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2.

Der Tag war noch nicht zu Ende, als wir dort anlangten, und ich, nach Allem was ich gehört, war voller Neugier. Das Schloß lag sehr schön von einem großen Park und von Gärten umringt, welche sich bis an das Städtchen Steinau erstreckten und an den Kranz waldiger Berge hinzogen, die an dem Thalrande aufstiegen. Es war ein fürstlich großes Gebäude, wie ich wenige gesehen habe. An einem Abhange stand der älteste Theil desselben, noch geschmückt mit zwei starken, vormals festen Thürmen, welche durch die lange Front des Schlosses verbunden waren. An diese schlossen sich zwei Flügel von neuerem Ursprung, die in der Zeit Ludwigs des Vierzehnten Graf Johann Tentschin, der Großvater dieser Gräfin, erbaute.

Zwischen diesen Flügeln lag der Schloßhof, und hier trafen wir mit Helene von Callenberg zusammen, denn eben als wir einfuhren, sahen wir eine mit sechs prächtigen Pferden bespannte Kutsche die Allee heraufkommen und an uns vorüber bis vor die große Freitreppe fahren. Mehrere Bediente saßen auf dem Bock, und zu beiden Seiten des Wagens ritten ein Stallmeister in blauer Uniform und ein anderer Herr, der nicht wie ein Diener aussah, obwohl er als ein solcher sich auswies. Es war nämlich der Haushofmeister in braunem Kleide mit Gold besetzt, einen Tressenhut auf seinem gepuderten Toupé und einen Stock mit großem goldenen Knopf in der Hand.

Ich würde diesen Mann von stattlicher Figur und gut zu Pferde sitzend für einen Cavalier gehalten haben, wenn ich nicht schon mit der Sitte bekannt gewesen wäre, welche damals bei vielen vornehmen adligen Familien üblich, sobald dieselben nicht einen dienstthuenden Hofjunker engagirt hatten oder Pagen hielten. Alsdann vertrat der erste Kammerdiener oder Hausmeister deren Stelle, kleidete sich cavaliermäßig und trug ein großes spanisches Rohr mit Goldknopf. Diese Leute wurden auch Führer genannt und jede Dame von Rang ließ sich von einem solchen Führer begleiten, der als der vornehmste Diener ihres Haushalts galt und die Pflicht hatte, seiner Dame alle Cavalierdienste zu leisten, ihr beim Ein- und Aussteigen behülflich zu sein und ihr den Arm zur Stütze zu bieten, wenn kein Cavalier in der Nähe war.

Indem ich dies anschaute, gelangten wir ebenfalls an die Treppe, und Graf Dietrich sprang schnell aus dem Wagen, lief zu der großen Kutsche und half einer Dame heraus, welche lebhaft mit ihm sprach, ihn ausfragte und einige Minuten lang anhörte, was er ihr meldete.

Während dieser Zeit stand ich Beiden zur Seite, betrachtete die Dame ohne darin gestört zu werden, und wahrlich, es war ein schönes Frauenbild, wenngleich nicht etwa wie ein Maitag anzusehen, sondern eher wie ein Himmel voll Glut und Wetterleuchten. Von Gestalt war sie groß und schlank, von Gesicht voll und dessen Züge fest und kräftig ausgeprägt. Ihre Lippen warfen sich ein wenig auf, die Nase war römisch stolz von der Art, wie man sie an Marmorstatuen der Juno steht, doch Alles beherrschten ihre Augen, die ungewöhnlich lebhaft und feurig umherblickten. Hohe mondförmige Bogen standen darüber und lange Wimperschleier faßten sie ein, aus denen sie wie Vulcane leuchteten.

Dazu paßte der Gegensatz ihres dunklen Haars, das lockig bis in ihren Nacken fiel und gegen die Zeitsitte weder mit Puder bestreut noch zu einem thurmartigen Gebäude verflochten war. Aeußerst schmale weiße Hände, auch eben so schmale kleine Füße vollendeten diese schöne Erscheinung, und denkt man sich dazu ihr grünes langfallendes Kleid von niederländischem Gewebe mit Puffen geschlitzt und mit weißem Atlas gefüttert, den spanisch aufgeschlagenen Hut mit diamantner Agraffe und zwei weißen Straußenfedern, so wird man meine anstaunende Bewunderung noch mehr gerechtfertigt finden.

Als Graf Dietrich ihr meine Anwesenheit meldete und dabei auf mich deutete, wandte sie sich nach mir um, und während ich mich verbeugte und sie mit einer Kopfneigung dankte, ruhten ihre Blicke auf mir und ich sah sie freundlich lächeln.

Seien Sie mir willkommen in Steinau, meine Herren, begann sie darauf. Meine Freundin Josephine meint es wahrlich gut mit mir, daß sie mir zum Trost zwei so vortreffliche Cavaliere in meine Verlassenheit schickt. Ich werde diese Gnade zu schätzen wissen.

Mit diesen Worten reichte sie mir den Arm, Graf Dietrich ging an ihrer rechten Seite. Der Haushofmeister mit seinem Stocke schritt voran und öffnete die Thüren, und der Stallmeister trug ihr die Schleppe nach. In ihrem Empfangzimmer wurde dann unser Gespräch noch eine Zeit lang fortgesetzt, bis sie uns entließ, mit dem Ersuchen, zur Abendtafel wieder bei ihr zu sein. –

In diesem großen Hause ist es einsam, sagte sie, meine edlen Gäste müssen sich meist mit meiner Gesellschaft begnügen.

Wie befindet sich Comtesse Agnes Maria? fragte mein Freund.

Morgen soll sie dem Herrn Grafen selbst darauf antworten, erwiderte die Gräfin. Es geht ihr wieder wohler; ich meine, es hatte überhaupt nicht viel zu sagen, aber es ist ein eigensinniges Kind, daß mir viele Noth macht. Liebt der Herr Baron die Jagd? fragte sie abbrechend, indem sie sich zu mir wandte.

Von früher Jugend an, erwiderte ich.

Und bei einem Reiteroffizier darf man nicht bezweifeln, ob ein feurig Roß nach seinem Geschmacke ist?

Gewiß nicht, Madame, sagte ich hierauf. Wozu wäre die Jugend, wenn sie das Wilde und Feurige nicht lieb hätte!

Das gefiel ihr. Ihre Augen sprühten auf.

Gut, versetzte sie, wir wollen jagen und reiten, und wenn der Herr Graf sein goldenes Riechbüchschen und den Büchersaal oder ein anderes Amusement im Schlosse vorzieht, so wollen wir ihn dispensiren.

Meine gnädigste Gräfin weiß, was mir gut thut, versetzte mein Freund lächelnd in seiner geschmeidigen Weise, auch weiß sie, wie ich nach ihren Befehlen zu leben und zu sterben bereit bin.

Nein, nein! rief die schöne Dame in ihrer Spötterei fortfahrend, wir wollen den Herrn Grafen nicht grausamlich ums Leben bringen, indem wir ihm zumuthen, über Gräben und Hecken zu setzen, mörderische Gewehre abzufeuern und Blut zu vergießen. Mordoch, sagte sie, zu ihrem Haushofmeister sich wendend, weise dem gnädigen Herrn eine Wohnung an, wo nichts seine poetischen Gefühle stört, und jetzt gehabt Euch wohl, Messieurs, ich erwarte Euch bei Tische.

Anmuthig grüßend entfernte sie sich und wir folgten dem Haushofmeister durch einen der langen Corridore, wo er zunächst mir ein Gemach öffnete, dann den Grafen weiter führte. Diener brachten meine Mantelsäcke und zündeten Lichter an, obwohl es noch nicht ganz finster war, so daß ich am Fenster stehend die vom Abendroth beleuchteten Waldberge und die Häuser der kleinen Stadt, welche vor mir in der Ferne lagen, betrachten konnte.

Ich befand mich in der Front des alten Schlosses zwischen den beiden großen Thürmen. Unter meinen Fenstern zog sich eine Terrasse hin, und vor dieser ging es tief hinab, wahrscheinlich in den alten Schloßgraben; das ganze Thal lag im abendlichen Frieden und über den zahllosen leise wogenden Wipfeln des Parks hing ein magisch röthlicher Schimmer, aber in mir wogte Unruhe und allerlei Traumgestalten, die mein Blut erhitzten.

Diese schöne Frau mit den wildlodernden Augen hatte mich in solche Aufregung gebracht. Ich hatte so viel Schlimmes von ihr gehört, daß ich lebhafte Abneigung verspürte, ehe ich sie gesehen, nun aber dies geschehen war, ging es mir so, wie Graf Dietrich vorausgesagt hatte. Mein Herz war eingenommen und mein Kopf sträubte sich vergebens den Empfindungen Widerstand zu leisten. Ich schwur mit zwanzig leisen Schwüren, daß all das Böse, was man ihr nachsage, Lüge und Verläumdung sei, und verwirrte mich in Gedanken, die von Zweifeln nichts hören wollten.

Dabei kleidete ich mich rasch um, von dem Verlangen getrieben sie wieder zu sehen, und fiel doch wieder in träumerische Betrachtungen zurück, so daß ich noch nicht ganz bereit war, als ich den Schall einer Glocke hörte, und der Diener, welcher mich bedienen sollte, hereinkam um mir zu melden, daß das Abendessen aufgetragen sei.

Ich schickte ihn fort und folgte nach einigen Minuten nach; allein ich verlief mich in dem Gange und öffnete eine Thür, wo ich den Haushofmeister Mordoch vor einem Kamin sitzend fand, in welchem ein ziemlich helles Feuer brannte. Der Schein fiel auf sein finsteres und brütendes Gesicht, das einen unheimlichen Ausdruck hatte; seine Arme hielt er gekreuzt, seine Augen stierten in die Flamme.

Als er mich hörte, sprang er auf und seine Mienen füllten sich mit unterthäniger Demuth.

Wohnt Er hier? fragte ich.

Ja, mein gnädigster Herr Baron.

Wie kommt es, daß Er Feuer anmacht?

Dies Zimmer liegt in dem dicken Thurme, welcher der weiße Thurm genannt wird, erwiderte er. In solchen hohen Kreuzgewölben ist die Luft feucht, zumal für Jemand, der nicht hier geboren wurde.

Er ist kein Schlesier? fragte ich.

Nein, gnädiger Herr, ich bin aus dem Krainer Erblande gebürtig, mein Vater stammte von Mailand her.

Er sah nach italienischer Abkunft aus mit seiner breiten gelblichen Stirn und dem Wald hochstehender dichter Haare darüber.

Das ist ein schönes Zimmer, sagte ich, indem ich umherschaute.

Es hat viele Vorzüge, versetzte er, besonders den, daß ich in der Nähe meiner gnädigsten Gräfin bin und deren Befehle sogleich befolgen kann.

Wohnt die Gräfin so dicht bei Ihm? fragte ich.

Ebenfalls in diesem Thurme, gnädiger Herr, antwortete er, und es kam mir vor, als blickte er mich dabei boshaft an. Auf der anderen Seite liegen die Gemächer Ihrer Gnaden und daran stößt der Saal, in welchem der Herr Baron erwartet wird.

Auf diese Erinnerung ging ich fort und er geleitete mich in den Speisesaal, in welchem ich den Grafen Dietrich schon fand, der allein unserer schönen Wirthin entgegenging, ihre Fingerspitzen küßte und sie zur Tafel führte, welche in der Mitte des Saales nur für uns Dreie servirt stand. Auf großen Silberleuchtern brannten viele Kerzen, eine Anzahl reich gekleideter Diener brachte Weine und Speise, welche Mordoch an einem Nebentische zerschnitt und dort sein Amt verwaltete.

Die Unterhaltung wurde, wie dies üblich, meistentheils französisch geführt und war belebt durch die zwanglose Weise, in welcher die Gräfin ihre Gedanken und Meinungen aussprach. Sie scherzte mit mir und dem Grafen, wünschte sich Glück, unverhofft mit so galanten Cavalieren umgeben zu sein, und bedauerte uns dagegen in diese Wüste uns verirrt zu haben, wo sie uns festhalten werde, so lange sie es vermöchte.

O, Madame! rief ich, dann wird niemals der letzte Tag kommen.

Wer weiß, wie bald der Herr Baron anderer Meinung sein wird, versetzte sie. Ich bin eine verrufene Schloßfrau, welche schon Manchem Furcht eingeflößt und ihn zum Davonlaufen gebracht hat.

Das wird niemals von uns gesagt werden! antwortete ich, indem ich betheuernd in ihre leuchtenden Augen blickte.

Wir wollen es abwarten, fuhr sie in derselben neckenden Weise fort. Jetzt aber thue der Herr Baron mir Bescheid, wie es Sitte ist im Hause Tentschin. Auf gute Freundschaft und langes, frohes Beisammensein!

Mit diesen Worten trank sie aus dem goldnen Pokal, gefüllt mit edlem Ungarwein, welchen Mordoch ihr auf goldener Platte gereicht hatte, und bot ihn mir alsdann. Wie ich ihn auf ihr Wohl geleert und zurückgegeben, wurde er von Neuem gefüllt und sie trank noch einmal und gab ihn dann dem Grafen Althan.

Auf daß alle Ihre Wünsche sich erfüllen mögen, Graf, sagte sie, und daß das Bisambüchschen alle Herzen mit süßem Duft erquicke.

Zunächst erflehe ich, daß mich die Huld und Gnade meiner gnädigsten Gebieterin niemals verlasse, erwiderte er, so werde ich das glückseligste Wesen auf Erden sein und anbetend in diesem Rosengarten knien dürfen.

Diese schwülstige Sprache war damals in der feinen Gesellschaft üblich, allein die Gräfin verachtete sie ohne Zweifel.

Versuche der Herr Graf seine Anbetung, wo es ihm beliebt, spottete sie, doch entziehe er uns dabei nicht ganz seine holde und geistvolle Gesellschaft. Wer in Steinau verweilt, muß wenigstens an der Tafel tapfer sein und darf sein Glas niemals leer stehen lassen. Gieb uns von dem alten Rheinwein meines Großvaters, Mordoch. nun seid fröhlich, Ihr Herren, und vergeßt nicht, daß ich die einzige Dame hier bin, der zu gefallen Eure Pflicht sein muß.

Ihre Aufforderung fiel auf guten Boden. Wir bemühten uns um die Wette fröhlich und unterhaltend zu sein und wurden dazu von den lustigen und witzigen Einfällen und Fragen unserer schönen Wirthin noch mehr angeregt. Gezwungen durch unsere Trinksprüche, mußte sie öfters ihr Glas füllen lassen, und ihre Stimmung wurde dadurch gereizt, ihre Laune bis zum Uebermuth erhitzt. Ihr Gesicht röthete sich, ihre Augen strahlten Feuer aus, ihre Scherze und ihr Lachen schallten durch den Saal.

Das Gespräch wandte sich endlich auch auf den Umgang der verschiedenen Geschlechter und sie erklärte ohne Umstände, daß sie Männergesellschaft bei Weitem der Frauengesellschaft vorzöge, da es den meisten Frauen sowohl an Geist wie an Kenntnissen fehle.

Ich wünschte, fuhr sie dann lachend fort, daß die Herzogin, meine würdige Schwiegermutter, dies Bekenntniß hören könnte, oder mein frommer Schwager, Se. Excellenz der wirkliche polnische Geheimrath und weiße Adlerritter, Graf Erdmann Promnitz in Sorau. Sie würden wehklagend sich kreuzigen und mich noch viel entsetzlicher verdammen, als das schon geschieht.

Wir wollen es ihnen schreiben, sagte Graf Dietrich.

Es wäre eine prächtige Antwort auf den Brief, welchen ich heut empfing.

Also noch immer eine zärtliche Correspondenz?

Die Herzogin hat gehört, daß Agnes krank sei, – meine Tochter, schaltete sie ein, indem sie mich anblickte, – sie ist so widerspenstig und albern wie ein Bauernmädchen und hat sich in den Kopf gesetzt, zu ihrer gnädigen Großmutter zu reisen. Aber daraus soll niemals etwas werden. Meinen Sohn habe ich ihnen ausliefern müssen und sie erziehen ihn zum Pietisten und zum Geizhals, nach dem Vorbilde seines würdigen Oheims in Sorau, der den halben Tag auf den Knien liegt und die andere Hälfte damit zubringt, seine Ducaten zu zählen und seine Pfandbriefe zu betrachten.

Was würde die gnädigste Großmama nicht erst aus der liebenswürdigen Comtesse Agnes Maria machen? rief Graf Dietrich, indem er an seinem Bisambüchschen roch.

Nichts da! rief die Gräfin mit Heftigkeit; eher soll sie sterben, ehe sie aus meinen Händen kommt! Diese alte Frau hat mich genug gequält und hört nicht auf damit. Erst kürzlich hat sie den Grafen Schafgotsch, der ihr verwandt ist, wider mich aufgehetzt. Der Herr Director bat mich der Frau Großmama die liebe Enkelin doch als Trost in ihren alten Tagen zuzuschicken. Was sie aus ihr machen will, fragen Sie? Eine Betschwester, eben so langweilig wie sie selbst, wozu das bäuerische Ding schon die besten Anlagen besitzt. So sind sie alle, diese gewöhnlichen Weiber. Unfrei und ohne alle Selbstständigkeit wachsen sie auf und werden dann an einen Mann verhandelt. Sind sie noch klug genug, so trösten sie sich mit ihrer Eitelkeit, mit Putz und Liebschaften, die anderen aber werden gute geduldige Hausfrauen, ehrbar und tugendhaft und nehmen an Jahren, Dummheit und Frömmigkeit zu, bis sie sterben. Darum fort mit allen diesen neidischen klatschsüchtigen Weibern! Ich ziehe den Umgang mit Männern vor, habe es immer gethan und kann sie nicht entbehren, obwohl die Männer das ganze Unglück meines Lebens verschuldet haben.

Hoffentlich geht diese harte Anklage nicht auf alle Männer, sagte ich.

Auf alle! erwiderte sie. Es giebt keinen treuen Mann.

Um so treuer sind die Frauen, lächelte Graf Dietrich.

Wenn wir lieben, liebt jede Frau treu! sagte sie und indem sie aufstand und ihren Stuhl zurückstieß, den Mordoch sogleich entfernte, setzte sie hinzu: Gute Nacht, Ihr Herren! Träumt von Liebe und Treue, das ist der schönste Wunsch, mit dem ich Euch verlassen kann.

Wir begaben uns hierauf auch in unsere Zimmer, doch ich war vom Weine und meinen Gedanken erhitzt und lag in meinen Kleidern wach auf meinem Bett, als mein Freund nochmals bei mir eintrat. Er hielt ein Licht in der Hand, hatte seinen Damastschlafrock angezogen und Pantoffeln an seinen Füßen, so daß er ganz leise kommen konnte. –

Wir müssen noch zusammen plaudern, sagte er. Mein Kopf ist wüst von dem Trinken, das ich von ganzem Herzen verabscheue.

Damit setzte er sich auf mein Bett, nahm eine Prise wohlriechenden französischen Tabak aus seiner Dose und blickte mich listig lachend an.

Nun, wie gefällt Euch das? Was sagt Ihr dazu? fragte er.

Ich sage vor der Hand nur das Eine, antwortete ich, daß diese Frau meine lebhafteste Theilnahme erregt. Sie muß viel Unglück gehabt haben, muß vielfach getäuscht und betrogen worden sein.

Sie konnte nichts Anderes erwarten, entgegnete er, weil ihre Leidenschaften alle Klugheit mißachteten.

Sagt lieber, fiel ich ein, weil sie wahrscheinlich keinen fand, der ihre Liebe vergalt und ihr Achtung abnöthigte.

Ich sehe schon, lachte er, die unglückliche Verirrte hat einen warmen Vertheidiger gefunden und es wird an ihm nicht liegen, wenn der Versuch fehlschlägt, einen heiligen Liebestempel in Steinau aufzubauen.

Spottet nicht, Graf, erwiderte ich erregt. Wenn sie mich liebte, würde ich freudig mein Leben opfern, um ihre Liebe zu verdienen.

Daran hindert Euch nichts, sagte er, und ich müßte mich sehr irren, so seid Ihr der Mann dazu, bald am Ziele Eurer Wünsche zu sein. Widmet ihr Eure Dienste, mein Freund, warum sollte sie Euch nicht dafür belohnen? Aber hört auf meinen Rath, den ich Euch wiederhole: hütet Euch Euer Glück weiter zu treiben als gut ist. Sie hat in ihrem Leben eine ganze Schaar Anbeter und Liebhaber gehabt, darunter sogar einen Prinz, doch niemals haben diese Amours lange gedauert. Sie hat ein Leben geführt, nicht schlechter, als das vieler anderen schönen und vornehmen Frauen, die aus den Armen des einen Geliebten in die des andern fallen; daraus also wäre nichts Besonderes zu machen, wenn nicht die Auftritte mit ihren beiden Männern und ihre Lust, unbequeme Liebhaber mit Pistolenschüssen zu regaliren, dazu kämen. Wer wollte mit einer solchen Frau ein wirklich zärtliches, seriöses Verhältniß anknüpfen, wer wollte sich ernsthaft verlieben oder diese Glut von Leidenschaften zu Liebe erhitzen? Zu solcher Liebe, wie sich die Herrn Poeten diese denken und schwärmerische Schäferspiele daraus machen, ist eine Frau, wie diese, überhaupt unfähig. Ihre Liebe kann sie nur zum Vampyr machen und jeden Augenblick in Verderben umschlagen. Verständigt Euch mit ihr, Freund. Tausend und aber tausend süße Verhältnisse werden in dieser Welt geknüpft und lösen sich auf, wenn unsere Wünsche sich abgekühlt haben. Nützt Eure Zeit und Euren Aufenthalt in diesem Schlosse, um angenehme Erinnerungen daraus mit fortzunehmen; seid aber auch überzeugt, daß ich mit größter Freude Euch dabei unterstützen will.

Während er sprach, war mein Gesicht trübe geworden, es drückte meine Empfindungen aus. Ich mußte zugeben, daß er Recht habe, und dennoch war ich über seine Lehren empört.

Ihr urtheilt hart, sagte ich, und widerlegt mich dennoch nicht. Kann nicht bis jetzt ihr ein Mann gefehlt haben, an dem ihr Ausspruch wahr wird, daß Frauen, wenn sie lieben, dem mit Leib und Seele anhängen, dem ihr Herz gehört?

Er lachte darüber.

Wartet noch einige Tage, so werdet Ihr sie besser kennen, sagte er. Es wird sich wohl eine Gelegenheit bieten, wo Ihr sehen mögt, welche Gewalt Ihr über ihr Herz gewonnen habt, doch macht Euch keine Illusionen, mein Bester. Diese Frau ist so unzähmbar wie ein bengalischer Tiger. Streichelt seine feine Haut, ergötzt Euch an dem prächtigen Körper, allein seid immer auf Eurer Hut und nehmt Euch in Acht, seine Wuth aufzuwecken.

Dankbar nehme ich alle diese guten Lehren an, großmüthiger Freund, sagte ich, belustigt von seinem Vergleich, doch was wollt Ihr inzwischen beginnen und was kann mein dankbares Herz für Euch thun?

Das will ich Euch sagen, erwiderte er leise. Gewinnt die schöne Mutter für Euch, ich werde mit der häßlichen Tochter zufrieden sein.

Dacht' ich es doch, versetzte ich. So christlich wollt Ihr also theilen.

Ich bin gekommen, sagte er, um offen mit Euch darüber zu sprechen. Auch meine Schwester hat dies gewünscht und Euch darüber schon eine Andeutung gemacht.

O! rief ich, jetzt kommt mir Licht. Ich wurde mit gutem Vorbedacht eingeladen, Euch hierher zu begleiten.

Ich will es nicht läugnen, antwortete er. Ich rechne auf Eure Hülfe und Freundschaft, da ich diese anzurufen habe und weiß, Ihr werdet, was Ihr könnt, jederzeit thun, um meine Absichten zu unterstützen. Die Gräfin Agnes Maria ist eine Mariage, wie ich sie zu machen wünsche. Sie hat von ihrem Vater ein beträchtliches Vermögen ererbt, ihre Mutter wird ihr diese Herrschaft Steinau nachlassen, und ihre Großmutter, die Herzogin von Sachsen-Weißenfels in Drehna, ist sehr reich.

Das sind schöne Aussichten, erwiderte ich. Weiß die Gräfin Callenberg um Eure Pläne?

Meine Schwester hat mit ihr darüber verhandelt, und unsere Verwandten am kaiserlichen Hofe haben es dahin gebracht, daß die Kaiserin sich dafür interessirt, daher auch der Gräfin wissen ließ, sie hoffe und wünsche, daß ihre Tochter nicht etwa außer Landes oder an einen Protestanten gegeben werde, sondern ein guter, katholischer Edelmann sie bekomme.

Und als solcher wurdet Ihr dabei angepriesen?

Wie es nicht anders sein konnte, lachte er.

Was sagte sie dazu?

Sie ist viel zu eigensinnig und herrschsüchtig, um nicht eine trotzige Antwort zu geben. Sie werde ihre Mutterrechte gegen Jedermann behaupten und sich keinen Schwiegersohn aufdringen lassen, der ihr nicht behage.

Und nun spielt Ihr ein altes Stück auf, mein Lieber, versetzte ich. Wer die Tochter haben will, muß der Mutter gefallen! Ich sehe wohl, worauf es ankommt, allein was sagt die Tochter denn dazu? Seid Ihr deren Gunst gewiß, so fügt sich die Mutter um so leichter.

Glaubt das nicht, versetzte er. Ich muß sehr vorsichtig sein, denn ihre gegenseitige Abneigung ist so groß, daß, wenn ich der Tochter gefiele, die Mutter mir um so mehr entgegen sein würde. Allein obwohl Agnes Maria noch ein halbes Kind ist, dabei auch sanft und demüthig wie ihr Vater war, hat sie doch etwas von dem hartnäckigen Trotz ihrer Mutter bekommen. Sie ist unlenksam gegen deren Willen, lutherisch dickköpfig, wie man zu sagen pflegt, das heißt eigensinnig, und da sie im Frühjahr, als ich hier im Schlosse war, wohl gemerkt haben mag, was meine Liebenswürdigkeit gegen sie bedeute, muß ich hinzufügen, daß alle meine Bemühungen nichts weiter fruchteten, als sie noch scheuer und mißtrauischer zu machen.

O, weh! sagte ich, so sollen Mutter und Tochter gewonnen werden, daneben auch wohl noch der Vormund. Sagt mir doch, wer dieser ist.

Der Graf von Promnitz in Sorau, eben jener Geizhals und Frömmler, welchen die Gräfin verspottete.

Der wird schwerlich einwilligen! rief ich aus.

Ebenso wenig wie die Großmama, antwortete Graf Althan, allein daran ist nichts gelegen. Auch ist es im äußersten Falle zu verschmerzen, wenn die verstockte kleine Dame sich sträubt, obgleich ich mein Möglichstes thun will, mich aimabel zu machen. Habe ich die Einwilligung der Mutter, so führe ich meine Braut nach Wien und dann mag die Familie Promnitz zusehen, wie sie mein allerliebstes Schätzchen mir wieder entreißen will.

Ich empfand eine Anwandlung von Mitleid bei dem Hohn, der um seinen Mund zuckte, aber er fuhr sogleich fort:

Was ich von Euch verlange, bester Freund, besteht darin, daß Ihr die Mutter divertirt, als ihr Cavalier sie begleitet und beschäftigt, so daß ich Zeit habe, mich der Tochter zu widmen. Seid Ihr der glückliche Amant der Frau Gräfin geworden, so helft Ihr mir durch Euren Einfluß, daß ich meine Absicht erreiche; ich sowohl wie meine Schwester und meine ganze Familie werden Euch ewig dankbar dafür sein.

Das versprach ich ihm denn auch, worüber er sehr vergnügt war, meine Hände drückte und mir gelobte, daß, wenn ich nach Wien kommen und in des Kaisers Dienst treten wolle, ich gewiß mein Glück machen werde. Hierauf erzählte er mir noch Mancherlei von der Gräfin, meist nicht viel Gutes, von ihrer heftigen Gemüthsart, welche sie sogar dahin gebracht, zum Oeftern ihre Tochter mit der Peitsche bis aufs Blut zu schlagen, und daß, wenn sich etwa ein solcher Fall wieder ereignete, man durch Bitten sie zum Aufhören bewegen, nicht aber etwa gewaltsam daran hindern müsse.

Noch Eines, sagte er beim Abschiede. Ihr habt den Haushofmeister und Führer gesehen.

Mordoch?

Ganz recht, Mordoch, murmelte er, nach der Thür umschauend, und fuhr dann französisch sprechend fort:

Hüten Sie sich vor ihm.

Warum?

Er gehört zu der Race italienischer Bastarde, wie diese in Wien häufig sind und eben so wohl im Dienste der Polizei wie im Dienste der Jesuiten und Pfaffen gebraucht werden.

Was will der Kerl hier spioniren?

Still! sagte er. Dieser Mordoch ist der Nachfolger des erschossenen Kammerdieners und eben auch ein Vertrauter. Dabei ist er, wie ich nicht zweifle, im Solde der Geistlichkeit, vielleicht selbst im Orden der Jesuiten aufgenommen. Diese haben eine Menge Mitglieder der verschiedensten Art, durch welche sie in die Familien dringen, alle Geheimnisse ausspähen, alle Verhältnisse beobachten lassen und namentlich solche Personen mit ihren Aufpassern umgarnen, welche ihnen Grund zum Mißtrauen geben.

Welchen Grund giebt ihnen die Gräfin dazu?

Sie ist Katholikin und betet allerdings täglich in der Kapelle, aber sie hat zwei Protestanten geheirathet und sich an die Abmahnungen der Kirche nicht gekehrt. Wer weiß, welche Ketzereien sie noch im Sinne hat; obenein besitzt sie eine lutherische Tochter, deren Seele gerettet werden muß.

Somit würde die Geistlichkeit Ihnen und Ihren Absichten den besten Beistand leisten.

Das, hoffe ich, wird sie ihrer Zeit nicht unterlassen, erwiderte er. Mordoch ist nicht abgeneigt, mich zu unterstützen, insofern ich mich großmüthig und als ein getreuer Diener der Kirche zeige, auch wird er auf meinen Wunsch Ihnen bei Ihrer Liäson mit seiner schönen Gebieterin nichts in den Weg legen, weil er weiß, daß Sie mein Freund und Verbündeter sind. Dennoch wiederhole ich meine Warnung. Trauen Sie ihm nichts an, glauben Sie weder seiner Demuth, noch seinen Schmeicheleien. Es ist ein fanatischer Katholik, Sie sind ein Ketzer und schon darum sein Feind. Jetzt aber, gute Nacht, Baron, träumen Sie von allen Wonnen, die Sie erwarten!



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