit dem Herrn Grafen Althan zurückkehren.
Einige andere Fragen beantwortete er in derselben unterthänig demuthsvollen Weise, öffnete uns dann die Pforte und blieb in seiner tiefen Verbeugung stehen, bis wir auf der schmalen Stiege verschwanden.
Unten angelangt blickte Kriegsheim zurück und sagte verächtlich lachend:
Dieser Schuft würde mit Vergnügen uns beiden den Hals umdrehen oder uns in einen der schändlichen Käfige sperren, wenn er es könnte. Es macht mir Spaß, zu sehen, wie er mich verschlingen möchte, und dabei katzenartig sich windet und krümmt. Ich werde ihm jedoch bald Platz machen und ihm herzlich gern wiedergeben, was sein ist.
Ich verstand diese Worte nicht nach ihrem vollen Sinne, allein ich faßte davon auf, daß er fort wollte.
Wollen Sie Steinau verlassen? Ist das Ihr Ernst? fragte ich.
Mein vollkommener Ernst, antwortete er. Ich werde sehnlich zu Haus erwartet und bin eigentlich schon zu lange hier gewesen. Wahrscheinlich ist dies auch Ihre Meinung.
Ich hatte keine Lust, seine Aufforderung, meine Meinung zu äußern, anzunehmen.
Da ich morgen schon mich verabschieden werde, sagte ich, so wird die Gesellschaft sich noch mehr verkleinern.
Wie? fragte er. Sie wollen Ihren Freund, den Grafen Althan, in seinem Glücke allein lassen und Ihr eigenes Glück aufgeben?
Diese Frage klang so spottend und so boshaft, daß das Blut in mein Gesicht trat und meine Stirn sich verfinsterte.
Was mein Glück ist, oder nicht ist, sagte ich, vermag ich wohl am besten zu beurtheilen; eben so dürfte Graf Althan sich jede Kritik verbitten.
Nein, so hart dürfen Sie mir nicht zürnen, denn ich habe es nicht böse gemeint, rief er mit dem Ausdruck der offenen Herzlichkeit, die ihm so wohl stand. Das fehlte noch, fuhr er fort, daß der Mann, den ich einzig hier achte und ihn bitten möchte, mein Freund zu sein, mich hassen und verfolgen wollte, während Andere, die ich gern von mir stieße, mich mit ihren Zärtlichkeiten erdrücken. Bleiben Sie noch wenige Tage, so werden Sie Ihre Meinung ändern und vielleicht – er hielt inne, sah mich lachend an und drückte mir dann die Hände. Ich hoffe, Sie sollen besser von mir denken lernen, sagte er, wenn wir den Gefahren, welche uns hier drohen, glücklich entronnen sind. Dort kommt die kleine Comtesse Agnes Maria. Wir wollen sie trösten, denn sie bedarf des Trostes. Wahrlich, es ist traurig, zu sehen, wie diese schuldlose Taube von Raubvögeln umringt ist, welche jeden Augenblick die Krallen in ihr armes Herz schlagen wollen.
Ich hörte erstaunt, was er sagte und was mir gänzlich unerwartet aus seinem Munde war. Inzwischen kam die kleine Dame näher, begleitet von ihrer Kammerfrau von gesetztem Alter und stillem, ehrbarem Wesen. Sie flüsterte ihrer jungen Gebieterin ängstlich etwas zu, allein diese ließ sich davon nicht abhalten, uns freundlich zu begrüßen, und als ihr bleiches Gesicht von einem rothen Schein übergossen wurde, wie Kriegsheim sie anredete, und ein holdes Lächeln durch ihre feinen Züge lief, überkam mich eine sonderbare Ahnung, denn ich merkte wohl, daß sie bekannter sein mußten, als man denken konnte.
Wir gingen durch die großen Baumwege im besten Lichte des Abends, der von seltener Schönheit war. Feurige Wolken zogen über den Himmel fort und brachten ein wunderbares Licht hervor. Aus allen Fenstern des Schlosses schienen Flammen hervorzubrechen, als verzehre es ein ungeheurer Brand, dessen Widerschein das Land umher mit lichter Lohe bedecke. Der Anblick war schön und schreckend zugleich, so daß er uns Gelegenheit bot, Viel darüber in Ernst und Scherz zu sprechen.
Ich möchte beinahe wünschen, es wäre wahr! rief Kriegsheim endlich, obwohl es um dies edle alte Schloß, seine Statuen, Hallen, Bücher und Kunstwerke Schade genug wäre, wenn sie so elendiglich zerstört würden.
Wer könnte also das wünschen? erwiderte ich.
O! dann, sagte die Gräfin Agnes Maria plötzlich in kindlicher Auffassung des Gegenstandes, den sie mit ihren Wünschen in Verbindung brachte, dann würde ich gewiß zu meiner lieben, gnädigen Großmama kommen.
Darum braucht man doch kein Schloß zu zerstören, fiel ich lächelnd ein.
Nein, fügte Kriegsheim hinzu, es wird gewiß auch ohnedies geschehen, aber ich glaube, es wäre uns allen und noch vielen Anderen wohlgethan, wenn wir einige liebenswürdige Bewohner desselben zu Kammerjunkern und Favoriten des türkischen Kaisers machen könnten, der sie besser gebrauchen möchte, als wir.
Der kleinen Gräfin schien dies zu gefallen, noch mehr aber, als Kriegsheim mit einigen übermüthigen Spöttereien fortfuhr, die dem Grafen Althan unverkennbar galten. Er ahmte ihm sehr treffend nach, wie er sein Riechbüchschen gebrauchte und mit seiner knarrenden Stimme geistreich und witzig zu sein suchte. Sie hörte es offenbar gern, daß ihr Anbeter verlacht wurde, was jedenfalls ein sehr schlimmes Zeichen für diesen war. Nach einiger Zeit überwand sie die Scheu, welche meine Gegenwart ihr einflößte, und Kriegsheim trug dazu bei, ihren Muth zu vermehren.
Ich bin ein protestantischer Edelmann, sagte er, dessen Väter für ihren Glauben nicht wenig gestritten und gelitten haben, der Freiherr von Schmartau ist ebenfalls ein protestantischer Cavalier; wir haben Beide daher ein gutes Recht und ritterliche Pflicht, einer jungen Dame unseres Glaubens zu dienen und deren Befehle zu erfüllen. Dazu bin ich bereit und würde mit Riesen und Drachen kämpfen, wenn diese mich daran hindern wollten.
Auch ich würde nicht dabei fehlen, sagte ich in seinen Tone einstimmend.
Sie blickte mich dankbar an und dann den Baron, der mit seinem stolzen, schönen Lächeln vor ihr stand und sie betrachtete. Dabei schienen seine Augen mit ihr zu sprechen und auf mich zu deuten, worauf sie sich wieder zu mir wandte und leise sagte:
Ich danke Ihnen für die Theilnahme, welche Sie mir bezeigen. Ach! ich bin sehr allein und verlassen und sehr hülflos, so daß ich oft schon Gott gebeten habe, er möchte mich zu sich nehmen.
Ich war verlegen über dies Vertrauen.
Das wird nicht immer so bleiben, sagte ich, Sie werden in die große Welt treten und viele Freunde finden.
Ich will nicht nach Wien! antwortete sie, Graf Althan hat sich viele Mühe gegeben, mir Wien zu schildern, aber ich will weder katholisch werden, noch – noch –
Was sie hinzufügen wollte, verschwieg sie, doch wurde sie ganz roth und das kindlich liebliche Gesicht sah in seiner Verwirrung überaus reizend aus.
Sie stand an der Schwelle der Jungfräulichkeit und ihre Lippen weigerten, sich auszusprechen, daß sie den Mann nicht mochte, der sie begehrte. Mitleidig blickte ich sie an, als sie sich niederbückte, um eine kleine blaue Blume zu pflücken, und dabei sich zu sammeln. Der ausgetrocknete, frühverlebte Freier und diese kaum erblühende Knospe waren allerdings eben so wenig passend, wie ihre Mutter dies zu ihrem Vater gewesen. Graf Althan in stürmischen Genüssen des Lebens früh verwelkt, sie völlig unbekannt mit der Frivolität der verfeinten Gesellschaft, fromm und keusch aufgewachsen, ein scheues Kind, das gar keine Anlagen zu haben schien, eine Weltdame zu werden und, halb wissend, halb unbewußt, vor ihrer Mutter und deren Sünden in Angst und Grauen zurückbebte.
Alles, was ich von ihr hörte und was sie mir erzählte, drehte sich um den einen Gedanken, daß sie bei ihrer geliebten Großmutter leben möchte, wo auch ihr Bruder sei und ihres lieben seligen Vaters Bruder sammt allen ihren Verwandten. Dazwischen kamen sanfte Klagen über ihre Mutter, die es nicht mehr dulde, daß sie an die Herzogin schreibe, ihr auch keinen Brief mehr gebe, der von dort herkomme; dennoch aber wisse sie, daß die gnädige Großmama sie innig liebe, und katholisch werde sie niemals werden, wenn sie auch sterben müßte.
Das wird der Himmel verhüten! sagte Kriegsheim, und wer weiß, wie bald sich Alles ändern kann. Man muß nur muthig sein und seinen Freunden vertrauen, tapfer aushalten, bis die rechte Stunde schlägt, und daran glauben, daß Gottes Engel den Schwachen beistehen.
Als er dies sagte, sah ich ihre Augen wie Sterne glänzen. Ein Strom gläubiger Freudigkeit brach darauf hervor; so schaute sie ihn an, als sei der Engel, den er ihr prophezeihte, ihr schon erschienen.
Mit einer hastigen Bewegung ergriff Kriegsheim ihre Hand, und ihre Blicke begegneten sich. Er nahm die Blume aus ihren Fingern und drückte diese an seine Brust.
Blau und grün sind die Farben der Hoffnung und der Freude, sagte er. Ihr Leben wird einst reich an Freuden sein, und diese Blume soll mir ein Pfand bleiben, daß ich – ich – er neigte sich dicht an ihr Ohr und flüsterte ihr etwas zu, und indem ich mich umwandte, war es mir, als hätte er sie geküßt.
In dem Augenblicke hörten wir alle die Stimme der Gräfin Helene auf der Terrasse.
Wo sind sie denn? fragte sie in das Halbdunkel hinein, und Kriegsheim antwortete mit einem hellen Gelächter.
Das ist des Himmels Werk! rief er aus. Wir sprechen von den Engeln und sind begnadigt, denn schon schwebt eine leuchtende Gestalt zu uns her, vor der wir Knie und Herzen beugen.
Mit diesem Aufruf empfing er die schöne Frau, welche in einen großen weißen Seidentuch gehüllt sich uns näherte, aber sie nahm diese Huldigung nicht besonders gütig auf, denn in gereiztem, heftigem Tone wandte sie sich zu ihrer Tochter mit der Frage, was sie so spät noch hier umherzuspazieren habe, da sie doch fortgesetzt über Kränklichkeit klage? Kriegsheim hatte mich beim ersten Tone der Gräfin an die Seite des Fräuleins geschoben und ich führte das arme Kind, das sogleich, wie ein Vögelchen in der Nähe des Falken, am ganzen Leibe zitterte und kein Wort hervorbringen konnte.
Ich erklärte der gestrengen Dame nun zwar, daß ich die Schuld trage, da ich die Comtesse aufgehalten, sie nahm jedoch wenig Rücksicht darauf.
Geh auf Dein Zimmer, herrschte sie ihr zu, nicht ohne meine Erlaubniß wirst Du es wieder verlassen. Sie aber, rief sie der erschrockenen Kammerfrau nach, lasse ich vom Büttel peitschen und ins Loch sperren, wenn Sie nicht streng auf ihren Dienst paßt und ich die geringste Nachlässigkeit gegen meine Befehle merke.
Graf Althan war mit ihr gekommen und ihm gab sie ihren Arm und ließ Kriegsheim nebenher gehen, der sich das Ansehen gab, als sei er von diesem Auftritte durchaus nicht berührt. Er fragte nicht nach der Ursache ihrer Mißstimmung, welche offenbar ihn nahe angehen mußte, kümmerte sich auch nicht um andere Zeichen der Ungnade, welche ihm zu Theil wurde. Mit vermehrter Liebenswürdigkeit suchte er dagegen das Ungewitter zu besänftigen, und niemals war er heiterer, neckischer und von besserem Humor. Aber es half ihm Alles nichts. Die Gräfin blieb mürrisch und betrachtete uns einige Male mit so grimmigen Blicken, daß ich daran dachte, wie Graf Althan sie mit einem Tiger verglichen hatte.
Wir blieben bei alldem an diesem Abende ziemlich lange beisammen. Graf Althan war zu allerlei Possen und Scherzen aufgelegt, welche er mit dem Baron Kriegsheim trieb, dem er sich überhaupt viel mehr genähert hatte, als früher, während er mich dafür vernachlässigte. Die Gräfin hörte meist schweigend zu, den Kopf in die Hand gestützt, indem sie die Sprechenden beobachtete und nach ihrer Gewohnheit viel Ungarwein trank.
Endlich brachte Mordoch, als wir zu Abend gespeist hatten, eine Bowle Punsch aus Rheinwein, Burgunder und Arac zubereitet, der unsere Stimmung noch mehr erhöhte und muthwillige Gespräche veranlaßte, welche größtentheils das Leben an verschiedenen Höfen, namentlich am Hofe des galanten Königs von Polen und Churfürsten von Sachsen betrafen. Es wurden luftige Anekdoten mitgetheilt und endlich erzählte Graf Dietrich eine solche, wie der König von einem Weibe, das er zärtlich geliebt, auf arge Weise betrogen worden sei, denn sie zog ihm einen seiner Hofbedienten vor, mit dem sie davonlief. Der König ließ beiden nachlegen und bekam sie in seine Gewalt, doch statt sich zu rächen, wurde er durch Thränen und Bitten dahin gebracht, ihr nicht allein zu verzeihen, sondern sie auch noch obenein zu beschenken und für ihren Galan zu sorgen.
Es wurde über diese Sache viel gesprochen und das Benehmen des Königs verlacht und vertheidigt. Kriegsheim nannte es edel und königlich und sagte überhaupt manches Gute von dem Herzen des eitlen und verschwenderischen Monarchen, der zur Großmuth geneigt sei, wenn diese aufgerufen werde.
Großmuth gegen Verräther ist Unsinn! rief die Gräfin Gallenberg plötzlich aus. Es steht dem Herrn Baron übel an, daß er Verräther vertheidigt.
Wenn man in der Liebe sich selbst verräth, muß man es ertragen, verrathen zu werden, antwortete er mit größter Keckheit.
Was meint der Herr damit? fragte sie.
Ich meine, fuhr er fort, daß der König in üblem Wahn befangen war, weil er sich einbildete, von dieser Frau geliebt zu werden; daß sie ihn betrog, war seine gerechte Strafe, und wahrscheinlich schämte er sich, denn er besitzt ein tapferes und edles Herz, und erkannte an, daß er verdient hatte, was ihm geschah.
Für seine Liebe! rief sie, indem sie ihn mit funkelnden Augen ansah, den Kopf drohend aufhob und ihr Haar zurückschüttelte. Ich hätte diese Verräther aufhängen lassen.
Für seine Thorheit, antwortete er, denn war es nicht Thorheit, daß er sich täuschte und täuschen ließ? War es nicht selbstachtend und edel, daß er verzieh, als er einsehen mußte, daß er nicht geliebt wurde?
Sacre-bleu! lachte Graf Dietrich, das ist eine ganz besondere Lehre unseres liebenswürdigen Barons. Weil wir von einer Person, die uns Liebe heuchelt, angeführt werden, darum müssen wir ihr Wohlthaten erzeigen und huldvollst für sie sorgen.
Wir mögen sie verachten, fiel Kriegsheim ein, aber die Schuld wird immer auf uns selbst fallen. War unsere Liebe nicht von solcher Macht, Liebe erwecken zu können, so müssen wir mit dem Stolz unserer Liebe uns trösten. Dieser Stolz ist die edelste Rache gegen Untreue. Haben wir den Verräther wahrhaft geliebt, um so edler und reiner wird dann unser Schmerz sein und um so leichter werden wir ihm verzeihen.
Verzeihen! rief die Gräfin mit größter Heftigkeit. Nicht länger leben möchte ich, wenn ich ihn nicht dafür mit Blut und Leben büßen lassen könnte! Und indem sie dies sagte, stieß sie das Glas in ihrer Hand mit solcher Gewalt auf den Tisch, daß es in Scherben zerbrach.
Dabei stand sie auf und mit gewaltsamer Ueberwindung fing sie zu lachen an.
Was haben wir denn mit Verräthern zu schaffen! rief sie aus. Jeder mag zusehen, wie er sich vor solchen Elenden schützt. Aber dabei fällt mir etwas ein, Baron Kriegsheim, wonach ich schon gestern fragen wollte: Warum hat der Herr mir verschwiegen, daß er mit meinen Verwandten in Drehna bekannt ist, mit der Herzogin von Sachsen-Weißenfeld und dem Grafen von Promnitz?
Diese Frage kam völlig unerwartet, und ihre Augen hefteten sich auf den Baron, als wollte sie ihn mit ihren Blicken durchbohren, allein dieser zeigte nicht das geringste Merkmal von Ueberraschung.
Wie kann ich von etwas reden, was ich selbst nicht weiß? antwortete er, unbefangen lächelnd.
Der Herr läugnet es also? fragte sie drohend.
Auf mein Wort! ich muß es läugnen.
Kann Er das beschwören?
Ohne Zweifel, wenn ich weiß, mit welchem Rechte man mein Wort verdächtigt.
Einer Eurer Bedienten, sagte sie in etwas milderem Tone, hat im Schlosse erzählt, daß er in Drehna gewesen sei und die Herzogin sowohl, wie deren Familie sehr gut kenne.
Welcher von meinen Bedienten?
Ich denke, er heißt Horst.
Und weil dieser Mensch, der seit einigen Monaten erst bei mir ist, in Drehna gewesen sein will, sagte er im wegwerfenden und spöttischen Tone, könnte er wohl gar mich dahin begleitet haben? Das klingt sehr übel, Frau Gräfin, doch wir wollen sogleich meinen Diener hören. Ruft ihn herein, Mordoch.
Der Hausmeister, an den diese Worte in deutscher Sprache gerichtet wurden, verbeugte sich zunächst vor seiner Gebieterin, welche diesen Befehl wiederholte, in Folge dessen nach wenigen Minuten der Bediente des Barons hereintrat.
Es war ein junger Kerl, der ziemlich einfältig aussah.
Bist du jemals in Drehna gewesen? fragte ihn sein Herr.
Ja, gnädigster Herr, vor vier Jahren.
Wie kam das?
Ich befand mich damals im Dienste des Herrn von Kracht, der in der Niederlausitz wohnt, und reiste mit ihm nach Drehna, wo wir drei Tage lang blieben.
Besuchte Dein Herr die Frau Herzogin?
Nein, gnädiger Herr. Mein Herr besuchte den Herrn Oberhofmeister Baron von der Schulenburg, aber er wartete auch der Frau Herzogin auf und wurde zur Tafel eingeladen, wo ich denn die gnädigsten Herrschaften ebenfalls sah.
Du kannst gehen, sagte der Baron, und als der Diener hinaus war, rief er aus: So steht es also damit. Was nun noch mehr?
Auf morgen mehr! antwortete die Gräfin Callenberg und uns grüßend verließ sie uns und ging in ihre Gemächer, wohin Mordoch ihr voranleuchtete.
Wir blieben noch eine Zeit lang, und diese Auftritte konnten nicht ganz ohne Nachwirkung bleiben. Sie gaben dem Grafen Dietrich Anlaß, über die Reizbarkeit der Damen zu lachen, wenn ihre Herzen entbrannt seien, und über die Eifersucht zu scherzen, welche von jedem Schatten herausgefordert werde. Der Baron Kriegsheim spottete ebenfalls über die Launen schöner Frauen, welche mit ihren Sclaven unbarmherzig umzugehen pflegten. Auch er sei bereit, unschuldig zu leiden, werde aber morgen seine Revanche suchen, wie dies sich für ihn gezieme, denn er wolle wissen, wer der Gräfin Verläumdungen zugetragen.
Graf Althan setzte seine Späße darüber fort, kam dabei auf die Familie des Barons und fragte nach dessen Gütern und wo diese lägen. Sprach auch davon, daß er noch in diesem Jahre nach Dresden reisen und dann seinen werthen Freund sicherlich aufsuchen wolle. Der Baron lud ihn herzlich dazu ein, beschrieb ihm den Weg, den er zu machen hätte, genau und erzählte viel von seinen großen Jagdrevieren, wo es von Hirschen und Wildschweinen wimmle.
Das ist nicht meine Jagd! scherzte Graf Dietrich, ich denke aber noch ander Wild dort anzutreffen und davon morgen mehr, theurer Baron, denn heut ist es spät geworden und die Bowle ist leer.
Er hatte dazu das Allerwenigste gethan, doch um so tapferer uns eingeschenkt. – Wir machten uns fort, und jetzt erst bemerkte ich, daß der Baron von Kriegsheim dasselbe Zimmer bewohnte, in welchem ich den Hausmeister Mordoch früher gefunden. Ich hatte ihn niemals begleitet, denn entweder war er früher als ich gegangen, oder noch zurückgeblieben. Graf Dietrich nahm einen lustigen Abschied, denn Kriegsheim hatte viel getrunken, taumelte und lachte mit schwerer Zunge.
Morgen wollen wir einen fröhlichen Tag haben, sagte er, ich denke Euch Allerlei zu vertrauen, was Euch so glücklich machen wird, wie ich es bin.
Und ich, antwortete Althan, will dafür sorgen, Eure Verdienste um mich, so viel ich es vermag, zu belohnen.
So trennten wir uns und Graf Dietrich nahm unter Scherz und Lachen Abschied, hing sich an meinen Arm und ging mit mir in mein Zimmer, setzte sich dort und fing an zu lachen, während er sein Goldbüchschen an die Nase hielt und mir listig zuwinkte.
Sagt mir doch, begann ich, was sich zugetragen hat.
Stille! versetzte er, Ihr sollt Alles erfahren. Der Fuchs sitzt in der Falle, morgen werden wir ihm mit aller Bequemlichkeit die Haut abziehen.
Meint Ihr den Baron Kriegsheim?
Diesen sogenannten Baron und keinen Anderen.
Was sagt Ihr da? rief ich erschrocken, glaubt Ihr –
Ein feiner Bursche, meiner Treu! unterbrach er mich. Es sollte mir wirklich leid um ihn thun, wenn er gefoltert, oder gar zu grausamlich behandelt würde.
Wie, ums Himmels willen wäre das möglich?
Seid überzeugt, daß sie mit ihm ein hübsches Stückchen aufführt, fuhr er fort, doch hütet Euch vor unzeitigem Mitleid. Euer König hat vor einigen Jahren den schönen Chevalier Clement ohne Gnade rädern lassen, weil er ihm vorspiegelte, seine Minister hätten ihn an Oesterreich verkauft; ich sage Euch, dieser saubere Baron wird von Glück zu sagen haben, wenn er billiger fortkommt. Die Gräfin hat die Justiz in dieser ihrer Herrschaft so gut wie Kaiser und König, und auf dem Markt in Steinau steht nicht umsonst das dreiarmige Zeichen des hochnothpeinlichen Halsgerichts.
Was hat er denn gethan? Wer ist er? fragte ich.
Das soll er uns morgen selbst bekennen, antwortete Graf Dietrich. Auf jeden Fall ist er ein Gauner und Abentheurer, dem wir das Handwerk legen müssen. Es ist kein Zufall gewesen, daß der Schuft sich hier einschlich und Euch die Gunst der Gräfin fortschnappte, welche er so vernarrt hat, daß sie von Sinnen ist. Stellt Euch vor, daß sie mit Gedanken umgeht, ihn zu heirathen. Sie hat dies neulich schon dem würdigen Pfarrer, meinem guten Freund, angedeutet, auch Winke gegen ihren Vertrauten, Mordoch, fallen lassen, die diesen in Wuth und Kummer versetzten. Nochmals heirathen und obenein abermals einen Ketzer, läuft gegen unser allseitiges Interesse. Der verdammte Schelm hat sie aber so in seinen Netzen, daß sie Alles um ihn thäte, und so hat sie heut denn auch geradezu dem Pfarrer erklärt, sie wollte diesen Mann zu ihrem Herrn nehmen und nicht danach fragen, was Papst, Kirche und Welt dazu meinten. So war es denn die höchste Zeit, sich ins Mittel zu legen, und glücklicher Weise hatten wir einige Gründe, die ihr ins Blut gingen.
Gleich als der Bursche sich hier einfand und ich sah, wie sie ihn dicht bei sich in Mordochs Nest einquartierte, schrieb ich an meine Schwester, deren Antwort heut gerade zur rechten Zeit eintraf. Zugleich ließ ich auf ihn und seine Begleiter scharf aufpassen und hofirte ihn selbst mit allerlei Caressen. Wir brachten wenig heraus, denn er ist ein schlauer Satan, und seine Gehülfen sind gut abgerichtet; dennoch war es genug, um die Eifersucht und den Haß der verliebten Gräfin anzuregen. Mordoch erfuhr, was der eine Bediente gegen die Kammerjungfer geschwatzt, daß er in Drehna bekannt sei und daß die junge Comtesse ihn rufen ließ, um sich nach ihrer Großmutter zu erkundigen; dann war's auch gewiß, daß der saubere Baron selbst öfter mit dem Fräulein im Park zusammentraf und mit ihr lachte und schäkerte. Der schurkische Kerl hat jedenfalls seine Absichten dabei und heut seid Ihr ja selbst zugegen gewesen. Habt Ihr nicht bemerkt, daß zwischen ihm und der Comtesse vertrauliche Blicke gewechselt worden?
Ich wollte seinen Verdacht nicht vermehren und sagte daher, daß ich nichts bemerkt habe. Verlaßt Euch darauf, fuhr er fort, er hat schändliche Pläne im Sinne, allein morgen kommt meine Schwester, und dann wollen wir ihm die Larve abreißen und zusehen, wer dahintersteckt.
Eure Schwester, Graf?! fragte ich überrascht.
Sie kommt, doch das verwahrt, mein Freund, bis sie hier ist. Vielleicht hätten wir klüger gethan, der Gräfin jetzt gar nichts zu sagen, doch der Pfarrer ließ sich in seinem Eifer nicht halten. Ich mußte den Brief zeigen, den ich empfangen hatte, darin stand:
»Hütet Euch vor diesem soidisant Baron Kriegsheim, er führt einen falschen Namen und will euch betrügen. Ich denke in ganz kurzer Zeit genaue Nachrichten über ihn zu bekommen, bis dahin seid vorsichtig.«
Das zeigte ich ihr, doch nicht den Zettel, auf den meine Schwester geschrieben hatte: Ich komme selbst und bin gewiß am 7ten in Steinau. Dieser Tag ist morgen. Ich beschwor sie, mit dem Pfarrer vereint zu thun, als sei nichts vorgefallen, sondern noch kurze Zeit zu warten, und sie versprach dies auch, hat es aber nicht halten können. Da habt Ihr den Schlüssel zu ihrem Benehmen gegen ihren Liebhaber. Ich bin froh, daß sie ihm nichts von dem Briefe meiner Schwester gesagt hat, denn dies hätte ihm Wind verschafft, wie es mit ihm steht.
Er würde die Flucht ergriffen haben, murmelte ich.
Dafür ist gesorgt, erwiderte er. Mordoch hat in der Gräfin Namen dem Stallmeister befohlen, ihm weder Pferd noch Wagen zu geben, auch hält dieser Georgi genaue Wache über ihn, so daß er nicht entkommen kann. Aber er möchte auf allerlei Ränke sinnen, darum ist es gut, daß er nichts ahnet, und darum habe ich gesorgt, daß er so viel starken Wein und Branntwein getrunken hat, daß er wie ein Schwein schlafend liegen wird, bis morgen die Stunde seines Gerichts schlägt. Und jetzt, Freund, fuhr er fort, ist für Euch noch nichts verloren. Haltet Euch morgen wacker, der Schelm ist in Eure Hand gegeben. Die Gräfin wird es Euch hoch anrechnen, wenn Ihr ihn als Betrüger und Abentheurer entlarven helft und ihr zeigt, in welche Hände sie ohne Eure und meine Sorge gerathen wäre. Geht morgen sogleich zu ihr und sagt ihr, wie Ihr längst geahnet, daß es mit diesem Baron nicht richtig sei. Rächt Euch an ihm und helft ihr sich rächen. Ich werde Euch unterstützen. Gemeinsam wollen wir verabreden, wie wir ihn hinhalten, bis meine Schwester anlangt, oder ihn bewachen und einsperren, bis wir den Vogel rupfen können.
Ich sagte nicht ja, nicht nein, aber ich sagte:
Wenn dieser Mann wirklich ein Betrüger ist, so wird er mit Recht bestraft werden können, aber worauf hat er es eigentlich abgesehen? Will er die Gräfin heirathen, oder was ist sein Ziel?
Das werden wir schon erfahren, antwortete er, thut nur was ich Euch sage. Kommt morgen zu mir, so wie Ihr aufsteht. Für jetzt seid zufrieden, daß der Schelm uns nicht entgehen kann, und schlaft mit dem Bewußtsein, daß Ihr morgen Nacht vielleicht schon in seinem Bett liegen werdet.
Dies flüsterte er mir lachend zu, ermahnte mich dann nochmals tapfer auf dem Platz zu sein und verließ mich.
Was ich von ihm vernommen, machte, daß ich in heftige Unruhe gerieth, als ich es weiter bedachte, und je mehr ich zu glauben begann, daß es wahr sein konnte, um so mehr steigerte sich meine Theilnahme für den verdächtigen Mann. Wer er auch sein mochte, so war er doch sicherlich kein gemeiner Abentheurer, und so adelig wie sein Wesen mir erschien, so fein und gewandt und zugleich wohl unterrichtet, wie ich ihn gefunden, erschrak ich davor, daß er unglücklich werden könnte.
Wenn er als Betrüger befunden wurde und die Wuth dieser Frau erwachte, so zweifelte ich nicht, daß sie im Stande sei, ihn in den Kerker werfen und peinigen zu lassen. Ich zweifelte auch nicht daran, daß ihre Justizleute, welche ich kennen gelernt, mit ihm verfahren würden, wie es ihr beliebte, und dabei erinnerte ich mich an seine Freundlichkeit und sein Vertrauen zu mir und wie er noch heut mir die Hände gedrückt und um meine Freundschaft gebeten.
Daß er jung und leichtsinnig und zu Abentheuern mit Frauen geschickt und aufgelegt sei, dafür hatte ich Beweise genug, auch erhöhte sich meine Bangigkeit, indem ich daran dachte, was ich gehört und gesehen. Er hatte sicherlich mit der jungen Comtesse ein heimliches Verhältniß angefangen, und kam dies ans Licht, so hatte er von der Gräfin und ihren Pistolen vielleicht sein augenblickliches Ende zu befürchten.
Alle diese Vorstellungen brachten mich in solche Hitze, daß ich endlich entschlossen war ihn zu warnen, wenn es mir irgend möglich wäre. Ich löschte mein Licht aus und wartete einige Zeit. Der Mond schien herein und wie ich ans Fenster trat, sah ich auf der Terrasse einen Mann langsam vorübergehen, in dem ich sogleich den Hausmeister Mordoch erkannte. Er wachte also und schlich dort umher, was mein Gemüth noch mehr beschwerte, sogleich aber wurde ich froh darüber, denn wenn er unten war, konnte er nicht auf dem Gange sein.
Ohne längeres Bedenken öffnete ich leise meine Thüre, horchte hinaus und eilte dann auf den Strümpfen durch das Dunkel, bis ich das Thurmzimmer erreichte. Aber wie war es möglich zu ihm zu kommen, der sicher in seiner Trunkenheit fest schlief? Ich durfte keinen Lärm machen, der mich verrathen haben würde, auch durfte ich nicht zögern, denn Mordoch konnte jeden Augenblick heraufkommen.
Ich drückte gegen die Thür, und bewegte das Schloß, es war jedoch ein Riegel von Innen vorgeschoben, und mein Muth sank, denn es kam mir vor, als vernähme ich nahe bei mir ein Geräusch. Allein gleich darauf hörte ich den Riegel fortschieben und ohne das geringste Knarren öffnete sich die Thür, durch welche ich schnell eintrat.
Kriegsheim stand in seinem Nachtrocke da und ergriff sogleich meine Hand.
Sie sind es, sagte er ohne bestürzt zu scheinen. Was bringt Sie zu mir?
Haben Sie mich erwartet, erwiderte ich, daß ich Sie wach und an der Thür finde?
Nicht Sie erwartete ich, sagte er. Dennoch war ich überzeugt, daß Sie mich warnen würden, wenn mir Böses drohte, das Sie erfuhren.
So ist es in der That, sagte ich. Fliehen Sie so schnell als möglich, warten Sie den Morgen nicht ab.
Warum? fragte er.
Weil Graf Dietrichs Schwester morgen hier eintrifft, welche Beweise in Händen haben will, daß Sie – hier fühlte ich einen jähen Druck seiner Hand und mein Gemurmel verstummte.
Hinter den Vorhang dort, flüsterte er, indem er mich eilig gegen eine Draperie stieß, vor welcher wir standen und welche eine Wandnische bedeckte, die seinem Bett gegenüber sich befand.
Ich that schnell was er sagte, denn ich hörte ein Geräusch, und kaum entkam ich in das Versteck, als eine geheime Thür in der Wand sich aufthat, die unter dem Schnitzwerk der Täfelei verborgen war. Kriegsheim lag schon in seinem Bett, und der Mond schien jetzt durch das hohe Bogenfenster in voller Klarheit.
Mir schlug das Herz bis in den Hals, denn durch den schmalen Spalt in der Wand sah ich eine weiße, hohe Gestalt geräuschlos hereintreten und mit langsamen Schritten sich dem Schlafenden nähern. Sie war in einen großen Tuch gehüllt und über diesen fort fiel ihr langes, schönes Haar aufgelöst auf den Rücken nieder. Ich erkannte sie sogleich, denn dicht bei dem Vorhang, der mich verbarg, stand sie still und schien zu lauschen. Der Mond beleuchtete ihr bleiches Gesicht, in welchem ein großer Schmerz zu arbeiten schien, und wie sie die verschränkten Hände auf ihre Brust drückte, hörte ich sie laut und kläglich seufzen.
Aber auch von diesem Zeichen ihres Kummers schien Kriegsheim nicht aufgeweckt zu werden und abermals that sie einen Schritt, blickte auf ihn hin und wartete, bis sie mit ihrer tiefen, traurigen Stimme zu sprechen begann:
Schläfst Du? fragte sie bang und bittend.
Ich schlafe nicht, antwortete er, doch was befiehlt die Frau Gräfin.
Um Gottes Barmherzigkeit! rief sie ihre Hände heftig zusammenschlagend und an seinem Bett auf ihre Kniee sinkend, laß mich nicht verzweifeln.
Was habe ich gethan, um Dich dahin zu bringen und was kann ich thun, um Dir davon zu helfen? fragte er, indem er sich aufrichtete. Wer hat mich verläumdet? Wer hat bewirkt, daß ich vor aller Welt Augen wie ein Schelm behandelt wurde? Habe ich Deine Liebe verloren, so braucht es keine Schmach, um mich auszutreiben.
Meine Liebe verloren! antwortete sie, daß ich hier zu Deinen Füßen liege, daß ich unter grausamen Qualen den Morgen nicht erwarten kann, daß ich zu Dir komme, um Dir Alles zu vergeben, was Du gethan haben kannst, wenn nur Dein Herz mir gehört, ist das nicht Liebe, Du einzig geliebter Mann, ist das nicht Liebe!
Ich habe nichts gethan, was Du mir zu vergeben hättest, erwiderte er in strengem Tone.
Nicht, rief sie zwischen Angst und Freude ringend. Besinne Dich – O! was es auch sein mag, was es sein mag, es ist verziehen. Wer Du auch seist, ein Bettler, ein Mensch ohne Namen, ich frage nichts danach. Was Du gethan haben magst, wer Dich verfolgt, ich will Dich schützen, gegen Gott und Kaiser!
Wie? antwortete er stolz und heftig, meinen Namen tastet man an? Was soll das? Wer wagt es mich als Edelmann zu beleidigen?! Niemand verfolgt mich. Ich habe kein Verbrechen begangen. Ich bin kein Abentheurer, kein Beutelschneider. Ist es möglich! Das konntest Du von mir glauben?
Ich glaubte es nicht – nein! Gott ist mein Zeuge, nein! Heilige Mutter Gottes, laß ihn in mein Herz sehen! flehte sie. Ich bin ein armes, schwaches Weib, erbarme Dich über meine Herzensangst. Als ich ein Kind war, hat man mich allen meinen wilden bösen Neigungen überlassen. Dann hat man mich an einen Mann gekettet, der ein halb närrischer Frömmler war, und von seinem Leichentuche fort stürzte ich in ein Weltgewühl, verfolgt von meiner Sünde, gebrandmarkt von denen, die mir zunächst standen, und verrathen von Allen, die mir Liebe und Treue schworen. Sie betrogen mich und ich betrog sie, denn sie waren nichts Besseres werth. Nun habe ich Dich gefunden, und ich weiß jetzt, daß ich noch niemals liebte. Thue an mir, was Du willst, setze Deinen Fuß auf meinen Nacken, schlage mich, tödte mich, ich will nicht klagen, aber betrüge mich nicht. Um aller Heiligen Seligkeit nur das thue nicht, nur das nicht!
Ihr Schluchzen und der gebrochene Ton, mit dem sie aus tiefster Brust diese Worte hervorstieß, erfüllten mich mit Mitleid und Zagen. Ich sah, wie sie ihre gefalteten Hände zu ihm aufhob, und glaubte in dem blassen Lichte des Mondes den wilden Liebesschmerz und die Angst wie die Hoffnungen, mit denen ihre Seele rang, sehen zu können. Was ich dabei empfand, vermag ich nicht zu sagen; noch heute zittert mein Herz in Erinnerungen der Pein, welche ich litt. Wie betäubt starrte ich auf die Gestalt, hörte in wirrer Betäubung, wie er sich vertheidigte und mit kalten, kurzen Worten ihr vorwarf, wie ihr blindes Mißtrauen Schuld sei, daß Verläumder ihn herabwürdigen und verdächtigen konnten.
So liebst Du mich, und willst mich ewig lieben! rief sie entzückt, ohne seine Vorwürfe zu beachten.
Zweifelst Du denn noch an mir? fragte er lebhaft.
Nein, o nein! antwortete sie. Aber schwöre! Schwöre Geliebter, Einziger! daß Du mich nie, nie verlassen willst. Schwöre es bei Allem, was Dir heilig ist, bei Deinem zeitlichen und ewigen Verderben!
Möge ich verderben, wenn ich meinen Schwur breche! antwortete er.
Er hob seine Hand dabei auf, und ich wollte schreien: Glaube ihm nicht, er lügt! Denn ich wußte, daß es Lüge war. Meine Fäuste ballten sich zusammen, ich drückte sie an meinen Mund, meinen glühenden Kopf an die kalte Mauer, und sie würde vielleicht meine Bewegungen gehört haben, hätte sie nicht in ihrer wahnsinnigen Liebeswuth sich über ihn geworfen, ihn mit ihren Küssen bedeckt und mit den zärtlichsten Namen genannt, die ihr Herz ihr eingab.
Es dauerte einige Zeit, dann sagte er:
Laß mich jetzt, ich habe heftigen Kopfschmerz, bin krank von dem Kummer, den Deine Behandlung mir gemacht, und habe viel getrunken, was mir jetzt im Gehirn tobt.
Sie bat ihn wiederum in stürmischer Zärtlichkeit Alles ab, was ihn beleidigt hatte, fragte ängstlich nach seinen Schmerzen und drückte und herzte ihn.
Es hat nichts zu sagen, antwortete er, morgen wird mir ganz wohl sein und ich hoffe, Du wirst mir nie wieder mißtrauen.
Niemals! gelobte sie ihm. Den elenden Mordoch will ich aus dem Hause jagen, und den intriguanten Grafen hinterherwerfen. Er ist eben so ruinirt, wie sein Vermögen, darum hat er mit seiner Sippschaft den Plan gemacht, sich an meiner Tochter zu erholen. Aber ich will diese bisamduftige Drechselpuppe nicht zum Schwiegersohn haben, und ihm die Lust dazu austreiben.
Der Spion soll seinen Lohn bekommen, sagte er.
Alle sollen fort; auch der Preuße, den Althan mitbrachte, damit ich ein Spielzeug habe, das nach seinem Willen tanzen sollte. Bleibe Du mir, mein Geliebter, so ist Alles gut. Alles will ich missen, nur Dich nicht; lieber will ich sterben!
Du wirst leben, sagte er. Morgen soll ein neues Leben für uns beginnen.
In Deinen Armen, und ich will gut werden, sanft, mild, glücklich sein und glücklich machen! rief sie mit seelenvoller Freudigkeit. Sie nennen mich die böse Gräfin und fürchten mich. Ich will ihnen wohl thun, sie sollen mich Alle lieben lernen, weil ich liebe und weil ich Dein sein, Dir ewig angehören will. Mögen die Priester sagen, was ihnen beliebt. Gott hat Dich mir gegeben, er hat Dich zu mir geführt. Er hat mein Herz aufgeweckt, ihm allein will ich vertrauen.
Nach diesem neuen Sturme ihrer Gefühle dauerte es lange, bis sie endlich sich trennten. Es geschah zuletzt unter vielen Küssen und süßen Namen, verbunden mit eben so vielen betheuernden Versprechungen für den nächsten Morgen. Dann ging sie, kehrte noch einmal sich um, flüsterte zärtliche Namen und Wünsche und verschwand durch die geheime Thür.
Es dauerte einige Zeit, ehe das tiefe Schweigen unterbrochen wurde, das uns nun umgab. Kriegsheim saß in seinem Bette aufrecht. Der Mond schien hell auf ihn, er sah leichenhaft bleich aus, verworren hing sein Haar über sein Gesicht. Endlich hob er beide Hände an seine Stirn und murmelte in hohlem Tone:
Entsetzlich! schrecklich!
Nach einigen Augenblicken sah er zu meinem Versteck herüber und fuhr fort:
Sie haben Alles gehört. Was sagen Sie dazu?
Daß Sie mit glühender Leidenschaft geliebt werden.
Mit der Gluth der Hölle! rief er wie von einem Schauder ergriffen; aber dem Teufel selbst wollte ich mich eher überliefern, als ihr.
Das sagen Sie trotz der Schwüre, welche Sie ihr leisteten.
Was ich mir geschworen, das werde ich halten, erwiderte er, und in seiner leichtsinnigen Weise fügte er hinzu: Mir blieb nichts anderes übrig; ich mußte mir helfen, wie ich konnte, sie hat mich dahin gebracht. Aber glauben Sie mir, dies Weib verdient kein Mitleid, und was ich thue, ist gerechtfertigt. Ich wage Leben und Ehre gegen ihre Wuth. Hören Sie mich an, Sie sollen Alles erfahren.
Nein, sagte ich ihn unterbrechend, ich mag Ihre Geheimnisse nicht theilen.
Er schwieg einige Augenblicke, hob dann den Kopf wieder auf und sagte:
Sie haben Recht, man könnte Verdacht auf Sie wälzen und meine Mittheilungen würden dann Ihre Lage erschweren. Auf jeden Fall aber bitte ich Sie meinen Rath zu befolgen. Verlassen Sie morgen dies Schloß, es wird gut für Sie sein.
Hier unterbrach uns ein Geräusch und ich war erschrocken darüber, weil ich glaubte, die Gräfin kehre zurück, doch er beruhigte mich.
Sie kann uns jetzt nicht überraschen, sagte er, ich habe den Eingang verriegelt; doch warten Sie noch.
Damit ging er an die Thür, welche auf den Corridor führte, öffnete diese und es trat Jemand herein, der mit ihm flüsterte.
Obwohl der Eintretende in einen Mantel gehüllt war und sehr leise sprach, glaubte ich dennoch bald den Stallmeister Georgi zu erkennen. So war also, der ihn bewachen sollte, sein Vertrauter, und zugleich fiel mir ein, wie ich Beide in der Bibliothek angetroffen.
Er schläft also? fragte Kriegsheim nach einiger Zeit.
Ja, gnädiger Herr, und hoffentlich fest.
Was ist die Uhr?
Eben schlug es drei.
Und wie steht es – was er weiter hinzufügte und was jener antwortete, verstand ich nicht, bis er hörbarer sagte: Nur jetzt nicht etwa ein unnützes Zögern. Sind meine Bedienten munter?
Sie sind bereit, gnädiger Herr.
So will ich mich fertig machen. Geht hin und sagt, daß ich kommen werde. Noch Eines, mein Lieber –
Sie sprachen wieder ganz leise, endlich jedoch hob sich Kriegsheims Stimme.
Alles vortrefflich, flüsterte er, ich will jedoch der Letzte sein; ehe nicht Alles geschehen, thue ich keinen Schritt. Macht jetzt fort, in einer Stunde bin ich bei euch.
Der Stallmeister entfernte sich und der Baron kehrte zu mir zurück.
Sie sehen wohl, begann er, daß ich gegen meine Feinde gerüstet und nicht ohne Mittel bin, ihnen zu entkommen. Dies hoffe ich zu Gott und hoffe dabei, daß ich in Ihrer Achtung nicht verlieren, vielmehr mich bald rechtfertigen werde.
Ist das, was Sie vorhaben, nichts Böses? fragte ich ihn.
Nein, bei meiner Ehre! antwortete er, ich thue nichts, was nicht gut und gerecht wäre. Leicht könnte ich Sie davon überzeugen.
Macht es mit Eurem Gewissen ab, erwiderte ich, jedenfalls seid Ihr in gefährliche Dinge verwickelt.
Die Gefahren werden verschwinden, lachte er, aber der Ruhm wird bleiben. Seien Sie unbesorgt, was auch geschehen mag. Meine Anstalten sind so getroffen, daß ich den Teufel selbst nicht fürchte.
So nahm er Abschied, und ich kehrte unangefochten und unbemerkt in mein Zimmer zurück; wo ich mich auf mein Bett warf, ohne schlafen zu können. Alles, was ich erlebt hatte, drang jetzt auf mich mit zahllosen verwirrenden Vorstellungen ein, und peinigte mich in schrecklicher Weise. Wenn ich die Augen schloß, sah ich die betrogene Frau in ihrer Angst und ihrem Jammer, wenn ich sie aufthat, glaubte ich Schritte und Stimmen zu hören. Endlich verfiel ich doch in Schlaf, der meinen Grübeleien ein Ziel setzte, und schreckte von einem Gepolter daraus auf, das an meiner Thür entstand.