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Nach einer Woche ungefähr besuchte der Forstinspector Lüders wiederum den Amtsrath, der ihn mit Freuden kommen sah. Ehe, Lorenz! rief er ihm entgegen, ist das eine Art sich selten zu machen. Jeden Abend haben wir Dich erwartet, und Jettchen ist bitterböse; Du hast nicht einmal auf ihren Brief geantwortet.
Die Antwort bringe ich selbst, sagte der Forstinspector, ich habe keine Zeit gehabt. Jetzt gehen die Holzverkäufe an. Ich habe alle Hände voll zu thun, ich muß den ganzen Tag auf den Beinen sein, die Auctionen halten, und die Schreibereien abmachen und die Kasse in Ordnung bringen.
Da giebt es Geld in Massen! rief der Amtsrath.
Jetzt noch nicht, aber gegen Ende des Monats wird der Kasten voll sein.
Laßt euch nur nichts stehlen, fuhr der Vetter fort. Das Gesindel ist jetzt wie besessen auf die Amtskassen.
Es soll nichts heraus kommen ohne meinen Willen, lachte Lüders; was aber das Gesindel betrifft, so hegst Du es selbst auf Deinem Grund und Boden.
Wer? Ich? schrie der Amtsrath. Keinem Menschen ist Gesindel mehr verhaßt wie mir. Was meinst Du also?
Nun, sagte der Forstinspector, Dir gehört doch die Buschmühle; mehrere Wochen schon treibt sich meine gute Freundin, des seligen Buschmüllers Weib, mit ihren beiden Sprößlingen umher. Sie haben ihr ein Lager in dem Mühlschuppen eingeräumt. Weißt Du etwas davon?
Ja, sagte der Amtsrath verlegen. Höre an, Lorenz. Das Weib ist zu mir gekommen, hat mich gebeten, der Pächter auch; er ist ein Verwandter. Elend ist sie genug, gestraft auch.
Was kümmert Dich ihr Elend! spottete Lüders. Mag sie verhungern, wo sie will, ich mag sie nicht sehen.
Er ballte die Faust zusammen und seine Augen blickten rachsüchtig.
Lieber Lorenz, sagte der Amtsrath begütigend, ich dachte weil ihr der Junge ins Wasser gefallen und weil Ihr ihn herausgezogen hattet –
Wer? Ich? – ich ihn herausgezogen! fiel der Forstinspector ein. Meinetwegen könnte er da liegen bis zum jüngsten Tage.
Fräulein Rosa aber doch, und der mexicanische Bergwerksdirector und der Gerichtsdirector und Alle, ich denke Alle! erwiederte der Vetter. Erzähle uns doch die Geschichte genau, Lorenz, man wird nicht recht klug daraus. Fräulein Rosa hat mit dem Mexicaner auf der Bank am See gesessen, ganz allein, beim Sonnenuntergang, wie der Junge hinunterplumpte, und es soll ja überhaupt große Herrlichkeit jetzt draußen mit dem Schatzgräber sein, der vom Morgen bis zum Abend bei ihr ist.
Aber nicht vom Abend bis zum Morgen, lachte Lüders. Schaff das Weib fort; thu mir's zu Gefallen.
Gern, sagte der Amtsrath, herzlich gerne. Morgen gleich soll es geschehen.
Und sprich mit dem Bürgermeister, fuhr der Forstinspector fort. Er soll sie aus der Gemeinde jagen lassen, sie hat kein Recht darin.
Ich will es Alles machen, es soll keine drei Tage dauern, versicherte der Amtsrath; aber Du siehst ganz wild und erhitzt aus, Du mußt Dich nicht über solche Lumpereien ärgern. Da kommt mein Jettchen aus der Stadt.
Die Frau Amtsräthin kam in der neuen Victoriachaise Hier handelt es sich nicht um jenen Kutschentyp, der auf den namhaften englischen Wagenbauer Cooper zurückgeht, der 1869 anlässlich des Einzuges der britischen Königin Victoria und des Prince of Wales diesen Wagentyp geschaffen haben soll, der einen leichten, in der Regel auf einem Eisengestänge befestigten und meist abnehmbarem Kutschbock besaß - sondern um einen jener in Paris schon früher Victoria-Kalesche genannten Wagen., die von zwei prächtigen Schimmeln gezogen wurde. Der Amtsrath betrachtete die Pferde mit Blicken voll Vaterzärtlichkeit, und durch seinen Kopf ging die ganze Geschichte, wie er sie nach dem Wollmarkt für den Preisüberschuß kaufte, den er noch am letzten Tage davon trug, weil er schlau gewartet hatte.
Ehe er jedoch seinen Gefühlen Worte gab, war Lorenz Lüders schon hinaus, hob die schöne Cousine aus dem Wagen und küßte ihre Hand, ließ sich schelten und führte sie galant in ihr Zimmer, wo er ihr den Tuch abnahm und durch seine Scherze und Entschuldigungen sie versöhnte.
Nun, sagte die Amtsräthin, schalkhaft ihn fixirend, als sie beisammen saßen, haben Sie Nachforschungen angestellt?
Nachforschungen, worüber?
Vetter! Vetter! rief sie mit dem Finger drohend, sollten Sie wirklich solch kurzes Gedächtniß haben?
Oh! ich erinnere mich, lachte er, ich wollte das junge Pärchen beobachten.
Und Sie haben es beobachtet?
Man hat es, wie ich denke, kaum nöthig, sagte Lüders. Ich glaube jetzt selbst daran.
Wirklich! und Sie wünschen ihm Glück und Segen?
Was mein Segen dabei thun kann, so soll er gewiß nicht fehlen, fiel der Forstinspector belustigt ein; doch ich fürchte, sie sehnen sich nicht danach.
Wenigstens helfen Sie Verlobung und Hochzeit fröhlich feiern, erwiederte die junge Frau.
Gewiß, das will ich! rief Lüders, aber sollte es schon so weit sein?
Nächstens. Wir wissen Alles, sagte sie. Der Major hat der alten Anne mitgetheilt, daß sein lieber Neffe ihn nicht wieder verlassen werde, und Dinge gesprochen, aus denen klar hervorgeht, daß Alles in Richtigkeit ist. Sie wollen dem Herrn Neffen eine Anstellung verschaffen, meint die alte Anne, und dann soll er heirathen.
Eine Anstellung, meinte der Amtsrath, der Wein geholt hatte und die Gläser füllte, ist aber nicht so leicht zu haben, wie ein Mädchen, die heirathen möchte.
Warum denn nicht? sagte seine Gattin. Wenn man hohe Gönner hat, kann man Vieles erreichen, und wenn der Forstmeister sich an den Fürsten wendet, oder Röschen ihrem erhabenen Verehrer zu Füßen fällt, macht er ihren Bräutigam zum Geheimrath. Meinen Sie nicht, Vetter?
Sehr möglich! rief der Forstinspector. Es ist eine schöne Sache als Geheimrath eines Morgens aufzuwachen.
Der Bürgermeister und der Oberprediger sind davon überzeugt, daß es so kommen wird, fuhr sie fort, und verliebt soll das himmlische Röschen ja sein, daß sie für nichts mehr lebt, als für ihren edlen Freund. Seit der den Betteljungen aus dem See gezogen hat, ist er eine Art Messias geworden, den sie Alle anbeten. Der trockene, strenge Herr Gerichtsdirector selbst spricht von ihm wie von einem Meerwunder, und die alte Anne hat in der Apotheke erzählt, daß der Major mit dem Gerichtsdirector ganz etwas Besonderes vorhaben muß, denn sie sitzen heimlich zusammen bei verschlossenen Thüren.
Vielleicht arbeiten sie an einem Kochbuch für Röschen, sagte Lüders.
Der Witz erregte ein allgemeines beifälliges Gelächter. Scherz bei Seite, rief die Frau Amtsräthin, das romantische Fräulein soll sich gänzlich verändert haben. Sie reitet nicht mehr, weil er es nicht liebt, und schießt nicht mehr, weil er es nicht leiden kann. Dafür lernt sie Englisch von ihm, singt ihm stundenlang vor und sieht ihn verklärt an, wenn er spricht. Das müssen Sie doch auch Alles hinlänglich bemerkt haben, Vetter Lorenz!
Ich muß gestehen, sagte Lüders, daß ich die Possen nicht besonders beachte. Junge Damen müssen irgend ein Spielwerk haben. Ists nicht ein Kätzchen oder ein Schoßhund, so ist es ein Mann.
Aber wozu haben Sie denn Ihre Augen, mein lieber Vetter, wenn Sie solche wichtige Dinge nicht einmal beobachten wollen! erwiederte die hübsche Frau.
Als ob meine Augen nichts Besseres zu thun hätten! rief er leichtfertig und lachte sie an. Seine Blicke mußten dabei eine besondere Macht ausüben, denn die Cousine senkte die Wimpern und wandte sich rasch zum Fenster hin, vielleicht um die helle Röthe in ihrem Gesicht zu verbergen. –
Da Sie mir so viele schöne Neuigkeiten mitgetheilt haben, fuhr er fort, so muß ich Ihnen doch auch etwas erzählen, was Sie noch nicht wissen. Der Forstmeister hat einen Orden bekommen.
Die Frau Amtsräthin erstarrte, ihr Mann setzte das Glas auf den Tisch und that den Mund weit auf. Einen Orden! rief er, als könne er es nicht recht begreifen. Welchen Orden?
Das Ritterkreuz vom Adlerorden, wiederholte Lorenz kaltblütig. Heut morgen kam es an mit einem großen Schreiben aus dem Cabinet.
Und der Bürgermeister nichts, murmelte der Amtsrath – keiner von Allen – Alle nichts! Er schüttelte den Kopf und warf die Flasche um, die klirrend zerbrach.
Weil ihr Narren seid! rief die kleine Frau mit einem furchtbaren Blick, weil ihr wie Narren euch benommen habt, ungeschickt und lächerlich, was Du in diesem Augenblicke beweist.
Liebes Jettchen, rege Dich doch nicht auf, bat der große Mann sanftmüthig, Du bekommst sonst Deine Kopfschmerzen.
Wer keinen Kopf hat, kann keine Kopfschmerzen bekommen, erwiederte die zornige Dame. Er hat also den Orden – sie lachte erbittert auf – und ihr habt nichts als die Kosten für die Ehrenpforte, für Blumen und Fahnen! Ist es nicht köstlich, Vetter Lorenz, ein würdiger, weiser Magistrat!
Der hülflose Amtsrath warf einen flehenden Blick auf seinen Verwandten, der sich an diesem häuslichen Unheil, das er angestiftet, sehr zu ergötzen schien.
Endlich aber mischte er sich doch schützend ein:
– Laß es doch gut sein! rief er lachend, der Fürst hat den weisen Herren in Königswalde keine Orden geschickt, weil er weiß, daß Jeder schon einen besseren besitzt, als er geben kann.
Einen Orden? fragte der Amtsrath, mit großen Augen, weil er nicht verstand, was Lorenz meinte.
Ei freilich, fuhr dieser lachend fort, hat denn nicht jeder von Euch sein Hauskreuz?
Der Vetter schrie laut auf, daß dies ein prachtvoller Einfall sei, und mochte sie wollen oder nicht, die kleine Frau mußte endlich auch lachen, als der Forstinspector seinen Scherz weiter ausführte und betheuerte, daß gegen ein solches feines, allerliebstes, zierliches und buntbebändertes Kreuz alle Kreuze der Welt für nichts zu achten seien.
Nun, sagte sie, ich hoffe, auch Sie sollen davon nicht verschont bleiben und damit Sie Ihren Spott gehörig büßen, wünsche ich, daß Sie ein Kreuz bekommen, Vetter Lorenz, woran Sie ordentlich zu tragen haben.
Für diesen frommen Wunsch, antwortete er, nehmen Sie meinen aufrichtigen Dank, allein ich passe so wenig zum Kreuzritter, daß ich fest entschlossen bin, keines je an meine Brust zu stecken.
Sie fürchten Sich also? fragte die Cousine.
Ich will mein Herz frei behalten, erwiederte er, indem er ihre Hand küßte. –
Sein Lächeln und seine Blicke brachten nochmals eine so süße Verwirrung über die Cousine, daß ihre Finger heftig zitterten und es gut war, daß der Amtsrath herbei kam, der die Scherben der Flasche fortgeschafft und eigenhändig die entstandene Unordnung beseitigt hatte. –
Er war froh, als er sein Jettchen versöhnt und freundlich sah, und statt des ersten Aergers über den Orden des Forstmeisters gab es nun Heiterkeit in Fülle, als die Folgen dieses wichtigen Ereignisses näher überlegt wurden. Der Amtsrath ergötzte sich bei der Vorstellung der Gesichter des Bürgermeisters und des Oberpredigers, und die Amtsräthin war voller Begier zu erfahren, welchen Eindruck die Neuigkeit auf ihre Freundinnen machen würde. Sie fühlte, daß sie nichts Besseres thun könne, als die Nachricht selbst zu überbringen, und dies Verlangen wurde von dem Forstinspector gestärkt, der in komischer Weise die Bestürzung und den Grimm der verschiedenen Personen ausmalte, welche so angenehm überrascht werden sollten.
Wenn man auf anderer Leute Kosten lachen kann, sagte der Amtsrath zuletzt, so ist man nicht zum schlechtesten fortgekommen. Lorenz hat ganz Recht, es würde noch ganz anders verdrießen, wenn der Bürgermeister oder der Oberprediger, oder Beide einen Orden bekommen hätten, und ich müßte ihnen obendrein Glück dazu wünschen. Und was würde Jettchen für ein Gesicht dazu machen, wenn sie mit den beiden hochmüthigen Weibern zusammenkäme, und es würde von den neuen Orden gesprochen! Nein, nein! rief der gutmüthige Mann, ganz erschrocken bei dem Gedanken, seine hitzige, junge Frau in solchem Gram und Schmerz zu sehen, ich danke Gott, daß es so gekommen ist, und im Grunde genommen bin ich froh, daß kein Orden nach Königswalde gelangte und daß ich selbst kein Ritter geworden bin, wovon man nur Scherereien und Mühen hat.
Bester Vetter, erwiederte Lüders ihn umarmend mit einem schalkhaften Seitenblick, ich hoffe, Du wirst noch in einen Orden aufgenommen. – Der Spaß, die langen Gesichter des Bürgermeisters und des Oberpredigers zu sehen, ist aber so verlockend, daß ich ihn mit Vergnügen theile, zumal da ich mich dabei auch der angenehmen Gesellschaft meiner liebenswürdigen Cousine erfreuen kann.
Mit dieser galanten Wendung bot er der hübschen Frau seinen Arm und seelenvergnügt trabte der Amtsrath nebenher, bis in die Wohnung des Bürgermeisters, wo sich Alles erfüllte, was dieser Besuch versprochen hatte. –
Erst nach einigen Stunden verließ der Forstinspector diesen niedergeschlagenen und reichlich geärgerten Kreis der Königswalder Patrizier, nachdem ihn die Frau Amtsräthin öffentlich, zum nicht geringen Erstaunen: lieber Vetter! genannt, und er eben so laut versprochen hatte, so bald es irgend angehe, sie zu besuchen. In den Augen der ganzen ehrenwerthen Versammlung war es richtig, daß das so viel besprochene und so oft als anstößig behandelte Verhältniß wieder hergestellt sei, und wäre die Ordensfrage nicht so brennend gewesen, so hätte diese merkwürdige Aventüre das allergrößte Aufsehen erregen müssen. Jetzt aber begnügten sich die Bürgermeisterin und die Oberpredigerin, die Apothekerin und die Rectorin damit, sich stiere und traurige Blicke zuzuschleudern, die sie mit einigem heimlichen Geflüster und einigem verächtlichen Achselzucken auf den Amtsrath begleiteten.
Der Forstinspector ging inzwischen mit raschen Schritten durch das Gehölz, das die Stadt begrenzte, und auf einsamen Pfaden bis an das Seeufer. Hier stand er plötzlich still und blickte im Schutz der Bäume zu dem Hügel hinauf, auf welchem die Bank stand. Er war keine hundert Schritte davon entfernt und konnte genau sehen, daß auf dieser Bank Rosa von Bruchen und der mexicanische Bergwerksdirector saßen. Zuweilen hörte er sie laut sprechen, zuweilen aber hörte er nichts. Es kam ihm vor, als stritten sie zusammen und das Fräulein lachte hell auf.
Dann sah er, wie Richard Steinau die Hand seiner Nachbarin nahm, sie zwischen seinen Fingern hielt und so zu ihr redete, aber er konnte nichts verstehen. Seine Neugier wurde gereizt, die Augen des großen Mannes funkelten wild und spöttisch, und da die Seite des Hügels dicht mit einer Schonung junger Tannen bedeckt war, schien es gar nicht schwer, unentdeckt bis in die Nähe jener Beiden zu gelangen und sie zu belauschen.
Er warf sich mit der Geschicklichkeit eines Indianers, der seinen Feind beschleicht, in das dichte Unterholz, kroch ohne das geringste Geräusch zu bewirken bis an den Rand des Hügels und hörte hier am Boden liegend jedes über ihm gesprochene Wort.
Müssen Sie denn fort, lieber Richard? fragte Rosa. Warum müssen Sie?
Ich könnte Ihnen viele Gründe sagen, erwiederte er, aber sie würden Ihnen nicht genügen. Ich kann diese Luft nicht athmen!
Diese Luft? rief sie lächelnd. Und ich athme sie doch.
Er antwortete nicht, mit dem Stöckchen, das er in seiner Hand hielt, malte er wirre Linien in den Sand. Wir haben die Geschichte Romeos und Julias heut gelesen, begann er dann, Shakespeare hat seine süßeste Liebestragödie daraus gebildet, voller Gedankenschönheit, voller Bilderpracht, voll Schmerz und Glück; dennoch habe ich mich nie damit verständigen können. Romeo ist ein schwächlicher, verliebter Held, der sich in seiner Verbannung wie ein Weib gebehrdet, und endlich wie ein Narr stirbt.
Was verlangen Sie von ihm? fragte sie.
Den Muth zu entsagen, wenn Julia nicht den Muth hatte, ihn zu begleiten.
O! sagte sie, wie sprechen Sie das so kalt und hart aus. Was hat dies unglückliche, unselige Liebespaar auch mit unserer Frage zu thun? Sind hier Väter, die sich feindlich hassen? Giebt es einen Machtspruch, der Sie verbannt, einen grimmigen Tybalt, der Ihr Leben bedroht?
Auch keinen Paris, fiel er ein.
Sie legte ihre weiche, warme Hand auf ihn und lächelte wie eine Zauberin.
Niemand, sagte sie, als einen alten Mann, der Sie so lieb hat, daß er Tag und Nacht darüber sinnt, was er wohl beginnen könnte, Ihnen diese Luft, welche Sie nicht athmen mögen, angenehm zu machen. – Und geheime Versammlungen werden gehalten, fuhr sie flüsternd fort, die Weisen Egyptens kommen zusammen und berathen was man thun solle, um den ungestümen Mann zu bändigen, der seinem Vaterlande und den heimischen Laren durchaus den Rücken kehren will.
Und was haben diese weisen Männer beschlossen? fragte Richard.
Ich weiß es nicht, erwiederte sie ihre großen Augen zu ihm aufschlagend. Vielleicht meinen sie, es sei doch möglich, daß sich das rechte Mittel finden ließe, wodurch sein harter Sinn von seinem Herzen bezwungen würde.
O, Rosa! rief Steinau und durch die Ruhe seines Wesens drang eine Glut, die sie mit Entzücken erfüllte, ist mein Herz denn nicht bezwungen, kämpft es nicht längst einen schweren und schmerzlichen Kampf?!
Mit diesem Bekenntniß blickte er sie an, und sie beugte sich zu ihm voll Glück und Liebe, als plötzlich unten am Hügel ein scharfer gellender Pfiff sich hören ließ und fast zugleich Lorenz Lüders unter den Bäumen sichtbar wurde. Er blickte nach der Bank hinauf und zog grüßend seinen Hut. Die beiden Ueberraschten fuhren aus ihrer vertrauten Stellung zurück, und über Rosas Gesicht deckte sich eine feurige Röthe, die so drohend wurde, wie die Röthe eines Sturmhimmels.
Mit Höflichkeit näherte sich der Forstinspector inzwischen und nahm auf der Bank Platz, ohne dazu eingeladen zu sein. Das Fräulein heftete einen langen, unwilligen Blick auf den unwillkommenen Störer und beantwortete seine Fragen nach ihrem Wohlbefinden in einem so einsilbigen harten Tone, daß jeder Andere davor zurückgewichen wäre. Dem Forstinspector machte es jedoch ein heimliches Vergnügen sich einzudrängen und unbefangen zu bleiben. Er wandte sich an Richard und hat seine Störung zu entschuldigen.
Ich bin weit umher gelaufen, sagte er, habe meinen Hund durch mein Pfeifen aufmerksam machen wollen, wo er seinen Herrn zu suchen hat, und möchte nun ein wenig ausruhen, wenn Sie es erlauben.
Ein Jagdhund ist seinem Herrn gewöhnlich treu, erwiederte Richard.
Da die Treue, wie man sagt, überhaupt abnimmt, lachte Lüders, so ist kein Grund vorhanden, weshalb sie bei den Thieren bleiben sollte wie sie ist.
Glauben Sie denn, daß die Treue abnimmt? fragte Steinau.
Man sagt es, der Leichtsinn soll ja zunehmen, antwortete der Forstinspector. Wenn das gnädige Fräulein nicht zugegen wäre, würde ich noch andere Dinge behaupten.
Was würden Sie behaupten? fragte Rosa von Bruchen, indem sie sich zu ihm umwandte.
Sie sah so feindlich streng aus, daß der Forstinspector sich verbeugend antwortete:
Ich muß fürchten das Mißfallen des gnädigen Fräuleins erregt zu haben; es thut mir leid, daß ich so ungelegen gekommen bin.
Ungelegen oder nicht, erwiederte sie, sagen Sie jetzt, was Sie zu sagen haben.
Es war von Treue und vom Leichtsinn die Rede, gab Lorenz zurück, und ich wollte nur bemerken, daß es schon in einem alten Liede heißt: Leichtsinnig sind die Weiber alle, die treuste führt dich in die Falle! – Ich bitte nochmals um Entschuldigung, fügte er mit erzwungener Unterwürfigkeit hinzu; ich würde es nicht gewagt haben, einen so vermessenen alten Spruch vorzubringen, wenn ich nicht dazu aufgefordert wäre.
Die Frauen aller Zeiten, erwiederte das Fräulein stolz, sind daran gewöhnt verläumdet zu werden, aber sie konnten niemals etwas Besseres thun als Verläumdung und Gemeinheit verachten!
Der Forstinspector lächelte noch demüthiger.
Sehr wahr, mein gnädiges Fräulein, sagte er. Verachtet müssen die werden, die sich betrügen lassen, denn sie verdienen nichts weiter.
Das Gespräch machte einen unheimlichen Eindruck auf Richard, der es dadurch zu beenden suchte, daß er Lüders nach den Verhältnissen und Einrichtungen des Forstwesens fragte, mit welchem dieser zu thun hatte. Bereitwillig ging er darauf ein, und eine Zeit lang erzählte er ihm von dem bedeutenden Umfange seiner Geschäfte, von den großen Holzverkäufen, und wie große Summen aus denselben gezogen würden. Es entspann sich eine Unterhaltung über die geregelte Forstcultur, im Gegensatze zu den unermeßlichen amerikanischen Wäldern, die in ihrem Urzustande von Richard geschildert wurden.
Der große Unterschied ist der, sagte er endlich, daß hier jeder Baum und jeder Fuß breit Land seinen Eigenthümer hat, während dort oft auf viele Meilen der Begriff Eigenthum kaum gekannt ist.
Und das ist ein wichtiger Begriff, erwiederte Lüders, denn was ich als mein Eigenthum betrachte, will ich mir nicht nehmen lassen, sei wer es sei, der danach faßt. So ist es mit dem Wald, so ist es mit Allem. Hier zu Lande behandelt man Jeden als Dieb und Räuber, der stehlen will, und macht kurzen Prozeß mit ihm.
Das ist die Luft, die hier geathmet wird, sagte Richard lächelnd mit einem Blicke auf Rosa.
Aber bester Herr Steinau! rief Lüders lachend, sollen wir denn unser Holz, unser Wild und was wir sonst besitzen, nicht schützen?
Doch nicht schützen, indem man Menschen todtschießt, die einen Baum fällen, oder einen Hirsch tödten.
Was würde denn in Ihrem freien Amerika geschehen?
Mit dem, der eines erlegten Wildes wegen einen Menschen ermordete? Seien Sie überzeugt, Herr Forstinspector, jeder Richter ließe ihn aufhängen.
Eine fahle Röthe flog über Lorenz Lüders Stirn. Einen Augenblick verfinsterte sich sein Gesicht zum Erschrecken, aber es heiterte sich schnell wieder auf.
Ländlich sittlich, sagte er. Hätten wir hier nicht das Recht, unsere Waffen zu gebrauchen beim leisesten Widerstand, so würde es bald hier weder Bäume noch Hirsche geben. Und sehen Sie dorthin, ist es nicht ein schöner Anblick, wohl werth, daß Ordnung gehalten wird?
Am jenseitigen Ufer des Sees traten so eben aus dem Schatten der Buchen ganze Heerden gefleckter Edelhirsche und schönen, schlanken Rothwildes. Ein wandelnder Wald von zackigen Geweihen eilte dem kühlen Wasser zu. Zuweilen drang das tiefe Gebrüll der mächtigen Thiere herüber; die Kälber drängten sich spielend um ihre Mütter, da und dort entstand ein Kampf auf dem grünen Abhang, den die königlichen Leiter der freien Gemeinden des Waldes schlichteten. Es war ein reizendes Jagd- und Thierstück, das sich, von der Abendsonne beleuchtet, den Blicken zur Schau stellte.
Einen solchen Wildstand findet man selten, sagte der Forstinspector. Er wird auch gepflegt und mit Sorgfalt behütet; ein Wilddieb aber fragt nicht nach Pracht und Seltenheit, er schießt nieder was er bekommen kann. Darum hat jeder Waidmann von Fach den tiefsten Abscheu gegen das heillose Gesindel.
Giebt es viele Wilddiebe hier? fragte Steinau.
Es gab verwegene Bursche, einen besonders, der alle übertraf, antwortete Lüders, jetzt haben wir Ruhe vor ihm, Dort hinter dem See liegt ein Grund mit einer Mühle, so recht gemacht für Diebe und schlechtes Volk. Da hauste er als Müller und jetzt – er sprach nicht weiter, denn Rosa, die den Hügel hinabgegangen war und nach dem See schaute, fragte den nahenden Freund, ob er nichts weiter von seinem kleinen Schützling erfahren habe?
Ich denke ihn nächstens aufzusuchen, erwiederte er.
Sie wissen also, wo er mit seiner häßlichen Mutter wohnt?
In der Buschmühle, sagte Richard. Ich bin neugierig auf diesen verrufenen Aufenthalt, und möchte gern etwas für die unglückliche Frau thun, die sich nicht wieder bei mir blicken ließ.
Ich kenne die Mühle, erwiederte sie, obwohl ich kaum einige Male bei ihr vorüber kam. Aber ich werde Sie begleiten; vielleicht ist sie krank und milder gegen mich gestimmt, wie damals.
Sie gingen den Weg nach dem Forsthause zurück; das Fräulein an Richards Arm und im Gespräch mit ihm, ohne den höflichen Forstinspector zu beachten, der sie begleitete und lächelnd zuhörte.
An der Gartenpforte empfing sie der Forstmeister, der schon von weitem schalt und drohte. Der alte Herr war besonders gut gelaunt und zärtlich. Er hatte seinen Rock mit dem gestickten Kragen angezogen und den Orden daran befestigt, auf den er lächelnde Blicke warf, als er seine Enkelin umarmte.
Ihr Langebleiber! rief er, warum kommt Ihr so spät? Nur rasch herein, damit ihr noch Theil an den Festreden und dem Champagner nehmt, mit denen der Major und Zeltwach meine neue Ritterschaft einweihen. Oho! mein Röschen, schau mich nicht so spottlustig an, als sei ich ein Ritter von der traurigen Gestalt. Ich sage Dir, ein Mann mit einem Orden ist ein Gegenstand, für den jedes Mädchen schwärmt, und wenn Du je Einen nimmst, so mache es ihm zur Pflicht, daß er sich einen Orden verdient, so schnell er immer kann. He, Steinau! so ein Bändchen im Knopfloch und ein Kreuz daran, davon weiß das wilde, heidnische Volk in der Wüste nichts, und Geheimräthe hat es auch nicht – nicht einmal Geheimräthe hat es.
Orden und Geheimräthe gehören immer zusammen, sagte Richard lachend.
Der Forstmeister hing sich an Lorenz Lüders Arm, und Beide folgten langsam dem jungen Paare nach.
Lüders, flüsterte Herr von Bruchen in seiner Glückseligkeit, wie gefällt er Ihnen? Ist es nicht ein Mensch, den man lieb haben muß?
Daran fehlt es gewiß nicht, antwortete der Forstinspector In der Vorlage heißt es irrtümlich »Forstmeister«..
Und gescheidt! rief der alte Herr. Er hat ein Buch geschrieben über den Bergbau in Amerika. Ich verstehe nichts davon, aber es ist sehr gelobt worden und Zeltwach hat gelesen, daß eine Uebersetzung angekündigt ist.
Herr Steinau wird gewiß noch einmal zu hohen Ehren und Ansehen kommen, sagte Lüders.
Das wird er! Das soll er! fiel der Forstmeister ein. Ich habe es nicht umsonst gesagt, von wegen Orden und Geheimrath. Wir wollen ihn hier behalten, Geheimrath soll er werden und der Orden wird auch kommen.
Eine höchst glückliche Zukunft für den jungen Herrn!
Sie können wohl denken, worauf es hinaus geht, fuhr Herr von Bruchen vertraulich fort. Mein Röschen, meine ich, wird nichts dagegen einwenden. Sie haben ja auch Augen, Lüders. Was sagen Sie dazu?
Ich statte meinen unterthänigsten Glückwunsch ab.
Stille! noch ist es nicht so weit, aber bald; erst muß Alles abgemacht sein. Sie wissen, ich sollte mir eine Gnade ausbitten bei unserem allergnädigsten Herrn; er glaubte wohl, ich sollte so ein Narr sein und Ober-Forstmeister werden wollen. Gott bewahre mich! ich bin alt, habe genug, will bleiben was ich bin; aber der Steinau soll angestellt werden, soll ins Bergdepartement, die Gnade soll er mir erweisen. Richard wird schon beweisen, daß er es verdient.
Ein ganz vortrefflicher Plan, sagte Lorenz, wenn es gelingt.
Es wird, es ist Alles dazu eingeleitet; aber wir wollen beide darauf anstoßen, ganz in der Stille.
Lüders nahm diese Einladung nicht an, er entschuldigte sich mit seinen vielen und dringenden Arbeiten und der großen Holzversteigerung, welche am nächsten Tage stattfinden sollte. –
Nun, so gehen Sie, sagte sein Vorgesetzter, ich muß Ihren Eifer anerkennen, und hören Sie, Lüders, fügte er treuherzig hinzu, wir sind manchmal nicht allzu gute Freunde gewesen, aber wir wollen es beide besser machen. Nur keine Gewalt und kein Leichtsinn, Ordnung und würdiger Ernst, das ist es, was ich verlange. Wenn mein Röschen fort ist, ziehen Sie wieder in mein Haus – es vertrug sich recht gut mit meinen Grundsätzen. Nun, Sie verstehen mich, die Sache ist abgemacht. Aber wo ich helfen kann, soll es geschehen, und eine Stelle wollen wir schon finden, die Ihnen zusagt.
Ich hoffe Ihnen alle Ihre Güte für mich zu vergelten, so viel ich kann, sagte der Forstinspector.
Damit empfahl er sich und Herr von Bruchen kehrte vergnügt zu seinen Gästen zurück, die ihn mit vollen Gläsern und lustigen Reden empfingen.
Hier blüht sie wie eine Alpenrose zwischen Eisbergen, rief der alte Soldat, indem er um das schöne Mädchen seine Arme legte, und ich glaube wirklich, fuhr er fort, indem er den Gerichtsdirector betrachtete, der an der anderen Seite saß, wir sind beide ins Schmelzen gekommen und müssen fortrücken, um Richard Platz zu machen, der das Feuer dieser Sonne besser aushalten kann.
Die drei weißhaarigen Greise blieben während des Abends in voller Fröhlichkeit, und Rosa trug dazu bei, ihren Scherzen und ihren Liebkosungen neue Nahrung zu geben. Ihr Frohsinn war zurückgekehrt, ihre Neckereien sprudelten über den ganzen Kreis und verschonten keinen: wenn sich aber zwischen ihr und Richard ein Streit entspann, winkten sich die alten Herren zu und wechselten bedeutungsvolle Blicke, bis der Eine oder der Andere mit einer Anspielung einfiel, die allgemeinen Beifall fand. –
Endlich wurde wie gewöhnlich der Kartentisch gebracht und trotz aller Einwendungen und Weigerungen mußte Richard Theil an dem Spiele nehmen.
Keine Ausflüchte, junger Herr, sagte der Forstmeister; bei meiner Ritterschaft! es soll Ihnen heut nichts helfen. Rosa hat sich davon gemacht, um Sie unseren Händen zu überliefern. Wer bei den Damen Glück hat, kann es auch bei den Königen versuchen. Wir wollen die Probe machen, ob die Majestäten Ihnen gnädig sind.
Diese Anspielung, bei welcher Bruchen seine Freunde bedeutungsvoll anblickte, wurde durch den lauten Zuruf des Majors und das stille Lächeln des Gerichtsdirectors belohnt.
Bist der Neffe eines alten Soldaten! rief Essenbach, der seinem Könige vierzig Jahre lang mit Leib und Blut diente, kannst also wohl auf Gnade hoffen. Hervor denn, und gieb Acht, daß Du Dein Glück nicht verzettelst!
So gezwungen setzte sich Richard an den Tisch, um die Karten zu befragen, welche so Vielen schon wahr und falsch prophezeiht haben. Rosa hatte das Zimmer verlassen, aber vielleicht war das eben die Ursache, daß er zerstreuter als jemals spielte. Er machte in der halben Stunde so viele grobe Fehler, daß er von allen Seiten Tadel und Spott hören mußte, und endlich wurden seine Mißgriffe so unverantwortlich, daß der Major drohte, er wolle alle Verwandtschaft zu ihm abschwören.
Es geht nicht anders, sagte Zeltwach, wir müssen ihm einen Beistand gestatten; wir sehen ja alle, daß er ohne diesen nicht länger bestehen kann. Wo ist Röschen? sie soll seine Gedanken in Ordnung bringen.
Erst soll er uns bekennen, wodurch seine Gedanken in Unordnung gekommen sind! rief der Major.
Laßt ihn hinaus in die freie Luft! lachte der Forstmeister, er muß seinen Stern befragen.
Richard warf die Karten hin und verließ das Zimmer. Die alten Herren lachten und spotteten hinter ihm her. Es war finster draußen, die Sterne funkelten und der Thau fiel. Ein frischer Luftstrom wehte in den Bäumen des Gartens, deren Kronen ihm entgegen rauschten. Langsam ging er den breiten Mittelgang hinauf, seine heiße Stirn und seine Augen kühlend, die sich an das lichtvolle Himmelsgewölbe hefteten.
Plötzlich war es ihm, als hörte er vor sich jemand sprechen, das Gemurmel einer Stimme, dann lauter einfallende Worte, und als er still stand, um darauf zu horchen, hörte er, daß es Rosa war, die mit Heftigkeit ausrief:
Das ist erbärmlich! Das ist nichtswürdig!
Was ist das? fragte er laut. Wo sind Sie, Rosa? und mit rascheren Schritten näherte er sich dem kleinen Platze am Ende des Ganges, der mit Linden rund eingefaßt war, welche ihre Zweige in einander schlangen.
Eben als er den Eingang erreichte, kam sie ihm entgegen. Er sah ihr helles Gewand flattern, als sie schnell unter den Bäumen vortrat, und im erregten Tone redete sie ihn an.
Sie haben mich aufgesucht, sagte sie, haben Sie Dank dafür; aber es ist kalt und dunkel hier, lassen Sie uns zurückkehren.
Ich hörte Sie sprechen, erwiederte er. Mit wem sprachen Sie?
Mit mir selbst, ich liebe die Monologe.
Ihre Stimme klang, als drohe Ihnen Gefahr.
Gefahr? ich fürchte mich nicht!
Ich fühle Ihre Hand zittern, sagte er, und jetzt, da ein Lichtstrahl aus dem Fenster auf Ihr Gesicht fällt, ist es mir, als sähen Sie erschrocken und erhitzt aus.
Erschrocken, nein, antwortete sie; erwärmt oder erhitzt von meinen Gedanken, das mag sein. Ich gehöre nicht zu den Naturen, die geduldig tragen können was sie bewegt, geduldig ihr Schicksal überlegen, ruhig bedenken, was Kopf und Herz in Fieber bringt.
Und doch sollen wir immer wohl überlegen was wir tut.
Dazu gehört ein Gott, rief sie, oder ein Teufel, der seine Pläne macht.
Es gehört dazu ein klares, festes Wollen und die Kraft zum Vollbringen.
Kraft zum Vollbringen, wiederholte Rosa. Sie mögen Recht haben, daran scheitert viel Menschenglück auf Erden. Glauben Sie an eine Vorsehung?
Ich glaube, sagte er nach einem augenblicklichen Bedenken, daß das, was wir Vorsehung nennen, in der Entwickelung der Verhältnisse liegt, und die Worte des großen Dichters: In unsrer Brust ruhn unsres Schicksals Sterne, »In deiner Brust sind deines Schicksals Sterne«: so in Friedrich Schillers Drama »Wallenstein« (»Die Piccolomini« II, 6). einen tiefen, wahren Inhalt haben.
Nein, o nein! rief sie mit Heftigkeit und er fühlte, wie sie beide Hände krampfhaft fest auf seinen Arm legte, es giebt einen Gott, einen rettenden, schirmenden, der die Schwachen schützt, die Irrenden nicht verloren gehen läßt. Er zeigt uns den Weg in höchster Kümmerniß, und ist es nicht ein schöner, alter Volksspruch, daß, wenn irdische Noth am größten, Gottes Hülfe dem Bedrängten am nächsten ist?
Der Spruch ist gut, antwortete Richard, wenn er gut angewandt wird. Wer in Noth ist, der vertraue auf Gott, indem er auf sich selbst vertraut, und er vertraue seinen Freunden, fügte er hinzu, von denen er weiß, daß sie bei ihm stehen werden, mag drohen, was da will.
Und wer – wer würde bei mir stehen? fragte sie, als richte sie die Frage an sich selbst.
Ich, antwortete Steinau.
Sie – Sie, Richard! Ja, Sie nehmen Antheil an mir, ich weiß es. Ich glaube Ihnen mehr, wie jedem Menschen auf Erden, aber – auch Ihr Antheil kann aufhören – kann sein Ende finden.
Niemals, erwiederte er mit fester, starker Stimme, niemals, theure Rosa, denn ich liebe Sie, und meine Liebe ist unendlich!
In dem Augenblicke erschien vor ihnen auf der Hausschwelle der Forstmeister, der ein Licht in der Hand trug, dessen Flamme der Wind hin und her warf, ehe er es auslöschte. Er hatte aber doch die beiden Gestalten gesehen und was er sah, machte ihm wahrscheinlich Freude, denn lustig auflachend rief er:
Da stehen sie und vergessen die ganze Erde und natürlich auch den alten Großvater und seine Whistpartie. Herein mit Euch, herein! und laßt uns nicht länger warten.
Theurer! theurer Richard! flüsterte Rosa und mit leidenschaftlicher Gewalt schlangen sich ihre Arme um ihn; gleich darauf aber fühlte er sich losgelassen und fast zurückgestoßen.
Ich komme, Großvater, da sind wir! antwortete sie laut, indem sie die Stufen hinauflief.