Hans Michael Moscherosch
Philanders von Sittenwald wunderliche und wahrhaftige Gesichte – Erster Teil
Hans Michael Moscherosch

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Siebentes Gesicht

Hofschule

Im vorigen Gesicht habe ich in der Länge erzählt, was ich nach meiner Rückkehr aus Frankreich auf der deutschen Welt hier und da in großen Handels- und Reichsstädten und auf berühmten hohen Schulen, unter den Studenten wie unter den Soldaten, zu Wasser und zu Lande gesehen habe; und alle diese Betrachtungen sind mir in einem Gesicht vorgestellt worden. Doch noch konnte ich mein Gemüth (welches der Eitelkeit so gar überdrüssig ist, daß es womöglich ganz und gar aus der Welt gezogen wäre) nicht zur Ruhe und zum Frieden bringen: das edle Hofleben däuchte mir noch übrig zu sein, welches ich mir vornahm in gleicher Weise zu durchforschen, – ob ich vielleicht hier eine bessere Weise redlich zu leben und selig zu sterben finden könnte.

Zwar wußte ich, wie heftig das Hofleben von vielen angesehenen berühmten Männern angegriffen und angefeindet war; weil aber Neid, Mißgunst und Unerfahrenheit auch bei Gelehrten zuweilen einkehrt, so dachte ich, ob nicht vielleicht auch in diesem Falle mehr aus Haß als aus Liebe zur Wahrheit mochte geschrieben sein.

Wie ich nun des Reisens müde war, denn

Reisen ist Mühe und Gefahr,
Mancher wird allda betrogen;
Ein Narr ist und bleibt ein Narr,
Ob er schon die Welt durchzogen.
Sorg', Geld, Witz und starke Bein'
Müssen bei dem Reisen sein.
Reisen ist nichts als Ungemach und Sorgen,
Gefahr ist groß, die Lust gering und klein;
Drum muß allhier ein eisern Herze sein,
Sonst dau'rt man nicht als nur bis übermorgen,

und da ich gehört hatte, daß das Hofleben angesehen würde als die Summe des menschlichen Lebens und Thuns, wo man alles beisammen sehe und erfahre, was sonst in der ganzen Welt geschieht: da nahm ich mir schließlich vor, an irgend einem vornehmen Hofe einem großen Herren aufzuwarten (so benamset man solche gewissenlose knechtische Dienstbarkeit). Wie es mir nun in diesem Leben ergangen ist, das halte ich hier zu berichten für unrathsam, weil es anderwärts in besonderen Hofnachrichten zu lesen ist.

So viel aber ist gewiß, daß ich an dem Orte habe leiden und ausstehen müssen, was ich die verdammten Seelen in: vorigen Gesicht, deren Strafe doch unendlich ist, nicht habe dulden sehen, so daß ich in Wirklichkeit erfuhr: im Hofleben sein, ist nicht mehr in der Welt leben wie früher, sondern in wahrhafter ewiger Unruhe, in Verdammnis wie in einer Hölle sitzen, wo aus Stolz, Rachgier und Verzweiflung alles zu unterst zu oberst, wie in der Hölle, hergeht.

Behüte Gott, welch ein verdammtes Leben! Wir waren alle übereinander und wider einander wie die Teufel, Herren und Diener, Hohe und Niedere; da war ewiger Streit, ewiger Haß und Zank, ewiger Groll und Neid, ewige Mißgunst, ewiges Lügen, ewiger Griesgram, so daß einer den andern ansah als seinen Feind, als seinen Henker, als seinen Teufel; und die einander die besten Worte sagten, vor denen mußte man sich am allermeisten vorsehen. Ich selbst verlor in solchem Leben mein eigenes Leben, ich war toll und todt. Doch blieb mir noch soviel Verstand, daß ich wünschen konnte aus diesen Banden heraus zu sein. Aber ich war gefangen. Gar gern wäre ich in Friedingen gewesen, aber ich war in Kriegingen, mit Gift und Lastern um und um umgeben, so daß ich nicht vermochte heraus zu kommen. Ich mußte, auch ohne meines Herzens Willen, mitmachen, mit Saufen, mit Kotzen, mit Fressen, mit Henken, mit unten, mit oben und mit verdammt sein.

Wir waren alle Erzphantasten; auf deutsch: was sich ein jeder einmal einbildete, davon hätte er sich, bei Gott! nicht lassen abwendig machen. Wir waren der Unordnung und Bosheit so gewohnt, ihr so ergeben, daß wir fest glaubten, wir säßen nicht mehr in der Welt sondern in der Hölle, und einer wäre des andern Teufel; darum beflissen wir uns auch solcher Werke, die allein von verdammten Menschen und Teufeln zu geschehen pflegten. Keiner kannte den andern mehr, keiner achtete, keiner liebte den andern mehr. Einer wollte den andern peinigen und martern, und die Teufel selbst waren vor uns nicht sicher; sie liefen deswegen hin und her, als ob sie von Sinnen wären. Mit einem Wort: es war ein allgemeiner Aufstand, und alles in höchster Uneinigkeit und Verzweiflung.

Lange Zeit wurde zugebracht, viel Köpfe wurden zerbrochen, viel Hirn verdestillirt, das ist, Filter-tropfenderweise gebrannt-wässert, bis man wissen konnte, wer doch des Lärmens und Unwesens am Hofe eigentlicher Anstifter sei. Endlich brachte man in Erfahrung, daß diese drei: eine Haushofmeisterin oder Ohrenbläserin, ein Schalksnarr und ein Fuchsschwänzer sich im höllischen Reich aus ihren Ketten und Banden losgemacht und diese Unruhe angezettelt hätten.

Bedenke wohl, lieber Leser, was diese drei höllischen Gesellen an eines Fürsten und Herren Hofe anstiften können, was sie für ein Gemüth, für einen Geist, der sie treibt, für Sinn und Gedanken haben müssen, da sie ja die Hölle selbst, die doch der eigentliche Sitz und die Wohnstätte aller Unordnung, Uneinigkeit, Flucht und Zerrüttung ist, in solchen unverhofften Zustand haben bringen können! Lucifer, unser Meister (ich rede wie ein rechter Höfling), als er sah, was in seinem Hofwesen für ein Treiben sei, hob an mit den Zähnen zu klappern und zu knirschen, als ob er von allen Teufelinnen besessen wäre, rief seinem Gesindel zu, daß sie ihm Fesseln und Bande, Ringe und Halseisen, Haken und Krammen bringen sollten und lief herum von einem Ort zum andern, damit er alles zur Gebühr und Schuldigkeit antreibe. Indessen kam die Haushofmeisterin und Ohrenbläserin auch hin und wieder herbeigeschlichen, brachte dem einen hier, dem andern da etwas zu Ohren und hetzte sie aneinander. Als aber Lucifer im Herumstürmen von ungefähr auf die Haushofmeisterin stieß, da standen beide graden Fußes still und sahen einander mit feuerblitzendem Gesicht länger als eine Stunde starr in die Augen hinein, wie die Katzen zur Nachtzeit, und kein Theil konnte ein Wort reden. Vor diesem schrecklichen Anblick verbargen alle anwesenden Verdammten ihre Gesichter. Endlich hob die Haushofmeisterin, die beherzter war als der Teufel, an und sprach: »Gnädigster Fürst und Herr! ich habe aus schuldiger Treu nicht gemeint unterlassen zu dürfen euch im Vertrauen zu melden, daß es allhier in eurem Reich so übel steht, wie an irgend eines Herren Hofe auf Erden; es wird soviel unnützes Gesindel hier unterhalten, welche nur da sitzen und die Hände über das Knie zusammen schlagen, als ob es Feierabend wäre und sie nichts mehr zu schaffen hätten. Auch sind derer nicht wenige, die vor langer Zeit auf die Welt geschickt wurden, und noch nicht gedenken wieder hierher zurück zu kehren und es sich nicht angelegen sein lassen, über ihre Verrichtungen Rechnung abzulegen.«

Zu diesem Gespräch trat der Fuchsschwänzer auch herzu und sprach, doch heimlich: »Gnädigster Herr Lucifer! ihr mögt in eurem Reich die Sachen für die Zukunft besser bestellen. Ich warne euch im Vertrauen (doch möchte ich nicht gern, daß es von mir ausgehe, denn sie würden alle insgesammt wider mich sein; ich möchte es nicht gesagt haben; wenn es mir einer nachsagte, ich würde ihm zurufen, er lüge wie ein Schelm), daß eine heimliche Verschwörung wider euch im Gange ist, und daß man euch gar aus dem Reich jagen möchte; ich weiß von sicherem Ort, daß ein Scheinheiliger sich des Werks unterfangen will.«

Sobald Lucifer das Wort scheinheilig hörte, erblaßte er vor Furcht und stand da lange Zeit ohne ein Wort zu reden, so daß man unschwer errathen konnte, daß ihm wegen eines so listigen Feindes nicht wohl zu Muth sein mußte. Endlich, nachdem er sich ein wenig erholt hatte, sprach er: »Ein Scheinheiliger! und er biß die Zähne zusammen, daß die Verdammten erzitterten: ein Scheinheiliger! Es muß was daran sein; ich bin bei ihnen in die Schule gegangen, ich weiß, was sie können und wessen sie sich unterstehen! Denn wenn irgendwo auf Erden, insonderheit zwischen Regenten und großen Herren, Händel vorhanden sind, und dabei der dritte Mann nicht ein Scheinheiliger ist, so sollte es ein Wunder sein.« »Freilich, freilich! sagte der Fuchsschwänzer: ein Scheinheiliger, ein Heiligscheinender, ein Geistloser, ein Gleißner; ja, ja, aus allem ist leicht zu erkennen, daß dergleichen im Gange ist, und man muß befürchten, daß sie einmal unversehens eure Hölligkeit überfallen und fesseln.«

Lucifer wußte sich keinen Rath und es verdroß ihn sehr, daß diejenigen, zu denen er sich sonst aller Treue versehen hatte, dergleichen Gewalt in seinem Reich an ihm verüben wollten; er konnte es auch dem Fuchsschwänzer nicht glauben, weil er ihn öfter beim Lügen ertappt hatte. Doch er sagte ihm dafür Dank, theils ihm zu Gefallen, theils damit er ein andermal wieder das Seinige thun möchte. – Wer in der Regierung sitzt, der muß alles anhören, wenn es auch erlogen ist; und wenn er unter hundert Lügen eine einzige Wahrheit erfährt, so ist ihm seine Zeit und Arbeit doppelt belohnt.

Ich muß bekennen, daß mir diese Anstellung des Fuchsschwänzers nicht gut gefallen hat; ich sah ihn deshalb auch unfreundlich an. Er aber sprach darauf zu mir: »Laß dich das nicht verdrießen; denn ich meine diejenigen, die sich nicht in Welthändel einflechten, gar nicht, sondern die Vorwitzigen und Rachgierigen; und wenn du mir nicht glauben willst, so höre den AventinusAventinus, eigentlich Thurmayr, ausgezeichneter Humanist und Historiker des 16. Jahrhunderts, Geschichtsschreiber Baierns, lebte von 1477–1534. Im Jahre 1861 ist ihm in seiner Vaterstadt Abensberg in Baiern ein Denkmal errichtet. und andere fromme katholische Christen, sie werden dir Wunder zu sagen wissen.«

Als nun Lucifer weiter herum wanderte um alles zu durchsuchen, damit sofort dem Uebel möchte vorgebeugt werden, siehe, da kam der Schalksnarr auch daher gelaufen, der stellte sich, als ob es ihm mächtig Ernst wäre. – »Das bedeutet wohl auch nichts Gutes! sagte Lucifer. Was neues? was neues zu Hof?« Der Schalksnarr tischte seiner Gewohnheit nach viel närrische Aufschneidereien auf und sagte zuletzt, daß sich eine große Anzahl zusammengerottet habe und mit Gewalt aus der Hölle entfliehen wolle; und noch viele andere Kinderpossen mehr erzählte er, während man leicht erkennen konnte, daß es Aufschnitt und Trügerei war.

Lucifer aber, also gewarnt sein Reich zu erhalten, zog von einem Ort zum andern, besetzte alle Posten und stärkte seine Leibgarde mit drei Heeren; deren Feldherren waren, Don Buelta de Espana, Signor Bougre di animal uotoHerr Schuft von dem bekannten Thier. und Monsieur de Duellmourant,Herr Duellmörder. welche sich seit acht Jahren in diesen drei Haupttreffen: 1) ihren eigenen König zu bestehlen, 2) das unschuldige Land auszusaugen, 3) Jungfrauen zu notzüchtigen ritterlich verhalten hatten; kraft dessen waren sie von Gott und ihrem Könige wirklich abgefallen und hatten sich auf Lucifers Seite begeben. Sodann fing Lucifer an, seine Reichshändel und Geschäfte persönlich zu verrichten. Der Fuchsschwänzer ging voran und winkte einem jeden mit den Augen, er wolle ihm einen Dienst erweisen und ihn bei Lucifer gut anbringen. Der Schalksnarr befand sich zur Seite des Herren und brachte sich mit Possenreißen und Aufschneiden hindurch, mochte es den andern lieb oder leid sein, nützen oder schaden. Die Haushofmeisterin folgte unfern nach: mit einem Auge schielte sie hier hinüber, mit dem andern dort hinüber, damit sie alles erforschen und auskundschaften könnte; nahm sich sonst nichts an, sondern ging graden Wegs fort, so daß man nicht merkte, wie genaue, scharfe Aufsicht sie führte. Es war keine Seele so arm oder verachtet, welche ihr nicht durch Bücklinge und andere Zeichen zu verstehen gab, daß sie sie ehren und fürchten müßte. Sie hingegen gab jedem, auch denen, welche sie vorher verleumdet hatte, ein freundliches Gesicht, als ob sie es trefflich gut meinte: dem einen machte sie eine Reverenz, dem andern einen Bückling, dem dritten küßte sie die Hand, den vierten lud sie zum Abendessen, dem fünften versprach sie einen Dienst zu thun, dem sechsten ihn bei der Herrschaft einzuschwatzen. Aber nachdem sie vorüber war, schrieen die armen Seelen Mord und Rache ärger, als ob sie von Flammen der Verdammnis gequält würden und sprachen, der eine: O du falsche Schlange! o du giftiges Thier! o du untreue Vettel! o du verrätherische Kreatur! Der andere: O wie ist das höllische Feuer erträglicher als eine Ohrenbläserin, die uns unsere Pein tausendmal größer macht, ja größer als die Teufel selbst!

Als wir weiter gingen, vernahmen wir ein mächtiges Geschrei und Getümmel von Rufen, von Waffen, Streichen, Scheltworten und Klagen untereinander mit solcher Rachgier, wie dergleichen niemals erlebt worden ist. Unter diesen war einer dem Ansehen nach der Kaiser, denn er hatte einen Lorbeerkranz auf dem Haupt und einen Regimentsstab in der Faust; auch waren viele vornehme Diener und Rathsherren um ihn her, die sich des Jochs und der Gewalt, welche dieser Kaiser wider sie übte, gern entledigen wollten. Lucifer ging auf ihn zu und sprach mit einer Donnerstimme, vor welcher die ganze Hölle erschrak: »Wer bist du, Seele, daß du dich ohne Erlaubnis und zu einer argwöhnischen Zeit hervor wagst? Das Mißtrauen ist ein gutes Recept in Regimentssachen: wenn der Feind vor der Thür ist, soll man allezeit das Aergste von ihm argwöhnen.« – »Ich bin, sprach er, der großmächtige und muthige C. J. Cäsar und habe aus zwingenden Ursachen nicht unterlassen können, bei jetziger Gelegenheit mich an diesen Meuchelmördern Cassius und Brutus zu rächen, weil sie unter dem falschen Schein der Freiheit mich meineidiger Weise ermordet, schließlich aber nur allein ihren eigenen Ehrgeiz und ihre Mißgunst dadurch verrathen haben, die ich doch, insonderheit dich, Brutus, für Sohn und Bruder hielt. Ihr Mörder, und ärger als Mörder! denn ihr habt euren Freund und Herren, und nicht einen Fremden, unschuldig um das Leben gebracht. Euch ehr- und treuvergessenen Tröpfen war es nicht zuwider, daß das römische Reich in eine Monarchie, unter einen Fürsten, gebracht würde; nur daß es durch mich geschehe, das wollten sie nicht haben noch leiden, deshalb mußte ich aus der Mitte geräumt sein und Haare lassen. Die allgemeine Freiheit war ihr loser Vorwand; aber ein jeder unter ihnen wäre selbst gern der Imperator gewesen. So ist es: niemand ist mir je zuwider gewesen als nur die, welche selbst gern das römische Reich gehabt hätten; denn sie dachten, wenn ich nicht da wäre, so würde vielleicht die Regierung auf sie fallen. Aber dadurch haben sie nur ausgerichtet, daß ich wie ein Kaiser gestorben bin und durch meinen Tod das Reich befestigt habe; sie aber haben den Namen treuloser Verräther die Tage ihres Lebens hindurch und auch nach dem Tode hören müssen. Ich wurde von dem römischen Volk als Vater des Vaterlandes erklärt, angebetet und verehrt; sie aber haben ihres Meuchelmordes wegen elendiglich, zum Theil durch ihre eigenen Hände, sterben müssen. Ihr unsinnigen Bluthunde! in wessen Hände hätte billiger die Regierung gelangen sollen als in die eines Helden und rechtschaffenen Soldaten, der das Reich durch seine Faust ritterlich zur Ruhe gebracht und erworben hat! Soll denn der römische Rath, der zum Theil mit schwatzhaften Juristen, zum Theil mit verkäuflichen Schindhunden, zum Theil mit schulfüchsigen, verzagten Herzen, die sich besser auf die Feder als auf den Degen verstehen, besetzt ist, mehr gelten als ein rechtschaffener Soldat und Feldherr, der sein Vaterland aus der Hand der Feinde und aus der Bedrängnis erlöst und die Widerwärtigen zum Gehorsam gebracht hat! Mir hat das Reich gebührt, ich habe es gewonnen, darum hab' ich's auch genommen. Wer ein Herr sein will, der muß die Diener nicht lassen Meister werden; Gesetze schreiben und Handhaben daran machen, sind zwei ungleiche Dinge: jenes steht dem Rath zu Rom zu, dieses aber hat er ohne mich nicht ins Werk setzen können. O du armes Rom! soll das mehr Freiheit genannt werden, wenn man vielen ungleichen Köpfen muß zu Gebote stehn, als wenn man einem verständigen Haupt gehorcht? Sie haben sich Väter des Vaterlandes zu sein rühmen dürfen, und doch hätten sie wegen innerlicher Aufstände und Bürgerkriege, die sie aus Geiz und Hochmuth angezettelt haben, billiger Verräther und Verheerer des Vaterlandes sollen genannt werden. Senatoren! sagt's heraus vor dieser Versammlung, wie das Joch der Rathsherren euch so sehr verhaßt und zuwider gewesen ist! Das ist ja auch leicht daraus zu schließen, daß, nachdem ihr geschmeckt, wie gut es unter einer kaiserlichen Regierung ist, ihr euch lieber durch Nero, Tiberius, Caligula und Heliogabalus, als durch den Rath zu Rom habt wollen regieren lassen.« – –

Endlich fing Brutus an mit zitternder Stimme, die Augen vor Scham unter sich schlagend, zu rufen: »Gemach, gemach, Cäsar! Großer Zorn steht einem großen Herrn übel an.

Der Zorn hindert des Weisen Muth,
Daß er nicht recht weiß, was er thut.
Bald zürnen stehet übel an,
Lang' zürnen heißt groß Sünd' gethan.

Sanftmuth ziemt und ziert einen Fürsten; du hast dich vom Hochmuth gar zu sehr einnehmen und meistern lassen. Wärest du in den Grenzen der Freundschaft mit uns wie ein guter Freund verblieben, vielleicht wäre dir dies nicht widerfahren; da du aber wie ein Gott wolltest geehrt und gefürchtet sein, hast du deinen Lohn empfangen. Ihr Herren des Raths, habt ihr auch gehört, was Cäsar gesagt hat? Antwortet! es geht euch an und nicht mich, der ich durch euer heimliches Wohlwollen zu dieser That verursacht bin. Redet, antwortet, ihr Herren! Cäsar meint euch ebensowohl als mich und den Cassius, die ihr durch euren unersättlichen Ehrgeiz unter dem Schein eines untadeligen, ehrbaren Wesens, unter der Würde eurer langen Bärte und langen Röcke euch des Reiches bemächtigen und ein jeder selbst gern wolltet sein, was Cäsar war. Antwortet ihr Herren! warum habt ihr das verrätherische Werk angestellt, die treu- und ehrvergessene That (wenn sie denn so soll genannt werden, wie es Cäsar jetzt im Zorn gethan)? Antwortet ihm! Denn Cassius und ich sammt unsern Mitgesellen wollen mit dieser Sache nicht weiter etwas zu schaffen noch zu schicken haben.«

Da that sich einer von den Rathsherren mit einem ernsthaften, sauersehenden Gesicht hervor und sprach: »Fürst Cäsar! was klagst du? Was hast du für ein Anliegen an uns? Ich frage dich: hat Ptolomäus den Pompejus, von dem er doch das Königreich empfangen hatte, dürfen ermorden lassen? Was hast du denn viel über uns zu klagen, die wir dir doch nur diejenigen Reiche aus den Händen gerissen haben, welche zuvor unser waren und die du uns mit angemaßter Gewalt abgenommen und abgerungen hast? Diese Gewaltthat zu hintertreiben, waren wir in unserm Gewissen hoch verbunden, weil die römische Freiheit nicht anders als durch deinen Tod konnte wieder aufgerichtet und ersetzt werden. Ferner haben weder wir noch das Volk den Nero zur Regierung berufen, sondern er war dir, wie bekannt, und den Deinigen als ein angemaßter Erbe gefolgt; und es ist wahr, daß wir durch deinen Tod nichts weiter gewonnen haben, als daß wir für den einen Teufel, den wir ausgejagt, zehn andere bekommen haben.«

Ohne allen Zweifel würden sie einander wieder in die Haare gerathen sein, wenn nicht ein Teufel dem Cäsar bei größerer Strafe geboten hätte, er solle sich wieder an seinen Ort machen und wegen seiner hohen, unberechtigten Einbildung büßen. Cassius und Brutus wurden gleichfalls an ihre Stelle verwiesen und allen Regenten als ein trau', schau', wem? vorgehalten. Der Rath zu Rom wurde, weil er unter der obrigkeitlichen Gewalt seine eigenen Lüste und Liste verübt hatte, zu den unbarmherzigen Peinigern zurückgewiesen.

Als dies vorüber war, hörten wir ein anderes großes Getümmel von Rufen und Schreien, Schmeißen und Raufen; und als wir hinzu kamen, da nahm auf des Geistes Zuspruch einer, dem Anschein nach ein stattlicher, aber mit Wunden elendiglich zugerichteter Mann, das Wort: »Ich bin Clitus – –« »Schweig! sprach ein anderer, der bei ihm stand, du wirst ja nicht von mir reden. Ich bin, fuhr dieser fort, Alexander Magnus, ein Sohn Jupiters, ein Herr und König aller Welt« u. s. w. Er hätte als ein Ehrsuchender und Ruhmrediger vielleicht noch eine unzählige Menge seiner Titel hergezählt, wenn ihm nicht ein Teufel in die Rede gefallen wäre und gesagt hätte: »Zur Sache! zur Sache! Ist denn nichts weiter da als Titel? Rede du weiter, Clitus!« Und dieser sprach: »Ich bin, gnädigster Herr Lucifer, der vornehmste Hahn im Korbe gewesen bei dem Alexander hier, welcher den Titel eines Königs aller Könige trug und sich einen Sohn Jupiter Ammons nannte; der aber, obwohl er ganz Asien regierte, doch nicht so mächtig war, daß er sich selbst und seinen Willen hätte meistern und bezwingen können, so sehr hatten ihn Ehrgeiz und Eigenliebe eingenommen. Die Grausamkeit hatte ihn dermaßen verhärtet, daß eines wohlmeinenden Dieners treuer Rath nichts mehr bei ihm wirken mochte. Unter diesen bin ich gewiß nicht der geringste gewesen. Daß er mich aber so hoch gehalten und andern vorgezogen, ist nicht deswegen geschehen, weil ich ihm treue Dienste erwiesen habe, sondern weil er meinte, daß ich ihm zu Gefallen reden und fuchsschwänzen sollte, es ginge wohin es wolle, es sei wahr oder erlogen. Aber ich hatte viel zu viel Redlichkeit in meinem Leibe, als daß ich das thun und in seine vielfältigen Thorheiten allemal einwilligen konnte. Vielmehr hatte ich ein herzliches Mitleiden mit ihm, wenn ich sah, daß er von seinen Begierden so ganz eingenommen und seiner selbst nicht mehr mächtig war; deswegen habe ich ihn auch oftmals mit Bescheidenheit gestraft und vor seinem Untergang gewarnt. Doch eines Tages, als ich ihn von des Königs Philippus rühmlichsten Thaten so gar verächtlich reden hörte – dessen er doch, als seines treuesten Vaters, billig in allen Ehren hätte gedenken sollen, der ihn mit solchem Fleiß und Kosten zu allen Tugenden hatte erziehen lassen – und ich ihm diese Ungebühr zu Gemüthe führte und zu verstehen gab, wie unrecht er thäte, daß er von sich selbst so viel hielte, als ob er gleichsam ein Gott wäre, wozu ihn seine Fuchsschwänzer zu bewegen wußten; hingegen ich ihm rund sagte, er könne ohne Verletzung seiner eigenen Ehre nimmermehr von seinem Herrn Vater anders als rühmlich reden – meiner Treu! in welche Unsinnigkeit ist er dadurch gerathen! Denn als ich ihm diese meine treue Meinung entdeckt, ist er plötzlich aufgestanden und hat mich, wie ihr seht, mit einem Spieß durch seine eigene Hand erstochen und entleibt. Weise mir doch jetzt, Alexander, die schöne Gottheit, die in einem Mörder steckt! Da ich ihn nun von ungefähr hier antreffe, so habe ich nicht umhin gekonnt ihn zu fragen, wie es mit seinem eingebildeten Vater Jupiter beschaffen ist, da er ihn von diesem Ort der Marter und Qual nicht erlösen will? und was ihm nun seine Heuchler und Liebkoser nützen, die ihm früher Weihrauch und andere Opfer gebracht haben? Das hat ihn so empört, daß es unter uns zu Streichen gekommen ist. Aber ich frage nur, ob das nicht ein treuloser Mord ist, der an mir begangen wurde, ihr Herren Richter? Ihr seht, gnädiger Herr Lucifer, wie bald auch der treuste Diener es zu Hofe bei großen Herren verscherzt, wie bald es um die Hofgunst geschehen ist, wie wenig meiner früheren Treue gedacht worden ist, wie bald alle Gnade hinweg ist, wie hoch der geringste Fehler angerechnet, wie wenig die allervortrefflichsten Dienste anerkannt werden. Die Großen schreiben die Dienste ihrer Leute in den Sand, – in Marmor ihre Beleidigungen. Und was das ärgste ist: wenn sie einem in die Haare wollen, so lesen sie eine Ursache vom Zaun herab, der Diener mag sich so redlich gehalten haben, als er immer wolle. Ein Frevler greift ein Ding unbedachtsamer und frevelhafter Weise an und oft geräth es ihm: – der wird für einen Doctor und Rath gehalten. Hingegen ein Ehrenmann sieht viel mehr auf Gott und Gewissen, deswegen zieht er die Sache oft zu Bedacht – und mißglückt's ihm dann, so wird er für einen Narren gehalten. Nimmer habe ich so thun können noch wollen, meine Redlichkeit ist mir viel zu lieb, als daß ich hätte sollen ein Heuchler werden. Es geht bei großen Herren und am Hofe nicht anders als wie im gemeinen Lauf des menschlichen Lebens: die Leute sterben, nicht deswegen weil sie krank sind, sondern deswegen weil sie sterben müssen.«

»So hast du also erfahren, Clitus, sprach Lucifer, wie leicht eine Herrschaft Grund findet, einen treuen wohlverdienten Diener um seine Wohlfahrt und um sein Leben zu bringen, und wie wenig man sich auf solcher Herren Gunst verlassen kann, welche meinen, daß sie alle Dienste und Treue schon genugsam belohnt und bezahlt haben, wenn sie einem einen Trunk bei der Tafel zubringen oder ihn bei seinem Namen rufen. Es ist kein Diener so aufrichtig, der ihnen nicht zuwider ist: der Fromme darum, weil er ein ehrlich, aufrichtig, unparteiisch Gemüth hat und zu unbilligen Dingen nicht kann ja sagen; der Böse darum, weil er nicht noch ärger ist; der eine verhaßt darum, daß er die Wahrheit redet, der andere verdächtig darum, daß er fuchsschwänzt.« – »So geht es uns also zu Hofe, sprach Clitus, wie dem groben Esel und dem tückischen Wolf mit dem Löwen, und wie es dem Löwen mit dem Fuchs ergangen ist. Denn als auf eine Zeit der Löwe (als König und Herr der andern Thiere) Grillen im Kopfe hatte und deswegen Ursach suchte, wie er seinen Zorn auslassen könnte, bat er den Esel, den Wolf und den Fuchs zu Gast. Der arme Esel als der gehorsamste, kam zuerst, und als er in des Löwen Zimmer kam, das mit dem Gebein anderer getödteter Thiere bestreut war, wonach es gar übel roch, fragte der Löwe, wie es ihm gefiele und ob er nichts rieche? Der Esel antwortete alsbald wie es ihm ums Herz war: es stinkt sehr nach todten Thieren. – Warte du grober Esel, sprach der Löwe, ich will dich lehren, so freventlich vor deinem Herren und König zu reden! und zerriß den Esel in Stücke.

Das hörte der Wolf, der indessen vor der Thür stand, und er dachte nach, wie er den Löwen auf eine gelindere Weise gewinnen könne. Er klopfte also an, und als er eingelassen und von dem Löwen bewillkommnet war, fragte ihn der Löwe gleichfalls, wie ihm der Ort gefiele und ob er nichts rieche? Der Wolf sprach alsbald: Herr König, es gefällt mir sehr wohl, es riecht über alle Maßen wohl; ihr habt gewiß alles mit Mastix und Bisam räuchern lassen. – Warte du falscher tückischer Hund, sprach der Löwe, ich will dich lehren, so freventlich wider die helle Wahrheit und noch dazu vor deinem König heraus zu lügen! und zerriß den Wolf in Stücke.

Der Fuchs, der vor der Thür stand, hörte das und wäre gern zurück gegangen; aber er mußte bleiben. Als er sich nun ein wenig vom Schrecken erholt und eingelassen wurde, fragte ihn nach geschehener Begrüßung der Löwe ebenfalls, wie es ihm gefiele und ob er nichts rieche? Der listige Fuchs sprach: allergnädigster Herr König! ich bitte, ihr wollt mir verzeihen, ich habe den Schnupfen so stark, daß ich gar nichts rieche. Dem gab der Löwe ein herrliches Mahl und ließ ihn wieder seines Weges ungehindert fortziehen. –

Also wer zu Hofe die Wahrheit redet, der ist verhaßt; wer aber lügt, der ist verachtet; wer aber zu allem sagen kann: vielleicht, oder weiß nicht, es kann wohl sein, wie der Herr sagt, ich bin des Herrn Meinung; wer sich stellen kann, als ob er nichts merkte noch verstünde, der ist den Herren angenehm, ob sie auch darüber zu Grunde gehen und scheitern müßten. Ach warum habe ich mich verleiten und bethören lassen zu Hofe zu gehen, da doch zu Hofe nichts als Hoffen und Harren zu gewärtigen ist! O der kurzen Hoflust! O der verdrießlichen Hoflust! O der großen Hofunlust, welche manchem so theuer ist, manchen sein Leib und Leben, seine Seele und Seligkeit kostet!

Zu Hof ist nichts als bloses Hoffen;
Wen'ge haben es getroffen.
Viel' sich haben todt gesoffen,
Noch mehr sind mit Schand' entloffen.

Deshalb ist von drei Dingen, die nicht an den Hof gehören, dies eine das vornehmste: ein offenes Gemüth. Ein Schalk sein schadet nicht, wenn man ihn nur verbergen kann. Es ist sich zu erbarmen und nicht blos zu betrauern, daß Fürsten und Herren so viele Aufwärter und Diener haben, doch deren so wenige, ja nicht einen, der ihnen die Wahrheit sagen möchte. Der ist ein elender Fürst, dem man die Wahrheit nicht sagt oder nicht sagen darf. Aber es liegt so: Fürsten und Herren mögen die Wahrheit nicht allemal hören. O wollte Gott! wenn sie die Wahrheit hören möchten, es ist unzweifelhaft, daß es ihnen in ihren Anschlägen oft besser glücken würde. Indem sie aber lieber einen Fuchsschwänzer als einen redlichen Mann hören, so müssen sie auch Unwahrheit für Wahrheit annehmen, denn ein Fuchsschwänzer hat keine andere Waare zu verkaufen.

Schaue: mancher Potentat
Mag von seinem klugen Rath
Niemals gern die Wahrheit hören;
Treten aber Narren auf,
Wer giebt besser Achtung drauf?!

Nimmermehr wird sich ein Fuchsschwänzer so weit erkühnen, daß er einem Fürsten oder Herren eine Lüge vorhalte, er sei denn versichert, daß er gern gehört werde. Ein redlicher Mann muß darum, wenn er auch zu Zeiten rathen und warnen wollte, wider den Willen seines Herzens schweigen, und sehen, wie man lieber unberathen will zu Schaden kommen. Wenn der eine nicht will die Wahrheit reden, und der andere nicht darf, dann wehe! wie übel ist ein Herr bedient! Welchen ihrer Getreusten haben sie nicht hingerichtet, ihn erst hoch erhoben, damit er desto tiefer falle!« – »Hast du, fragte Lucifer, niemals das Gleichnis mit dem Schwamm gehört? Alle Hofleute bei großen Herren sind nur Schwämme; diese lassen sie sich satt und voll saugen, dann drücken sie sie aus und brauchen sie zu ihrem Vortheil.«

Unterdessen hörte man einen andern Lärm, und zugleich kam ehrbaren Ansehens ein herrlicher Mann daher gegangen, blassen Angesichts, als ob er kein Blut im Leibe hätte. Dieser ging auf Lucifer zu und sprach: »Das Gleichnis vom Schwamm reimt sich nicht übel auf mich wegen der großen Gaben und Gnaden, die ich von meinem früheren Schüler und Herren empfangen habe. Gnädigster Herr Lucifer, ich bin der in aller Welt bekannte Seneka aus Spanien, des Nero gewesener Lehrmeister und Rath, der mich mit überschwenglichen Gaben und Gnaden überschüttet hat, die ich doch nimmermehr begehrt hatte: denn der Ehrgeiz war mir fern, als einem wahren Philosophen, und ich dachte auf nichts so sehr, als wie ich dem Nero in allen Dingen Angenehmes und Gefälliges erweisen könnte. Und das ist bei Fürsten und Herren der Brauch, daß sie allezeit einen haben, den sie vor andern lieben, ihm Gunst und guten Willen, Gaben und Ehren erweisen. Wer nun diese ausschlagen und sagen wollte, er habe solche Gnade nicht verdient, der würde den Fürsten ebensosehr erzürnen, als ob er die größte Unbilligkeit begangen, indem er die angebotene Gnade verschmäht und verachtet: denn allzuviel Höflichkeit und Bedachtsamkeit können Fürsten und Herren ebensowenig leiden als den Trotz. Nero that an mir, was immer ein Kaiser gegen meinesgleichen hätte thun können; aber so behutsam, so aufrichtig, so redlich konnte ich mich nicht verhalten, daß nicht meine Hasser, nach altem Hofbrauch, Ursach genommen hätten, mein unsträfliches Leben zu tadeln und zu verhöhnen, indem sie als Grund vorgaben, meine Lehre den Reichthum zu verachten wäre nicht Bescheidenheit von mir, sondern Arglist und übermäßiger, unersättlicher Geiz und Gelddurst, nur damit mir niemand in diesem noch im Reichthum gleichkomme. Weil ich nun sah, daß ich deshalb von Tag zu Tag in größeren Sorgen stehen müßte, auch meinen Namen selbst in merkliche Gefahr setzte, da entschloß ich mich, mein Gemüth aus dieser Unruhe in Sicherheit zu bringen, damit meine Hasser weniger Ursache hätten mich anzufeinden: ich ging zum Nero und gab ihm mit allerunterthänigster Ehrerzeugung, wie man immer einem Kaiser geben kann, meine Noth und mein Anliegen zu erkennen und zugleich auch alles, was er mir zuvor aus besonderer kaiserlicher Liebe und Gnade verehrt und geschenkt hatte, wieder zurück. Außerdem habe ich ihn mit solcher Treue geliebt und ihm mit solchem Eifer gedient, daß mich, der ich seinen Sinn und Wesen kannte, das aus bewußten Gründen wohl zu fürchten war, die daraus drohende Gefahr nimmer hat abwendig machen können, ihn je zu Zeiten von den Lastern abzumahnen und ihm die Tugenden anzurathen. Ich habe also meine Wohlfahrt viel geringer geachtet, als daß ich ihn in Untugend und Lastern hätte ungewarnt sehen können.

Wenn er etwa einen Mord oder Todschlag vollbringen ließ, habe ich ihm mit allem Ernst dies verwiesen und zu Gemüth geführt, wie sehr er sein Gewissen damit verwunden und beladen würde. Rom ließ er anzünden und in Asche legen; seine eigene Mutter ließ er umbringen; was von wahrer Männerschaft im Reiche übrig war, ließ er entweder hinrichten oder in fremden Landen durch Kriege zu Grunde gehen. Sodann, als die zwei großen Verschwörungen gegen sein Leben entdeckt waren, wurden die Urheber bestraft. Es ist ein Streich der Vorsehung Gottes, wenn er einen unbesonnenen Fürsten in Gefahr kommen läßt, auf daß er sich selbst erkenne, sein Leben bessere und sich vor dem wirklichen Untergang hüte. Ja es ist ein Werk und eine Schickung Gottes, wenn einem Fürsten Kreuz und Unglück entgegen tritt; denn das ist ihm so nöthig als das baare Geld, sonst wird er in allzu guten Tagen leicht über die Schnur der Bescheidenheit und Sanftmuth schreiten. – Aber Nero, obschon er diesen beiden Verschwörungen entkommen war, hat darum sein Leben nicht gebessert und ist auch von seinen Sünden nicht abgestanden. Denn er hat meinen liebsten Vetter, M. Annäus Lucanus, den vortrefflichsten Poeten aus Cordova, meines Bruders Lucius Annäus Mela Sohn, der selbst dem Virgil in vielem vorzuziehen ist, ermorden lassen, allein darum weil er ein besserer Poet gewesen ist als Nero selbst. Mir aber hatte er die Wahl gelassen einen Tod zu erkiesen, nicht aus Mitleiden, das er gegen mich trug, sondern um seine Grausamkeit desto mehr zu erweisen: denn mir hätte er lieber zehn als einen Tod angethan; daher wollte er, daß ich selbst Hand an mich legen und aus der naturgemäßen Furcht vor dem Tode um so mehr Schmerzen fühlen sollte. Aber was sollte einen wahren Philosophen erschrecken können. Ich setzte mich demnach in ein Bad und ließ mir alle Adern öffnen, um desto eher davon und hierher zu kommen. Da ich nun diesen blutdürstigen Fürsten hier erblicke, so bin ich nicht unbillig über ihn entrüstet worden.«

Als Nero den Seneka also reden hörte, trat er heran und hob mit furchtsamer Stimme an und sprach: »Es steht zwar gut, daß ein Lehrmeister weiser ist als ein Schüler und ein Rath gescheidter als sein Herr; aber beide sollen sich trotzdem in ihrem Wesen so verhalten, daß sie der gebührenden Schuldigkeit nicht vergessen. Daß du von dir selbst mehr hieltest, weil du geschickter wärest als ich, das war eben nicht recht und ein Laster: denn ein Rath, Unterthan oder Diener, der sich mehr hervor thun will als sein Herr und sich stellen, als ob er klüger wäre und die Sache besser verstünde, der muß endlich seiner Thorheit und seines Frevels Lohn empfangen. Ein Diener soll in seinen Rathschlägen die Wahrheit für die einzige Regel und seines Fürsten und dessen Staates Ehre und Ansehen für seine höchste Pflicht halten, und sich's gleichwohl nicht merken lassen, daß er ein Ding besser verstehe als der Fürst selbst. Seneka! als ich noch unter deiner Zucht war, zog ich dich aller Welt vor, die um und bei mir war, und ich hielt es für eine der höchsten Glückseligkeiten meines Reiches, einen solchen Mann zum Lehrer und Rath zu haben. Daß du aber hast wollen angesehen werden, als ob du geschickter und klüger wärest als ich, was du dir doch nicht hättest merken lassen sollen, das hat mich, weil es zu meiner Verkleinerung gedient, dermaßen verdrossen, daß ich meinen Zorn und meine Rache gegen dich nicht länger halten konnte. Gesetzt, ich wäre der unverständigste Tropf gewesen und hätte alle Reichshändel allein durch deinen Verstand und Rath regieren müssen, so hätte es doch die Welt nicht wissen, noch du dir anmaßen sollen, als käme es von dir her. Denn wie meine Gnade dein Reichthum gewesen, so hätte dein Rath meine Geschicklichkeit sein sollen. Große Herren können gelehrte Leute nur so weit leiden, wenn sie sich im Beisein ihrer Herren nicht geschickter dünken wollen, als diese selber sind. Und ehe ich gelitten hätte, daß du um deiner Kunst willen gelobt werden solltest, und nicht vielmehr ich, eher hätte ich tausendmal die jetzige Pein ausgestanden.

Ihr Könige, Fürsten und Herren, die ihr hier zugegen seid, ist dem nicht also? Sagt an: habt ihr auch leiden können, daß einer eurer Diener sich hervor that und sich besser zeigte als ihr selbst, und hättet ihn nicht gestraft?« – Nein, nein, sprachen sie alle einhellig; so lange die Welt steht, soll es nimmermehr geduldet werden, daß ein Diener witziger sein wolle als sein Herr.

Wahr ist's, so lange ein Diener seinen Fürsten und Herren bei dem gemeinen Volk rühmt und lobt, daß er ein verständiger, gütiger Herr sei, wohl regieren könne und ohne der Diener Rath und Hilfe alle Dinge selbst gut verstehe und anordne, – so lange soll der Fürst ihn ehren, lieben und befördern. Sobald aber die eigene Ehre einen Diener einnimmt, und er sagt, der Fürst müsse alles nach seinem Rath und seiner Anstellung thun, aus sich selbst aber wisse und verstehe er nichts, – sobald ist es um alle Freundschaft und Vertraulichkeit geschehen, und es ist an dem, daß man ihn mit Schimpf und Schmach seiner Ehren und Würden entsetze, ja des Lebens beraube.

Dieses Gesetz geht mich nicht an, sprach SejanusSejanus ist der schlaue, aller Verbrechen und Laster fähige Günstling des Tiberius, den er völlig beherrschte. der dabei stand: denn wiewohl ich geschickter und verständiger war als Tiberius, und wiewohl alles nach meinem Kopf und Rath gehen mußte, so wußte ich mich doch so zu verhalten, daß man nicht anders meinte, als Tiberius selbst hätte die Sachen durch sein eigen Hirn und Klugheit erfunden und vollbracht. Auch erkannte er dies so sehr an, daß er mich zum Mitregenten und Gespan des Reiches annahm und mein Bildnis hin und wieder aufrichten und verehren ließ. Meinem Namen ward Glück und Heil gewünscht; wo ich hin fuhr, schrie mir das Volk nach: es lebe Sejan! Glück dem Sejan! Alle Völker thaten Gebete und Gelübde für meine Gesundheit und Wohlfahrt.

Als ich aber meinte, ich wäre am besten bei meinem Herren und Kaiser daran, ach! da hatte sich das Blatt plötzlich gewendet: Tiberius ließ mich greifen, in Stücke hauen und überließ mich der Wuth des unsinnigen Pöbels, welcher mich durch alle Straßen schleifte und mein Fleisch zur Schau an seinen Spießen herum trug. Zu all dieser Grausamkeit kam noch, daß sie meine Kinder schmählich getödtet: meine Tochter haben sie, da man sie, eine Jungfrau, nach unserm Gesetz durch Recht und Urtheil nicht tödten konnte, auf unmenschliche Weise zuvor den Henkersknechten übergeben, welche sie schänden und ihrer Jungfrauschaft berauben mußten; dann wurde sie als eine besondere Gnade zuerst enthauptet. Als ich merkte, daß mein Unglück nahe war, da habe ich mich (wie noch heutiges Tages alle die zu thun pflegen, welche man mit Gewalt unterdrücken und verderben will) aller List und alles Vortheils bedient die Sache zu hintertreiben, es mochte biegen oder brechen: habe Aerzte zum Vergiften bestochen, Mörder um Geld gemiethet, falsche Zeugen erkauft, die Aufrührerischen bevorzugt zur Furcht für die Frommen, die Frommen gehaßt den Bösen zu Lieb und Wohlgefallen. Dem sei aber wie ihm wolle: gleichwohl ist es nicht durch meine Schuld geschehen, daß mich Tiberius so grausam hat hinrichten lassen; auch die andern Mordthaten, die er begangen hat, können mir mit Fug nicht aufgebürdet werden.

O gestrenger Herr Lucifer! das ist unserer großen Herren Brauch auf Erden: wenn sie einem etwas zu thun befehlen und wenn es übel abläuft, dann läugnen sie es, um aus dem Verdacht zu kommen; aber der willige Diener, den sie dazu gebraucht haben, muß darum sein Leben lassen, auf daß nur dem Volk oder dem Widerpart ein Genüge geschehe. Es müssen also allemal die Diener ihrer Herren Schuld bezahlen und für ihre Verbrechen büßen. Die Historien, welche von Hofdank und Herrengunst schreiben, setzen allemal diese nachdenklichen Worte hinzu: dieses ist das Ende aller derer, welche sich auf großer Herren Gunst zu viel verlassen haben. So wird also in allen Geschichtsbüchern unserer Thorheit den andern zum Beispiel gedacht.

Wenn ein Diener reich und herrlich wird, so ist das seines Fürsten und Herren Ruhm und dient nicht wenig zu seiner Hoheit: weil daraus zu spüren ist, daß der Herr ein volles, wahres Verständnis hat und treue Dienste erzeigt und sie anzuerkennen und zu belohnen weiß. Sorge du treulich für meine Sachen, so will ich wiederum für dich und die Deinigen sorgen, sprach König Philipp II. von Spanien zu Ruy Gomez, seinem Rath. Es läßt sich übel für seinen Herrn sorgen, wenn der Diener für seine Kinder sorgen und um seinen Unterhalt sich quälen muß. Hinwiederum, wenn die Herrschaft einen treuen Diener mit Ungnade belohnt und, so ihm Gott etwas Mittel anderswoher bescheert, nach seinem Thun und Lassen forscht und fragt, sogenannte Inquisitionen anstellt, durch mißgünstige, hungrige Suppenfresser die Sache aufmutzen läßt, damit sie einen Schein habe, und sie irgend einen Grund vom Zaun ablesen können, den armen Gesellen zu foppen, zu rupfen, zu pflücken und zu drücken durch Entziehung dessen was andere nur um so geiziger an sich raffen, durch Schmälerung der ohnehin schmalen Besoldung, vielleicht gar durch Verjagung und Verfolgung; und dann, nachdem er aus den Diensten ist, erst anfangen seine Aufrichtigkeit und Redlichkeit zu tadeln, zu verhöhnen und zu verachten, die man vorher gelobt, ihn einen Narren nennen, der nichts verstanden habe, und den man doch zuvor für einen Doctor gehalten: – das ist das Zeichen, daß die Herrschaft einen wankelmüthigen Sinn habe und den Feinden gewiß in die Garne kommen, Recht und Gerechtsame verlieren werde. Vor deren Diensten mögen sich dann verständige Gesellen hüten, und wenn sie zu dergleichen Diensten verlangt werden, sagen: nein, nein Herr, ich komme nicht!« –

Sejanus hatte kaum seine Rede vollendet, da kam ein leichtbekleideter stinker Mann auf Tiberius mit einem Hammer zugelaufen, dem er, wenn nicht andere dazwischen gekommen wären, gewiß einen Streich gegen den Schädel versetzt hätte. »Wer bist du? Was fehlt dir, Gesell! daß du dich so freventlich gegen einen Kaiser darfst zur Wehr setzen?« – »Großmächtiger Fürst Lucifer! um ihm und der ganzen Versammlung die rechtmäßige Ursache meines Beginnens anzuzeigen, so wisse: als ich im Leben war, brachte ich durch allerhand Proben, durch vielfältiges Nachsinnen und Erfindung (welche heutiges Tages von der hochlöblichen Herrschaft Venedig, den hochmögenden Herren der Vereinigten Staaten, der in aller Welt hochberühmten Stadt Nürnberg durch besondere Freiheiten, Schenkungen und Ehrengedächtnisse herrlich belohnt werden) zuletzt soviel zu Wege, daß ich dem von Natur undauerhaften, zerbrechlichen Glas einen solchen Zusatz beimischte, daß man sich dessen ebensogut wie goldener und silberner Gefäße ohne Gefahr bedienen konnte. Mit dieser meiner neuen Erfindung und Kunst begehrte ich vor den Kaiser Tiberius zu treten, um ihm eins dieser gläsernen Geschirre zu zeigen; er ließ sich auch dieses herrliche Geschenk und vortreffliche Werk, wie mir schien, über alle Maßen gefallen. Um nun durch eine Probe wahr zu machen, was ich gerühmt hatte, nahm ich das Glas und warf es mit solcher Gewalt zu Boden, daß auch das stärkste Geschirr den Wurf nicht hätte aushalten können. Ich nahm es wieder auf, und trieb die entstandenen Beulen und Buckeln mit einem kleinen Hammer ohne einen Riß oder Bruch wieder heraus, als wäre es von Kupfer oder Gold gewesen. Deswegen hoffte ich, eine der Kunst angemessene Vergeltung zu erlangen. Statt dessen aber ließ mir Tiberius, nachdem er mich gefragt hatte, ob ein anderer außer mir um diese Kunst wüßte, den Kopf abschlagen. Das ist die untreue Belohnung, mit der er nicht nur mir, sondern auch seinem treuen Rath Sejanus und andern den Garaus gemacht hat.«Hierbei ist citirt: Petronius Arbiter; Plinius Historia naturalis, L. 36 cap. 26; Dion. Cassius Isidor. L. 16 cap. 15.

»Und das war eben dein verdienter Lohn, sprach Tiberius; und wenn andere nach mir dies beobachtet hätten, so würde man nicht über solche Noth in der Welt klagen. Denn was haben die Erfinder des Geschützes, des Goldmachens u. s. w. wohl anders verdient, da sie die ganze Welt mit ihrem Nachsinnen und Nachforschen in die äußerste Zerrüttung und Gefahr bringen? Ja selbst die alten, sonst der redlichen Arbeit des Ackerbaues gewohnten und geübten Römer und Deutschen lassen oft ehrliche Hantirungen fahren und hängen zu ihrem Verderben diesen Narrenkünsten nach. Ebenso würden, wenn deine Kunst mit dem Glas bekannt geworden wäre, Gold und Silber sammt anderm Erz ihren wahren Werth und Ruhm verloren haben und gegen jenes als irdenes Geschirr angesehen sein.« – »Daran, sprach der Meister, ist nicht die Kunst, sondern der Mißbrauch schuld, der in allen Dingen zu schelten ist: wenn man aber ein Ding zum Besten, nicht aber zum Schaden des Nächsten gebraucht, das ist billig zu loben. Und damit du erfahrest, wie gut meine Kunst den Menschen gewesen wäre, so wisse, daß manchmal die liebsten Freunde um ein geringes Glas, das kaum drei Pfennige Werth hat und vielleicht nicht aus Vorsatz sondern aus Unachtsamkeit zerbrochen wird, sich dermaßen entzweien, daß sie darüber wenn nicht das Leben, so doch ihre Wohlfahrt und alles, was ihnen lieb ist, lassen und zusetzen müssen.«

Da dieser gute Meister den Teufeln, als den Anstiftern alles Zankes, als Erhaltern alles Neides, als Erweckern alles alten Grolls, etwas zu nahe geredet hatte, wurde er, damit er still schweige, in einen glühenden Glasofen hinein geworfen, um allda seinen vermeinten Lohn zu suchen.

Auch Plautianus, Kaisers Severus geheimster Rath und Freund kam herbei und sprach: »Ich war während meines Lebens einer Rakete zu vergleichen, welche, angezündet, in einem Augenblick in die Luft fährt und schön und hell leuchtet; doch als ich im Höchsten war und in meinen Fünkchen, wie in tausend Sternen prangte, da that ich plötzlich einen Krach, verschwand vor den Augen derer, die mich sahen, fiel auf den Boden und ward zu Rauch und Asche.«

Hinter diesem sah man noch eine große Menge Favoriten, Mignons, geheime Freunde, Kammerfreunde, solche, welche durch Herrengunst aufkommen und sich auf Herrengunst, nicht auf Gott einzig und allein verlassen; welche, wenn sie ihrem Nächsten durch Lügen und Trügen höllische Plage und Leid angethan haben, endlich wiederum durch großer Herren Ungunst und Ungnade um Hab und Gut, um Ehr und Blut, um Leid und Leben kommen. Da sah man den Faustus des Pyrrhus von Epirus, den Cleander des Commodus, den Ablavius des Constantin, den Ruscius des Domitian, den Eutropius des Arcadius, den Stilico des Honorius, den Flavius des Theodosius, den Vinea Friedrichs, den Broca Philipps, den Cabrera Peters von Aragonien, den Herzog von Lerma Spaniens, den Marquis d'Ancre Galliens und viele andere, welche alle zuhörten, als ob eine evangelische Erlösungspredigt gehalten würde. Gern hätte ein jeder, wo es ihm gut dünkte, ein Gesetzlein dazugethan. Der Herzog von Lerma allein konnte sein Maul nicht halten und sprach auf Spanisch:

Heute erhoben, morgen zerstoben.

Aber es wurde ihm geheißen zu schweigen.

Sodann trat einer hervor, der sah aus, als ob er blind wäre. Er stieß mit dem Stecken, den er in der Hand hatte, zwei- oder dreimal ans den Boden und schüttelte den Kopf, wodurch er zu verstehen gab, daß er etwas anzubringen hätte. Ich fragte einen, der neben ihm stand, wer das wäre? Er antwortete: er heiße Belisar,Der tapfere Feldherr des byzantin. Kaisers Justinian, der nach vielen Verdiensten durch die Intriguen seiner eigenen Gemahlin aller seiner Würden entsetzt und aufs unwürdigste behandelt wurde. Die Sage von seiner Blendung aber ist unhistorisch. Er stirbt 505. des Flavius Justinianus Feldoberster, der ihm hätte die Augen ausstechen lassen. – Ach mein Gott! sprach ich: das ist dem christlichen Kaiser gewiß zur Schmach nachgeredet worden, denn er hat meines Wissens solche That nimmer an Belisar begangen.

Indessen fuhr der Blinde fort mit dem Stecken zu klopfen und sprach: »Ist es euch, ihr Könige, nicht eine ewige Schande, daß ihr am Ende allezeit derjenigen Henker werdet, die ihr durch eure Gunst und Gnade zuvor oben ans Brett gesetzt und zu euren besten Freunden erwählt hattet! Ich habe sogar einem löblichen christlichen Fürsten und Kaiser gedient, welcher alle Unordnung und alle Uebelstände im Reich durch das heilige Recht, das er abfassen ließ, abgestellt und sein Reich in guten Stand gebracht hat. Obwohl jedoch die Wohlfahrt seines Landes, seine herrlichen Siege und Triumphe einzig und allein meiner Faust und Tapferkeit zuzuschreiben sind, hat er mir dessenungeachtet die Augen ausstechen und mich zu einem armen Manne machen lassen, so daß ich mein Brot von Haus zu Haus suchen mußte; und der ich zuvor, wenn mein Name genannt wurde, ein ganzes Heer erschreckte und verjagte, wurde jetzt ein Spott und ein Schauspiel der Verachtung für jedermann. Es ist großer Herren Gunst dem Quecksilber zu vergleichen: es kann an keinem Ort beständig bleiben, läuft hin und her und wenn man danach greift, so wischt es unter den Fingern weg; will man es mit Gewalt durch Feuer zwingen, so wird's zu Rauch und fliegt davon; je mehr man es reinigen will, je giftiger wird es und geht dem Menschen durch Mark und Bein; wer stets damit umgeht, daran künsteln, seinen Witz daran versuchen will, der wird an seinen Gliedern zitternd bis in den Tod.«

Während er dies noch redete, hörte ich ein Geschrei unter der Truppe und ein greuliches Rufen: O weh! Hallo! O weh! Mordio! Helft! Rettet! und als ich fragte, wer sie wären, sagte mir einer: eben die, welche durch das Quecksilber in der Herren Gunst bethört und zu Krüppeln gemacht worden sind. Und ein Gesicht erschien, welches, sich gegen die umstehende große Menge der Fürsten und Herren kehrend, sagte: »Warum tobt ihr also auf Erden und laßt das Unrecht ungestraft? Warum seid ihr so stumm und schweiget so still, daß der Gottlose verschlingt den, der frömmer ist denn er, und laßt die Menschen gehn wie Fische im Meer und wie Gewürm, das keinen Herren hat? Ihr zieht alles mit dem Hamen und fanget es mit eurem Netz und sammelt es mit eurem Garn! Ihr habt eure Nester in die Höhe gelegt, daß ihr dem Unfall entrinnet: aber euer Rathschlag wird zur Schande eures Hauses gerathen, denn ihr habt mit allem Muthwillen gesündigt; denn auch die Steine in der Mauer werden schreien und die Balken am Gesperre werden ihnen antworten. Was euch die Völker gearbeitet haben, muß mit Feuer verbrennen und daran die Leute müde geworden sind, muß verloren sein. (Nach Habakuk 1 u. 3). Höret zu, ihr Fürsten und Herren! sprach das Gesicht weiter, und bedenkt, daß ein Gott sei, welcher die Schinderei, womit ihr eure armen leibeigenen Unterthanen ausgepreßt und ausgemergelt habt, dermaleinst mit ewigen Frohndiensten, mit ewigem Hunger, mit ewigem Durst: der die Ungerechtigkeit, Gewalt und Tyrannei, die ihr an treuen aufrichtigen Dienern, an ihren armen Witwen und Waisen verübt, mit ewiger Tyrannei wird strafen: der euch Herren auf der Welt nicht allemal die begehrte Ehre anthut, eure Thorheiten und Sünden durch euresgleichen Fürsten und Herren zu richten und zu bestrafen, sondern oft und meistens mit einem unvorhergesehenen Donnerstreich oder durch verachtete geringe Dinge! Sehet, was für Diener Gott zu seiner Rache wider euren Hochmuth, Stolz und Eitelkeit gebraucht: auch die unempfindlichen Steine sollen wider euch schreien, ja das faule Holz an den Balken wird wider euch Rache rufen. Denn wenn Gott will, so schickt er ein faules Holz, das da brechen muß und euch zu Falle bringen, oder ein kleines verachtetes Würmchen, eine Mücke oder ein Käfer muß euch plagen; ja die häßlichen Läuse selbst sind Diener seiner Gerechtigkeit und müssen euch den Lohn eurer Untugend baar bezahlen!«

Damit verschwand das Gesicht, und ein anderes Rufen und Schreien hörte man von ferne. Als wir hinzu kamen, sah ich einen wunderlichen Streit von zwei Parteien, Worte und Waffen genannt, wobei es zweifelhaft war, welcher Theil obsiegen würde. Es waren viel vortreffliche Leute in dem Streit, doch von verschiedenem Wesen, Stand und Alter: ein Theil kam mit Schwertern und Degen, hieben und stachen zu, als ob sie in einer Fechtschule wären; andere hatten große Tübingische Bücher in der Faust und schlugen damit die Streiche ihrer Feinde ab, als ob es Bruststücke oder Schilde gewesen wären; zuweilen versetzten sie den andern einen so derben Streich zwischen die Ohren, daß ihnen der Schädel dröhnte. »Gemach! gemach! rief einer von Lucifers Trabanten. Seht ihr nicht, daß Lucifer zugegen ist? Schämt euch vor dem Teufel, daß ihr eure Schuldigkeit so ganz vergessen habt!« Alsbald waren sie still und einer der Streitenden sprach: »Wenn ihr wüßtet, was für Leute wir wären und wie großes Recht wir zu diesem Kampf hätten, ihr würdet euch vielleicht zu uns halten.«

Nun traten hervor Nero, Domitian, Commodus, Caracalla, Heliogabalus, Phalaris und BusirisDie fünf ersten sind durch ihre Greuelthaten genugsam bekannte röm. Kaiser. Phalaris war ein grausamer Tyrann von Agrigent. Busiris, ein alter grausamer König von Aegyvten, der die in sein Land kommenden Fremden opferte. neben mehreren andern Tyrannen. Als Lucifer sie sah, sprach er: »Das ist, bei meiner Finsternis! eine vortreffliche und stattliche Adelsgesellschaft, denen man billig allen höllischen Willen und Gefallen erweisen sollte.«

Ferner kam auch ein alter achtbarer Mann mit vielen bedächtigen Männern daher, welche von den Streichen, die sie von den obengenannten Fürsten erlitten hatten, blutrünstig waren. »Ich bin Solon, sprach der Alte, und diese da sind die sieben weisen Meister aus Griechenland, berühmt und hochgehalten in der ganzen Welt. Jener dort, den der grausame Tyrann Cyprius NicocreonS. Cicero, 2. Tuscul. u. Valer. Maximus. in einem Mörser mit eisernen Stoßern zermalmen ließ, ist der vortreffliche Philosoph Anaxarchus.Griech. Philosoph aus Abdera, Schüler des Demokritos. Der kleine Bucklige da ist der aller Welt bekannte hochweise Aristoteles. Der dort mit der eingebogenen Nase ist der allerverständigste Sokrates; dieser andere alte dort ist der heilige (welches Wort die Teufel sehr verdroß) Plato. Die andern alle, welche auf einem Haufen beisammen stehen, sind Leute von unserer Würde, welche ebenfalls solche Bücher, wie wir, von der Einführung guter Regierung geschrieben haben: worüber sich die Fürsten so erzürnt, daß sie uns mit Stößen abgelohnt haben. Gnädigster Herr Lucifer! es geschieht uns viel zu viel Unrecht: wir haben nichts geschrieben, als was billig und recht ist und haben aus besonders guter Absicht diesen Fürsten vorgemalt, wie sie Rath und Reich bestellen, gut regieren, ihre armen Unterthanen schützen und sich bei ihnen beliebt machen können: wie man die Gerechtigkeit gleichförmig einem jeden gedeihen lasse, wie man rechtschaffene verdienstvolle Helden und Soldaten belohne, gelehrte Männer in Ehren halte, Fuchsschwänzer und Ohrenbläser abschaffe, den Rath mit aufrichtigen und der Habsucht abgeneigten Personen besetze, die Bösen strafe, die Frommen belohne. Ja, wir haben ihnen gesagt, daß sie Haushälter des großen Gottes wären auf Erden: daher sollten sie sich ihres Amtes würdig machen und sich demgemäß verhalten, damit andere sich an ihnen spiegeln, die Tugend lieben, die Laster meiden und fliehen. Das ist die einzige Ursache unseres Streitens und der Gewalt, die sie an uns verübt haben; wiewohl wir in unsern Büchern deren keinen mit Namen kenntlich gemacht, viel weniger jemals in Gedanken gehabt haben sie beleidigen zu wollen, sondern vielmehr wie wir ihnen den rechten Weg der Tugend und Unsterblichkeit zeigen möchten. Aber wer ihnen zu ihren Lastern nicht schmeichelt und nicht recht giebt, der wird von ihnen verachtet und verfolgt. O ihr ungerechten Fürsten! sprach er gegen sie gewandt: was kann es für ein Wunder sein, daß ihr in diesem verdammten Orte mehr Strafe leidet als Bürger und Bauern! die ihr allen guten Rath und Unterricht aus Hochmuth und Ehrgeiz so ganz in den Wind geschlagen und verachtet, die ihr die lose, eitle Ehre dem wahren Gott vorgezogen, die ihr eure innerlichen Lüste und Gelüste durch Standesgebühr beschönigt, die ihr alle Gewalt und Unbilligkeit mit Land- und Reichsnothwendigkeit gefärbt, die ihr, euren Staat zu erhalten, Gott und allen Heiligen abgesagt und Krieg heraufbeschworen, die ihr unter dem Vorwand der Religion Regionen gesucht, unter dem Vorwand des Himmels den Schimmel gemeint habt!

Kein Wunder ist es, daß Gott mit vielen so verfährt wie jetzt; denn so seid ihr mit euren gemarterten Unterthanen und bedrängten Nachbarn auch verfahren! Wie kann es ein Wunder sein, daß eure Unterthanen so übel zugerichtet, so übel versorgt und versehen sind! Was Wunder, daß das Land so in das Verderben und den Untergang geräth! Die ihr euch manchmal auf der landverderbenden Jagd heiser schreit, – aber stumm seid, wenn ihr einen Bescheid geben sollt! Die ihr viele Stunden lang im Walde steht, euch von Mücken und Schnaken zerstechen und zermartern laßt, um ein elendes Wild zu erwarten, – aber wenn ein hilfsbedürftiger Unterthan euch anruft, nicht so lange stehen bleiben mögt, bis ihr seine Noth gehört habt! Die ihr euch manchmal nach einem werthlosen Vogel die Augen halb ausseht – und blind seid, wenn ein elender gebrechlicher Unterthan vor euch steht! Die ihr nach garstigen Fabeln, nach erdichteten Nachrichten, nach erlogenen Aufschneidereien die Ohren spitzt, – doch ganz taub seid, wenn ein angefochtener Unterthan euch um Hilfe und Rettung angeht! Die ihr eure Diener und Untertanen so zweifelhaft und falsch regiert; die ihr die wahre Weise zu regieren aus unsern Büchern zu nehmen euch schämt – und doch selbst nicht soviel gelernt habt, um einem bewanderten Manne zu antworten! Der Weiseste unter den Menschen hat gesagt: wehe dem Land, dessen Herr ein Kind ist! aber ich Einfältiger setze noch diese Weisheit hinzu: wehe dem Land, dessen Herr nichts studiert hat! Denn dieser ist ja ärger als ein Kind. Was will er wissen und verstehen, wenn ihm seine Räthe nicht rathen und verdolmetschen! Die zwei größten Thorheiten bei Fürsten und Herren sind diese: 1) wenn sie zu Fuchsschwänzern geringe nichtswürdige Leute haben; 2) wenn sie ihren Dienern die Besoldung darum schmälern, damit sie etwas ersparen. Denn wer sein Einkommen vermeint auf diese Weise zu suchen, der ist untreu gegen sich selbst und ungerecht gegen seine armen Unterthanen. Es ist schlecht hausgehalten, wenn der Herr seinen Dienern nicht selbst richtig auszahlt, sondern ihnen erlaubt, von den Unterthanen und aus dem Lande zu handeln, zu schachern und Vortheil zu ziehen, damit sie zu leben haben. Ein kluger Fürst ist des Landes Herrgott, ein unbesonnener Fürst ist des Landes Hölle und Verdammnis.

Ein frommer Bauer that mich neulich fragen,
Als er gehört von einem Herren sagen:
Was ist ein Herr? Was ist er für ein Mann?
Horch Bau'r! sprach ich: er ist, so viel ich kann
Berichten dir, im Sterben und im Leben
Ein Mensch wie wir, mit Haut und Haar umgeben;
Doch wenn ein Herr verständig ist und klug,
So hat sein Volk und ganzes Land genug;
Doch ist er toll und hat er einen Sparren,
So macht er uns zu Bettlern und zu Narren.« –

Hierauf trat der berühmte Dionysius von Syrakus mit vielen andern Tyrannen hervor und schrie dem Solon zu: »Das hast du erlogen, alter närrischer Philosoph! was werdet ihr Thoren viel wissen uns zu lehren! Ihr, ihr allein seid Ursach, daß man uns soviel Böses nachredet und oft so grausam mit uns verfahrt: denn weil ihr in euren losen Büchern so leichtfertig gelogen, von Regimentssachen so frevelhaft geschrieben, wovon ihr weder Verständnis noch Erfahrung habt, deswegen sind wir in unserm Leben so verfolgt, ja in und nach unserm Tode noch geschändet und beschimpft.« »Gnädigster Herr Lucifer! sprach Julianus Apostata,Römischer Kaiser 361 – 363 n. Chr., der Abtrünnige, weil er vom Christenthum abgefallen war. der dabei stand: meiner Treu! bedenkt doch selbst, was können diese Schulfüchse, die kaum einen Hund vom Ofen zu locken haben, und von der Welt wegen ihres grillenhaften Wesens in Kleidern und Geberden für alberne Thoren gescholten werden, wohl wissen? Die, wenn sie zu unseresgleichen kommen, sich stellen wie eine Kuh, die ein neues Thor anstarrt, oder wie eine Gans, die in ein Faß sieht, als ob sie ihr Lebtag keinen Menschen sonst gesehen hätten und nicht wüßten, was sie reden oder thun sollten; kommen in einem Aufzuge wie die Bettelhunde. Und nichtsdestoweniger bei all dieser Armuth haben sie eine so hartnäckige Einbildung, daß sie meinen, andere Leute wären gegen sie Unmenschen und wilde Thiere; reden von Sachen und machen einen gewissen Schluß von Dingen, die sie doch ihr Lebelang weder gehört, noch gesehen, noch verstanden haben; schreiben von Königreichen, von Besetzung der Aemter, wollen den Königen Gesetze geben und die Weise vormalen, wie sie leben sollen, wie sie Land und Leute in gutem Wohlstand erhalten und gegen äußere Gewalt schirmen und schützen können: während sie ihr Lebelang nicht einen Meierhof verwaltet haben noch einem Dorfschulzen an Verständnis gleichkommen. Wenn es so sein sollte, so würden weltliche Könige, Fürsten und Herren nicht ärger gefesselt werden, als wenn dergleichen Halunken so ungescheut schreiben dürfen, was sie wollen. Ist einer unter uns, der sich nur ein wenig gute Tage machen will, gleich ist er ein Tyrann, ein Bluthund und der königlichen Gewalt nicht werth, darum weil wir den Unterthanen nicht besser schmeicheln wollen. Doch diese mondsüchtigen Tröpfe hier wissen nicht, wenn es zum Treffen kommt, wo sie die Dinge angreifen und handhaben sollen. Sie gehen einher mit struppigem Bart, so daß man, wenn man eine solche Gestalt steht, nicht weiß, ob es ein Kauz oder ein Busch ist, so tief haben sie die Augen in dem haarigen Kopf versteckt; und wenn sie sprechen, machen sie ein Getöse, als ob sie aus einem hohlen Gefäß brummten.

Besonders du Solon – hierher mit deinen Scharteken, du Federfuchser! Wenn sich ein König, Fürst oder Herr vor allen Dingen nur seiner Unterthanen Heil und Wohlfahrt soll angelegen sein lassen, wer wird dann für ihn und für die Seinigen sorgen? He! was meinst du? He! meinst du etwa, wir sollten uns selbst verbrennen, was doch unsere ärgsten Feinde nicht wollten! Ihr seid rechte Federspitzer, ihr mögt Tag und Nacht über euch selbst sitzen und schreiben, was ihr wollt, ihr habt darum doch nicht, was ihr wollt. Mengt euch also nicht in fremde Händel, die ihr nicht gelernt habt! Man nennt uns ja die hohe Obrigkeit, die Gewalt über die Unterthanen hat: wie soll denn ein Fürst Gewalt über die Seinen haben, wenn er nicht zugleich die Macht über ihre Güter hat und damit nach seinem Gefallen schalten und walten darf? Der wäre ja ein elender Fürst, der sich eurem Rath und euren Schriften gemäß untergeben müßte, die ihr doch unsere Unterthanen und Leibeigenen seid! Das wäre ja keine vollkommene Gewalt, wenn man sich nicht rächen, bisweilen sein Müthchen kühlen, sich nicht etwas mehr belustigen und nicht zuweilen einen Sprung aus den Schranken thun dürfte. Sollte man etwa um einiger Frommen willen die andern alle abschaffen und aus dem Wege räumen? Wohin würden wir kommen? Bald müßte die ganze Welt öde werden. Nein, nein! es ist besser zehn Böse als einen Frommen erhalten: besonders weil uns zu unsern Diensten und Gefallen jene mehr geneigt sind als diese. Auch müßt ihr wahrlich in eurem Hirn übel versehen sein, daß ihr sagt, man solle gleich einem jeden Frommen, der etwa meint ein ehrlich Werk oder eine Tugend ausgeübt zu haben, große Verehrungen erweisen: da uns doch niemand mehr zuwider ist als eben die Frommen. Es frommt uns besser, wenn wir diejenigen mit Geschenken, Ehren und Aemtern versehen, welche uns zum Gehorsam leben, um unsertwillen sich bemühen, sich zu unserer Lust und Gefallen wider alle Welt frisch hinein wagen: denn bei denen sind wir viel mehr unseres Lebens sicher, welche in Unachtsamkeit lustig in den Tag hinein leben, als bei denen, welche auf unsere Handlungen so genaue Aufsicht und Achtung geben und vom Gewissen reden. Darum: was jenen erlaubt ist, ist uns billig, und was uns billig, ist jenen erlaubt, und es hat keiner dem andern viel vorzuwerfen.

Meiner Treu! bedenkt, warum können noch heutiges Tages Fürsten und Herren sich mit den Geistlichen und Pfarrherren nicht immer vertragen? Wahrlich, aus keiner andern Ursache, als daß die Pfarrherren stets mit ihren zehn Geboten aufgezogen kommen, und bald kein Herr mehr etwas zu seiner Lust und zum Spaß thun darf, woraus sie nicht gleich Sünde machen. Warum würde uns Gott zu Fürsten gemacht haben, wenn wir es nicht sollten besser als die Bauern haben? Es ist ganz etwas anderes, wenn ein Bauer sündigt, als wenn ein Fürst sündigt: ein Fürst ist an die zehn Gebote eben nicht so fest gebunden. Meinestheils, wenn es bei mir allein stünde, ich würde alle Pfarrherren abschaffen, oder wenigstens so lassen am Hungertuche nagen, daß sie selbst den Abschied nehmen würden; Räthe und Amtleute desgleichen und alle Diener, welche so kühn sind, daß sie der Herrschaft vom Rechten, von der Gerechtigkeit, von Gottesfurcht sagen. Was? Gerechtigkeit? Was ein Fürst will, das ist an sich selbst recht und darf nicht erst durch euch Schulfüchse für Recht erklärt werden. Warum, du alter Bocksbart, schreibt ihr nicht auch das, da ihr doch alles so gut wißt: der Metzger läßt seine Hammel feist werden; warum? damit er sie schlachten könne; und wenn der Barbier will Blut haben, so läßt er die Ader laufen? Du sollst den PhotinusEin ketzerischer Bischof von Pannonien im 4. Jahrhundert. reden hören, Altvater, er wird dir eine andere Manier zu regieren hersagen. Photinus komm' herbei!« Als er dies gerufen hatte, kam einer unter dem Haufen hervor, der dem Ansehen nach gewiß ein rechter Spottvogel und Lotterbube gewesen war, aber die Zunge über alle Maßen fertig hatte, der sprach: »Es giebt nichts, was einen Fürsten in seiner Regierung mehr hindert, als wenn er zu fromm, zu streng im Strafen und gleich auf jedes Ansuchen fertig ist Recht zu schaffen: denn das ist oft so hinderlich in ihrem Vorhaben, daß sie ihr Land und Reich nicht erweitern noch ihre Herrlichkeit höher bringen können. Es ist ein unerforschlicher Unterschied zwischen dem, was recht ist und dem, was einem nützt. Darum ist denn ein Fürst, welcher Ehre und Recht allem andern vorzieht, wider sich selbst, schwächt seine Macht und Ansehen und stürzt sich ins Verderben. Wo aber dem Volk seine rechte Freiheit gelassen wird, so daß es ungestraft leben und handeln kann, wie es will: da kommt ein Reich in Wachsthum und Wohlstand, mag es sonst auch äußere Feinde haben, wie an Mahomet zu sehen ist. Ein Fürst nun hat das Recht seine Unterthanen zu strafen, da sie ihm und dem Gesetz unterworfen sind: der Fürst selber aber, welcher die Gesetze giebt, steht über diesen und ist in keinem Falle ihnen zu gehorchen verbunden, sondern kann thun, was und wie er will. Denn es ist und bleibt doch ewig wahr, daß diejenigen, welche alles genau nehmen und jedes Holz zu Bolzen drehen wollen, zu Hofe und im Regiment nimmer taugen.«

Als Photinus diese Machiavelli'schenMachiavelli, der bekannte italienische Schriftsteller und gewissenlose Staatsmann; stirbt 1527. Worte geredet hatte, trat Domitian hervor, schäumend vor Zorn wie ein Eber, und zog den armen C. Suetonius TranquillusLebte unter Hadrian in der ersten Hälfte des 2. Jahrhunderts, Biograph der ersten zwölf römischen Kaiser. bei dem Rocke herbei, trat ihn mit Füßen und sprach: »Ihr Herren alle hier! unter allen Geschichtschreibern sind diejenigen die ärgsten und gefährlichsten, welche, erst wenn ein Kaiser, König oder Fürst gestorben ist, aus längst gefaßtem Eifer und Haß, aus eigenem Gelüsten und aus innerem Triebe der Mißgunst mit höhnischen leichtfertigen Büchern Ehre und Ruf eines solchen beflecken. Diese verfluchten Schriftlinge können schon bei Lebzeiten des Fürsten mit höhnischen anzüglichen Worten nicht aufhören; nach seinem Tode aber geht dann erst recht das Bartscheeren an, und er muß noch mehr aushalten, indem sie ihn durch die lose Geschichtschreibung wieder lebendig machen und der Welt zum Gespött und Gelächter darstellen: wie denn dieser unverschämte Gesell an mir auch gethan und sich nicht geschämt hat, von römischen Kaisern auch diejenigen Sachen zu schreiben, welche zu hören, geschweige denn gethan zu haben wir uns schämen müssen. Was schreibt er nicht von dem unersättlichen Geiz, von Grausamkeit und Blutgier, von der Schwelgerei und Völlerei, der ich soll ergeben gewesen sein! wie unnütz ich den römischen Schatz auf unnöthige Gebäude verwendet habe! während doch ein Fürst sein Einkommen auf nichts würdiger als auf Erbauung herrlicher Paläste verwenden kann, und auf Belohnungen derjenigen, welche sich im Kriege fest und treu erwiesen haben. Was sagt er nicht von Rauben, Stehlen, Plündern und Aussaugen unschuldiger Leute? Soll denn ein Fürst gar keine Macht haben? Soll er denn um eines kleinen Vorzugs willen, den ihm seine Stellung giebt, von diesen Schreibern ausgeschrieen werden, als wäre er gar ein Straßenräuber oder Freibeuter? Ist das nicht ein unverschämter Kerl, der von einem König und Fürsten reden darf, als man etwa von einem Dieb oder Mörder pflegt? Wie freventlich hat er von dem Stolz, Hochmuth und Ehrgeiz gegen mich geschwatzt und aufgeschnitten? Wie spitzfindig ist er mit den Titeln der Unzucht und ungebührender Lustseuche gegen mich losgezogen? der ich doch sonst so löblich regiert und die Bibliotheken, welche früher verbrannt waren, mit unglaublichen Kosten von Alexandria und anderswoher habe wieder ausfüllen lassen. Also ihr umstehenden Herren! ich habe euch von Herzen wollen erkennen lassen, ob er aus angemaßtem Frevel so zu schreiben befugt gewesen ist. Denn was meine Diener hier und da vielleicht unter meinem Namen verübt haben, das geht mich nichts an, auch wenn ich es ihnen befohlen hätte. Auch wenn sie es schriftlich darlegen und beweisen könnten, würde ich es ihnen nimmermehr gestehen, sondern auf dem Nagel wegläugnen. Ich wundere mich aber, daß dessenungeachtet keiner meiner Nachfolger dergleichen Bücher zu drucken verbietet.« –

»Was die Bibliotheken betrifft, ja das ist wahr, das ist ein recht fürstliches Werk, sprach Sueton; auch habe ich dessen in meinem Buche mit besonderem Lobe und Ruhme gedacht. Was antwortest du mir aber hierauf, Domitian! wenn ich sage und klage, daß du in deinen Befehlsschreiben sagst, ›euer Herr und Gott‹? Ist das denn nicht ein unmenschlicher gottvergessener Stolz und Hochmuth? Hab' ich nun die lautere Wahrheit geredet, – was klagst du denn? Aber ihr Fürsten und Herren wollet Fuchsschwänzer haben, die alles recht und gut heißen und euch sagen, was ihr gern hört; während ein ehrlicher Mann oft stillschweigen muß, daß ihm das Herz bebt, und es geschehen lassen, wenn er auch weiß, daß es unrecht ist und wider das Gewissen geht. Darum hat jener vormals recht gesagt, daß ihr alle armselige Leute seid, welche nimmer eine Wahrheit von ihren Dienern hören noch hören wollen. Habe ich nicht den großen Julius Cäsar, den Augustus, den Titus und Vespasian herrlich heraus gestrichen und gelobt? Was haben sie Rühmliches gethan, das ich nicht mit besondern Ehren gemeldet hätte? Was hat mein Stubengesell Plinius SecundusLebte zu Anfang des 2. Jahrhunderts, Verfasser von Briefen und einer Lobrede auf Trajan, dessen Liebling er war. nicht Löbliches von dem Trajan geschrieben? Aber du und deinesgleichen Landesverderber, die ihr nichts als den bloßen Namen eines Kaisers gehabt habt, sonst aber in allem euch verhalten habt wie feindselige Tyrannen, – was darfst du mich deswegen viel zur Rede setzen und tribuliren? Weil ich dir die Wahrheit gesagt so, daß auch die Teufel vor dir und deinem wüsten Leben billig einen Schrecken bekommen? Daß du dich aber wunderst, weil keiner deiner Nachfolger das Bücherschreiben, das Lob- und Strafschriften an den Tag bringen verboten habe, darin giebst du dich in deinem Unverstand so bloß, daß du mich selber dauerst. Die handeln unweise, welche allein aus Haß, aus Furcht, aus Mißgunst ein Buch verbieten: denn dadurch kommt es nur in desto größern Ruf; es wird umsomehr Nachfrage nach einem Dinge, das man erst mit Mühe und Gefahr bekommt. Ein Fürst und Herr begiebt sich in große Ungelegenheit, wenn er sich mit einem geübten Schreiber in einen Streit einläßt: gewinnt er, so sind zehn andere, die jenen rächen: verliert er, so schadet es seinem ganzen Geschlecht. Was man schreibet, das bleibet.

Wie dessen wird allzeit gedacht,
Von dem man Gutes schreibet:
Also Reichthum, Gewalt und Macht
Von selbst vergessen bleibet.« – –

Als ich dastand und diesem Handel zuhörte, kamen zwei Kerls auf einander zugestoßen, von denen jeder einen großen Sack auf der Achsel und einen Schulsack an den Lenden trug. Der erste war mit dem Zeichen K, der andere mit C bezeichnet. Diese Kerls stießen hart auf einander los, ließen ihre Säcke zu Boden fallen und kamen sich in die Haare. Aber ein Geist trat dazwischen und fragte sie, woher sie kämen und wohin sie wollten? Der K sprach: er käme aus Deutschland und wolle sich nach Griechenland begeben. Der C sprach: er käme aus Calcutta und wolle nach Deutschland ziehen. Lucifer befahl, man solle ihre Säcke öffnen und sehen, ob sie nicht verbotene Waare trügen. Als man aber den Sack C öffnete und auf den Boden ausschüttete, befand sich nichts weiter darin als lauter Buchstaben H h, große und kleine, junge und alte, verschliffene und gespitzte, doch mit vielen Schellen untermischt. Der mit dem Sack K ward, als man seine Waare besichtigt und voll der Zeichen Ph gefunden hatte, ohne ferneres Anhalten los gelassen. Der H h aber wurde festgehalten unter derben Verweisen, daß er so freventlich und ohne genügende Erlaubnis dergleichen Waare wolle ans Land bringen; er entschuldigte sich aber damit: er habe gehört, daß bei den jetzigen sprachgrüblichten und buchstabecklichten Zeiten ihm seine Waare gut abgehen würde.

Der Geist sah mich an und fragte, was ich dazu sagte: da ich unlängst von der Welt gekommen, sollte ich erzählen, ob solche Waare in Deutschland für Kaufmannsgut passiren könnte. Dem antwortete ich: Was den Kaufmann mit der Waare Ph anlange, so wäre derselbe nicht mit Unrecht fortgelassen worden, weil diese Waare eigentlich nach Griechenland gehöre. Und wenn man bei den ursprünglich griechischen Namen, wie Philander, Euphrosine, Physik, Philippus, Philosophie u. dgl. das Ph abschaffen und an dessen Statt das F einführen wollte, wie es zwar bei einigen Welschen, doch ohne Berechtigung, der Brauch ist, so würden solche Namen ihren Saft und ihre Kraft, ihre Deutung und Wirkung so verlieren, daß man ihnen keinen Geschmack mehr würde abgewinnen können: denn Philander ist ursprünglich Griechisch und heißt auf Deutsch ›Manhold‹; Filander aber ist aus keiner Sprache, bedeutet und heißt auch nichts. Und die das Griechische nach dem Deutschen, doch undeutsch, geben wollen, die thun eben das, was diejenigen thun, welche dem Kinde rufen und keinen Namen geben: die es Fürsten und Herren gleich thun wollen, aber nicht einen Hund vom Ofen zu locken vermögen: die in einem Schiff fahren und den Boden durchlöchern, die Deutschland mit Bratwürsten bezwingen und mit Läusen durchreisen wollen. Daher wundere ich mich auch nicht ohne Ursache über die, welche sich wundern, daß Philander sich Philander und nicht Filander geschrieben hat.

Was nun den Hausirer anbelangt, so erachte ich dessen Waare, wie er sie feil bietet, für leicht und verboten, die in Deutschland viel besser anzutreffen ist. – Der Kerl aber beschwerte sich und gab vor: daß bei den jetzigen Zeiten der Pluderhosen eine ganz andere Art zu schreiben herrsche, und demnach viel tausend Säcke mehr mit H h erfordert würden. Zudem wäre diese herrliche Waare so gut und tüchtig wie das Salz zur frischen Butter, so daß, wenn man die Worte nicht mit doppeltem h belegte und die ungefütterten Buchstaben nicht mit dreifachem h umschränkte, es ebenso wäre, als ob einer ein Narr sei und doch keinen Kolben tragen wolle; und es müsse nun einmal jeder, der heut zu Tage in dieser unvermeidlichen Schreibrüchtigkeit sich wolle sehen lassen, sich dieser herrlichen Quintessenz bedienen.

Ich mußte aber über den Kerl lachen und sprach zu den Umstehenden:

Des Kerles Rüchtigkeit zu schreiben ist unrichtig:
Wenn er in seinem Sack hätt' so viel I als H,
So wär' der ganze Sack Ih, Ih, Ih;
Drum seine Rüchtigkeit zu schreiben ist unrichtig.

Der Geist sprach: »Wie nützlich es für die Sprachen ist und für alle die, welche sich der Sprachen bedienen, wenn man den genauen Ursprung, den Grundquell und die Wurzel aller Wörter und Buchstaben erforscht, ohne welche Gewißheit man an vielen Orten müßte stehen oder gar hocken bleiben: ebenso abscheulich ist es, wenn naseweise Kerls, hochfliegende Klüglinge irgend einen Rappel bekommen und dasjenige in eine Sprache einführen wollen, was dieselbe nicht nur nicht ziert, sondern verzerrt, verirrt, verwirrt, ärger als die Babeler vor Jahren gethan haben.« Ob auch der Kerl seine H h wieder zusammen suchen wollte, ward doch der ganze Sack mit allem Unrath als verfälschte Waare zum Feuer verdammt, und es knisterten diese H h, als ob einer eine welsche Perrücke voll Ungeziefers gebraten hätte unter so großem Gestank, daß wir uns von dannen begeben mußten.

Nach einer Weile vernahmen wir von der Linken her das gar erbärmliche Spiel einer Fechterei. Es waren vier Kerls beisammen, welche einander mit starren, feurigen Augen, blassen Angesichts, die Zähne auf einander beißend, ansahen; sie zogen die Wämmser ab und warfen sie beiseits, sowie auch die Hüte, und standen da nur in Schlafhosen und Springschuhen; jeder hatte ein langes scharfes Rappier in der Faust. Diese vier theilten sich, je zwei und zwei und thaten so grausame Stöße gegen einander, daß ich sorgte, jetzt werde dem andern ein Auge aus- oder das Herz in den Schoos fallen. Endlich fielen zwei durch und durch gestoßen todt zu Boden. Die andern Beiden, welche das Hasenpanier aufgeworfen hatten und davon liefen, wurden von einem Teufel Namens ›Böses Gewissen‹ auf den Fersen verfolgt, der ihnen einen feurig-rauchenden stinkenden Pfeil in das Herz schoß, daß sie auch zu Boden fielen. Doch alsbald waren sie wiederum an ihrem vorigen Ort, die andern Beiden wieder lebendig und der Streit ging von neuem an wie vorher. Wie ich vernahm, müssen sie ewig in diesem unsinnigen Kampf zubringen; worüber ich nicht wenig Mitleid empfand und hinzutrat, um die Ursache dieser Marter zu erfragen. Als sie meiner ansichtig wurden, kam einer mit großer Ehrerbietung auf mich zu und redete mich, doch auf Französisch, also an: »Mein Herr, ich sehe euch wohl für einen Hof-Cavalier und Ehrenmann an, der die Ursache unseres Kampfes vielleicht gern wird wissen wollen: wir sind Franzosen von Nation, aber einer, mein Secundant hier, ist ein Deutscher aus Holstein. Nun hat es sich begeben, daß bei einem Ballet jener Kujon dort mir nicht allein mit einem Glas Wein auf die Gesundheit meiner Geliebten den Bescheid versagt hat, was ich so aufnahm, als wäre es zu meinem unleidlichen Schimpf und zur Verkleinerung meiner Ehre geschehen: sondern ist mir auch hernach im Tanze vorgesprungen. Und als ich ihn deswegen eben nicht mit freundlichen guten Worten (denn von Natur bin ich hitzig und kann dergleichen nicht gut leiden; zumal wenn ich mir einbilde, daß etwas zum Trotz geschehen sei, so möchte ich vor Zorn von Sinnen kommen), sondern mit mächtigen Geberden und Verweisen abgestraft hatte, da sind wir im Wortstreit so weit gekommen, daß er mir sagte ich löge, welches die größte Unehre ist, die einem widerfahren kann, und es wird einer eher Leib und Seele wagen, als solche Beleidigung tragen. Lügen strafen erfordert stets einen Degenstoß zwischen die Rippen.« –

Als er so weiter reden wollte, sagte mir ein Geist, welcher hart neben mir stand, heimlich ins Ohr: »Hüte dich, je einem Franzosen zu sagen ›du lügst‹! sie halten es für die größte Schande; allein – die ihr ›du lügst‹! für die größte Schande haltet: sagt mir, weshalb dünkt euch ›lügen‹ eine Zier?« (Owen 1, 65). Ich merkte daraus, daß er mich, da ich mit einem Franzosen im Gespräch war, etwas warnen wollte. – Der Franzose fuhr fort: »Deshalb habe ich ihn zur Rettung meiner Ehre und zur Strafe für den Schimpf auf die Wiese geladen und ihm mit der Klinge seine Thorheit vergolten: und wer wollte sich in dieser Weise beleidigen lassen?« – »Wir haben uns gut gefärbt! sprach der andere. Ich meine, du mußt deine Thorheit so theuer als ich bezahlen in diesem ewigen Streit, und zwar du billiger als ich, der ich als der Geforderte ehrenhalber den Streit hätte ausschlagen können, auch nicht so sehr aus Vorsatz als aus Mißbrauch gesündigt habe, der in Frankreich heutiges Tages allgemein ist, wo die Ehre muß mit der Fuchtel gesucht und erhalten und eher die Seligkeit als die zeitliche Ehre darf verscherzt werden; ich hatte also vielmehr die Absicht Ehre einzulegen und Ruhm zu erlangen als zu sündigen. Zwar hat mein Gegenpart, als ich zu Boden kam, mir das Leben zu schenken angeboten; aber wie? sollte ich, einer von Adel, das Leben aus der Hand meines Feindes empfangen? Das wäre ein Bärenhäuterstück und ich nicht werth, den Degen an der Seite zu tragen.« Als er diese Worte geredet hatte, geriethen sie wieder an einander wie vorhin. Nachdem sie wieder zu sich selbst gekommen waren, näherte ich mich dem Deutschen um zu hören, was ihn zu diesem Streite veranlaßt hätte? Er sagte mir: er wäre der und der, einer von Adel, und hätte dem Franzosen, der ihn zum Secundanten erbeten, dies ehrenhalber nicht abschlagen dürfen: denn bei einem Theil des deutschen Adels ist dies jetzt ebenfalls Brauch, daß sie ihre Händel mit der Spitze des Rappiers und nicht, wie die ehrliebenden Vorfahren, mit der Faust oder mit dem Banddegen austragen. – Desto größere Thoren sind sie, sprach ich, und desto weniger adliges Gemüth haben sie in sich, weil sie diese grausame Untugend und dies teuflische Beginnen von den leichtfertigen Welschen entlehnt haben (bei diesem Wort würde der Welsche, wäre er nicht von einem Geist verhindert worden, mir den Degen gewiß durch die Rippen gestoßen haben, so sehr war er darüber erzürnt). Unsere redlichen alten Deutschen waren damit zufrieden, wenn ihnen ein Schimpf angethan wurde, daß sie sprachen: es ist mir unrecht geschehen, es ist erlogen. Auf eine Lüge wurden eine Maulschelle oder höchstens hier und da einige Püffe ausgetheilt; damit war es abgethan, oder man verglich sich beim Trunk mit größerer Vertraulichkeit und Freundschaft. Sie hatten Herz genug, ihre Feinde wie Löwen anzufallen und zu bezwingen, ja sich ebensogut wie es jetzt geschieht, mit einander zu raufen und zu schlagen, sie bedurften da weder eines zweiten oder dritten Mannes. Einander auf dem Kopf herumgehämmert, verglichen, verziehen, vergessen – das war Eins.

»Freilich, sprach ein Teufel, den ich für der Fechter, Kämpfer und Duellisten Meister und Fürsprecher ansah, wußten sie nichts von solchen Secundanten; aber durch meinen Fleiß habe ich es soweit gebracht, daß es nicht mehr Duelle, Kämpfe sind, wenn sich zwei raufen, sondern Schlachten. Und obschon die Alten zu Zeiten einen zweiten oder dritten Mann bei sich hatten, so war es doch nicht auf Raufen, sondern darauf abgesehen, daß alles redlich, ohne Trug und Falsch herging und keine Schelmenstücke verübt wurden, und damit sie Zeugnis von dem, was geschah, ablegen konnten. Jetzt aber ist es durch meine Bemühung dahin gekommen, daß es heißt: es läßt sich nicht ohne Raufen zuschauen; wer nicht will Theil am Streit haben, der packe sich von dannen, damit er nicht für einen verzagten Lump angesehen werde; ehrenhalber muß man da raufen, es reime sich oder nicht, hier herrscht nicht die Vernunft, sondern die Ehre.«

O weh uns unhöflichen treulosen Deutschen! sprach ich zu meinem Landsmann, welcher stand und zitterte vom Zuhören. Ist es denn nicht genug, daß unser armes Vaterland wissen muß, wie um der unchristlichen, kahlen, erbettelten, hundsföttischen, höllischen Reputation willen wir uns einander so jämmerlich verfolgen, bekriegen, tödten und vertilgen? Müssen wir erst nach Italien und Frankreich ziehen und allda bei des Teufels Vorfechtern lernen, wie wir oftmals unsere besten Freunde ums Leben bringen sollen! Können wir denn unseres nichtigen Leibes Ehre nicht erhalten als nur mit Gefahr und Schaden der edlen Seele! Pfui der Schande! und verflucht seien alle solche hitzigen, hirnlosen, unbedachtsamen Narren, die ihr Heil so gar nicht in Acht nehmen! Haben doch die Heiden redlicher und christlicher davon gelehrt als heute die allerchristlichsten Christen pflegen. »Dazu, sprach der armselige todte Deutsche, bringen uns die leichtsinnigen Franzosen: und wenn man deren nur drei würde auf den Schwarzwald viele Meilen von einander setzen, so würde doch nicht ein Monat vorübergehen, ohne daß sie sich neckten und sich um irgend einer lumpigen Ursache willen forderten und erstächen.«

Ich sprach noch einmal meine obigen Worte und fuhr fort: Es ist doch kein wildes Thier so wild, daß es eins seinesgleichen, von seinem Geschlecht und seiner Art, beschädigen, zerreißen, tödten würde.

Ein jedes wilde Thier: Löw', Bär, Drach', Tiger, Schlang'
Sich selbst in ihrer Art belieben, lieben, weichen;
Das Unthier selbst, der Wolf, frißt nicht bald seinesgleichen;
Allein der Mensch, der macht den Nächsten angst und bang:
Vor einem Menschen muß der Mensch sich selbst befahren,
Der doch vor Wölfen kann erwehrend sich bewahren.

Es muß ein kalter Winter sein, soll ein Wolf den andern fressen. O der großen Thorheit! O der kostbaren, theuern Thorheit! O der verdammten Thorheit! O des heillosen Tausches, wo wir die fremden Laster mit deutscher Tugend, welsche Unreinigkeit gegen deutsche Keuschheit, welsche Untreu gegen deutsche Redlichkeit auswechseln! Da will zwar ein jeder sein eigen Glas haben, – aber sein eigen Weib haben, dessen ist nicht leicht einer versichert. Unsere alten redlichen Deutschen würden es für eine Unehre und Schande gehalten haben, wenn sie hätten sollen fechten lernen, und sie haben einen Fechter gehaßt wie den Teufel, als der da lehrt, nicht wie man mit Tugend überwinden, sondern wie man mit List und Trug einen ehrlichen Mann übertölpeln könne. –

Indessen suchte ich mich von der Gesellschaft loszumachen, die sich abermals in den Haaren war, und dachte bei mir, daß der Teufel der rechte Heerführer aller solcher frevlen Balger, Raufer und Spitzbeißer sein müsse, weil derjenige, welcher sich nur im geringsten (vielleicht aus Einbildung mehr als in Wirklichkeit) an seiner Ehre angegriffen sieht, gleich zur Wehr und zum Morde eilt. Wie wüthende Leute fordern sie einander mit Kartells und Fehdebriefen heraus in diesen Worten: wenn du eine ehrliche Ader im Leibe hast, so erscheine mir vor der Klinge da und da. Das heißt bei Verständigen soviel als: wenn du dich als Cavalier erweisen willst, so komm und laß uns mit Leib und Seele dem Teufel zufahren in die Hölle.

Ein Ehrenmann achtet mit Recht nicht des Schimpfs, den ihm sein Gegenpart und andere, welche ehrenhalber des Teufels sind, um deßwegen zufügen, sondern lacht der teuflischen Thorheit und spricht: Gehe hin, du unbesonnener, ungerathner Tropf; eben darum weil ich eine ehrliche Ader im Leibe habe, achte ich all dein Prahlen für eine Hirnlosigkeit und einen Mangel an gutem Verstand. Gehe nur hin, Schüler des Teufels und Cavalier von Ehren, nicht Cavalier der Ehren: in einer christlichen, redlichen, zwingenden Noth und Gegenwehr sollst du, mein Gegenpart und Feind, gleichwohl an mir einen deutschen Mann finden, den seine Haut nicht dauert, der sich seiner Haut redlich wehrt, der ebensogut ein Herz im Leibe hat, der ebensogut wie du Fäuste und Muth hat. Daher pflegte der tapfere Spanier Ferdinandus d'Avolos, Markgraf zu Pescara, zu sagen, daß man mit nichten den für einen tapfern Cavalier halten sollte, der viel Raufhändel gehabt, sondern vielmehr den, der sich so zu verhalten gewußt, daß er sich niemals mit einem andern in Zankhändel einzulassen genöthigt gewesen: denn andere herausfordern, oder herausgefordert werden, komme gemeiniglich daher, daß der eine aus Unverstand in Worten und Werken sich nicht zu halten wisse, oder aus Ungeduld und Grobheit andere in Folge dessen nicht so ehre, daß er auch von ihnen mit der gebührenden Achtung behandelt würde.

O der teuflischen Reputation bei gemeinen jungen Leuten! Da aus einem von ungefähr gefallenen Wort, aus einem unbedachten Blick ohne jeden bösen Vorsatz und jeden bösen Gedanken deines Nächsten du ihn dumm-toller Weise aufziehst und, wiewohl ohne Verstand und Stand, dich stellst, als ob du um deiner Seelen Seligkeit mit allen Teufeln zu streiten hättest!

Während dieser ernstlichen Gedanken sah ich von ferne eine Menge daher gelaufen kommen, scheinbar Bürger, Handwerker und Bauern; sie trieben einen Kerl vor sich her, dessen Person ich nicht unterscheiden konnte, dem riefen sie Zeter, Mord und Wehe nach und füllten mit Seufzern die Luft, daß es dunkel wurde. Es antwortete mir einer auf meine Frage: dieser wäre bei einem geborenen Herren zu Hofe Präceptor gewesen; der habe zum Theil aus Fahrlässigkeit und Faulheit, zum Theil aus Furcht und Zaghaftigkeit, zum Theil aus Halsstarrigkeit und Bosheit den jungen Herren dermaßen versäumt, daß aus einem Vater des Vaterlandes, den sie gehofft hätten, ein Tyrann und Wütherich, ein Schinder und Henker geworden wäre, der sie hernach regiert habe, daß sie in die äußerste Verzweiflung und Verdammnis gerathen wären, – wofür sie niemand als dem Präceptor die Schuld geben und über ihn Mord und Rache schreien müßten. Daraus konnte ich schließen, daß, wenn junge Herren übel gerathen, die Schuld meistentheils dem Präceptor und Hofmeister zuzuschreiben wäre: denn man kann kein gutes Regiment von einem schlecht erzogenen Prinzen erwarten.

Wird der Herr nicht recht erzogen,
So sind Land und Leut' betrogen.

Demnach muß ein fürstlicher und gräflicher Präceptor oder Hofmeister ein fleißiger arbeitsamer Kerl, eine feste und mannhafte Person, ein verständiger weiser Kopf, ein sittsamer redlicher Mann sein; ja es wäre wohl gut, wenn man einen solchen Mann haben könnte, der ein unsträfliches Leben führte, in allen Stücken just wäre ein guter Theolog, Jurist, Arzt, Philosoph, Historiker, Politiker, ein guter Lateiner und Linguist, der Vocal- und Instrumentalmusik kundig, ein guter Schreiber und Rechner, ein Reiter, Soldat, Maler und dergleichen; besonders aber eine exemplarische Person und ein Hofmann, der vielgereist und vielerfahren, sittsam, mäßig, nüchtern und sparsam wäre; der auch bei Tisch alles gut anordnen, die Speisen zerlegen, vorlegen, und ich weiß nicht was alles wüßte: der also alle Aemter bediente, sich nichts verdrießen ließ, der mit der Besoldung nicht gar zu hoch hinaus wollte oder mit einer einfachen schlechten Bestallung fürlieb nähme, im übrigen aber mit großen Verheißungen und Vertröstungen, mit goldenen Worten, sich ließ abspeisen: – wie dergleichen oftmals begehrt und geschildert werden, und ein Maler ihn kaum so zu malen wüßte.

Dieser Präceptor und Hofmeister nun wurde von den armen Leuten getrieben bis zu einem umzirkelten Ort, wo ihm alle seine Handlungen von den bösen Geistern vorgehalten und von Zeugen erwiesen wurden. Beelzebub redete den neuen Gast an und sprach: »Höre Gesell! da du nun an dieser Stätte angelangt bist und du dein Amt nicht hast versehen wollen, so will ich das meinige desto besser versehen. Ich hab' gesehen, wie dich die Pfarrherren und Räthe gewarnt und dir befohlen haben, daß du den Kopf deines jungen Herren biegen und ihn strafen solltest, – und du hast es verachtet. Ich hab' gehört, wie oft die Unterthanen über deine Fahrlässigkeit geseufzt haben, – und du hast es verlacht. Nun aber will ich dich nach deinen Diensten belohnen. Ich hab' gehört, daß du in deinem Leben lieber bankettirt als gefastet hast, und dadurch deinem jungen Fürsten ein Vorbild gegeben, wie er sich der Völlerei ergeben könne.« – Darauf ließ ihm Beelzebub einen Becher mit brennendem Schwefel und Pech einschütten, den er mit höllischer Pein aussaufen mußte. – »Ich höre, sprach er dann weiter, du hast deinen jungen Herrn zum Tanz geführt und ihm vorgezeigt die unsinnigen geilen Sprünge ärger als Herodias. Ich höre, du hast deinen jungen Herrn nicht zur Kirche sondern zur lustigen Gesellschaft geführt, wo eine Hand die andere drückt, ein Fuß dem andern folgt, ein Arm den andern umfängt.« – Hierauf ergriff ein Geist den Verdammten bei den Händen, zerrte ihn mit unaussprechlichem Ungestüm, warf ihn in die Höhe, stieß ihn auf den Boden, hielt ihn in seinen feurigen Klauen, umfaßte ihn mit brennenden Stachelflügeln und umhalste ihn so freundlich, daß der elende Mensch für todt niedersank. – »Ferner, sprach Beelzebub: ich höre, du hast deinen jungen Herrn mit unsinniger Begierde einen Hasen auftreiben, hetzen, schießen und ihn ein Reh verfolgen gelehrt, und dadurch verursacht, daß den armen Bauern das Korn verritten, der Hafer verdorben, und die Gerste verheert worden ist, sie selbst aber auf der Jagd Hunger und Durst haben sterben müssen: hast helfen die Sonn- und Festtage mit Waidwerk zubringen, hast den Hunden das Brot geben lassen, womit du doch die armen nothleidenden Pfarrer und Unterthanen, Witwen und Waisen hättest laben können und sollen.« Und alsbald trat ein Teufel heran und blies dem Verdammten mit einem Horn so schrecklich in das eine Ohr, daß Feuerfunken und Flammen zu dem andern Ohr, zu Augen, Mund und Nase wieder herausfuhren. – Beelzebub sprach weiter: »Du hast gelitten, daß dein junger Herr anstatt der Gottesfurcht und Tugend, anstatt eines Lobgesanges zur Ehre Gottes bei den Stalljungen einen Waidspruch, ein Reiterlied mit garstigen Possen gespickt, gelernt hat, und was er mit der losen Zunge nicht unflätig genug hat darthun können, mit leichtfertigen Geberden gethan hat. Jetzt nun befehle ich dir, daß du mir eines dergleichen hersingst.« – Darauf hat der Verdammte angefangen sein voriges Leben zu verfluchen: daß er sich aus Furcht (nach Hofes Brauch) und aus Besorgnis vor Verlust zeitlichen Guts, durch des alten Herrn Sauersehen und Bedrohungen, durch der Frau Mutter gute Worte und Schenkungen von der Disciplin und Unterweisung habe abschrecken und sich bethören lassen, damit dem jungen Herren nur kein Streich oder Ausputzer zu Theil würde. Er verfluchte sich auch selbst, daß er seinen jungen Herrn von den Sünden nicht mehr abgemahnt, sondern ihm noch dazu geholfen hätte.

Endlich machten die Teufel eine tiefe, höllisch-stinkende Grube und warfen den Verdammten hinein mit solchem Donner und Krachen, als ob Himmel und Erde in einander fallen wollten; und ich vernahm diese nachdenklichen Worte: »Wer einen jungen Herrn versäumt, über den kommt eines ganzen Landes Sünde!« – O Herr Jesu hilf! dachte ich bei mir stillschweigend: wird den Hofmeistern junger Herren wegen Unfleißes und wegen Unterlassung ihres Amtes und Ernstes also gelohnt, wer wollte sich zu solchen mühsamen, ohnehin verhaßten und gefährlichen Diensten gern brauchen lassen? Da doch an manchem Hofe (nicht an allen) ein Tafeljunge, ein Vorschneider, eine untreue Fuchsschwänzerin oft mehr geehrt und besser besoldet werden als ein Präceptor. Es ist ja etwas Großes, einen Herrn, der Land und Leute regieren soll, nach eines einzigen Kerls Kopf erziehen zu lassen: wenn er eifrig und streng ist, so hat er den ganzen Hof wider sich und muß hören, er sei ein Metzger, ein Schinder; ist er aber nachlässig und schläfrig, und das Herrchen merkt, daß er ein geborner Herr ist, so hat er das ganze Landvolk, sein eigen Gewissen, ja Gott selbst wider sich. Wiewohl nun Beides, zu wenig thun und zu viel thun, unrecht ist, so achte ich es doch nach meinem redlichen Gewissen nicht für eine so große Sünde – brechen, als nicht biegen, einem halsstarrigen Kopf die Haut abstrippen, als nicht strafen und ihn nach seinem Willen gehen lassen. Aber dann geschieht es wohl oft, daß große Herren und Frau Mütter, die ihr Herrchen hoch halten und an manchen Orten (nicht an allen) die edle Zucht nicht gern sehen, dieselben oft Schneidern, Barbieren, Trompetern, Gauklern und Narren untergeben, nur damit die Herrchen nicht schärferer Zucht, Aufsicht und Abstrafung unterworfen seien und leiden – brauchen auch dann nicht so hohe Besoldung zu geben. Das heißt dann gut gespart, daß sich Gott erbarm'!

Nach diesem sah ich auch den übelerzogenen, verdammten jungen Herren daherkommen, von höllischen Edelknaben und Jungen umgeben und zwei Teufeln, die ihn mit feurigen Ruthen und Peitschen abstäupten. Der erhob ein höllisches Mordgeschrei über seinen Präceptor, daß er ihn nicht ernsthafter erzogen und gestraft habe, – über sich selbst, daß er nicht mehr und williger gefolgt sei; – über seinen Herrn Vater und seine Frau Mutter, daß sie durch allzu viel Zärtelei und Affenliebe seine Verdammnis verursacht hätten; er gaffte sie an und sprach mit Lästerzungen zu ihnen: »O ihr ehrlosen Eltern, wäret ihr doch hunderttausendmal ärger verflucht und verdammt als ich! Ihr habt mich niemals geleitet zu dem Tempel des Herrn, sondern zu dem hochgebornen edlen Rath der Gottlosen und auf den Weg der Sünder, wo die Hofleute und Hofschranzen, Jäger, Narren, Aufschneider und Gottesspötter sitzen! Ihr habt keine Lust zum Gesetz des Herrn noch zu meiner Zucht, – woher sollte ich es denn gelernt haben? Ihr habt mich erzogen – aber verzogen; ihr habt mich fürstlich erzogen – aber ewiglich verzogen! Wenn ich schwur, so wurde es eine Wahrheit geheißen; wenn ich log, so wurde es eine Verschwiegenheit geheißen; wenn ich die Unterthanen ängstigte und drillte, wurde es eine Häuslichkeit geheißen; wenn ich Schandpossen aufführte, wurde es eine Fröhlichkeit geheißen; wenn ich praßte, wurde es eine Freigebigkeit geheißen; wenn ich schlug und tyrannisirte, wurde es eine Tapferkeit geheißen; wenn ich hurte, wurde es Muth geheißen; wenn ich Gott und sein Wort, Gott und seine Sacramente, Gott und seine Heiligen mehr denn in französischer Weise schmähte, wurde es Seligkeit geheißen; wenn ich die frommen und nothleidenden Unterthanen über die Achsel kaum ansah, wurde es Reputation geheißen. Ich mußte reden und schwatzen, wo ich hätte schweigen sollen; ich mußte erzählen, was ich nicht gelesen hatte; ich mußte erzählen, was ich nicht erfahren hatte; ich mußte erzählen, was ich nicht wußte. Darum mußte ich auch unwidersprechlich lügen, wo ich hätte müssen die Wahrheit sagen oder schweigen: denn wo viel Worte sind, da geht es ohne Sünde nicht ab. Wer nichts kann, aber schweigen kann, der kann genug. Ja alle Unthaten und losen Stücke, alle Sünden und Schanden wurden belacht, gelobt, auch wohl belohnt. Nun gehe ich hin die Straße der Verdammnis, gebunden mit den Stricken Belials, gezwungen von den Peitschen Beelzebubs. Verflucht bist du Vater, daß du mich gezeugt hast! Verflucht bist du Mutter, daß du mich gesäugt hast!« –

Mit betrübtem Herzen sah und hörte ich diesem Jammer zu und dachte: O ihr hochgebornen christlichen Eltern, lasset euch dieses Exempel zur Lehre und Warnung dienen! Lasset euch führen und lasset euch durch die hochmögende Eitelkeit nicht so weit vom Wege der ewigen Seligkeit abführen, damit eure Kinder, die ihr dem Fleisch nach so hoch haltet, der Seele nach nicht so tief gestürzt werden!

Ich hätte gern, wenn es möglich gewesen wäre, mein Gesicht abgekehrt; aber ein Geist sagte mir: »Sieh hin und merke es wohl, Philander: denn du darfst es ohne deine eigene Gefahr der Welt nicht verschweigen!«

Es erschien auch des jungen Herrn Vater selbst, der seinen Sohn mit zornigen Worten anfiel und sagte: »O du ungerathner Bube, wenn du doch tausendmal ärger verdammt wärest als ich! Denn aus übergroßer Liebe gegen dich habe ich Gottes Gerechtigkeit und meine Schwachheit aus den Augen gesetzt, die Gerechtigkeit beleidigt und meine Schwachheit in das immerwährende Elend gestürzt. Damit ich deinen Stand und deines Hauses Ansehen erhielte, hing ich mein Gewissen auf den Zaun, den Belialischen Raubvögeln zur Beute, fing an meine Unterthanen zu betrügen, meine getreuen Diener übel zu belohnen, sie, ihre Witwen und Waisen mit falschen Ursachen zu verfolgen, sie um Gut und Nahrung zu bringen; mein armes Volk mit neuen Renten und Beschwerden, Zoll und Schatzungen zu belegen, ihr Gut durch Frevel, Bußen, Vortheile, Kunstgriffe und Gewalt an mich zu ziehen, zu stehlen, zu rauben, sie zu würgen und zu tödten. Ich habe die Zucht aus Vaterliebe zu dir unterlassen, damit dir nicht wehe geschehe, habe dich thun lassen, was dir beliebte und gefiel, damit dir wohl geschehe. Darum bin ich von dem gestrengen Richter billig verurtheilt und muß mit dir den Weg gehen, den die höllischen Flammen uns beiden weisen. Verwünscht soll sein die Stunde, wo ich mich vermählte! Versegnet soll sein die Zeit, in der du bist gezeugt worden! Verdammt sei mein ganzer Lebenswandel! O wehe, wie habe ich meiner armen Unterthanen Schweiß und Blut durchgejagt! habe die geistlichen- und Klostergüter nicht zur Ehre Gottes, nicht zur Unterhaltung armer Stiftsschüler, nicht zum Trost betrübter Witwen und Waisen, nicht für Siechhäuser und Spitäler angewandt, sondern alles mit Hofgelagen, Pracht, Kurzweil, Jägereien und Narretheien durchgebracht und damit dich zum ärgerlichen Leben und zu allen Wollüsten auferziehen lassen! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meine armen Bürger und Bauern mit unerträglichen Schatzungen bis auf den innersten Blutstropfen ausgesogen und solch Blutgeld zum Bankettiren, Stolzieren, Turnieren, zu leichtfertigen Spielen und zur Ueppigkeit auf Angeben meiner Fuchsschwänzer und Schmeichler angewendet habe! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meine armen Bürger und Bauern mit unerträglichen Frohndiensten bei dem tyrannischen und mehr denn teuflischen Jagen und bei dem unnöthigen Bauen beschwert habe! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meinen henkerischen teuflischen Jägern gestattet, meine armen, hungrigen, nackten, kranken, gebrechlichen Bauern im heißen Sommer und eiskalten Winter auf die Berge, in die Thäler und Felder zu zwingen, und wenn sie langsam kamen, die Alten wie Schulkinder mit Dornen zu streichen, die Haut mit Peitschen zu zerschlagen, wie Frösche mit Füßen zu zertreten, wie Bären mit Spießen zu zerstechen, die Mädchen zu beschlafen, die Eheweiber zu verunreinigen, die Knaben zu lähmen, die Dürftigen mit Geldstrafen zu verderben – und zwar solchen Jägern, gegen welche der Nimrod ein Engel zu achten ist! Wehe mir und ewig wehe, weil ich zugegeben, daß meine Amtleute, Schaffner und Rentmeister der armen Leute kleines Gut an sich und in meinen Kasten gebracht, die Abgaben, Zölle, Pachte und Renten erhöht, die Priester schnöde behandelt und sie zu Kriegscontributionen (Gott erbarme es, daß uns elenden Deutschen dieses Wort so gemein und so ganz deutsch geworden ist!) angehalten, daß ich Witwen und Waisen würgen und ihnen das Recht habe biegen lassen! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meine Gemahlin und Dienerinnen in den Thränen, in Angst und Schweiß, in Roth und Tod meiner armen Bürger und Unterthanen habe prangen und stolziren lassen! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meine Edlen, meine Freien, meine Unterthanen mit solchen Gefängnissen gedrückt habe, die keinem Menschen, unter den Menschen keinem redlichen Deutschen, unter den Deutschen keinem erlösten Christen, ja keinem Affen oder Wolf gebühren! Wehe mir und ewig wehe, daß ich meinen Hofschranzen und Fuchsschwänzern zur Tafel blasen, und nicht vielmehr arme Witwen und Waisen zu ihrem Recht rufen ließ!« Er verfluchte sich auch, daß er die Stiftsgüter nicht zum frommen, sondern zum unfrommen Gebrauch, nicht für Schüler noch zur Ehre Gottes, sondern für die Hunde und Vögel verwendet habe: aus Bibliotheken Käsekammern, aus öffentlichen Sälen Kutscherstuben, aus Auditorien Pferdeställe, aus Lehrern Jäger und Bereiter gemacht habe; daß er aus Orgelpfeifen Kugeln habe gießen, die Kelche, Monstranzen und Hostienteller einschmelzen, die Meßgewänder verschneiden, die aus Perlen gestickten Paternoster auflösen lassen. Er verfluchte sich, daß er statt disputiren lieber die Spürhunde, die Wachtelhunde, die Hühnerhunde, die Stöberer, die Wasserhunde, die Rüden, die Reckel, die Beschütter habe bellen hören: statt schreiben die Säue habe wühlen sehen: statt zu beten geflucht habe: in Kirchen und Kapellen vor der Heiligen Bilder Garne, Stricke, Netze, Tücher, Leinen und Federspiele habe aufhängen lassen: anstatt arme Leute habe Löwen, Bären, Habichte, Falken, Kranich- und Reiherhorste unterhalten lassen. Er verfluchte sich endlich, daß er seines Sohnes Lehrer habe so hart behandelt, ihm habe die Hände gehalten, wenn er strafen wollte: nicht habe leiden können, daß dem jungen Herrn hart zugeredet, viel weniger daß seine großen Untugenden und Laster mit der Ruthe wären gestraft worden. – Als er dieses geendet hatte, verschwand das Gesicht vor meinen Augen. Das will ich hiermit allen Standespersonen, allen Hofmeistern zu einem Spiegel vorstellen, darin sie sich selbst besehen und lernen mögen, daß mit der Kinderzucht ja nicht schläfrig und unbedachtsam, sondern mit allem Ernst und Eifer zu verfahren sei: und damit des Lehrers Wort und Strafe bei den Kindern besser verfangen könne, man denselben mehr Lieb und Treue (will nicht sagen Ehre, auf daß es nicht zu hoch gedeutet werde) erweisen solle, als leider im Brauch ist.

Warum denn, ihr Fürsten, Grafen, Herren und Gewaltige seid ihr so unbedachtsam in Bezug auf eure weit ausschauenden Thaten? Warum ihr Fürsten, Grafen, Herren und Gewaltige seid ihr so unbedachtsam in Erkiesung des Hofpredigers und Hofpräceptors, denen ihr doch euer eigen Fleisch und Blut, eure eigene Seele anvertraut? Warum ihr fürstlichen, gräflichen und Herren-Räthe und Diener seid ihr so unbedachtsam, daß ihr so leicht auf alles eingeht? Warum seid ihr junge Burschen, oder von ferne halb gelehrte Männer, so unbedachtsam, so frevelhaft und vermessen, daß ihr euch so schnell annehmen laßt, ja oft unersucht nach solchen Dingen rennt und lauft? So merket nun auf und werdet weise: ihr, die ihr Hofmeister haltet, ihr, die ihr Hofmeister seid, ihr, die ihr Hofmeistern seid unterthan! Der Herr Vater und die Frau Mutter lerne, was der heilige Ambrosius sagt: 1) Eltern, welche ihren Kindern einen Hofmeister erkiesen wollen, die sollen nicht so sehr auf die große Geschicklichkeit als auf sein Leben und seinen Wandel sehen: wer fromm ist, der ist geschickt genug. 2) Junge Herren gehören nicht in das Frauengemach: denn hier werden manche herrliche Gaben durch allzu große Uebersehung, Verzärtelung und andere Weiberhändel (von den redlichen Elsässern FötzelwerkFötzelwerk = Fatzen, Possen. genannt) oftmals verdorben, und die Hofmeister müssen wider ihren Willen, ja auch wider ihr Gewissen manches übersehen, damit sie nur der Eltern, sonderlich der Frau Mutter – welche bisweilen vor allzu großer Liebe der Kinder Untugenden und auch den Schaden, der ihnen bevorsteht, nicht sehen oder nicht sehen wollen, und demnach lieber Zeit ihres Lebens ihrer Kinder Unglück beweinen wollen, als daß sie dieselben in gebührender Weise erziehen und unterweisen sehen – Gnade und Gunst behalten und in ihren Diensten verbleiben. 3) Ueber die Notwendigkeit der Erziehung fürstlicher Söhne siehe: Jacob Crucius' Briefe lib. 3 an Andreas Rivetus,Sind beides Theologen und Dichter von Kirchenliedern.) Doctor der Theologie. 4) Da die Hofmeister keine Engel, sondern Menschen sind, also auch sündigen und irren können, und da es auch in dieser menschlichen Schwachheit nicht gut möglich ist, daß einer gefunden wird, der alle oben aufgezählten Eigenschaften hat und alles wissen kann, da ferner auch noch der soll geboren werden, welcher jedermann recht thun kann, und da es heißt: viele leben ohne Sorge, doch niemand ohne wenn und aber: – so kann man dem Rath Papst Pauls III. folgen, der oft zu sagen pflegte, daß wir hier auf Erden nicht bei vollkommenem Leben seien, sondern daß ein jeder Mensch in fünf Theile zu theilen sei; habe er von diesen zwei Theile Güte an sich, so solle man sich begnügen; habe er drei Theile, so solle man ihn für den frömmsten und besten halten. Darum sollen die Eltern nicht alles so genau nehmen; z. B. einen Hofmeister, wenn er mal irrt, vor den Kindern (es sei in seiner Gegenwart oder Abwesenheit) nicht ausschelten, sondern, wenn ihm etwas zu sagen ist, dies im Geheimen thun, damit die Kinder hernach auf ihren Lehrer nichts mehr geben und denken: was solle er sie Gutes lehren, der doch selber nichts Rechtes thue, getadelt werde und Schelte müsse einnehmen. Wenn ein junger Herr seinen Hofmeister recht lieb hat, so ist er schon gewonnen. 5) Es sollen ferner die Eltern ihrer Kinder Hofmeister, wenn sie eine Zeitlang bei ihnen gewesen sind, neben ihrer Bestallung absonderlich gut und ehrlich abfertigen. Es sind die Königreiche, Fürstentümer und Länder, welche dem hochlöblichen Hause Oesterreich unterworfen sind, deswegen sonderlich gerühmt worden, daß sie hierin keine Kosten gespart und nicht allein zu Hause, in öffentlichen und Privatschulen ansehnliche Besoldung gegeben haben und in anderer Weise den Lehrern wohlwollend entgegen gekommen sind, indem sie denjenigen, welchen sie nicht etwa zeitliche Güter und Unterthanen, sondern ihr eigen Fleisch und Blut anvertrauten, alle Ehre erwiesen, sie ihrer Tafel gewürdigt und über ihre Diener erhöht haben; sondern die sie auch in der Fremde wohl versorgten, wenn sie etwa ihre Kinder weit verschickten. Wenn sie wieder heimkamen, haben sie diese Lehrer und Hofmeister anständig abgefertigt, ihnen zu guten Heirathen und Diensten verholfen, oder sonst in ihrem Alter, wenn sie alt und untüchtig geworden, mit einer jährlichen ehrlichen Gnadenbesoldung ihr Leben lang bedacht oder sie bei sich behalten und ihnen Kost und Wohnung gegeben. 6) Eltern sollen sich hüten, sich ihrer Tugend so weit zu entäußern, daß sie die Lehrer und Hofmeister ihrer Kinder, Pflegesöhne und Befreundeten anstatt der schuldigen Vergeltung ihrer treuen langwierigen Dienste nicht schlecht und kurz abfertigen, weil sie etwa andere Dinge darüber versäumt haben, oder daß sie einer liederlichen Ursache wegen, die der Rede kaum werth ist und man lange gern vom Zaun gebrochen hätte, sie nicht in Ungnaden von sich stoßen oder aus vortheilsüchtigem abscheulichem Geiz nicht die sauer verdiente Besoldung vorenthalten, was doch die Türken und Heiden für unlöblich erkennen würden, auf daß nicht dem, der auf Gnaden dient, mit Unbarmherzigkeit bei Christen gelohnt werde. Einen wohlverdienten Diener soll man nicht mit Unwillen ziehen lassen, wenn er nicht bleiben will; aber einen bösen Diener soll man mit allen Gnaden fortschaffen: was alles viele hohe Häuser zu diesen Zeiten nicht ohne großes Nachdenken, nicht ohne großen Nutzen, nicht ohne große Gefahr unterlassen haben. 7) Es sollen hochgeborne Eltern auch nicht weniger darauf Achtung geben, was für Leute mit dem Lehrer umgehen, und sie sollen mit allem Ernst die Hand über ihn halten, damit nicht durch fried-hässige, leicht-gesinnte Höflinge oder ButzbacherinnenSoviel wie Schwätzerin, genannt nach der Stadt Butzbach in der Wetterau, deren Männer und Frauen in dem Geruch der Klatschsucht standen. und Klatschschwestern dem Lehrer unnöthige Reden und Sachen zu Ohren gebracht werden, die ihn bewegen, betrüben und erzürnen, sondern daß man ihn in freudigem, gutem Willen jederzeit erhalte. Denn es kommt wohl vor, daß, wenn dem Erzieher unnöthige Dinge in den Kopf steigen, die jungen Herren es zu Zeiten entgelten müssen, was nicht geschähe, wenn man solche Schür-den-Brand, solche Friedensstörer (die oft mit allem Fleiß des Erziehers Untergang, auch unter dem Schein einer vertraulichen Warnung, suchen) zurückhielte oder gar abschaffte. Ein Ohrenbläser ist eine verdammte Creatur zu Hofe: aber bei keinem Menschen kann er so viel schaden als beim Erzieher.

Zu Hof leb' sorgsam allezeit,
Vertrau' keinem dein' Heimlichkeit,
Halt, was dir lieb, bei dir verborgen,
Obwohl voll Honig ist der Mund,
Find't sich doch Gift im Herzensgrund; –
Drum leb' so allezeit in Sorgen.

8) Ein christlich-seliges Vermächtnis und eine Unterweisung einer fürstlichen Person an ihren Herren Sohn lautet in Worten also: »Lieber Sohn, sei gottesfürchtig, bete fleißig morgens und abends, gedenke in allem deinen Thun an Gott; geht dir's wohl, so danke ihm, geht dir's übel, so klage es ihm, bedenke, daß alles Glück und Unglück von Gott kommt und ein Ende nimmt. Erkenne dich als einen Sünder, glaube dem Worte Gottes: Jesus Christus habe dich mit seinem Tod erlöst, beharre darauf und bekenne es bis ans Ende, so wird er dich wieder bekennen und sich deiner annehmen vor Gott, seinem himmlischen Vater. Denke ehrbar über deinen Stand, sei wahrhaftig, halte was du zusagst, ob dir auch Leib und Gut darüber zu Grunde ginge: denn wenn du lügst im Scherz oder Ernst, so bist du ein Teufelskind, der da ist ein Vater der Lüge. Sei auch züchtig mit Worten, Gedanken und Geberden, schände niemandes Weib oder Kind. Sei kein Balger; aber wenn man die Fahnen fliegen läßt, dann sei keck und fliehe nicht: es ist besser ehrlich gestorben als schändlich geflohen. Sei nicht verschwenderisch, sei auch kein karger Filz, zu Ehren spare nichts. Rede niemand übles nach, gedenke allezeit an dich selbst, daß du auch ein armer Mensch bist. Handle nicht fälschlich mit den Leuten, handle frei und rund, das besteht am längsten; doch lerne die Leute wohl erkennen: denn gegen einen Frommen mußt du wieder fromm sein; vor einem Falschen hüte dich und rede zu ihm um so langsamer. Die nothdürftigen Armen laß dir empfohlen sein. Schmeichler, Gotteslästerer und Schalksnarren laß dir nicht wohlgefallen. Wer dich straft und dir wohl räth, den habe lieb. Treue Kirchen- und andere Diener habe sehr lieb und lohne ihnen nach deinem Vermögen; untreue Diener laß mit Gunst von dir kommen, behalt' sie nicht. Jedermanns Schande hilf decken, doch wenn du regierst, so strafe das Uebel. Sei denen, die dir unterthan sind, ein Vater, beschwere deine Unterthanen nicht wider Billigkeit, denn diese Nahrung habe ich oft sehen übel gerathen. Beschütze den Frommen, und wenn ihm bisweilen auch eine Thorheit widerfährt, so strafe ihn, aber mit Vernunft, so viel dir gebührt. Hüte dich vor Trunkenheit, denn daraus, spricht St. Paulus, kommt ein unordentliches Leben, Sünde, Schande und Laster.«

Diese Unterweisung sollte allen hochgebornen Personen so lieb sein, so lieb es ihnen ist, ihrer allerliebsten jungen Herren Seligkeit zu erhalten.

Die Schüler und jungen Herren lernen: 1) daß sie sich gegen ihre Erzieher dankbar erweisen und bedenken sollen, wieviel Gutthaten sie von ihren Pflegevätern empfangen haben, wie sie von ihnen zu allem Guten angewiesen, vom Bösen abgehalten und mit Gott, mit Kunst, Weisheit und Geschicklichkeit erfüllt worden sind, und wieviel ihnen sonst, auch dem Leibe nach, mit Rennen und Laufen, mit Wachen und Leiten, mit Fürsorge und Wartung, mit Heben und Legen, in all ihren Bedürfnissen, sonderlich in Krankheiten und dergleichen, Gutes gethan ist. 2) Können die Schüler ihren Hofmeistern auch nicht 480000 Kronen verehren, wie Alexander Magnus seinem Aristoteles; noch wie Otto III. oder Karl V. ihn zum Papst, oder wie Hugo von Frankreich zum Erzbischof machen; noch wie Karl IX. und Heinrich III. von Frankreich ihn mit fürstlichen Aemtern versehen; noch wie Heinrich IV. von Frankreich ihn aus der Hand der Feinde erlösen; noch wie Johann Albert, König von Polen, ihn mit einem ewigwährenden Monument verehren; noch mit Gratian, dem römischen Kaiser, ihn zum Bürgermeister von Rom machen: – so sollen sie doch wie der dankbare Fürst Herzog Christoph zu Würtemberg ihre Dankbarkeit in anderem sehen lassen: sie wie der Markgraf von Conti aus der Lebensgefahr retten, wenn es möglich ist; wie Epaminondas stets mit ihnen umgehen und sie allen andern vorziehen; wie Markgraf Sigismund von Brandenburg ihnen die schuldige Treue und Gewogenheit durch keine Anstiftung und Verhetzung entziehen; wie Friedrich von Dön auch in fremder Sache sich nicht wider sie gebrauchen lassen, es sei vor Recht oder außer Recht, – sondern sie sollen sie vertheidigen und beschützen wie ihre eigenen Eltern selbst. 3) Wenn sie es durch Gottes Gnade haben und es ihren Hofmeistern vonnöthen ist, so sollen sie dieselben ihr Lebelang versorgen und ehrlich halten: damit sie neben der Belohnung Gottes und neben allerlei Glück und Segen auch bei ihnen in ihren Anliegen und Geschäften sich getreuen aufrichtigen Rath holen können; damit sie oft manchen Unmuth durch ihr gutes und lehrreiches Gespräch und durch die Erinnerung an ihre Reisen und an das zusammenerlebte Glück und Unglück vertreiben; sonderlich aber auch die Gnade von Gott haben können, daß auch ihre Kinder und Nachkommen mit guten, getreuen und fleißigen Lehrern versehen werden, worin eines ganzen Geschlechts Erhaltung, Ansehen und Gedeihen sichtbarlich besteht. Zudem gereicht es doch einem Zögling zu schlechten Ehren und Lob, wenn er seinem Hofmeister in seinen Nöthen und Anliegen nicht beispringt, noch ihm zu seiner Erhaltung Hilfe und Beförderung leistet. 4) Die Jünglinge mögen sich hüten vor aufgeblasener Schwatzhaftigkeit. Hüten sie sich, wie es an vielen Fürsten- und gräflichen Höfen gemeiniglich der Brauch ist, bei Tafel zu sitzen bis in die Nacht, von der Nacht bis in die Mitternacht, wie vor einem Teufel: daraus entsteht Unachtsamkeit und Verachtung, aus Verachtung der Untergang. Der weise EpiktetEpiktet ist ein stoischer Philosoph des 1. Jahrhunderts nach Christus. sagt: Es ist das Zeichen eines schlaffen Geistes, lange bei körperlichen Thätigkeiten zu verharren; das soll man alles gelegentlich und obenhin thun: die ganze Sorgfalt aber ist auf den Geist zu richten.

Der Hofmeister lerne: 1) Was Antonius Guevarra in seinem ›Wegweiser für Fürsten‹ schreibt: Die Prinzenerzieher müssen frei sein von Schlaffheit und Begierden: denn da die Jünglinge in Folge der Schwachheit ihres Alters und der Schlechtigkeit der menschlichen Natur zur Leidenschaft geneigt sind, da ihnen die Tugend fehlt, um keusch, die Klugheit, um vorsichtig zu sein: – so müssen eben die Lehrer keusch und züchtig sein; denn nie wird der Zögling keusch werden, der den Erzieher im Laster sieht. 2) Er habe es vornehmlich auf Gott abgesehen, er prüfe sein Gewissen und trachte dahin, wie er an jenem großen Tage mit Freuden bestehen und wegen des ihm so hoch anvertrauten Pfandes Gott, dem Herrn, Rechenschaft ablegen möge. Drum soll er sich auch durch kleine Hindernisse in seinem Amt nicht irren lassen, sondern gedenken, daß er, wenn auch die Welt ihrer alten Art nach getreue Dienste so übel belohnt, doch einen reichen Belohner im Himmel habe, der ihn ewig herrlich belohnen werde. 3) Man soll es jungen Herren nicht erlauben, daß sie läppische, unartige Geberden an sich haben, wodurch ihnen hernach in der Regierung bei den Unterthanen leicht Spott und Verachtung kann aufwachsen. 4) Es läßt sich, wenn ein Zögling übel geräth und ungehorsam ist, weder mit der Unterweisung noch mit andern Ursachen entschuldigen, wie z. B. daß er schon groß und bei Verstande sei, daß er so zart und blöde sei und dergleichen. Wenn dann deshalb der Vater nicht will, daß der Sohn soll gestraft werden, so soll der Erzieher sich seinem Herrn widersetzen, ihm gut zureden und den Zögling gleichwohl strafen. Kann er hiermit nichts ausrichten, so soll er seinen Dienst aufkündigen. Es sollen diejenigen, denen an ihrem guten Namen und an ihrer Seligkeit gelegen ist, wenn sie einmal ein solches Amt auf sich genommen haben, lieber ihr Leben verlieren als zugeben, daß ihrem Amt nicht genug gethan werde. 5) Es soll sich ein ehr- und gottliebender Kerl wohl bedenken, ehe er sich zum Erzieher am Hofe anstellen läßt, ob er auch die Tugenden, die von einem Hof- Erzieher gefordert werden, alle habe ohne Einbildung seiner selbst; er soll auch andere Leute über sich urtheilen lassen. Ein jeder heuchelt und schmeichelt sich selbst und dünkt sich geschickt und klug zu sein. 5) Gar zu streng ist nicht gut; ein Sanftmüthiger bringt mehr zu Wege und lehrt besser. 6) Wem ein junger Herr zum Unterrichten anvertraut ist, der hüte sich vor Trunkenheit, dann wird er Glück und Segen haben. Wein ein, Himmel aus.

Fürcht' Gott, sei nüchtern und gerecht:
So dienst du Gott und Menschen recht.

Ein Fürst ist auch ein Mensch und hat allerwegen zehn Teufel um sich, wenn sonst ein Mensch nur einen hat, so daß ihn Gott sonderlich muß führen und seine Engel zu ihm setzen.

Wenn Fürsten und Herren dies allemal bedenken, so werden sie in der Wahl der Erzieher und in der Erziehung der jungen Herren: die jungen Herren im Gehorsam gegen die Eltern und in Ehrerbietung gegen die Erzieher: die Erzieher in Treue gegen die Herrschaft und in sorgsamer Gottesfurcht gegen die jungen Herren desto ernsthafter, desto bedachtsamer verfahren.« –

Weiter vor einem Berge zu fand ich eine große Menge Volks. Es waren fünf Haufen: der erste bestand aus Apothekern, der zweite aus Materialwaarenhändlern, der dritte aus Doctoren der Medicin, der vierte aus Wunderdoctoren und Quacksalbern, der fünfte aus Leuten, welche durch falsche Arzeneien an ihrem Leben verkürzt und eines unverhofften, jähen Todes gestorben waren. Ein vornehmer Teufel, dem der Befehl übertragen ward, zu hören, was diese für Streit hatten und warum? trat mitten unter sie. Da sah ich, daß je vier und vier wider einander im Kampf waren, wie zuvor die Raufer und Balger, doch auf sehr ungleiche Weise. Die Apotheker hatten einen großen Mörser in der Faust, die Materialwaarenhändler einen Elephantenzahn, mit denen sie gegen einander liefen wie die Teufel. Sodann waren die Doctoren und Storger wider einander; jene hatten ein großes tübingisches Buch, diese ein Schienbein von einem gebratenen Schweine in der Hand, um sich damit zu schützen. Der Teufel fragte, woher diese Händel kämen? Die armen Gemarterten und Getödteten sprachen: sie möchten einmal wissen, wer an ihrem geschwinden, unverhofften und unnatürlichen Tode Schuld habe und begehrten Rache wider diese. Die Doctoren der Medicin, als die Ehrlichsten, entschuldigten sich, daß ihre Recepte richtig für die Apotheke geschrieben seien: sie wären also ohne Schuld, und die Apotheker müßten darüber Rechnung ablegen. Zudem wären sie promovirte Doctoren, die ihre Sache studirt und ihren ordentlichen Beruf hätten: es verführten aber die leichtfertigen Diebe, die Pfuscher, die armen Patienten mit Versprechungen goldener Berge, während sie doch nichts gelernt, nichts erfahren, viel weniger studirt hätten, als nur mit Quecksilber und Spießglanz die armen Leute hinzurichten. »Was sagt ihr dazu?« sprach der Teufel zu den Kurpfuschern. Sie antworteten: sie ließen die Doctoren in ihren Ehren und Würden gern unversehrt; aber das sei gleichwohl wahr, daß mancher einfältige Mann, manche verständige Frau ein geheimes Kunst- und Meisterstückchen hätte, eine Krankheit mit geringen Mitteln hinweg zu treiben, welches die allergelehrtesten Doctoren nicht wüßten; trotzdem wären sie so eigensinnig, daß sie von ihnen als von ungelehrten Leuten, nicht das Geringste lernen noch leiden wollten. Daß ihnen aber die Schuld beigemessen würde, sie hätten die Menschen mit schlechten Arzeneien des Lebens beraubt, das wäre nicht wahr, und der Teufel sollte sie durch die Luft hinweg führen, wenn es wahr wäre.

Dann wurden die Apotheker und Materialwaarenhändler gehört. Die Apotheker gaben vor, daß diese an allem Schuld trügen, deshalb weil sie nicht mehr mit einfachen Waaren umgingen, wie vor Jahren und wie ihres Amtes sei, sondern aus teuflischem Geiz sich auch unterfingen mit Mixturen zu handeln, die sie selbst zu bereiten doch nicht erlernt hätten, sondern die sie von solchen Leuten erhandelten, welche weder Kunst, noch Gewissen, noch Glauben besäßen. Wenn also in den Apotheken ein Irrthum und ein Fehler vorginge, so müßten die verfälschten Waaren schuld sein: denn sie verführen bei den Mixturen so, wie es ihnen die Herren Mediciner in den Recepten vorschrieben.

Die Waarenhändler geriethen alsbald in Harnisch und fingen mit ihren Elephantenzähnen ein Geklapper an, daß mir angst wurde, und schrien, der Teufel solle sie wegführen, wenn das alles nicht erstunken und erlogen sei, was die Apotheker von ihnen vorbrächten. Sie hätten richtige Waaren; aber die Apotheker bedienten sich, um ihren Gewinn nicht blos auf Hundert von Hundert, sondern gar auf einen halben Batzen von einem Reißthaler zu bringen, alter, abgelegener, kraftloser, verfälschter Dinge, wodurch denn die armen Patienten müßten Haare lassen und zu Grunde gehen; der Teufel solle sie fortführen, wenn sie nicht ganz unschuldig wären.

Bald kam ein Herr Teufel mit Rossen und Wagen daher und nahm die Herren Waarenhändler und Kurpfuscher mit sich davon. Sie schrien aber: »Müssen wir denn die Diebe und Mörder allein sein? Haben wir denn allein den Tod in die Welt gebracht? Müssen wir denn allein mehr als unsere Mitarbeiter verdammt sein?« Es wurde ihnen aber von niemand geantwortet. Ich sah aber, daß die ungelehrten Doctoren vor den Pfuschern, die untreuen Apotheker vor den Waarenhändlern viel größern Vortheil und viel mehr Gutes in der Hölle zu gewärtigen hatten.

Als ich darauf weiter ging, kam Lucifer mit seinem ganzen Staat aufgezogen, und der Fuchsschwänzer trat plötzlich zu ihm heran und zeigte ihm einen mit dem Finger. »Wer ist denn der?« fragte Lucifer. »Er ist der größte Narr und oberste der Reuer, der jemals gewesen ist.« – »Ja freilich, sprach der Armselige (der kurz zuvor auf Erden sein Testament gemacht hatte), bin ich der größte Reuer und will in Ewigkeit bereuen. Bin ich nicht ein verdammter Mensch, daß ich mein eigener Mörder geworden? Denn wenn ich kein Testament gemacht hätte, so würde ich gewiß noch diese Stunde gesund sein und leben. O ihr Menschen auf Erden! ihr habt euch auf Erden vor nichts anderem mehr, nach den Aerzten, als vor einem Testament zu hüten! Alle Menschen müssen sterben, Ursach: weil sie sterblich sind; Ursach ist der alte Bund: Ursach ist der Sünden Sold. Gleichwohl aber ist ein Unterschied: viele sterben durch Krankheiten; noch mehrere aus Verwahrlosung und aus mangelhaftem Wissen des Arztes; noch mehr aber, weil sie ihre Testamente machen. O ihr lebendigen Menschen! O ihr lebendigen Menschen! schrie er aus allen Kräften, hütet euch ja und macht kein Testament, dann werdet ihr so alt werden wie die Raben. Ich Unseliger! ich bin die eigene Ursache meiner Noth, weil ich meinen Leib einem Arzt übergeben habe; das Urtheil meines Todes habe ich selbst unterzeichnet. Sobald der Arzt sagte: ›Herr! bestellt eure Sachen, denn es ist Zeit!‹ da hörte ich den Blutschreiber, der das Urtheil gesprochen hatte. Und ich, der ich meiner Seele wie auch meinen Gütern ihr Recht anthun wollte, hob an meinen Willen zu verordnen: Im Namen Gottes, Amen; und als ich an meine Güter kam und bestimmte, wie es mit diesen sollte gehalten werden, sprach ich (o daß ich in jener Stunde verstummt wäre!): Item, meinen Sohn Hanselmann setze ich zum rechten Erben meiner ganzen Hinterlassenschaft ein. Item, meinem Weibe Pimpernelle verordne ich für ihre Lebenslage dieses und jenes. Item, meinem Knecht Petrolius wegen seiner treuen Dienste schenke ich fünfzig Kronen; meiner Magd Petronelle auch so viel. Baschelorus, meinem treuen Freunde, vermache ich, um meiner im Besten zu gedenken, meinen großen Schnitzbecher; Herrn Doctor Malaviso, meinem Arzt, vermache ich meinen schönen Diamant, und dies wegen seines großen Fleißes, den er bei meiner Krankheit bewiesen. – Sobald ich nun unterschrieben: ›Dieses sei mein eigener Wille und Meinung‹, sobald hatte die Erde ihren Rachen aufgethan mich zu verschlingen. Meine Erben und Erbnehmer waren in Sorge, ob ich sterben oder wieder gesund werden, oder ob ich lange liegen würde. Sobald ich nach dem letzten Athem des Lebens, oder vielmehr der Tod nach meinem letzten Athem schnappte, sobald griff mein Sohn nach dem Säckel, mein Weib nach dem Gewand, Knecht und Magd nach ihren Sachen, mein Freund fragte, was der Becher wohl werth wäre; der Arzt fühlte mir den Puls nicht um meinet- sondern um des Diamants willen, den er mir gern vom Finger gezogen hätte. Wenn ich ihn fragte was ich essen oder trinken dürfte? so sprach er: alles. Sobald ich einen Seufzer ausstieß, hoffte mein Sohn, es wäre am Letzten. Mein Weib bat, daß man mir das Hauptkissen wegzöge und mich auf den Strohsack lege, weil ich sonst lange Marter leiden würde und nicht sterben könnte, – ein jeder wollte sein Theil haben. Da dies nun nicht sein konnte, bevor ich nicht gestorben wäre, so folgt auch, daß ich, sobald mein Testament gemacht war, ihnen Ursach an die Hand gegeben, meinen Tod um so eifriger zu wünschen und zu befördern.

So betheure ich hiermit, wenn ich noch einmal sollte geboren werden, daß ich die Sache anders anordnen und den Aerzten ernsthafter in den Haaren sein will, die, wenn der Patient gestorben ist, tausenderlei Ursachen des Todes ersinnen. ›Ach Gott, sei ihm gnädig! sprechen sie: sein übermäßiges Trinken hat ihn ums Leben gebracht. Der Zorn hat ihn getödtet. Wie hätte ihm der Arzt helfen können, da er so unordentlich gelebt hat? Er war nicht bei Verstande, er war wahnsinnig; was man ihm gesagt, das hat er nicht glauben wollen; was man ihm verordnet, das hat er nicht brauchen wollen. Er war faul im Leibe, und es war unmöglich ihn länger aufzuhalten. Er hat so unordentlich gelebt, daß ihm der Tod viel besser ist. Es war seine Stunde, welche kein Mensch überschreiten kann.‹ O ihr, ihr – – ich darf's nicht sagen – ihr seid des Menschen Stunde! Denn sobald ihr in die Kammer eines Kranken geht, kann man wohl sagen, seine Stunde sei gewiß gekommen und er werde sterben. Ihr grausamen Tyrannen! ist das nicht genug, wenn ihr einen gesunden Menschen krank macht und einen kranken um das Leben bringt? sondern wollt noch Geld und euren Lohn dazu haben, wie die Nachrichter, wenn sie einen erwürgen! Und damit ihr nicht für ungeschickte, unverständige Doctoren gescholten werdet, wenn ihr nicht helfen könnt, so muß der arme Patient nicht recht gelebt haben und selber seines Todes Ursach sein. O ihr Ueberlebenden, die ihr auf Erden seid! wollet ihr wissen, wie ihr eure Testamente machen sollt, damit es euch nicht das Leben koste wie mich, damit die jungen Leute ein ehrliches Alter erreichen, damit ihr nicht in der Jugend durch einen neugebackenen ungeschickten Arzt hingerissen werdet, sondern euer Leben in gesundem Wohlstand genießet: – ich will's euch offenbaren, höret mir zu, ich will's euch lehren!«

Dieser Elende redete mit solchem Ernst und Eifer, daß Lucifer dafür hielt, es müsse etwas daran sein. Weil aber die Wahrheit nicht allenthalben statt hat, insonderheit nicht zu Hofe, in der Hölle und unter den Teufeln, welche derselben todtfeind sind, und damit auch, wenn den Herren Aerzten solches zu Ohren käme, nicht etwa neuer Lärm und größeres Unglück geschähe: da gebot ihm Lucifer, fortan davon zu schweigen. »Doch, sprach er, es ist wahr:

Wer treue Freund' an einander hetzt
Und ohne Scham aus dem Ehebett schwätzt,
Wer ein neu' Kleid in Stücke fetzt,
Mit neu' Tuch alte Hosen besetzt,
Wer ein jung Kind mit Nägeln fetzt,
Ein Glied in der Rothfarbe netzt.
Wer ein' dürr'-trächtig' Kälbin metztWer eine dürre, trächtige Kuh schlachtet.
Und ein Schaf an der Wolle schätzt,
Wer ein' unzeit'ge Beul' aufätzt,
Das Messer auf dem Schienbein wetzt,
Sich an des Nächsten Schaden ergötzt:
Der ist in seinem Hirn verletzt.« –

Indem kam ein Verdammter quer durch's Feld dahergelaufen und schrie, als ob er toll wäre: »O wo bin ich? Wo bin ich? Was ist das? Wo sind doch die Teufel, die mich bisher gepeinigt haben?« Nichts Seltsameres war in der Hölle zu hören als nach Teufeln fragen, deren doch allda alle Winkel voll kriechen. Wie er nun so unsinnig herumlief, kam der Fuchsschwänzer und die Haushofmeisterin hinzu; diese faßte ihn beim Arm und sprach: »Elender! wenn es dir an Teufeln gebricht, wo willst du sie denn finden?« Sobald er aber die Augen aufhob und sie beide erkannte, sprach er zu der Haushofmeisterin: »O du Schindsack des Beelzebub! du Teufelslarve! du Anstifterin der Verdammnis! du Meutemacherin der Hölle! du Hetzerin! du Einbläserin! du Häscherin! du Aufmutzerin! du Ausklauberin fremder Mängel! du Splitterrichterin! du Ehebrecherin! du Kupplerin! du Vortrab des Lucifer! du Verrätherin! du Verführerin! du Kistenfegerin! du Augendienerin! – in Summa: du Haushofmeisterin! du Zauberin! wo sind die Teufel und Teufelinnen, die mich so auf Erden geplagt haben? Ich meine nicht die Teufel, die man mit Bocksfüßen malt und mit Hörnern, mit Fledermausfittigen, mit Saurüsseln, Kuhschwänzen und Eulenköpfen: die Teufel, die ich meine, sind tausendmal ärger als die Teufel. Es sind die lieben Mütterlein, die ihren Töchtern Lehren geben, wie sie die Junggesellen fangen sollen; die lieben Bäschen, welche die Pathchen lehren auf dem Seil gehen; die lieben Töchterchen, welche so fein können auf den Straßen herum schwärmen; die undankbaren Schuldner, die nicht hören noch antworten wollen; die Aufschneider, Händelschlichter, die Lügenverkäufer, die für Wahrheit erzählen, was sie selbst nicht glauben noch wissen, die ja sagen zu allem und sich verschwören über Dinge, die sie doch selbst erdichtet haben; die Verleumder, Lästerer, Schmähvögel, die Ehrendiebe und Raubvögel eines guten Namens, welche ihrem Nächsten hinterwärts eins anmachen, auf ihn einhauen, ihn verlügen und betrügen, aber doch freundliche Worte ihm ins Angesicht sagen; die alten grauhaarigen Junggesellen, welche die Eheweiber verachten und mit Mägden haushalten; die Heuchler, welche sich um eines Vortheils willen stellen, als ob sie im Geist verzückt wären, wenn sie irgend ein Bubenstück im Sinn haben; die ihre Träume für Gottes Wort ausgeben; die bei Zusammenkünften und Gastereien das Gespräch allein haben; die vom Christenthum nichts zu sagen wissen, außer wenn sie wohl betrunken sind; die predigen wollen, wenn sie das Glas in der Hand haben; die es für herrliche Dinge ausrufen, wenn sie die Franzosen gehabt haben, im Zuchthaus gewesen oder mit Ruthen gepeitscht sind; die alles wissen und können, was man sie fragt; die die Lebendigen auferwecken; die krank sind, wenn sie arbeiten sollen; die ihren Nächsten zum Teufel schicken mit einem Gott Lob und Gott sei Dank: – das sind die Teufel, welche Ursache meiner Verdammnis sind, und welche ich suche und unter deiner Kappe finden werde, du Alte! du Haushofmeisterin! du Diebin! du Zauberin! denn da hast du sie verborgen!« Darauf fiel er über die Alte her, riß ihr die Haube vom Kopf und tractirte die arme Fuchsschwänzerin dermaßen, daß Lucifer mit Gewalt mußte Frieden machen lassen. –

Noch während dieses Handels sah ich unter der Versammlung einen Teufel, der einen ewigen Rauch zur Nase und zum Munde ausblies. – Was ist diesem Teufel? fragte ich. Mir wurde gesagt, es wäre der Tabakteufel; worüber ich mich nicht wenig verwunderte. Zwar hatte ich mir früher eingebildet, daß es irgend ein Teufel wäre, der die Leute so zum Tabaksaufen triebe,

Weil er nur trunken macht und voll,
Ohn' alle Wollust närrisch, toll
Und giebt von sich 'nen Teufelsrauch
Ohn' einen andern Nutz und Brauch;

aber nimmermehr hätte ich es so fest glauben können, als jetzt, wo ich es sah. »Ich habe, sprach der Teufel, die Indianer redlich an den Spaniern gerochen wegen der Gewalttaten, die sie an ihnen verübt haben. Denn indem ich den Spaniern den Tabak in den Kopf gebracht, habe ich ihnen mehr geschadet, als der König von Spanien mit allen seinen Columbus, Pizarros, Cortez, Almagros und andern Tyrannen den Indianern je gethan hat. Denn es ist ja redlicher und natürlicher, unter den Waffen durch eine Pike oder Kugel das Leben zu verlieren, als unter dem rauchenden Niesen, Blasen und Dampfen des giftigen Tabaks.« – Wenn dieses Unglück nur bei den Spaniern allein geblieben wäre, so ließ ich es sein; aber es ist auch bei den nachäffenden Deutschen, daß,

Wenn sie sind gereist hinaus
Und kommen wieder heim nach Haus,
Sie nichts als von dem Teufelsrauch
Und seinem Hals- und Hosenbrauch
Zu sagen wissen; daß ich mein',
Sie müssen all' voll Teufel sein.
Sitzen oft da, saufen Tabak,
Haben nicht ein Stück Brot im Sack;
Meinen es sei 'ne Gravität,
Wenn der Rauch ein-, der Dreck ausgeht.
Ich glaub', daß die Leut' Narren sind:
Denn man auch Weiber und Bauern find't,
Die es nachthun. Darum zur Rach'
Kommt über uns welsch Ungemach.

Die Tabaksäufer sind doch eigentlich nur den besessenen Menschen zu vergleichen, welche man beschwört. Jedoch, obgleich ihnen der giftige Rauch und Gestank zum Halse herauskommt, bleiben sie nichtsdestoweniger ohne Unterlaß von dem Tabakteufel besessen, an dem sie abgöttischer Weise hängen, und rühmen denselben über Himmel und Erde als ihren Gott und trachten danach, jedermann zu gleicher Thorheit zu bereden. Aber so lernen sie um so besser sich an der Hölle Rauch gewöhnen.

Viele andere Teufel standen da um Lucifer herum, von denen ein jeder, befragt um der Welt Wesen und um ihren jetzigen Zustand, besonderen Bericht von seinen Verrichtungen gab. Da sie zum Theil aus fürstlichen geheimen Kanzleien und aus Reichssitzungen schwatzten, so wurden sie zurück in den geheimen Rath verwiesen, als da sind: der Religionsteufel, der Reformationsteufel, der Renovationsteufel, der Temporisationsteufel, der Accommodationsteufel, der Confessionsteufel, der Inquisitionsteufel, der Sincerationsteufel, der Revisionsteufel, der Commissionsteufel, der Contributionsteufel und Reputationsteufel. Unter ihnen war der Subordinationsteufel über die Maßen schön anzusehen, so sehr, daß ich mich auch verwunderte, wie ein Teufel so anmuthig sein könnte. Er kam mir vor, als ob ich ihn mein Lebtag gesehen hätte, bald bedeckt, bald entblößt; bald nannte er sich Kinderspiel, bald Scherz und Vexieren, bisweilen Geschenk oder Almosen, dort Bezahlung, hier Leihung: doch nimmermehr wurde er bei dem rechten natürlichen Namen gerufen. Von etlichen wurde er titulirt: Erbschaft, Nutzen, Freundschaft, Häuslichkeit, Sparsamkeit, Schwagerschaft, Gutserkauf, der Herrschaft Nutzen, der Unterthanen Bestes, Verehrung, Nichts. Von andern wurde er genannt: Doctor; von andern: heilige Schrift; bei den Verwesern, Advocaten und Schreibern: das Recht; bei Amtleuten und Obrigkeiten: Amtswegen; bei den Geistlichen: christlicher Eifer. – Dieser Teufel beanspruchte wegen seiner vielfältigen Dienstleistungen die große Statt- und Stabhalter-Amtschaft Lucifers.

Der Teufel der Consequenz widersetzte sich meisterlich und sprach: »Ich bin der Herr und Teufel der Konsequenzen, der Teufel des Vorwandes, der lügenhaften Politik, der Verwirrer und Verstörer aller Stände, der Liebkoser der Fürsten, die Ausflucht aller Tyrannen; ich bin der treffliche Farbendichter, der großer Fürsten und Herren böse Handlungen mit lieblichen Farben, mit absonderlichen Beweggründen, mit verborgenen hohen wichtigen Ursachen kann anstreichen und bemänteln, je wie man will, und wie es die Zeit erfordert. Im übrigen habe ich eine solche Gewalt, daß ich die Welt kann zu ob erst zu unterst kehren und in gänzliche Zerrüttung und Untergang bringen. Die Vernunft halte ich gefangen: deswegen hassen mich die Calvinisten; die Vernunft lasse ich Meister sein: deswegen schelten mich die Lutheraner; ich gebe den Heiligen nicht ein kleines Licht: darum sind mir die Katholischen feind. Was nicht gehen will, das mache ich laufen. Was nicht biegen will, das mache ich brechen. Was unehrlich ist, das erhalte ich durch Würden. Was ungebührlich ist, das mache ich lieben und loben. Ich kann Fürsten und Herren rathen, das Maul stopfen, das Maul aufthun, je wie und wann ich will – in Summa: was andere für unmöglich halten, das kann ich möglich machen, und so lange ich auf Erden bin, hat man sich nicht zu fürchten weder vor Tugend, noch vor Ehre, noch vor Ehrbarkeit, noch vor Aufrichtigkeit, noch vor Gerechtigkeit, noch vor Richtigkeit und Ordnung guter Polizei, Gericht und Regimenten. Und der Teufel der Subordination selbst, der sich das große Statt- und Stabhalteramt des Lucifer anmaßt, was wollte er ohne mich gethan haben, wenn ich ihm nicht die Gestalt und das Ansehen gegeben hätte? Was wollte er ausgerichtet haben? Ich hoffe also von Lucifer das Amt, welches Belial vor 1608 Jahren nicht hat erwerben können, rechtlich verdient zu haben. Denn da Lucifer den wider Jesum von Nazareth, der Welt Heiland, geführten Prozeß, betreffend die Wiederherstellung der verwaisten höllischen Gerichtsbarkeit, zu seinem ewigen Verderben verloren hat, und das große Statt- und Stabhalteramt unbesetzt und ledig geworden ist: so haben nachfolgende benamsete und zu jetziger Zeit in allen Ständen geschäftige höllische hohe Geister sich um das Amt aufs Neue bei Lucifer gemeldet; nämlich:

Barbatos, ein Teufel, der gute Freunde aneinander hetzt und uneins macht.

Eligor, ein Teufel unmenschlicher Kriegsleute. Zepar, ein Teufel der Alamode-Kleider und unzüchtigen Weiber. Belfry, ein Teufel der Goldmacher. Furfury, ein Teufel der Diebe. Marchocias, ein Teufel der französischen Flüche und Gotteslästerungen. Salmak, ein Teufel, der den Leib fest und ein Heer Soldaten in das Feld machen kann. Busas, ein Teufel der Zank- und Mordsüchtigen. Launay, ein Teufel, der die Bürger und Bauern mit grausamen Plagen zur Verzweiflung treibt. Giod, ein Teufel des Kreuzes. Malefar, ein Teufel der Verzweiflung. Cerberus, ein Teufel der Geistlichen. Glaysa, ein Teufel des Todschlags. Sytrus, ein Teufel der Geilheit. Payman, ein Teufel der Hoffart. Forneum, ein Teufel der wohlberedten Falschheit. Chax, ein böser Eheteufel. Phoghel, ein Teufel der Ungerechtigkeit und Lügen wider Gewissen. Furcas, ein philosophischer Vernunftteufel. Raum, ein Teufel, der Städte und Häuser verdirbt. Halphas, ein Teufel der Wehr und Waffen. Zagon, ein Teufel der Falschmünzer, Kipper und Goldbeschneider. Gomery, ein Teufel des Vorwitzes. Amduscias, ein Teufel, der Knechte und Mägde verführt. Andras, ein Teufel, der allerhand Hader verursacht. Dudu, ein Teufel, der falsche Schreiben in eines andern Namen macht. Oze, ein Teufel, der die Menschen verkehrt und bethört. Aym, ein Teufel, der die Städte und Länder in Brand setzt. Orobas, des Götzen Brandteufel. Cimeries, ein Teufel, der Heimlichkeiten offenbart. Flaucos, ein Teufel der Lügen und des Betrugs. Alocer, ein Verderbteufel der guten Künste. Zaloes, ein Bubenteufel. Belphebor, ein Teufel der Auslegung und Deutelei. Hebelfurk, ein Teufel der Korn- und Weinjuden, der Wucherer und Schinder. Davo, ein Teufel, der Marken ausgräbt und Felder stiehlt neben Baal, dem Regierungsteufel. Fantas, der Religionsteufel, der die Religion zum Vorwand brauchen lehrt. Martor, der Reformationsteufel. Iffar, der Renovationsteufel. Lasam, der Revisionsteufel. Antangelieu, der Temporisationsteufel. Pasta, der Accommodationsteufel. Hussefas, der Sincerationsteufel. Abla, der Inquisitionsteufel. Culan, der Confessionsteufel. Mufrut und Pefil, der gottlosen Juristen Teufel. Bulo, der Commissionsteufel. Walst, der Contributionsteufel. Citivell, der Reputationsteufel. Austy, der Subordinationsteufel. Insty, der Consequenzteufel.

Lucifer ließ sich ihr Beginnen, besonders das des Ansty und Insty, denen er vor allen andern seiner Getreuen höllisch geneigt und wohl gewogen war, nicht mißfallen; sondern er gab ihnen allseits höllische Vertröstung und versprach, die Sache baldigst vorzunehmen und zu erörtern. Zu diesem Zwecke befahl er eine höllische Reichsversammlung auf den 30. HornungDas wäre also der 30. Februar. auszuschreiben, um allda nach gesammt höllischer Berathung und Erkenntnis den würdigsten seines Reichs mit diesem hohen Amt zu beehren, auch sonst Anordnungen zu treffen, wo es vonnöthen und wo in der Welt Wesen und Ständen etwas zu verbösern wäre.

Als sie bereits in der angesetzten Versammlung zur ersten Session schreiten wollten, die gesammten höllischen Räthe und der verdammten Geister Herr neben dem alten Satanas beieinander waren: kam unverhofft noch ein kleines Teufelchen schnaubend nachgeflogen, und als ihm wegen seines langen Ausbleibens ein blitzender Ausputzer und Verweis zu Theil geworden war, sprach er zu seiner Entschuldigung: »Allergnädigster Herr Lucifer! es ist nun zwanzig Jahre, daß ich einem nichtswürdigen Kerl nachgehe; aber ich kann ihm so wenig anhaben, daß ich nicht weiß, wie ich ihn zu Fall bringen soll. Deswegen habe ich mich etwas länger aufgehalten, da ich glaubte ihn vor meinem Erscheinen hierselbst erhascht zu haben. Aber ich habe meinen höllischen Vorsatz nicht ausführen wollen, denn er ist zu gar nichts nutz, weder zum Bösen noch zum Guten, weder zu sieden noch zu braten, und roh frißt ihn auch kein Teufel. Ich hoffe also, daß mein langes Ausbleiben nicht so sehr übel aufgenommen wird.« – »Du hast dich recht ungeschickt gezeigt, sprach die Haushofmeisterin. Bist du denn nicht gescheidter als so? Hättest du ihn nicht hervor ziehen sollen vor die Welt und ihm etwa zu einem Dienst oder Amt verhelfen? Was gilt's! dann würdest du ihn gefangen haben.«

»Das ist ein herrlicher Rath! sprach Lucifer; das ist ein trefflicher Rath, Altmutter! das ist ein recht satanischer Griff!« Und er befahl, daß er alsbald durch Belphebor, Belials höllischen Geheimschreiber, sollte protokollirt und seinen Reichsakten eingefügt werden.

Damit nun auch die Haushofmeisterin künftighin all ihr Beginnen, Sinnen und Denken bei Hofe zur Mehrung und Entfaltung aller Uneinigkeit und alles Frevels, ja zur Erweiterung der ewigen Verdammnis anwenden möchte, so versprach ihr Lucifer, in gegenwärtiger Reichsversammlung ihrer vor andern höllischen Geistern stattlich zu gedenken, auf daß männiglich kund werde, wie er so treue Dienste niemals unbelohnt gelassen habe.

Wie aber die angekündigte Reichsversammlung verlaufen, was daselbst beschlossen worden und der Welt soll offenbar gemacht werden, das ist hier im folgenden Reichsschluß, welcher anstatt eines höllischen Reichsabschiedes öffentlich vorgelesen und angeschlagen ist, zu vernehmen.


 << zurück weiter >>