Hans Michael Moscherosch
Philanders von Sittenwald wunderliche und wahrhaftige Gesichte – Erster Teil
Hans Michael Moscherosch

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Fünftes Gesicht

Letztes Gericht

Michael de Montaigne, ein redlicher Franzose, sagt in seinem vortrefflichen Buche:Michael, Seigneur de Montaigne, geb. 1533 aus einer edlen und reichen Familie in Périgord. In seinen » Essais« handelt er über tausend sociale, politische und religiöse Fragen mit Anmuth und Geist als Skeptiker. Er starb im Jahre 1592. er halte dafür, daß die Träume ein rechtes Muster unserer Gedanken und dessen seien, womit wir in unserm Leben und täglichen Wandel umgehen; was einem Wichtiges im Sinn liegt, das komme ihm im Schlaf vor, auch sogar sei dies bei den unvernünftigen Thieren der Fall.

Man sagt: was einer denkt bei Tag,
Dasselb' des Nachts ihm leichtlich mag
Im Traum vorkommen so scheinbar,
Als seh' man es vor Augen klar;
Es dünket in der Phantasei,
Als hör' man alle Worte frei.
Die dieser oder der gered't,
Wenn man gleich liegt und schläft im Bett.
Obwohl nun dies im Traum geschicht,
So soll man's doch verachten nicht,
Noch halten es für lauter Tand:
Denn oftmals einer wird vermahnt
Ein's Dings im Traum bei finstrer Nacht,
Dem er soweit nicht nachgedacht
Bei hellem Tag, wenn er zur Frist
Mit andrem Werk beladen ist.

Wenn daher einem im Traum etwas vorkommt, woran er bei Tage gedacht hat oder womit er umgegangen ist, so ist das um so weniger zu verwundern. Mir ist dergleichen zu öftern Malen begegnet, insonderheit als ich neulich von St. Claude in Burgund wieder zurück kam und, von der Reise etwas ermüdet, mich zur Ruhe begeben hatte. Die Ursache dessen war folgende. Als wir uns vergangenen Winter zu Lyon aufgehalten und uns im April durch Grenoble, der Haupt- und Parlamentsstadt in der Dauphiné – unfern von dort sahen wir den brennenden Brunnen – durch Savoyen und dessen Hauptstadt Chambéry nach Genf begeben, auch unterwegs die in aller Welt bekannte grande Chartreuse besucht hatten, wo unter andern denkwürdigen Sachen man uns in dem Kapitel in großen, lebensvollen Gemälden das Leben des heiligen Bruno, des Stifters des Carthäuser-Ordens, nebst den Ursachen, die ihn zu diesem Werk getrieben, wies und erzählte, – da habe ich mir diese Geschichte dermaßen zu Gemüthe gezogen und erwogen, daß ich hernach folgendes Gesicht bekommen habe. Doch damit der Leser besser darin unterrichtet werde, so gebe ich die Geschichte des heiligen Bruno, die sich also verhält:

Im Jahre 1080 starb zu Paris ein vortrefflicher, berühmter Doctor. Als man nun in der Kirche die Seelenmesse über ihn sang und zu dem Absatz kam › Responde mihi‹ (antworte mir), richtete sich der Todte im Sarge auf und sprach mit schrecklicher Stimme ›ich bin angeklagt!‹ Des andern Tages, weil man ihn zu begraben noch Bedenken getragen, sprach der Todte in demselben Augenblicke ›ich bin verurtheilt!‹ Am dritten Tage, wo wegen eines solchen Wunders eine große Menge Volks zusammengelaufen war, und man die Seelenmesse wieder sang bis auf die Worte › Responde mihi‹ richtete sich der Todte in dem Sarge nochmals auf und sprach ›ich bin verdammt!‹ Ueber diese schrecklichen Worte ist auch denen, die nur davon haben reden hören, ein mächtiges Grausen angekommen, insonderheit aber denen, die dem Dienst wirklich beigewohnt hatten. Unter diesen war ein Deutscher, aus Köln gebürtig von reichem und edlem Geschlecht, Namens Bruno, Domherr zu Reims in der Champagne, Doctor der Theologie und Jurisprudenz. Der war – weil er den Verstorbenen für einen frommen Mann gehalten hatte und gedachte, wenn das so von der Welt an heiligen Leuten geschähe, was würde dann ihm begegnen? – über diesen Anblick so erschrocken, daß er sich entschloß, die Welt ganz zu verlassen und ein einsames Leben in einer Wildnis zu führen, damit er, von den Leuten abgesondert, desto mehr in Reinigkeit ohne Aergernis und Sünden, welche in den Städten gemeiner sind und mehr im Schwange gehen, leben könnte. Daher hat denn der Karthäuser-Orden seinen Anfang und Ursprung genommen, wie in den angezogenen SchriftenAm Rande sind angeführt: Dionys. Carthus. in dialog. de part. enim.; Buchholtz: Indic. Chronoi. an. 1086; alii. des Weiteren zu lesen ist.

Diese Geschichte – die ich zum Theil aus dem Gemälde, zum Theil aus der Erzählung des Herrn Licentiaten Johann Ruoff, gewesenen Stadtmeisters zu Hagenau, Enkels meines Vetters, mit großem Grausen vernommen hatte und die mir Tag und Nacht in meinen Gedanken lag – gab mir, wie oben gesagt ist, Anleitung zu folgendem Gesicht:

Es kam mir vor, als sähe ich das letzte Gericht und einen schönen Jüngling durch die Luft daher fliegen, aus allen Kräften eine Posaune blasend. Steine und Felsen, ja die Todten selbst bewegten sich, als sie den Schall hörten und die Erde entwich den Gebeinen der Todten, welche sich hier und da zusammen fanden. Zuerst sah ich die, welche vor diesem in den verderblichen, insonderheit seit dem niederländischen und böhmischen Unwesen, bekannten Kriegszügen berühmt gewesen waren: Generäle, Oberste, Hauptleute, Lieutenants, Fähndriche, Soldaten u. s. w.; unter andern, dem Ansehen nach, den vortrefflichen Don Alvarez de Toledo, Herzog von Alba, Franz Pizarro, Ferdinand Cortez, Almagro, Mansfeld, Tilly, Friedland; auch die Alten: Alexander Magnus, die Scipionen, Hannibal, C. J. Cäsar, Antonius, Pompejus und andere,Von den weniger bekannten Personen seien folgende näher bezeichnet: Herzog von Alba, gest. 1582, ist der durch sein Kriegstalent ausgezeichnete, sowie durch seine Grausamkeiten gegen die Niederländer berüchtigte spanische Feldherr. Franz Pizarro, gest. 1541, ein Spanier, eroberte Peru 1534. Ferd. Cortez 1485-1547, der spanische Eroberer Mexiko's. Almagro, ein spanischer Feldherr in Südamerika; Mansfeld, Tilly und Wallenstein, Herzog von Friedland, sind Feldherren des 30jährigen Krieges, ersterer auf protestantischer, letzterer auf katholischer und kaiserlicher Seite. welche alle aus ihren Gräbern hervorsprangen und nach ihren Degen sahen, nicht anders meinend, als daß Lärm geblasen und der Feind ihnen ins Quartier gefallen oder daß sonst ein Scharmützel vorgegangen wäre. – Die Geizhälse und getauften Juden krochen auch hervor, aber ganz voller Schrecken, fürchtend, daß es auf eine Plünderung abgesehen wäre, ›Furcht ist des Reichthums Gefährte‹ (Owen 3, 54). Die Hofnarren, Schlemmer und Bankerottirer meinten, es würde vielleicht ein Ringelrennen, ein Jagen oder ein Fressen angestellt sein, wozu man das Zeichen hätte geben lassen. In Summa: aus eines jeden äußerlichen Geberden konnte ich leicht abnehmen, mit welchen Gedanken im Herzen er umging. Aber nicht einer unter ihnen allen mochte sich einbilden, daß der Schall dieser Posaune das Zeichen des letzten Gerichts sein sollte: ein jeder hatte sich Zeit und Weile viel anders träumen lassen und konnte es nicht begreifen. Ich konnte mich nicht genug über die große Allmacht Gottes wundern, daß, da soviel hundert und tausend Todte übereinander herauskrochen, dennoch keiner derselben seines Nachbarn Arm oder Bein ergriff, sondern ein jeder seine Glieder ohne Mühe zusammen brachte. Nachdem es aber dem ganzen umstehenden Heer kund geworden war, daß dies der große Tag des Gerichts wäre, – welches Wunder war da zu sehen und zu hören! Die üppigen Weltkinder, welche in Fleischeslust, Augenlust und hoffärtigem Leben ihre Tage geendet hatten, wollten kurzum ihre Augen nicht mehr annehmen noch erkennen aus Besorgnis, daß diese vor dem Richterstuhl wider sie selbst zeugen und ihre Ankläger werden möchten. Die Spötter und Lästerer wollten aus bekannter Ursache ihre Zungen nicht mehr annehmen. Die Diebe liefen mit aller Macht, damit sie von ihren Händen und krummen Fingern nicht ergriffen würden.

Andere sah ich, deren Seelen mit Zittern und Zagen zu ihren Leibern kamen, da ihnen bewußt war, was die Sache für einen Ausgang gewinnen werde. Ein alter Geizhals fragte einen seiner Nachbarn (der, weil er balsamirt worden war, noch auf seine Eingeweide gewartet hatte, die in fremden Landen lagen, – aber, o mein Gott! welche Noth mußte der arme Kerl ausstehen bis seine Rippen wieder zu ihm kamen, welche ihm Rache und höllische Plage in das Angesicht fluchten, weil er sie, die ein Theil seines Lebens gewesen, seiner selbst unwürdig geachtet hatte!), ob diesen Tag alle Todten auferständen? und ob das Geld, das er vergraben, auch hervorkommen werde? Ueber diese närrische Frage hätte ich gern gelacht, wenn nicht ein großer Trupp Beutelschneider mich verhindert hätte, welche aus allen Kräften vor ihren Ohren (die sich wieder zu ihren Herren begeben wollten), flohen, damit sie nicht zu hören brauchten, was sie fürchten mußten.

Wer was Böses auf der Haube hat,
Der kann vor Furcht nicht aus der Stadt,
Muß immerfort in Sorgen stehn:
Jetzt werd's an eine Rechnung gehn.

Dies alles sah und hörte ich gar wohl, dieweil ich mich auf eine Höhe gestellt hatte. Bald aber vernahm ich ein Geschrei unter meinen Füßen, daß ich Platz machen und weichen sollte, und ehe ich ordentlich herab kam, sah ich einen Haufen vortrefflich schöner Weiber einherkommen, welche mich Unflat und grober Flegel schalten, weil ich den Frauenzimmern nicht mehr Ehre und Recht anzuthun wüßte (denn selbst in der Hölle noch, wie auf Erden, haben die Frauenzimmer diese Einbildung und Eitelkeit an sich, daß sie meinen, man müsse sie ehren und ihnen mit sklavischer Dienstbarkeit aufwarten). Sie waren lustig und guter Dinge, weil sie sahen, daß sie nackend, so schön und so wohlgestalteten Leibes daher traten, und daß alle Welt sie anschauen und lieben würde. Bald aber entfiel ihnen der Muth, als sie merkten, daß dies der Tag des Zorns wäre, und daß ihre Schönheit sie bereits innerlich im Gewissen ihrer Sünde anklagte, weswegen sie den Weg grade aus, doch mit langsamen, sittsamen Gange, thalab nahmen. Viele unter ihnen, die in ihrem Leben zärtlich und weich erzogen und nicht gewohnt waren, barfuß oder ohne Gesellschaft zu gehen, die riefen ihren Lakaien und Hofmeistern zu, sie sollten sie unter den Armen und auf den Armen leiten und führen. Dieselben aber waren anderwärts mit Geschäften beladen, indem sie von ihren Herren angeklagt wurden, daß sie während des Lebens auf der Welt ihren Weibern zu heimlicher Leichtfertigkeit und Ueppigkeit Anlaß gegeben und diesen die Buhlenbriefe hier und da bestellt hätten.

Eine, welche sich siebenmal wieder verheirathet hatte, ging in schweren Gedanken, wie sie Ausflüchte und Ursachen allen ihren Männern vorbringen möchte, denen allen sie versprochen und sich hoch verschworen hatte, sich nimmermehr zu verheirathen, weil sie allemal des ersten (wie sie sagte) nicht vergessen könnte.

Eine Courtisane, auf deutsch eine gemeine Dirne oder Metze, welche sich unterstand dem gerechten Richter entgehen zu wollen, stellte sich, als ob sie ihr Nachtzeug, ihren Spiegel und ihr Haarpulver vergessen hätte und wieder umkehren müßte dieselbigen zu holen, in der Hoffnung, daß sie unterwegs etwa gute Gesellschaft antreffen würde, mit der sie sich anderwärts die Zeit vertreiben könnte. Indem sie aber so in Gedanken stand und weder zurück konnte noch vorwärts wollte, kam sie doch endlich unvermerkt zum Richtplatz, wo sie eine Menge guter Gespanen antraf, welche sie vormals mit der Lustseuche angesteckt und verführt hatte. Sobald diese der Bestie ansichtig wurden, wies einer nach dem andern mit Fingern auf sie und riefen ihr Schand-Land-Brandhure zu, so daß sie vor großer Scham sich unter einen Haufen Schergen, welche in der Nähe standen, verbergen wollte, meinend, daß man bei so wichtigen Geschäften ihrer unter solchen Lumpenleuten nicht viel achten würde.

Unterdessen vernahm ich ein Geschrei vieler Leute, welche, als ich mich umsah, einem Arzt nachliefen. Es waren diejenigen, denen der böse Doctor, wie man sagt, den Rest vor der Zeit gegeben hatte: sie schrieen ihm Mord nach und stießen ihn derb gegen den Richterstuhl zu, um sich ihretwegen zu verantworten. »O ja! o ja! sprach er; nur immer her; es wird hier noch keine Noth haben, ich getröste mich des heilsamen Spruches: wenn auch der Arzt und Advocat mag einen zu Tode martern, so ist er darum noch nicht schuldig Rechenschaft darüber zu geben.« Aber der nachfolgende Haufe fluchte und wünschte der Aerzte Großvater und Urahnherren Galenus – denn obschon Hippokrates bei sechshundert Jahren älter ist als Galenus, so ist doch dieser mehr ihr Mann gewesen – alles Uebel, der solche Macht seinen Kindern, den heutigen Aerzten, gegeben hätte. Es ist ein elend Ding um einen Arzt, dem nimmer wohl ist, es sei denn den andern Leuten übel. Um den Lärm zu stillen, trat ein mit Geld bestochener Fürsprecher herbei und sprach: »Weil nächst Gott keinem Menschen mehr Macht gegeben ist als einem Arzt, so sind sie auch den Menschen ihrer Handlungen wegen Rechenschaft zu geben nicht schuldig.« »Das ist wahr, sprach ein anderer Doctor der Arzenei; und wohin sollte es auf Erden kommen, wenn alle Menschen leben blieben und nicht durch uns gereinigt, geläutert, ausgemustert und purgirt würden? Wäre dem nicht also – die Welt würde voller Narren werden.« Ja, ja, sprachen sie alle; was wir thun müssen, das thun wir gern, sagten die Bauern zu ihrem Junker.

Auf der Seite gegenüber mir zunächst hörte ich ein Wätschen, als ob einer im Wasser schwämme, und als ich mich umsah, siehe! da stand einer, der Stadtrichter oder Amtmann gewesen war, mitten in dem Wasser, kratzte, schabte und wusch sich die Hände. Als ich aber hinzu ging und nach der Ursache dessen fragte, sprach er: »Darum, weil man in meinem Leben und Richteramt mir die Hände oftmals hat schmieren müssen, damit die Processe und Händel richtig, schlichtig und gelind gemacht würden, und der Kläger in seiner gerechten Sache zur Urtheilsexecution gelangen konnte: so versuche ich, ob nicht die Schmiere hier abzuwaschen ist, ehe ich vor dem mächtigen Richter da, der die Schmieralien in die Hölle verdammt, erscheinen muß. Denn ich stehe in großer Sorge, wenn ich auch schon das Herz verdecken könnte, es möchten mich die schmutzigen Finger noch verrathen.«

Schrecklich war es anzuschauen, wie etliche Legionen Teufel daher kamen mit Geißeln, feurigen Kolben, Zangen, Ketten, Eisen, Banden und andern Waffen beladen, welche einen Wirth und einen Schneider vor sich hertrieben. Die andern stellten sich, als ob sie taub wären; und wenn sie auch schon erwacht waren, so wollten sie doch nicht gern aus ihren Gräbern hervor aus Furcht, daß man ihnen anders, als auf der Welt, zuschneiden und einschenken würde.

Im Weitergehen bemerkte ich einen Rechtsgelehrten, welcher den Kopf hervorsteckte und fragte, wohin sie denn alle wollten? Und als er von einem Wirth vernahm, daß sie vor das gerechte Gericht Gottes müßten, zog er den Kopf wieder zurück in das Grab tiefer hinunter mit dem Trost: wenn er je in die Hölle müßte, so hätte er soviel Wegs schon zu Gut.

Einer von den Wirthen schwitzte vor Angst so sehr, daß ihm die Tropfen auf die Erde fielen und er vor Mattigkeit kaum fortkommen konnte. Zu dem sprach der Teufel: »Mir däucht, Gesell, du willst alles Wasser aus deinem Leibe schwitzen, damit man nicht meinen soll, du wollest uns, wie auf Erden den Menschen, Wasser für Wein verkaufen. – Ein armer Schneider, ein räudiger, krätziger, wurmstichiger Mann, der mit mannichfarbigen Stücken Tuch und Taffet behängt war, krumme Finger und lahme Schenkel hatte, sagte nichts unterwegs als allein, wie es wohl möglich wäre, daß er etwas sollte gestohlen haben, da er doch vor Hunger schier gestorben? Dem riefen aber die andern zu, er sollte es nur gestehen, denn das wäre ja sonst dem ganzen Handwerk ein Spott und eine Schande, wenn er so gar fromm sein wollte.

Nach diesem sah ich eine Koppel Schnapphähne, Freibeuter und Straßenräuber, welche sich selbst einander fürchteten und flohen. Aber wie bald waren sie von den Teufeln zusammengetrieben und zu den Schneidern gepfercht! Aus der Ursache, weil die Schnapphähne, so zu sagen, wilde Schneider oder Geldschneider sind. – Hinter diesen kam die Thorheit, auf allen Seiten mit Poeten, Musikanten, Sternguckern, Goldmachern, Buhlern, Malern und Fechtern umgeben, als Leuten, die in den Tag ohne Sorge hinein dichten und leben und nicht achten, wann und ob sie müssen Rechenschaft geben. Diese wurden beiseits zu den Henkern, Schindern, Juden, Pharisäern und Schriftgelehrten gewiesen. – Viele Fürsprecher sah ich beisammen, welche einander die Haare beiseits strichen und die Stirnen besahen; und als ich fragte warum? gab mir ein Sterngucker zur Antwort, daß auf der Welt, insonderheit bei den Welschen, die Fürsprecher für Leute gehalten würden, die keine Stirn, die keine Scham noch Ehre in sich hätten; daher würden sie mit Verwunderung besehen, weil ihnen noch soviel an der Stirn-Ehre übrig geblieben sei, während sie doch bei Lebzeiten ihrer so wenig geachtet hätten.

Endlich hörte ich drei Mal »Schweigen! Horcht, horcht, horcht in Gottes Namen!« ausrufen. Der Richterstuhl war durch die allmächtige Hand des Allerhöchsten bereitet. Gott selbst war bekleidet in, mit und durch sich selbst: er war, der er ist, der er gewesen von Anbeginn, und der bleiben wird ewiglich; freundlich und holdselig gegen die Auserwählten, zornig und eifrig gegen die Gottlosen. Die Sonne, die Sterne, die Himmel und Elemente lagen zu seiner Füße Schemel und waren bereit, den Befehl ihres Herren und Schöpfers zu vollbringen. Das Feuer stellte sich ungeheuer, als ob es alles verzehren wollte; der Wind legte sich in der Luft wie ein Stummer; das Wasser stand still an seinem Ufer; die Erde war erschrocken wegen der Dinge, die ihren Kindern, den Menschen, begegnen sollten. In Summa: alles war da in tiefsinnigen Gedanken und Sorgen. Die Gerechten sagten Gott dem Allmächtigen Dank, daß er der bösen Welt ein Ende gemacht und in derselben sie unter den vielen Aergernissen durch seine heiligen Engel so väterlich erhalten und vor dem ewigen Verderben so gnädiglich behütet hätte. Die Gottlosen bedachten sich, wie sie ihre Sünden bemänteln und der bevorstehenden Strafe womöglich entgehen könnten. Die Engel waren geschäftig die Frommen zu sammeln; die Teufel fertig, die Bösen von ihren Werken zu überzeugen und zu strafen. Die heiligen zehn Gebote Gottes waren allda an einem Ort verwahrt, dessen Eingang so eng und schmal war, daß auch die allermagersten Menschen, die sich in den strengsten Fasten mit Geißeln, Casteien, Mortificiren und Wallfahrten ängstlich gemartert, eifrig gequält, beschnitten und behauen hatten, dennoch nicht vermochten durchzukommen, es wäre denn, daß sie Haut und Haare, wie man sagt, sammt allen Werken und Verdiensten, als hinderliche Dinge auf diesem Wege, wollten zurück lassen. Auf der einen Seite standen beisammen Ungnade, Unglück, Rachgier, Zorn, Unwillen, Trauern, Fluch und Pestilenz, welche alle wider die Herren Aerzte Zeter und Mordio schrien. Die Pestilenz gestand, daß sie viel Menschen vergiftet, die aber, wenn die Aerzte es nicht noch übel gemacht hätten, nimmer gestorben wären. Unglück und Trauer sprachen, daß sie ihrestheils ohne Mithilfe der Aerzte niemand getödtet hätten. Unwillen und Zorn sagten, daß niemand durch sie, wenn nicht mit Beistand und Handanlegung der Aerzte, in das Verderben und Sterben gerathen wäre. Es wurde nun den Herren der Kunst ernstlich auferlegt Rede und Antwort zu geben wegen aller ihrer Patienten, wie sie mit ihnen umgegangen, was sie ihnen verordnet, wie sie dieselben gehalten und besucht hätten? und auch wegen aller Verstorbenen. Sie begaben sich deshalb an einen erhabenen Ort, die Musterung zu halten; und sobald sie einen mit Namen riefen, sprach der Buchhalter: »Diesen habe ich noch am Leben und gesund gesehen, auch diesen und diesen, und ist gestorben den und den Tag. Ergo.« – Der Anfang des Gerichts wurde gemacht mit Adam, welcher hart angehalten ward wegen eines Apfels, den er über das Gebot Gottes angegriffen hatte. Judas, der unfern stand und zusah, wie ängstlich sich der gute Altvater stellte, hob an zu schreien: »O weh mir! Hält man wegen eines Apfels so scharfes Nachforschen, wie wird es dann mir ergehen, der ich den Heiland der Welt, das unschuldige Lamm, den Sohn des allerhöchsten Gottes verrathen habe! O Adam, Adam!«

Die Erzväter und das alte Testament kamen zu Ende, und das neue Testament kam daran. Die zwölf Apostel saßen auf Stühlen, mit Christo die Völker der Erde zu richten. Bald führte der Teufel einen daher und sprach: »Siehe da, dieser ist's, der denjenigen ins Antlitz geschlagen, auf welchen Johannes der Täufer mit Fingern gewiesen hat!« Es war aber der Jude, der Pfaffenknecht, welcher dem Hohenpriester zu besonderem Gefallen Jesu einen Backenstreich gegeben hatte; er hatte sich die Rechnung selbst gemacht, denn er fuhr hinunter in den Abgrund der Hölle. – Es war denkwürdig anzusehen, daß Bauern und strenge Junker, Bischöfe und Pater, Kammerdiener und gnädige Herren, Mägde und Frauen allda ohne Unterschied um und bei einander standen und keines vor dem andern bei dem Richterstuhl Gottes um ein Haar breit einen Vorzug oder Vortheil hatte.

Behüte Gott! wenn ich diesen Sachen nachdenke und nun manchen großen Hansen daraufhin anschaue, wie ist mir zu Sinn! Manche Obrigkeit geht vor ihre armen Bürger vorüber, sieht sie kaum über die Achsel an, dankt nicht mit einem Wort, greift nicht einmal an den Hut, obschon die armen Leute mit tiefem Bücken und Ducken, mit Hutrücken und Kopfnicken, mit erbärmlicher und bewegter Stimme in ihren Nöthen, mit Ansprechen und Anreden sich so unterthänig zeigen; – sie werden mit Stillschweigen, oder aber mit harten, herzstechenden Worten angefahren und abgeschreckt. Hier aber vor Gottes Gericht wird der arme Bürger ebensoviel gelten und wohl noch mehr als eine gewaltthätige Obrigkeit auf Erden immer gegolten hat. Wenn ein Edelmann bedächte, wie wenig allda des Adels geachtet wird, und wie die ärmsten Tagelöhner den Reichsten von Adel an der Seite stehen oder wohl gar vorgezogen werden, was für Sanftmuth und Erkenntnis seiner selbst sollte er nicht bekommen! Wenn ein Amtmann dort leiden muß, daß ein armer Bauer seine Sache wider ihn gewinnt, er aber in die Kosten und den Schaden verwiesen wird, wie muß ihm zu Muthe sein! Sollten nicht diese Gedanken allen die hochsteigenden Einbildungen abwehren und sie zur Milde ermahnen und antreiben!

Herodes und Pilatus steckten die Köpfe ein wenig hervor, und als sie das feuerbrennende Antlitz ihres Richters sahen, der doch in den Augen der Frommen mit Herrlichkeit und Holdseligkeit umgeben ist, sprach Pilatus: »Jetzt sehe ich wahrlich, daß er nicht vergebens geredet hat von seinen Legionen, und daß er der Juden König sei: denn das Werk weiset den Meister!« Herodes aber sagte: »Mit mir ist es verloren hier viel zu erlangen; denn ich müßte in Sorgen stehen, die Kinder auf dem Gebirge zu Bethlehem möchten mir den Garaus machen, weil ich sie um dieses Richters willen hinrichten und tödten ließ; ich kann mir die Rechnung selbst stellen, ehe er sie dies, und zwar billig, genießen läßt.«

Darauf kam ein Kerl mit fürchterlichem Gesicht, der die Arme ausspannte und von sich stieß, rufend: »Seht ihr Herren, hier ist mein Lehr- und Meisterbrief!« Alle Welt verwunderte sich ob des Kerls wunderseltsamen Beginnens, und als man fragte, wer er wäre? antwortete er selbst gar bald: »Ich bin ein examinirter, approbirter Fechtmeister, der das Lob hat, daß er sich für einen Luxbruder, Federfechter und MarxbruderHierunter sind unterschiedliche Fechtweisen zu verstehen. je nachdem die Gegenpartei Sinnes ist, ritterlich wie Binzel gebrauchen läßt.« Dabei zog er einen Sack hervor voll besiegelter Pergamentbriefe, welche Zeugnisse seiner Thaten sein sollten. Als sie ihm aber entfielen, und zwei Teufel danach griffen, um sie ihm wieder zuzureichen, da war der Fechtmeister nicht unbehende, that einen Sprung zurück, griff nach dem Rappier und rief: »Wie? wollt ihr mir die brieflichen Beweise meines Wohlverhaltens und meiner erlernten, hochadeligen, ritterlichen Kunst vorenthalten, so will ich euch zeigen, wen ihr vor euch habt und euch einen Stoß versetzen, den mir der Teufel soll pariren können! Denn allen denen, die bei mir gelernt haben, wird es nimmermehr fehlen, sie werden ihren Mann zu Boden stoßen, wann sie wollen. Daher hat man mich zu Paris nicht unbillig den Anti-Galenus genannt, der die Kunst zu tödten ebensowohl gelehrt hat wie die Herren Aerzte. Und in Wahrheit, sprach er weiter, wenn wir Fechtmeister nur die purgirenden und schweißtreibenden Arzeneien zu präpariren verstünden, dann würden wir nicht ohne Recht zu den Herren Aerzten gerechnet werden.« – Viele von den Umstehenden hielten seine Worte nicht für so ganz aberwitzig; in Anbetracht aber, daß er diejenige Kunst gelehrt, durch die so viele Duelle geschehen, so viele ehrliche Leute unschuldiger und unverhoffter Weise um ihr Leben kommen, wurde ihm gesagt, er solle per lineam perpendicularum, schnurstracks, in die Hölle gehen. Er aber wollte sich damit entschuldigen, er wäre kein Mathematikus und wüßte nicht, wo diese linea perpendicularis zu finden sei. Da schlug ihm einer der Teufel ein Bein vor, und er stürzte in den Abgrund.

Nach diesem kamen die Finanzpächter, Schatzmeister, Vögte, Pfennigmeister, Schaffner, Zöllner, Rentmeister, Einnehmer, Burgvögte, Haushälter, Küchenschreiber und andere; und da ihnen eine große Menge Volks nachlief, welche das Ihrige wieder zurückforderten, was ihnen vormals unbillig abgetrieben, abgedroht, abgeschreckt und abgezwackt worden war, da hielten es die Umstehenden für ganz gewiß, es müßten diese Herren sonder Zweifel Diebe sein, weil so viel armes Volk über sie Mord und Gewalt wollte rufen, schreien und klagen. Andere aber sprachen, sie wären Leute, die allezeit bei guten Mitteln und von ehrbarem Ansehen gewesen wären. Aber über das Wort ›Diebe‹ wurden sie sehr bestürzt und entrüstet, sahen sich daher nach einem Rechtsverständigen um, der ihre Sache durchführen und die andern zum Widerrufen und zur Wiederherstellung ihrer Ehre mit Erstattung des Schadens durch Urtheil und Recht anhalten möchte. Einer von den Teufeln sprach, sie sollten Judas zum Fürsprecher nehmen, der ja die Sache wohl verstünde und dermaleinst in demselben Spital auch krank gelegen, auch ein Schaffner, auch an seinem Herren untreu und ein Verräther gewesen wäre. – Als sie nun merkten, daß man ihrer Sache nicht beistimmen wollte, wandten sie sich nach der andern Seite. Aber bald sahen sie da einen Teufel, der nicht Hände noch Augen genug hatte, die Stücke des Processes, den er wider sie führte, zu durchgehen. »Gemach! gemach! sprach einer der hurtigsten und verschmitztesten, der einen rothen Bart hatte; es ist unnöthig erst soviel Sachen aufzusuchen, laßt uns vergleichen oder mit einander handeln, ob die Sache nicht ohne weitere Nachforschung kann beigelegt werden, ehe wir sonst in das Fegefeuer verwiesen werden!« »He! he! sprach der Teufel, der die Briefe in Händen hatte, he! was? Fegefeuer? du sollst das Fegefeuer gewiß in der Hölle finden, zweifle nur nicht daran! Denn es kommt mir verdächtig vor, daß du Unterhandlungen begehrst: ich habe einen gewissen Beweis, daß ihr eine böse und verlorene Sache habt.« Weil nun die guten Herren sahen, daß man ihnen so genau auf der Haube war, so ist der größte Theil von ihnen dem Fechter gefolgt: weil sie ebensowohl als er ihre Hände nicht viel hatten ruhen lassen und durch ihre Listen und Meisterstücke die armen Leute um das Ihrige gebracht hatten.

Als das vorüber war, wurde ein armer räuberischer, blinder Pastetenbäcker herbeigebracht, und als er gefragt wurde, ob er sein Urtheil wolle, anhören, sprach er: »Ich kann's nicht wehren.« Darauf trat sein Ankläger, ein Teufel, Vielbein genannt, hervor und sprach: »Dieser lose Mensch hat den Leuten viele Jahre hindurch Katzen für Hasen verkauft und mehr Knochen als Fleisch in die Pasteten gemacht, oft auch solche Knochen, die nicht zu demselben Fleisch gehörten und anderswoher, von den Gassen, den Wassersteinen und wüsten Orten zusammengesucht worden sind, und hat noch viel anderes Aas von Füchsen, Hunden und Pferden eingebacken.« Als er sah, daß man ihn überführen konnte, er habe mehr Gattungen von Thieren und Fleisch in seinen Pastetchen verbacken, als jemals zur Arche Noah eingegangen waren (wie Ratten, Mäuse, Mücken u. s. w.), drehte er sich um, und es ward ihm nun erst, aber viel zu spät, leid, daß er diese Thorheit aus teuflischem Geiz begangen habe.

Nach diesem kamen die Philosophen, die ›Herren von hohen Sinnen‹. Es war überaus nachdenklich zu sehen, wie sich die alten Tröpfe in ihrem Hirn zermarterten und mit ohnsinnig-ersonnenen Reden über Glück, Unglück, Glücksfälle ( de fato, accidente, essentiis, idaeitatibus, identatibus, haecceitatibus, ipseitatibus, perseitatibus, quiddititatibus, formalitatibus, ubicationibus, modalitatibus, suppositalitatibus, inhonorificabilitudinationibus ec..) und andere pur-philosophische Grillen disputirten: wie Demokritus, Plato, Aristoteles, Chrysippus und all ihr Anhang sich so gar nicht in den Handel schicken, noch denselben verstehen und begreifen konnten, und wie die Allerhochweltweisesten in all ihrem Witz zu lauter Thoren wurden. Der Modus der Beweisführung war ihnen unbekannt, sie wollten mit Gewalt behaupten, daß das Mittelglied nicht den Schluß bedinge. Alle Trugschlüsse, die sie zusammen brachten, gingen nicht wider ihre Seligkeit, weil sie von der Vermittelung des Retters am Ende des Lebens nichts hören noch wissen wollten. O Gott, der Thorheit aller Hochgelehrten, die sich an den Creaturen und ihrer Nichtigkeit so vernarren, daß sie auch des Schöpfers darüber vergessen! O wollte Gott, daß dieses Uebel nur bei den Heiden, nur bei den weltlichen, nicht aber auch bei den hohen geistlichen Doctoren und Lehrern im Schwange ginge! Wahrlich, die hohe Weltweisheit kostet manchem Christen, manchem Doctor der Theologie die ewige Seligkeit!

Die Poeten waren lächerlich anzuhören, denn sie wollten Gott mit Gewalt überreden, er wäre Jupiter, und wo sie von Jupiter etwas geschrieben, da hätten sie den wahren allmächtigen Gott verstanden. Aber es wurde dem Homer und Virgil, an Stelle der andern allen, geantwortet, daß die schönen Attribute, das Wesen, die Eigenschaften und Handlungen, welche sie ihrem vermeintlichen Gott Jupiter zugeeignet hätten, sie genugsam der Thorheit bezichtigten, und es wäre nicht vonnöthen, weiter Zeugnis wider sie zu hören. Daher sollten denn alle die Poeten, welche christlichen Namens sind und in ihren Schriften sich der heidnischen Götter und Namen gelüsten lassen, als Spötter und Verächter Gottes und seines Wortes mit jenen zu ewiger Strafe angehalten werden.

Ein Erzbösewicht von einem alten kargen Filz klopfte an, der das Geld in der Kiste hatte und doch weder einen Heller um Gottes willen noch sich selbst einen guten Bissen geben wollte, noch seinem bedrängten Nächsten in der Noth die geringste Hilfe wünschte. Als ihm bedeutet wurde, er müßte die zehn Gebote Gottes anreden, welche den Schlüssel zu der Thür hätten, sonst könnte er nicht hineinkommen, sprach er: »Hoho! liegt es nur an den zehn Geboten, so wird mein Handel gut werden, und ich will sobald hineinkommen als einer, deß bin ich gewiß: denn das erste Gebot ›du sollst Gott über alle Dinge fürchten, lieben und vertrauen‹ das habe ich ja gehalten; mein Geld und Gut habe ich gefürchtet, geliebt und ihm vertraut, damit ich Gott den Herren noch über dasselbe fürchten, lieben und ihm vertrauen könnte. Das andere ›du sollst den Namen Gottes nicht vergeblich führen‹ hab' ich ja auch gehalten; denn ich habe nimmer vergebens und umsonst geschworen, wo ich nur einen merklichen Gewinn und Nutzen davon haben konnte, u. s. w.« Wie er also durch alle Gebote Gottes fortfahren wollte, kam ein Teufel und nahm ihn vor der Thür hinweg und sprach: »Hierher Altvater! du weißt wohl, was dir gebührt; du brauchst das Wort Gottes nicht zu deiner Besserung, sondern zu Waidsprüchen und zu loser, leichtfertiger Büberei; wie viele andere Saufbrüder mehr, wenn sie beim Trunk zusammenkommen, alle Reden mit Sprüchen aus Gottes Wort geben und ihr leichtfertiges Gelächter darüber halten, weil es sich so artig reimt, und sie es so gut getroffen haben. Ihr seid rechte Gottesspötter; die Spötter aber wird Gott richten.« – Da hörte ich eine Stimme erschallen und folgende Worte gar deutlich ausrufen:

Ihr Geizhäls' ihr mit vollen Kröpfen:
Wenn Gottes Hand euch Gut's bescheert,
Das ihr dann ganz allein verzehrt
Und sitzt bei euren feisten Töpfen,
Wie Schwein' und Rinder, die man mäst't;
Ihr meint, es sei ein solches Leben
Nur Wollust halber euch gegeben
Für euch und euresgleichen Gäst'?
O nein! es ist ein Speck der Fallen,
Hat hier und dorten Todsgefahr;
Drum nehmt des Handels eben wahr:
Hört, hört der Armen Stimm' erschallen!
Gott selbst ist da, so arm verkleid't!
Wollt ihr an seinem Tisch auch leben,
So müßt ihr armen Leuten geben
Mit Herz und aus Mildthätigkeit. –

Die Herren Fürsprecher, Protokollisten, Notare und Schreiber marschirten Hand in Hand daher und baten, daß man ihnen die heiligen Evangelisten wolle zu Fürsprechern bewilligen; denen antwortete aber ein Teufel, Namens Voll-Falsch, der den Vermittler machte: was die Anklage wider sie betreffe, die zwar klar, wahr und unläugbar sei und weder durch Widerreden noch Einwendungen könne abgelenkt noch hintertrieben werden, so wolle man sie dennoch beliebter Kürze halber gern ungeahndet vorüber marschiren lassen, und sich allein hiermit auf dasjenige bezogen haben, was in der Herren Angeklagten Akten, Protokollen, Registern, vidimirten Schriften, Contracten, Inventarien und Testamenten – als die, welche meistenteils von überhäuften falschen Beschuldigungen stänken – finden würde: –

Denn wenn gleich wär' das Firmament
Lauter Papier und Pergament,
Und alle Wasser sammt dem Meer
Nichts als nur lauter Tinte wär'.
Die Stern' am Himmel allzumal –
Deren doch viel sind, ohne Zahl –
Ein jeder sich zum Schreiben richt':
Könnten sie doch beschreiben nicht
Die Falschheit, Ränk', Betrug und List,
Welche bei solchen Schreibern ist.

»Es ist genug, gnädiger Herr Teufel, sprach ein beherzter Procurator: wenn man von uns redet, so versteht es sich wohl von selbst, was man meint. Daß aber die Herren Notare und Schreiber auf ihren Vortheil bedacht wären, komme daher, weil das Papier heutiges Tages so sehr groß gemacht würde, so daß sie bei ihrer althergebrachten Ordnung – nämlich drei Worte auf eine Zeile, dreizehn Zeilen auf eine Seite und anderthalb Seiten auf ein Blatt – fast nicht mehr bleiben und damit auskommen könnten; aus Noth also müßten sie auf ihren Vortheil sinnen und oft beiden Parteien dienen, sonst wollten sie lieber mit gar keiner zu thun haben.« – Aber die Herren Schreiber waren dieser Rede nicht zufrieden, gaben vor, daß man sie zwar bei unverständigen Leuten Schreiber benamsete, eigentlich aber wären sie Secretäre zu tituliren. Hiergegen sagte ihnen ein Teufel: man habe nicht auf den Namen, sondern auf den Mann zu sehen. Auch hätten sie sich, da sie von Anfang an und mit offenem Helm immatriculirte und nicht schlichte Schreiber gewesen wären, dessen mehr zu rühmen als zu schämen. – Die Procuratoren aber sagten, daß sie zwar ihren Namen nicht läugnen könnten, als die welche das Beste und den Nutzen der Parteien, wenn auch nicht für diese, so doch für sich, procurirt und gesucht hätten. – Endlich nach vielem Fragen und Antworten, wurden sie nach Höllenheim geschickt, bis auf etliche wenige, welche zur Thür des Lebens aus Gnaden und ohne eigenes Verdienst eingelassen wurden. Und ich hörte eine Stimme, die rief: »Wer einem Schneider den Faden zum Nähen und einem Schlosser das Eisen zur Arbeit giebt und meint, er werde ihm desto wohlfeiler arbeiten, der ist nicht witzig. Wer aber einem Schreiber das Papier giebt und meint, er werde ihm desto wohlfeiler schreiben, der ist ein Narr.«

Als Mahomet, Cerinthus, Arius, David Georgius, Johannes XXIII., Alexander VI., Julins II., Paulus III. und viele andere gesehen hatten, daß etliche Procuratoren und Schreiber selig wurden – wiewohl sie an die Auferstehung selbst wenig oder gar nicht geglaubt hatten, und daher alle Hoffnung auf Gnade willig aufgegeben hatten, da gab ihnen dies neuen Muth, so daß sie auch hervor traten. Mahomet konnte sich anfangs nicht genug wundern, als er sah, daß Jesus Christus, der heiligen Jungfrau Maria Sohn, zugleich auch wahrer Sohn des Allerhöchsten und Richter über alle Welt sein sollte: an den zu glauben er vormals in seinem Alkoran verboten hatte. Sodann sprach er, es müsse gewiß dieses nicht das rechte allgemeine jüngste Gericht sein, denn es ginge allzu schleunig dabei zu und stimme mit seinem Alkoran nicht überein, welcher lehre, daß solch allgemeine Gerichte fünfzigtausend Jahre nacheinander dauern sollten. Da ihm nun dies alles nicht in seinen Kram passen wollte, so fragte er alsdann: ob denn das ewige Leben, gemäß seinem Alkoran und seinen Einrichtungen, auch in Wollust und Freuden, in Tanzen und Springen, in Essen, Trinken und Gastereien und in Gesellschaft schöner Jungfrauen, die große Augen haben, zugebracht werde? Als ihm aber einer sagte: »Nein, Junker Mahomet, nein! das sind heidnische, türkische und antichristliche Träume,« da dachte er wohl, es würde sich ferner zu melden umsonst sein; daher machte er sich sammt der ihn begleitenden Gesellschaft, die alle eben so beschämt waren als er selbst, davon um zu sehen, ob sie das ewige Leben anderwärts finden möchten: welches ihnen die Teufel in dem ewigen Tode zu weisen und zu geben versprachen.

Damit ich aber meines Herren Medicus, dessen zu Anfang Erwähnung gethan ist, wie er vor den Richterstuhl gestoßen und getrieben worden war, nicht ganz und gar vergesse, so ist zu wissen, daß er einen Apotheker und Barbier, als seine Hochrichter und Steckenknechte, bei sich hatte. Sobald aber ein Teufel (der in einer Hand eine Rolle ›Recipe‹ des Doctors, in der andern die Parteien-Zettel und das laus deoGott Lob! Eine Formel, welche Kaufleute über ihre Rechnung zu setzen pflegten; hier soviel wie Rechnungszettel. des Apothekers hielt), ihrer ansichtig wurde, rief er mit heller Stimme: »Ihr Herren! der meiste Theil Verstorbener, welche hier erschienen, sind durch Vermittelung dieses frevelhaften Doctors, durch die Mithilfe dieses elenden Apothekers, durch Fahrlässigkeit dieses Prachthansen, des Barbiers, hierher gekommen. Ihnen allein also hat man diese Versammlung zu danken.« Ein Predigermönch, sonst zu Straßburg, aus dem ›gieb Herr zurück, was du mir schuldig bist‹ sehr wohl bekannt, wollte dem Apotheker das Wort thun und gab vor, daß derselbe den Armen viel Gutes gethan und manche Arzeneien und köstliche Sachen um Gottes willen und ohne Entgeltung gegeben habe; weshalb ihm das ewige Leben billig und von Rechtswegen gebühre. Der Teufel aber, der weit gelehrter war, gab dem Mönch zur Antwort, er solle sich in dieser Sache, in der er bereits selbst einen widrigen Bescheid bekommen habe, ferner nicht bemühen: denn es sei dem wie ihm wolle, so finde er doch in seiner Rechnung, daß dieser Apotheker durch zwei Büchsen allein mehr Leute getödtet habe, als in dem ganzen böhmischen Unwesen durch das Schwert umgekommen wären. Alle seine Arzneien wären gefälscht, und durch diese ungleichen Mischmaschereien seien den Leuten viel geschwinde giftige Krankheiten aufgewachsen und zwar in dem Maße, daß nur in Jahresfrist zwei vornehme Städte beinahe davon ausgestorben wären. – Als der Doctor das mit anhörte, wollte er die Sache weiter auf den Apotheker schieben, um seinen Kopf ganz aus der Schlinge zu ziehen; er gab nämlich vor, seine Recepte wären vortrefflich gut gewesen, er wollte es durch Hippokrates, Galenus, Celsus, Avicenna, Averrhoes, auch durch die löbliche Fakultät zu Montpellier und Padua beweisen: der unselige Apotheker aber hätte entweder aus vorsätzlicher Bosheit oder doch aus grober Unwissenheit (die aber hierbei keine Entschuldigung haben könnte), den armen Leuten quid pro quo, opium statt apium,Etwas anderes statt des richtigen, Mohnsaft (scharfes Gift) für Eppich (heilsame Arzenei). Mäusedreck statt Pfeffer gegeben, woran er, der Doctor, keine Schuld haben wollte. – Da ward denn der arme unselige Apotheker, der wider diese Anschuldigungen des Doctors nichts beibringen konnte, verdammt, der Doctor aber und der Barbier aus Gnaden losgesprochen. Das hat mich nicht wenig auf den Doctor erbost gemacht, dem der Apotheker vormals soviel Verehrungen und Schenkungen, soviel Martinsnächte und Neujahre zu seinem äußersten Schaden und Verderben hatte zuschicken müssen.

Nach diesem kam ein Advocat, ein stattlicher Redner, ein beschwätzter, herzhafter Mann, dessen Endzweck in seinem Advociren und Vortragen einzig und allein war, die Leute zu überreden das seinige zu glauben – was doch erlogen war. Er suchte jetzt all seinen Witz und seine Kunst zusammen, daß er den Richter gewinnen und auf seine Seite bringen möchte. ›Es wird dir mehr nützen, die Richter zu überreden, als das Recht nachzuweisen; eher mußt du dich diesen, als den Gesetzen verpflichten‹ (Owen 3, 129). Das hatte er früher auf der Welt trefflich zu prakticiren gewußt. Wenn nämlich der Richter einer Partei gewogen ist, sie habe Recht oder nicht – ihre Sache ist gewonnen; wenn der Richter nicht will, so ist die Sache verloren, oder es wird dies Urtheil und die Vollstreckung auf die lange Bank so weit geschoben, daß der Obsieger nur geringen Vortheil mehr zu hoffen hat als der Ueberwundene. Er erdachte nun alle List und Ränke, wie er vermittels eines zweifelhaften Buchstabens dies Mal das Gesetz umstoßen, die zehn Gebote Gottes anders auslegen, anders deuteln und glossiren möchte, damit er entkommen oder doch in seiner Sache den Termin aufs wenigste hinausschieben könnte. Aber alles vergebens. Wiesehr er auch seiner Gewohnheit gemäß die andere Partei überschrie, damit man sie nicht hören und ihre gerechte Sache vernehmen könnte – es half ihm nichts. Denn ungeachtet all seiner eingewandten Ausnahmefälle, mildernder Umstände, Einwendungen und Berufungen, auf einem wie dem andern Wege wurde er in die Kosten verurtheilt, und die Vollstreckung wurde ohne Aufschub vollzogen. Unter vielen andern seiner Denkzettel ist auch dieses gefunden, das ihn seiner Parteilichkeit nicht wenig überführte:

Wer da? Ich. Was willst? Laß mich ein.
Bringst was? Nein. Fort! Ja. So komm' herein!

Unterdessen wurde ich gewahr, daß sich einer unter den Versammelten verstecken wollte, es aber doch nicht bewerkstelligen konnte. Als er gefragt wurde, wer er wäre? sprach er: ich bin ein Empirikus. »Hoho! Kurpfufcher, Landfahrer, wo kommst du her, du Beutelbetrüger? sprach der Teufel; es wäre dir wohl lieber, du ständest jetzt zu Altdorf bei der Bursch, oder zu Lyon an der Börse, oder zu Paris auf dem Grève-Platze, oder zu Nürnberg auf dem Herrenmarkt, oder zu Frankfurt vor dem Römer und schnittest den armen Leuten eins auf, als daß du hierher gekommen wärest mit deiner leichtfertigen, falschen Waare.

Du giebst vor: gute Arzenei,
Dergleichen in dem Land nicht sei,
Hab'st du gebracht aus Tartarei;
Schlampamp, Schlarmund und Barbarei,
Egypten und Schlaraffenland
Habest durchzogen allesammt,
Daß große Kunst du brächt'st herbei,
Und ist doch nichts als Trügerei.
Darum wer einem Pfuscher glaubt.
Der ist all' seiner Sinn' beraubt;

Wer von 'nem Pfuscher nimmt Arzenei,
Der seh', daß nicht sei Gift dabei.
Das seiner Krankheit bald helf' ab
Und bring' ihn desto eh'r ins Grab.

Summa Summarum: wer eine Kuh werden will, der muß sich vor einem Kälberdoctor hüten. Nun fort, fort Kerl, es ist hier nicht viel Geld zu machen; ziehe hin und sieh', ob deine Salbe nun auch gut sei für den Brand von siedendem Oel, von geschmolzenem Blei, von ewigbrennendem Schwefel und Pech!« Darauf zog er den Schubkasten ein und er selbst davon.

Einer von den Wirthen, deren vorhin Erwähnung geschehen ist, kehrte, als sie fortgewiesen waren, wieder um und brachte die Bitte vor, man möchte sie doch, da sie sonst keine schlechten Leute wären, zu etwas höherem Ansehen bringen. Ein Teufel aber antwortete ihm, sie möchten sich zufrieden geben, sie würden, weil sie so gut die Grade des Weinmischens erlernt hätten, auch wie graduirte Personen, namentlich wie die Herren Aerzte gehalten werden, denen sie ohnehin schon verwandt wären: denn gleichwie diese die Menschen betrogen und getödtet, so hätten auch die Wirthe vielfältig, aber betrügerischer und hinterlistiger Weise, den Durst nicht mit Wein sondern mit Wasser getödtet.

Es kam auch ein vorwitziger, unverschämter Schneider wieder zurück, der brachte vor: er habe oftmals einem Geistlichen oder einem Armen etwas um Gottes willen gemacht, ob er denn deswegen keine Wiedervergeltung hoffen dürfte? Dem wurde zur Antwort gegeben: es sei nicht Brauch, das Leder stehlen und die Schuhe um Gottes willen geben; denn was alle andern Handwerker von Untreue wüßten, das hätten sie alles allein von den Schneidern, und sonst von niemand, gelernt und erfahren: »Fort, fort du Lumpenschneider! sprach der Teufel, wir wissen wohl, daß du viel Stückchen abgebüßt hast, das macht, sie haben dich sehr wenig und nicht mehr als einen Schnitt oder Griff gekostet.«

Nach diesem kamen etliche Bankerottirer daher, welche ihre Läden und Geschäfte verlassen und sich eine Zeitlang unsichtbar gemacht hatten. Als sie sahen, daß allenthalben eine Menge der Gläubiger, arme unschuldige Männer, Witwen und Waisen, welche durch ihre muthwillige und vorsätzliche Untreue an den Bettelstab gerathen waren, auf sie eindrang, erboten sie sich, sich in einem Vergleich einzulassen, was aber einen Teufel sehr verdroß, der sich deshalb dem Richterstuhl zuwandte und sagte: »Gerechter Gott! alle andern Menschen haben allein für sich und ihrer Sünde wegen Rechnung zu geben, aber diese da sind Rechnung schuldig für sich selbst und für andere, welche durch deren Betrügerei in das Verderben, an den Bettelstab, in Trauer und Klagen, in schwere Gedanken und in Verzweiflung gerathen sind; und was noch mehr ist, ihrer viele haben nicht aus Noth oder durch Unglücksfälle, sondern durch List und Betrug bankerottirt, damit sie niemand etwas zu geben brauchten, die aber doch der Reihe nach besser gesessen, gefressen und besser der Ruhe gepflegt haben, als die Allerreichsten zu thun vermocht hätten. Die Menge der armen betrogenen Leute schrie einhellig: »O ihr gottvergessenen Buben, ihr Stadt- und Landdiebe, wie tief habt ihr uns in das Verderben gestürzt! Der Fluch sei über euch und all dem Gut, das ihr uns so gottvergessener Weise abgenommen habt!« Da wurde das Urtheil über sie gesprochen und ihnen einige Wechselbriefe mitgegeben an Pluto, den höllischen Münzmeister, der sie nach Verdienst abzahlen sollte.

Als diese vorüber waren, kam eines graden, vorsichtigen, langsamen, satten Ganges eine mächtige Person daher geschritten, der, wie etliche Vorlaute meinten, dem Gericht selbst beisitzen zu wollen schien. Die Krause, welche er um hatte, war von blaugestärktem Kammertuch, so hoch auseinandergezogen, daß man kaum sehen konnte, ob er ein Gesicht hatte. Einer der Thorwärter fragte, als er die fremde Gestalt sah, ob er ein Mensch wäre oder nicht? Dem antwortete er mit den Worten: »Allerdings, auf mein Cavalierwort; ich beschwöre es bei dem Hofe von Brüssel!« »Wer seid ihr denn?« fragte der Thorwärter weiter; da antwortete er nochmals auf Spanisch: »Meine Namen und Thaten verdienen mit Recht in lateinischer Sprache besungen zu werden!« – »Sage sie her!« antwortete jener. »Ich bin, sprach er, der Schrecken Galliens, der Vertheidiger Ungerns, der Friedensbringer Deutschlands, der Besieger Afrikas, der Bändiger Belgiens, die Geißel Spaniens, der Ueberwinder Portugals, die Furcht Roms u. s. w.« Er brauchte lange Zeit, seine Titel und großen Dienste herzuzählen, worüber ein Teufel heftig lachte und rief: »Ja, ja, wir kennen nun den Herrn Sennor sehr wohl; wir haben seinen Titel, der im Castell zu Antorf aufgerichtet gewesen, schriftlich zur Hand und seine löblichen Thaten in unserm Saalbuch mit feurig-goldenen Buchstaben eingeschrieben.« – »Aber zur Sache! zur Sache!« sagte Friedland. – »Was will denn der Monsieur haben? Wollt ihr auch einmal euer strenges Urtheil hören? Was wollt ihr?« »Ich suche den Ruhm, gnädiger Herr Teufel!« antwortete er. »Hoho! gemach, gemach, Herr Cavalierl« und sie lachten des Wortes Ruhm, den sie als weltliche Hoheit und Herrlichkeit auslegten. Deshalb wurde er zu Lucifer selbst gewiesen, der auch nach der Hoheit getrachtet und Gott hatte gleich sein wollen. Als er nun nach alter Gewohnheit viel Gepränge, Complimente und Rodomontaden mit seinen Gefährten machen wollte, ihrer einer aber ihn in die schöngezierte Krause griff, und er sich nach dem Rappier umsah, da legten sie ihm eiserne Fesseln an Hände, Füße und auch um den Hals, damit er seinen Bart, der ihm ohnehin stets bis über den Nabel herabgehangen hatte, noch oben gewöhnen möchte. – Nach ihm kam einer, der machte ein großes Geschrei und sagte: es wäre ihm das nicht zu verdenken, da es sich um seine Haut handelte, nicht als ob er seiner Sache mißtraute; denn er habe zu gebührender Zeit dies und das gethan, das Heiligthum versorgt, den Staub von den Heiligen hinweg gefegt u. s. w. Als ich ihn so hörte, glaubte ich nicht anders, als daß es Nero, Diokletian oder einer der Christenverfolger, wäre, welche sich ja gerühmt hatten, sie hätten den Staub und die Asche der Heiligen, welche sie verbrennen ließen, zerstört und zerstreut. Doch als er näher kam, erkannte man, daß er ein Kirchenknecht oder Glöckner gewesen war, welcher vermeinte deshalb selig zu werden, weil er die Kirche und die Bilder zu gewisser Zeit abgestäubt und abgefegt hätte. Ihm wurde aber gesagt, er wäre mit Oel und Kerzen untreulich in der Kirche umgegangen, hätte auch etliche Kirchengewänder entwendet, sie anders färben und die Seinigen sich darin kleiden lassen; er hätte an dem Gotteskasten diebisch gehandelt und viele Opferpfennige heimgetragen. – Ich weiß nicht, was für liederliche Entschuldigungen er einbrachte; allein ich wurde gewahr, daß er, wie die Fuhrleute zu reden pflegen, mit einem Leitseil oder Leitstrang verwiesen wurde. Er tröstete sich jedoch damit: wenn ein Glöckner am Strang stürbe, so stürbe er allererst in seinem Beruf, und er hätte sich dessen viel mehr zu getrösten als zu schämen.

Darauf wurde etlichen Frauenzimmern Platz gemacht, welche gar fröhlichen Muthes hereintraten und mit lächelndem Gesicht die Umstehenden begrüßten; als sie aber die scheußlichen Gesichter und Gestalten der Teufel sahen, fingen sie alle an laut zu schreien: »O Jesus behüt'! Jesus, Maria! was ist das?« hielten die Hände vor die Augen und stellten sich, als ob ihnen ihre Untugend sehr Leid wäre; und als eine das Wort für sie führen und sagen wollte, daß sie fleißig gebetet hätten, sprach ein Teufel, der gegenüber stand: »Was hilft das alles, da ihr doch Huren gewesen und in eurem sündhaften Leben stets fortgefahren seid!« – »Ihr sagt wahrlich recht,« sprach eine alte Kupplerin. »Hoho! antwortete der Teufel; bist du auch da, altes Wetter?« und hob darauf an sie anzuklagen: daß sie sieben Männer unter eines Mannes Gestalt gehabt und sich allein darum an einen verheirathet habe, damit sie desto freier und ungehinderter mit den andern hausen könnte. Diese wurde verdammt, die andere aber aus erheblichen Gründen losgesprochen. Dagegen wollte die Alte appelliren und betheuerte, wenn sie gewußt hätte, daß sie je sollte verdammt werden, so wollte sie ihr Lebtag in keine Kirche gegangen sein, viel weniger ein Paternoster getragen haben.

Judas, der bisher verzogen und gehofft hatte, man würde seiner wohl vergessen, wurde vorgefordert sammt seinem Anhang und seinen Brüdern, welche theils auf hohen Stühlen getragen wurden, theils auf köstlich ausstaffirten Maulthieren, theils auf weißen Zeltern, meist aber auf einem Thier von sieben Köpfen ritten. Sie führten vier Fahnen von Karminroth, in deren einer stand das Wort Bestia., Thier, in der andern Meretrix, Buhlerin, in der dritten Babylon, in der vierten dieses Zeichen: 666. Wie sie sonst bekleidet waren und was sie für einen Aufzug machten, konnte ich wegen der Menge, die ihnen aller Orten nachfolgte, nicht sehen und berichten; ich hörte nur eine Stimme aus einer Wolke, wie eines Engels, die sprach: ›Sie ist gefallen! Sie ist gefallen!‹ Einer der Beisitzer fragte, wo und welcher unter dieser Menge der Judas wäre? Der auf dem Schimmel sprach: ich bin's; der auf dem Maulthier sprach: ich bin's; der auf dem Sessel sprach: ich bin's; der auf dem Thier sprach: ich bin's; worüber der rechte Judas entrüstet, überlaut rief: »Du allmächtiger Herr, der du aller Menschen Herzen kennst, du siehst mich wohl, du weißt auch wohl, daß ich's bin; und ohne Ruhm zu melden, bin ich noch ehrlicher als diese Verräther alle. Wahr ist's, daß ich dich, das unschuldige Lamm Gottes einmal verkauft und verrathen habe, aber trotzdem ist es geschehen, daß durch dein unschuldig Blut und Tod die Welt erlöset worden. Diese Verräther aber verläugnen und verkaufen dich, nicht nur einen, sondern alle Tage und betreiben, daß die ganze Welt, wiewohl durch dein eigen Blut allein zum Leben erlöst, durch ihr eigenes Verdienst und ihre erdichteten Gesetze dem Teufel wieder zum Eigenthum möchte verkauft werden.« Ohne weitere Verantwortung aber, als in einer allgemeinen der Welt bekannten Sache, wurden sie sämmtlich mit allem Anhang dem Beelzebub zu ewiger Peinigung übergeben.

Ein Engel, der das Register hatte, fand, daß noch einige Schergen und Häscher vorzufordern wären, welche auch sofort bei diesen Worten herbeigelaufen kamen, wie Unsinnige, und sprachen: »Wohl! wohl! wir sind dem Urtheil nicht zuwider, und ohne fernere Verantwortung wissen wir sehr gut, welcher Ort uns beschieden ist;« worauf sie dem Judas nachliefen.

Diese waren kaum vorbeigegangen, siehe da! etliche Kalenderschreiber, Sterngucker, welche mit vielen Horoskopen, Globen, Sphären, Winkelmessern, Cylindern, Wappen und Lappen beladen, daher traten. Einer unter ihnen, der das Wort führte, sprach: man hätte sich in der Zahl und der Berechnung der Jahre gewiß geirrt, und es wäre nicht möglich, daß dieser Tag der jüngste Tag sein könnte. Ursach': die sphaera Saturni und TrepidationisDer Saturn brachte Krieg und Schrecken den astrologischen Deutungen nach. hätte ihre Bewegung oder ihren Lauf noch nicht vollendet. Cernithus,Cernithus ist der erste bekannte christliche Gnostiker, welcher ein höheres Wesen über den Weltschöpfer und ein tausendjähriges Reich lehrte. der Stifter der kirchlichen Ketzerei sammt seinem Anhang und seinen Nachfolgern bis auf den heutigen Tag, konnten sich auch nicht in ihrem Hirn zurecht finden, indem sie noch tausend guter Jahre in Frieden und Freuden, in Essen und Trinken, in Tanzen und Springen, in guten Tagen und Wohlleben zu leben hofften. – Aber ein Teufel, der fleißig Acht auf die Herren Sternschlucker gab, nahm einen bei dem Bart und sprach: »Herum mit euren hölzernen Himmeln, ihr Herren, sie sollen uns anstatt der Schwefelhölzer dienen,« und mit Lachen sprach er ferner: »Ihr Herren Injicienten,D. s. Himmelsstürmer. die ihr Zeitlebens von zufälligen ungewissen Dingen eine so unumstößliche Wahrheit gehabt habt, mich wundert, daß euch eure so unfehlbaren Demonstrationen und abgezirkelten Rechnungen dies Mal so häßlich betrogen haben, und daß, die ihr von so vielen Himmeln gelehrt und geschrieben, ihr euch zum wenigsten nicht einen nach eurem Tode vorbehalten habt! Ich hoffe also, daß ihr in Ermangelung dessen das Innerste und Unterste der Erde besichtigen werdet.« Dem mußten sie sich also fügen. – Darauf ist das Gericht beendet, der Richterstuhl verschwunden, die Finsternis vergangen, die Luft lieblich und klar, die Erde voll wohlriechender Kräuter und Blumen geworden. Und ich befand mich in meinem Bette, mehr fröhlich als traurig, weil ich erwachend sah, daß ich nicht todt war. Doch um dieses Gesicht mir zu Nutz zu machen, nahm ich mir fest vor, mein Leben künftighin zu bessern und meine Sache so gut anzustellen, daß ich mich des jüngsten Gerichts dermaleinst mehr zu erfreuen und zu getrösten als dasselbe zu fürchten hätte, wenn es Gottes gnädiger Wille sein wird, mich nach so mancher ausgestandener Trübsal, Kreuz, Verfolgung und Verjagung aus dieser falschen, untreuen, verrätherischen, ärgerlichen, bösen Welt abzufordern. Ich sprach daher dieses Gebet von Herzen:

Komm Herr Jesu, komm behende.
Daß dies böse Leben bald sich ende.
Komm du schöne Sonne, komm behende.
Daß die häßlich' Sorge bald sich ende.
Komm du fröhlich' Sonne, komm behende.
Daß die traurig' Sorge bald sich ende.
Komm du ew'ge Sonne, komm behende.
Daß die zeitlich' Sorge bald sich ende.
Komm Herr Jesu, Jesu komm behende,
Daß dies böse Leben bald sich ende.


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