Hans Michael Moscherosch
Philanders von Sittenwald wunderliche und wahrhaftige Gesichte – Erster Teil
Hans Michael Moscherosch

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Sechstes Gesicht

Höllenkinder

Nachdem ich nun einige Wochen in Genf verharrt hatte und auf Wunsch meiner lieben Eltern wieder nach Hause ziehen wollte: da erinnerte ich mich meines Vorsatzes, warum ich nämlich aus Deutschland in die Fremde gegangen war. Bei Betrachtung dessen fand ich denn endlich und kam zu dem sicheren Schluß, daß jenseit des Rheines ebenso sehr oder noch mehr Gott, Glauben, Gerechtigkeit und Gewissen bei den Menschen heutigen Tages nur ein Schein, ein Vorwand, ja eitle Heuchelei und ein bloßer Deckmantel wäre, unter welchem die Welt, insonderheit mächtige Herren ihre Tyrannei, ihren Muthwillen, ihre Ungerechtigkeit und Eingriffe in fremde Herrschaften, Lande und Gerechtsame verstecken und verdecken – wie auch schon Eingangs gesagt ist.

O Gott, du allmächtiger, du allwissender Herr! was werden dermaleinst die Ausflüchte, die Verantwortungen, die Erläuterungen, notwendigen Berichte und gründlichen Untersuchungen über unsere Fürsten und Herren für einen Ausgang und Urteilsspruch gewinnen, da du in das Innerste unserer Herzen siehst, unsere heimlichen Berathungen und Anschläge hörst, die in unsern Gewölben und Kanzleien verschlossenen Schriften gelesen hast, und unsere Handlungen nicht nach menschlicher Beschönigung sondern nach dem bloßen Buchstaben ansiehst, nach dem Herzen urtheilst und nach den verübten Werken belohnst! Aber was achtet der darauf, der es allhier im Säckel und in der Faust hat! Hier ist Macht ohne Ende; und derjenige, welcher sich irgend einer Sache wegen ein Gewissen macht, wird heutiges Tages für einen albernen Menschen und eine verzagte Memme gehalten. Fest und sicher schloß ich daraus dieses: wo die Reputation – ein gott- und ehrloses Wort – über Gewissen geht, ja mit teuflischem Eifer durch lose Kämpfe und Vergießung des theuren Menschenblutes muß gesucht und erhalten werden: da wird unfehlbar, wenn Gott es nicht in Gnaden wehrt, am Ende ein uralt römisches Heidenthum entstehen.

In solchen Gedanken zog ich über Lausanne, Bern, Solothurn, Basel, Freiburg, Breisach und weiter durch's Land bis in meine Heimat nach Sittewald – die vor Jahren an Spaziergängen und Vergnügungsorten schönste Stadt, nunmehr aber bis auf den Boden ausgebrannt, geschleift, eine unkenntliche Wildnis. Ich hatte die Absicht, das Weltwesen fernerhin auf andern hohen Schulen, in vornehmen Handelsstädten, ja auch am Hofe kennen zu lernen.

Wiewohl mir nun Eitelkeit, Heuchelei und Betrug in allen Ständen merklich vor Augen gekommen war, so daß ich der Menschen Thun unterscheiden konnte und wußte, daß alle, außer Christus, nur ein verdammliches Leben führten: so hatte ich mich doch entschlossen, mich auf kurze Zeit in den nächstgelegenen SauerbrunnenWelches Mineralbad er meint, ist nicht zu errathen. zu begeben, um das allbekannte Leben und Treiben, wie es an solchen Orten zu sein pflegt, mitanzusehen. Eines Abends nun, als ich in einem Thal entlang spazieren ging und meine vorigen Gesichte und Geschichten mit den Badenaschereien, Schlaraffenhistorien, Waidsprüchen, Aufschneidereien und den Noppenhauer-Zeitungen – wo man Leib und Seele verpfänden muß, alles zu glauben, was erlogen ist; wo man alles läugnet, was geschehen ist; wo man mit den Augen redet, mit den Füßen winkt, mit den Händen geht und auf dem Bauche sitzt; wo man mit einem Brillenrohr auf sechs Meilen Wegs über den Berg zu Thal sehen kann, was die Uhr geschlagen hat – verglich und Lust bekam, mich ein wenig abseits von den Leuten weg in den Wald zu begeben, damit ich allem desto besser nachsinnen könnte: da gerieth ich, zweifellos aus einem guten Antriebe, in der Zeit von einer Viertelstunde so weit in den Wald hinein, daß ich nicht wußte, wie ich, ob nach vorwärts oder nach rückwärts, hinauskommen sollte. Dabei gelangte ich an einen Ort, wo es nicht mehr gegen Abend, sondern heller Tag war, und ein Feld lag umher mit Blumen geziert so schön, daß einem das Herz lachte. Es war sehr still und anmuthig, die Luft so lieblich, daß sich all meine Sinne davon verjüngten. Auf einer Seite rauschte ein krystallklares Wasser über die Steine daher; auf der andern Seite fing ein sanfter Wind mit den Bäumen und Blättern ein Gespräch an, daß man sich schwerlich des Schlafs erwehren konnte. Diesem wollten die lieben Vöglein nichts nachgeben, sondern sangen einen herrlichen, so wonnesam gestimmten Gesang daher, daß alles mehr einem irdischen Paradies als sonst etwas Köstlichem gleich schien. Wie nun die menschlichen Sinne und Gedanken gern in ihrer Freiheit herum wandeln, aber doch der Einsamkeit und Ruhe bald überdrüssig werden, so war es auch mir dies Mal; ich sah mich um, wie ich wieder zu einer angenehmen Gesellschaft gelangen könnte. Da wurde ich eines Weges gewahr, welcher sich unfern allgemach in zwei Theile theilte; der zur rechten Hand war ein Fußpfad und so schmal, daß an gewissen Stellen einer dem andern eben weichen konnte; weil er nur wenig begangen wurde, so stand er voll Dornen und Disteln, und war durch die Steine rauh und ungebahnt, daß mich dünkte, es wäre ohne große Mühe und Arbeit nicht gut darauf fortzukommen; doch sah man noch Wahrzeichen, woraus zu spüren war, daß unlängst einige Leutchen hier gewandert waren, denn es hatte einer ein Auge, ein anderer eine Hand, einen Fuß, die Brust, den Kopf, ja die Haut dahinten gelassen. Einige von ihnen sah ich hinter mir her kommen; sie sahen im allgemeinen bleich, mager, ausgehungert und elend zugerichtet aus, erbärmlich, traurig und seufzend. Sie eilten und arbeiteten sich so ernstlich ab, daß sie auch nicht einmal zurücksahen, und mir däuchte, es wäre auf dem andern Wege viel schneller fortzukommen. Wenn sich vielleicht einer einbilden wollte, weil der Weg so ungehobelt und rauh war, man möchte zu Pferde besser durchkommen, so ist dies Thorheit. Denn als ich selbst in solch närrischem Gedanken stand und deswegen einen der Reisenden fragte, ob nicht der Postmeister Michel hintennach käme? sprach er: »Ei nein! es kommen keine Postmeister auf diesen Weg, sie halten sich meist links. Selbst St. Peter mußte, als er diesen Weg zu Pferde machen wollte, absteigen und zu Fuße gehen, wiewohl er zuvor auf einem trefflichen Roß gesessen hatte.« – Man konnte auch keinen Hufschlag eines Esels, Pferdes oder eines andern unvernünftigen Thieres bemerken, viel weniger ein Wagengleis, eine Kutsche oder Sänfte, deren man sich an diesem Ort nimmermehr zu entsinnen wußte.

Während ich mich hierüber verwunderte, kam ein armer Bettler daher gewandert, der ein wenig still stand um sich zu verschnaufen. Ich fragte ihn, als er weiter ging, ob nicht irgend ein Wirthshaus in der Nähe wäre, wo man einkehren und sich erfrischen könnte? »Nein, sprach der arme Gesell; hier muß man eines Ganges fortgehen und sich nicht viel umsehen noch aufhalten, auch ist weder eine Wein- noch Bierschenke hier herum, denn auf dem Wege des Lebens sind solche Leute nicht zu finden.« – Giebt es denn keine Materialienhändler oder Droguisten in der Nähe? Denn wenn ich nicht etwas zur Labung habe, wird es mir unmöglich sein weiter fortzukommen. »Nein, nein, sprach der Arme: vor Jahren, als die Materialienhändler noch mit den einfachsten Dingen und Waaren umgingen, da hat man bisweilen einem vergönnt auf diesen Weg zu kommen; seitdem sie aber mit zusammengesetzten, chemischen Sachen handeln und den Apothekern in die Kunst greifen wollen, die sie doch gar nicht erlernt haben, da ist ihnen, als betrügerischen, gefährlichen Leuten, der Weg ganz und gar verboten.« So muß man denn wohl verschmachten oder gar das werthe, liebe Leben lassen, wenn keine Wartung auf diesem Wege zu hoffen ist, sprach ich. »Bist du ein Christ, sagte der Arme, so sollte dir nicht unbekannt sein, daß im Laufe des menschlichen Lebens das Abscheiden ist – ankommen, sterben ist – geboren werden, leben ist – wandern. Die Herberge ist die Welt: wenn man aus dieser geht, so ist es nur ein Sprung, daß man zur Seligkeit oder in die Verdammnis geräth. Dieser einzige Sprung ist der Tod, ein geringer Schritt und Tritt, der dem Gottlosen ewigen Jammer verursacht, dem Frommen aber ewige Freude bringt.« Dabei ging er fort und sprach: »Behüte dich Gott, ich muß eilen; denn wer auf gutem Wege ist, der thut närrisch, wenn er sich säumt. Auch ist es vergebens, dem viel zu antworten, der allein aus Vorwitz und nicht aus christlichem Eifer nach etwas fragt. Wer mit fort will, der komme: je länger hier, je später dort.« – Wie oft sah ich nun, wie sich der arme Mann, weil sie alle barfuß gingen, elendiglich an die Steine stieß, worüber er jeweilig einen tiefen Seufzer auspreßte und man meinte, er wollte die Steine erweichen, so zahlreich rannen ihm die Thränen aus den Augen auf den Boden herab. Mein Gott! dachte ich bei mir selbst, das ist ja wahrlich ein ungeschlachter, ungehobelter, schlechter Weg, und es ist kümmerlich darauf fortzukommen; die Leute, die denselben wandeln, sind recht unwirsche, unfreundliche und elende arme Leute und es macht keine Freude mit ihnen umzugehen. Es war mir auch höchlich zuwider da zu gehen, weil ich nicht einen einzigen mächtigen oder reichen Mann, der mir bekannt war, dort hätte antreffen können, aus Ursachen, die ich später erfuhr: weil nämlich reiche Leute mehr auf lustige Spazierfahrten als auf dergleichen armselige, bettelhafte Pilgerfahrten zu verwenden pflegen.

Ich wußte nun nicht, was ich thun sollte; sollte ich vorwärts oder nicht. Schließlich machte ich einige Schritte zurück und gelangte so nach einer kleinen Weile wieder an die Grenze, wo sich beide Wege von einander theilen. Als ich mich da ein wenig erholte und mich umsah, wurde ich zweier Personen gewahr, denen ich mich nahte. Als ich zu ihnen kam, erkannte ich zwei Soldaten, den einen Namens Egneus, den andern Namens Tondalus. Sie beschieden mich auf meine Fragen, daß sie vor Jahren hier noch einen dritten Weg gesehen hätten, welcher von Irland durch Island, Polen, Ungarn, Dalmatien und Campanien grade nach Sardinien in den Berg Aetna und von da in das Fegefeuer führte; diesen Weg hätten sie aber verloren und könnten nun nicht mehr als zweie finden. Ich wußte ihnen hierin auch keinen Bericht zu geben. Während wir aber alle drei wie die Narren da standen und nicht wußten, was zu thun wäre, kam ein anderer Pilgrim, auf den schmalen Weg einlenkend, der rief uns zu und sprach: »Ich verstehe euch sehr gut, ihr Herren. Wo habt ihr denn so lange gesteckt, daß ihr nicht wißt, was vor einhundertunddreiundzwanzig Jahren geschehen, wie nämlich der dritte Weg hier verhauen und durch eine große Kluft versperrt, überhaupt für ganz unnöthig erkannt worden ist, da er über weitabgelegene Orte doch endlich wieder in die breite Straße einmündet?« Wir verwunderten uns anfangs dessen, bis er uns die Sache erklärte, und wir an den Fingern ausrechnen konnten, daß dem so wäre. Dennoch blieben wir da in Gedanken stehen und wollten ohne bessere Erkundigung nicht weiter gehen. »Fort, fort, sprach er, da ist kein anderer Weg zu hoffen; es ist nur Himmel und Hölle, Leib und Seele, Gesetz und Evangelium, Seligkeit und Verdammnis. Was nicht zu Gott will, das fahre zum Teufel! Die Neutralisten haben hier keine Stätte, es ist verloren Werk mit ihnen; es steht nicht fein und ist auch nicht ehrlich, wenn man weder das Eine noch das Andere sein will. Es ist keine Klugheit oder Weisheit, in einer unvermeidlichen Sache sich drücken und bei einem Dinge, das sein muß, sich nicht erklären wollen; es ist vielmehr eine Kleinmüthigkeit, eine Untreue und rechte Verrätherei. Als Fürst Christian von BraunschweigChristian von Braunschweig stand im 30jährigen Kriege auf Seiten der Protestanten, er war ein rauher Kriegsmann, den die angeborene Waffenlust zum Kriege trieb; er starb 1627. gefragt wurde, was Neutralisten wären? gab er eine wunderliche Antwort. Ich aber sage euch, neutral sein ist soviel als des Teufels nicht sein wollen und doch Gottes nicht sein können; es gehören also die Neutralisten dem Herren zu, dem sie dienen. Gott will uns kalt oder warm haben, Laues speiet er aus; Gott und Welt sind einander zuwider. Ihr könnt nicht Gottes sein, es sei denn, daß ihr den Teufel erzürnt; wer Gottes sein will, der muß den Teufel nothwendig zum Feinde haben. Heucheln, auf beiden Achseln tragen heißt sich Gottes schämen, Gott verachten und verläugnen und dem Teufel schmeicheln. Es ist nicht zu verantworten, was etliche im Brauch haben, die es mit dem Kaiser halten, wenn es den Franzosen übel geht; die es mit den Franzosen halten, wenn es ihnen übel geht. Am Ende des Lebens soll sich insonderheit keiner einbilden neutral sein zu wollen: denn wer da zuerst zurückhalten und nicht recht zu Gott will, den erwischt gewiß der Teufel.«

Darauf ließ ich diese Beiden stehen und ging stracks auf die linke Seite in den breiten, hübschen gebahnten Weg. Behüte Gott! welch eine Menge Volks fand ich daselbst: hier Cavaliere, da Kutschen; hier schöne Damen, deren Augen funkelten, als ob sie voll feuriger Sterne wären; da Spielleute; hier ich weiß nicht was für treffliche Herren und Frauen. Ein Theil sang, ein anderer sprang, einer pfiff, der andere tanzte, der eine kitzelte, der andere lachte, einer trank, der andere aß, einer küßte, der andere herzte, einer tätschelte, der andere naschte, einer spie, der andere kotzte – kurz, es war mir grade, als ob ich zu Hofe wäre. Da dachte ich an das Sprichwort: wer dich will kennen lernen, der sehe nur deinen Gesellen an.

Um daher nicht für einen gehalten zu werden, der böser Gesellschaft nachgeht, so begab ich mich zu dieser guten Gesellschaft. O was für eine gute Gesellschaft war da zusammen! Es war ein Kern von guter Gesellschaft, und es ging so vertraulich unter uns zu; ja wohl! daß einer den andern verrathen und verschwatzt hätte. Ha! wie bald lernte ich den Handel kennen: Tanzen, Singen, Springen, Jubilieren und Jauchzen, Schmeicheln, Gassenhauen, Mummenschanzaufführen, Schauspiele und Gaukeleien, Gastereien, Löffeleien und andere Fröhlichkeiten, die mir trefflich und über alle Maßen wohl gefielen. Es ging da nicht so bettlerisch her wie auf dem andern Wege, wo aus Mangel an Schneidern die Leute zerlumpt und bloß daher kamen. Hier war alles anzusehen wie ein Krämerladen auf Jahrmärkten und Messen: hier Spaßmacher dort Zuckerbäcker, hier Materialien dort Droguenhändler, hier Goldschmiede dort Seidensticker, hier Goldschläger dort Korallenkrämer, hier Perlensticker dort Haarkräusler, hier Bartscheerer dort Haarpuderer, hier Handschuhmacher dort Spitzenhändler, Tabakkrämer, Kartenmaler und viele andere der Welt Wollust und Ueppigkeit (Fröhlichkeit wollte ich sagen) zugethane Handwerker und Künstler. Pastetenbäcker, Wirthshäuser, Bierhäuser, Spielhäuser, Hurenhäuser waren da auf Schritt und Tritt anzutreffen; in allen diesen soffen wir uns so voll und toll, daß wir kotzen mußten, und es war eine Lust zu sehen, wie wir im Dreck dalagen. Ich kann nicht alles erzählen, was für Freude unter so braver, wackerer Gesellschaft ich hatte; es ging so herzhaft her, daß mir noch der Mund wässert, wenn ich daran denke. Es gab zwar immerzu Händel, insonderheit unter den Franzosen und Holsteinern, die sich herausforderten, rauften, kämpften und auf einander drangen, daß es kaum zu glauben ist. Einige tolle Studenten zankten und balgten sich auch; doch mußten zuletzt die armen unschuldigen Steine herhalten und in die Spitze ihrer Klinge beißen, so grimmig stürmten sie mit ihren Degen auf dieselben los, daß das Feuer heraus sprang.

Die Herren Juristen und Mediciner kamen einander auch in die Haare des Vorzugs halber. Die Juristen gaben vor: weil das Gesetz eher als der Fall, also auch als die Krankheit und die Aerzte gewesen wäre, so gebühre ihnen der Vorzug von altersher; und weil das Gesetz auch den Aerzten gegeben sei, so seien sie auch den Gesetzen und dem Recht, folglich aber auch den Juristen unterworfen. – Die Herren Mediciner hingegen brachten aus Gottes Wort vor, daß der Leib mehr wäre als die Kleidung und als das zeitliche Gut: folglich seien sie auch den Juristen vorzuziehen. Ein alter erfahrner Jurist und Practikus gab darauf den Bescheid: die Mediciner dürften in einem christlichen Staate wahrlich nicht einheimisch werden, sondern nur geduldet werden wie die Juden; ja weil sie gewöhnlich Venena graduata genannt würden (da sie die Kunst Gift zu bereiten erfunden), so sollten sie billiger Weise nicht in so hohem Werthe bei den Christen sein.

Ein Mediciner sprach etwas entrüstet also: »Nun wohlan, laßt uns von vorn an argumentiren: das fünfte Gebot ›du sollst nicht tödten‹, das insonderheit den Medicinern gesagt ist, ist ja eher gegeben als das siebente ›du sollst nicht stehlen‹, das auf die Juristen geht: folglich sind auch die Herren Mediciner den Juristen vorzusetzen.« – Dem aber entgegnete wieder ein Jurist, und so einer nach dem andern. Da sie nun nicht Handels einig werden konnten und zu besorgen war, daß es gar zu Streichen kommen möchte, und da ich wußte, daß alles, was zur Unzeit geschieht, einem verdrießlich ist zu hören: da gab ich ihnen den Vorschlag den: ersten Besten die Sache zur Entscheidung zu überlassen. Das ist denn auch von Baschen MälDas war vielleicht ein Volksdichter. folgendermaßen abgefaßt:

Man sagt, es hab' sich einst begeben
Dort in Frankreich zu Paris eben,
Daß zwei Doctoren worden sind
Uneinig und einander feind
Betreffs der Reputation,
Wer von ihnen sollt' oben gehn.
Der eine nun war ein Jurist,
Sein Widerpart gewesen ist
Ein Medicus. Als nun die Beiden
Gar gern gewußt zu unterscheiden,
Wem die Ehre gebühren soll'
Oben zu gehen an erster Stell',
Da wurden sie eins mit dem Beding;
Wer ihnen zuerst entgegen ging.

Dem wollten sie die Sach' erzählen;
Und wie der würd' sein Urtheil fällen,
So sollt' es immerfort dann bleiben.
Ein Bauer kam, that Schweine treiben;
Den fragten sie, wer sollte gehn
Voran und wer zur Rechten stehn?
Der Bauer, verschmitzt, auf ihre Sag'
Sprach: liebe Herren, ich will 'ne Frag'
Auch thun vorher; berichtet's fein,
So will ich euch zu Willen sein.
Sagt mir denn ohne lang Bedenken,
Will irgend einen Dieb man henken,
Wer steigt zuerst die Leiter hinauf:
Der Henker und erst darauf
Der Dieb? Da sprachen sie: gewiß,
Der Henker vor, der Dieb nach muß!
Da sprach der Mann: nun habt ihr Herrn
Das Urtheil selbst gesprochen gern:
Ihr Aerzte geht vor als wie der Henker
Und machet oft den Kranken kränker;
Und ihr alsdann, gelehrt im Rechten,
Geht nach, wie auch die Diebe pflegten
Von Alters her. 'S ist wahr kurzum:
Ihr biegt das Recht und macht es krumm.
Hiermit schieden sie alle drei.
Dies Urtheil bleibt auch heut' nach frei;
Die Ehre soll von keiner Partei
Genommen sein, da Gleichheit sei.
Wer aber nicht kann Scherz verstehn
Der soll des Lesens müßig gehn.

Während dieses (sonst bei Reichs-, Collegial-, Deputations-, Stände- und Kreistagen zu Schande und Schaden üblichen verdammlichen) Ehrenzankes sah ich hier und da etliche straucheln, als ob sie auf schlüpfrigem Eise gingen und sich des Fallens nicht enthalten konnten. Ich dachte aber bei mir: Ihr Herren Juristen und Mediciner habt euch gut um die Kappe reißen; wir andern Narren müssen doch den Stab geben und die Schellen zahlen; ich möchte nicht so bald einen für den andern nehmen. Ist der Jurist gut, so ist wahrlich auch der Medicus gut; sie verstehen sich alle Beide gar trefflich auf ihre Rechnung.

Eine Koppel von Wirthen und Weinschänken fielen unvorsichtiger Weise zusammen in eine große Grube voll Wasser, daß es über ihnen zusammen schlug. Da sie aber, nach der Regel: wodurch jemand sündigt u. s. w., fürchteten, es möchte das Wasser Zeugnis geben wider sie, so arbeiteten sie sich mit allen Kräften heraus und machten sich davon, als ob sie der Teufel besäße.

Wir mußten über die andern, welche auf dem schmalen, steinigten Wege gingen und die wir anfangs noch gut sehen konnten, recht lachen, weil sie tausend und tausend Unfälle beim Fortkommen hatten; deshalb zogen wir sie redlich durch die Hechel, nannten sie Heuchler, Heiligenfresser, Bibelhelden, Lumpen, Suppenhunde, Bettelsäcke, Halunken, Allerweltunlust. Einige derselben stopften sich die Ohren zu und eilten fort, damit sie uns nicht hörten, einige blieben stehen, damit sie uns hören könnten, einige wurden bestürzt über unser Rufen, einige schämten sich über unser Gebaren, andere wurden dadurch gereizt und kamen zu uns herüber.

Unfern aber wurde ich einer andern Truppe gewahr, welche auf unserm Pfade nach einem kleinen Umwege fortwanderte; sie sahen ernsthaft aus, als ob sie ehrsame Leute wären und ließen es sich gar sauer und wehe dabei werden. Als ich ihnen aber nahte, bemerkte ich, daß sie unseres Volkes waren. Einer sagte mir, sie würden Scheinheilige genannt, als Leute, die einen heiligen Schein und Wandel führten vor der Welt, in der That aber rechte Gottesverläugner wären, bei denen in die Kirche gehen, von Gottes Wort reden, Sacramente besuchen, Gevatterschaften machen, Kranke besprechen, Seufzen und Weinen, Beten und Fasten, Almosen geben, Wachen und Gelübde, Buße und Besserung ein eitel erdichtetes, angenommenes, falsch gemeintes Werk ist, wodurch sie die Hölle und nicht den Himmel verdienen. Ich fand, wie wahr es ist, daß viele es sich lassen sauer werden, die Hölle zu verdienen und des Teufels Märtyrer zu werden.

Wir gingen nun immer fort, einige unter Kurzweil und Lachen, einige mit Grunzen und Murren nach Hofsgebrauch. Die Eigensinnigen und Starrköpfe gingen bei Seite, wie sehr wir ihnen auch nachschrieen und sie ermahnten mit uns zu gehen; aber sie wollten sich nichts einreden lassen, sondern beharrten auf ihren fünf Augen, wie jener, der das Plarr hatte; je mehr man sie warnte, umsomehr liefen sie ihrem Unglück entgegen. Es war da eine ganze Welt Volks aus allen Ständen, Würden, Aemtern und Altern zu sehen: Geistliche und Weltliche, Kaiser, Päpste, Könige, Cardinäle, Bischöfe, Fürsten, Grafen, Herren, Adlige, Bauern, Männer und Weiber, Junge und Alte, Reiche und Arme, Pfarrer und Pfaffen, Mönche und Nonnen, Eltern und Kinder, Lehrmeister und Lehrjungen, Gelehrte und Narren, Blinde und Sehende. Ganze Regimenter Sold-thaten – ein ungereimter Name; denn sie thun um ihren Sold sehr wenig Thaten, das macht, sie kriegen auch wenig Sold für ihre Thaten – und Landsknechte mit ihren Befehlshabern kamen auch daher, für die es dies Mal eine große Gnade gewesen wäre, zu hören von den blutigen Wunden unschuldiger Märtyrer und dem allerheiligsten Blut Christi, welches sie vordem insonderheit durch die neumodischen französisch-belialischen Flüche so schrecklich mißbraucht hatten; ja, welche vordem der gebenedeiten keuschen Jungfrau Maria unbefleckte Glieder, die den Leib des eingebornen Sohnes Gottes so sänftiglich und säuberlich getragen haben, aus unflätigem und bübischem Rachen beschmutzt und beschmissen hatten, nur um eine teuflische Gravität damit zu gewinnen. Diese Eisenbeißer sangen und erzählten einander von ihren Schlachten, Wunden, Abenteuern und Schelmenstücken; von ihren gefährlichen Treffen und Ausreißen oder, um reputirlicher davon zu reden, Retiraden, wie trefflich und ritterlich sie sich gehalten hätten vor Pavia, vor Montcontour, Neuport, Neuhäusel, Preßburg, Pfaffenhofen, Wimpfen, Lützen, Leipzig, Nördlingen, Raab, Kanischa, Pest, Ofen, Smolensk, Breda, in Magdeburg, bei Rain, Höchst, Wittenweier, Dessau, Torgau, auf dem Ochsenfelde, am weißen BergeEs sind Schlachten, die theils im 30jährigen Kriege, theils im vorhergehenden Jahrhundert stattgefunden haben. u. s. w. Aber all dieses Aufschneiden hielten wir andern für Lügerei und Erdichtungen; nur glaubten wir ihnen, wenn sie von Herumbeißen und -schmeißen sprachen. Das war denjenigen leicht zu glauben, welche wußten, daß sie mehr Läuse als Ducaten im Busen gehabt hatten, deren sie sich nur mit Noth erwehren, und die sich vor dem Todesgestank kaum schützen konnten. Ich hörte, daß einige von dem andern Wege zur Rechten diesem Soldatengesindel, welche meist an ihren Gürteln mit breiten blechernen Büchsen behängt waren, worin sie ihre Pässe, Abschiede, Paßzettel und andere unnütze Briefe hatten, zuriefen: »Hierher Soldaten, hierher! was soll das sein! Ist das eine so männliche That, daß ihr diesen Tugendweg um einiger zeitlicher Widerwärtigkeiten willen so leicht und liederlich verlaßt? Nur tapfer heran, denn wir sind gewiß, daß die, welche ritterlich hier kämpfen, die Krone der Ehren empfangen werden! Nur frisch daran! drauf! drauf! drauf! Durch welche vergebene Hoffnungen und Verheißungen großer Fürsten und Potentaten laßt ihr euch so bethören und bei der Nase herum führen? Wollt ihr denn ewig die greuliche Stimme unter euch erschallen lassen: Hau! stich! Blut oder Geld!? Laßt euch von dieser Thorheit und armseligen Ausmalung goldener Berge nicht allzusehr entnehmen und verblenden! Ein ehrlicher Mann soll nicht für Belohnung sorgen; so er recht thut, wird sich der Lohn schon finden, denn die Tugend ist sich selbst Lohn, sie ist ihre eigene Vergeltung; auf diese allein sollt ihr eure Thaten gründen und euch nach ihr richten! Wollt ihr aber sagen, ihr seid des Krieges gewohnt, ihr könnt nicht ohne Krieg leben – wohlan! hierher auf den rechten Weg! denn hier könnt ihr eure Mannheit und Stärke ritterlich üben und anbringen.

Kriegsknecht! warum denn solches Pochen,
Daß du im Krieg willst sein erstochen?
Gemach! die Blattern, Fieber, Pest
Erwürgen viel' in ihrem Nest,
Von Prassen, Schlemmen, Unkeuschheit
Wird euer Herz gar bald befreit.
Bist du zum Krieg geboren schier,
Und willst auf Erden kriegen hier:
Krieg' mit dem Fleisch und deiner Lust
Und mit dem Feind in deiner Brust;
In solchem Streit wirst alt du werden
Und wohl erhalten sein auf Erden.

Ihr habt euch ja als redliche Kriegsleute unter die Blutfahne Jesu Christi in der heiligen Taufe einschreiben lassen und habt gelobt ritterlich zu kämpfen. Ei, warum wollt ihr denn so treu- und heilloser Weise entlaufen und zu dem schrecklichen Feinde übergehen? Hierher! hierher! seht euch um, da ganz nahe, da ist der Feind, setzt euch zur Wehr! Drauf! drauf! Des Menschen Leben ist ein ewiger Streit und Krieg wider sich selbst; die Feinde unserer Seele sind: Welt, Teufel, Fleisch, Fleischeslust, Augenlust, hoffärtiges Leben. Diese Gewappneten lassen uns nimmermehr Ruhe und sollen einem wahren Christen Ursach genug sein, die Wehr ohne Rast in den Händen zu halten. Bedenkt doch – wenn auch eure Herrschaften sagen, ihr wäret ihnen mit Leib, Gut und Blut verbunden und wider alle Welt und alles Recht zu dienen schuldig – was ist ihnen damit geholfen, wenn ihr um ihretwillen nicht nur das Leben sondern auch die Seele lasset? Was ist euch damit geholfen? Nichts: denn sie werden euch doch schlechten Dank sagen am Ende. Daher kehrt um und kommt hierher: hier ist Rhodus, hier laßt uns tanzen! hier ist der Krieg, hier kämpft und streitet! Flieht, flieht diese Feinde, die euch um Leib und Seele bringen! Fliehen ist hier der Sieg; weit ab ist gut für das Geschütz; säumet nicht lange umzukehren, dann könnt ihr noch erlöst werden, bevor ihr in die Stricke des unendlichen Verderbens gerathet. Hierher! hierher! säumet nicht lange, der Feind ist nahe an euch! Es ist Gefahr auf diesem breiten Wege, er ist schlüpfrig, er hat Gruben, sehet zu, daß ihr nicht hinein fallt und verderbt! Hierher! hierher! Wenn ihr nicht flugs umkehrt, so ist es um Leib und Seele geschehen; der schmale Weg geht zum Himmel!« – Die Soldaten hörten zwar diesen Warnungen fleißig zu; jedoch aus gegenseitiger Scham, damit sie nicht für verzagte Kerls und Bärenhäuter angesehen würden, die da ein Ding, was sie sich einmal in den Sinn genommen, nicht auch vollenden dürften, liefen sie auseinander, den Hut in die Augen, wie Helden und Löwen den Wirthshäusern zu, wo einige noch Tabak rauchen bis auf den heutigen Tag. –

Viele von denen, welche fast bis zum Ende auf der rechten Seite gewandelt waren, haben, irregeleitet durch unser Wesen und aus andern geringen Ursachen, diesen Weg thörichter Weise verlassen und sind unsern Fußtapfen unweise nachgefolgt. Andere von uns sind am Ende erst weise geworden, haben sich bedacht und sind wieder umgekehrt, um aus den rechten Weg zu wandern; deren waren aber wenige.

Auch sah ich eine vornehme, köstliche Frau, welche der Hölle zu marschirte ohne Pferd und Kutsche, ohne Sänfte, zu Fuß und allein. Als ich sie in so elendem Stande wider ihre Gewohnheit sah aufziehen, und ich mir nicht anders denken konnte, als daß sie unter diesem angenommenen Schein und in dieser ungewohnten Gestalt irgend ein Bubenstück vorhätte: fragte ich, ob nicht ein Notar oder Schreiber vorhanden wäre, der mir ein Schriftstück gegen sie aufrichten könnte? Es wurde mir geantwortet: nein. Da dachte ich bei mir: dann bin ich gewiß noch auf dem rechten Wege gen Himmel, sintemal keine Schreiber hier sind.

Wenn ich hingegen wiederum bedachte, daß der Weg zum Paradiese voll Ungemach, Bekümmernis, Angst, Qual, Kreuz, Noth und Tod ist, so mußte ich überzeugt sein, ich ging der Hölle zu, weil ich auf diesem Wege nichts als Lachen, Tanzen, Singen, Turnieren, Springen, Spielen, Wollust, Freude und Gastereien sah und hörte. Ich wußte in diesem Zweifel nicht, wie mir war, ob ich träumte, oder ob alles wirklich geschähe, ob mir wohl oder übel wäre. Aber bald merkte ich, wo ich war, als ich eine Truppe Siemänner, Weibernarren, erblickte, die ihre schönen Weiber als ein Zeichen ihrer ausgestandenen Sorge, Angst, Arbeit und Pein an der Hand führten; dagegen war bei den guten Tröpfen nichts weiter zu sehen als Hunger und Kummer, Wachen und Fasten. Sie fasteten, damit die lieben Weiber einen guten Bissen mehr zu St. Arbogast, in der Ruprechts-Au, zu Schilke, Büsche, HöhneVergnügungsorte in der Umgegend. zu verzehren hätten; sie wachten, damit ihre Weiber um so sicherer oder, so zu sagen, bei andern schlafen könnten. Sie gingen zerrissen und halbnackend, damit ihre Weiber einen schönen Pelz, einen schönen Ring, eine schöne Kappe, ordentliche Schuhe, silberne Gürtel u. s. w. tragen könnten. Und nach all dieser ausgestandenen tyrannischen Dienstbarkeit vergalten es ihnen die Weiber wenig, sie zeigten sich nicht als Gehilfinnen des Mannes, wie sie vom Priester eingesegnet worden waren, sondern benahmen sich wie Marterknechte und Henker, welche ihre Ehemänner durch Katzenbeißen, Hundebellen und Bärenreißen quälen, sie belügen, betrügen, bestehlen, und heimlichen Kupplerinnen und Gimpelhuren zutragen, was sie können. Da merkte ich, wie wahr es ist, daß ein schlechtbeweibter Mann alles das ausstehen muß, was ein armer Märtyrer auf Erden mag ausstehen und leiden.

Während ich das elende Leben dieser Leute betrachtete und nun nicht anders meinte, als daß ich auf dem rechten Wege des Himmels sein müßte, da hörte ich eine Stimme, welche rief: »Platz! Platz! Lasset die Herren Apotheker passieren!« – O Gott! sprach ich, hat es auch Apotheker allhier? Dann ist dieser wahrlich der Weg zur Hölle; wie es denn auch wahr war und wir gewahr wurden. Denn in einem Augenblicke, ehe wir es merkten, waren wir durch viele kleine Fallbrücken schneller darin, wie die Mäuse in der Falle, wo der Eingang leicht, der Ausgang aber schwer und unmöglich ist, wo die Fußtapfen alle hinein, keine aber hinaus gehen. Es wundert mich, daß die ganze Zeit, die wir auf Erden waren, nicht einer gefragt und bedacht hat: was machen wir? Was gedenken wir zu thun? Wie leben wir? Wie hausen wir? Was wird es für ein Ende nehmen? Wo kommen wir hin? Wann kehren wir um? Keiner hatte, solange wir auf diesem Wege gewandert waren, gesagt, daß wir in die Hölle gingen; und nichtsdestoweniger, als wir jetzt in dem Höllenkäfig waren, sah einer den andern mit Verwundern an, und alle erhoben ein Mord- und Zetergeschrei: o wehe, o wehe, wir sind in der Hölle! O ewig Ach und Wehe, wir sind in der Hölle! Es ist gewiß, wir sind in der Hölle! O Ewigkeit, o Hölle! – Darüber erschauderten mir Herz und Seele und die Haare stehen mir wahrlich noch jetzt zu Berge, wenn ich diesen schrecklichen Worten nur ein wenig mit Ernst nachdenke: O Mord, o Zeter, o ewig Ach und Weh!

Ist denn das nur immer möglich, daß wir in der Hölle sein sollen? fragte ich; und in einem Augenblick wurde alle Weltfreude, alles Lachen und Wohlleben in ein ewiges Trauern verwandelt. Mit Zittern und Zagen bedachte ich nun erst, aber viel zu spät, was ich in der Welt gethan, was ich unterlassen, was und wen ich hinterlassen hatte? Freunde und Verwandte, meine Liebsten, meine Gesellschaft, alle Frauenzimmer. Da fing ich an zu seufzen und zu klagen, sah zurück nach der Welt und nach dem Wege, den ich gewandelt war. Hier sah ich aber eilends wie auf der Post hinter mir herkommen alle die, welche mit mir auf der Welt in Gesellschaft gelebt und gewaltet hatten, durch deren Zurufen und Gegenwart ich um nichts getröstet wurde. O Mensch, o Mensch, bedenke das Ende, so wirst du nimmermehr sündigen! Durchforsche alles, und du wirst nichts schrecklicheres finden als zu leben in dem Zustande, in dem du nicht zu sterben wagst! – In diesem Unglück und dieser Verdammnis gingen wir weiter, bis wir ein Schock Schneider antrafen, die sich aus Furcht vor den Teufeln in eine Ecke zusammengedrückt hatten.

Bei der ersten Pforte sah ich sieben Geister, welche eine Rolle in der Hand hielten mit den Namen derer, die ankamen. Sie fragten auch mich nach meinem Namen; wer, welches Standes und ob ich nicht ein Amtmann wäre? Denn die Amtleute sind in der Hölle ganz zollfrei, und werden gern aufgenommen und sehr gefördert. Sobald ich ihnen aber Bescheid gesagt hatte, ließen sie mich weiter gehen.

Als sich die Schneider angemeldet hatten, sprach einer der sieben Geister: »Da schlage Blei zu! ist das nicht ein seltsames Wesen? Ich glaube, die Schneider auf der Welt meinen, die Hölle sei für niemand anders als für sie allein gemacht, denn sie kommen zu Hunderten und Tausenden daher! Wie viel sind euer?« fragte ein Teufel. »Unser sind just ein Hundert,« antwortete deren einer. »Es ist nicht möglich, sprach ein anderer Teufel, daß euer nur

hundert sein sollen; denn die geringste Truppe, welche sonst täglich hier anlangt, ist nicht unter tausend oder zwölfhundert; und es sind deren schon so viel hier innen, daß wir nicht wissen, wo mit all dem Diebsgesindel hin, und ob wir noch mehr annehmen werden oder nicht;« worüber die arme, wurmstichige Gesellschaft heftig erschrak, bis sie endlich auf Fürsprache einiger Kaufleute angenommen wurden. – Das müssen ja die allergrausamsten Leute sein, sprach ich bei mir, denen man zu besonderer Strafe sogar die Hölle verwehren wollte. – Es währte nicht lange, so kam ein alter krummer, buckliger Teufel daher, der sie mit einander in eine tiefe Grube hinabstürzte und dabei rief: »Habt Acht! Aus dem Wege! Macht Platz!« Aus Vorwitz ging ich heran und fragte nach der Ursache, daß er so höckerig, krumm und entstellt wäre? Er antwortete, es wäre vor Zeiten sein Amt gewesen, die Schneider aus der Welt abzuholen und in die Hölle zu tragen; von der Menge und Last habe er diese Ungestalt bekommen. Da aber die Schneider seit wenig Jahren ohne Satz und Taxe lebten und so von selbst der Hölle zuliefen, wäre er dieser Mühwaltung überhoben und nur noch damit geplagt, sie bei ihrer Ankunft an diesem Orte einliefern zu müssen.

Darauf ging ich fort durch ein enges, finsteres Gäßchen nach einem großen ummauerten Platz, da ich hörte, daß mich einer mit Namen rief. Doch ich kehrte um mit solchem Schrecken, daß mir der kalte Schweiß ausbrach, denn ich wurde eines Menschen gewahr, der war übel zugerichtet und geberdete sich elendiglich sowohl wegen des dicken Gestanks, als wegen der greifbaren Flammen, die ihn umgaben. »Ihr, Herr, höret ihr nicht! rief der Armselige; kennet ihr mich nicht, Philander? Ich bin Ocus Bocus, der Buchdrucker, der die Druckerei gehabt hat, die ihr wohl kennt!« – Ist das möglich? sagte ich. »Ja freilich, antwortete er, ich bin es selbst.« Wer sollte das gedacht haben! Der elende Tropf meinte, ich sollte mich mehr verwundert und bekümmert haben als ich that. Aber ich wunderte mich viel mehr ernstlich über die große wahrhaftige Gerechtigkeit Gottes, der ja einem jeden Unbußfertigen den verübten Frevel zu rechter Zeit nicht unvergolten läßt. So auch diesem, dessen Buch- oder Kramladen ein rechtes Hurenhaus von Büchern war, wo Zucht und Ehrbarkeit verhöhnt und verlästert wurden; der alle garstigen, zotigen Lumpenbücher und Schriften gedruckt und verlegt hatte; durch dessen unergründliche Geldsucht allein die heutige einfältige, unbedachtsame Jugend so manche Scharteken der Fastnachtspredigten, Gartengesellschaft, Rollwagen, Amadis, Schäfereien und anderer mit äußerstem Aergernis liest. Er aber sprach: »Was hilft's? Das ist der Buchhändler und Drucker Lohn; denn wir werden verdammt nicht nur unserer eigenen sondern auch anderer Leute böser Werke willen, insonderheit aber vieler, die aus dem Griechischen, Lateinischen und Welschen in unsere Muttersprache übersetzt worden sind; so daß heutiges Tages ein Lakai oder Stallknecht eher den Virgilius, des Ovidius de arte amandi, Romane u. s. w. in der Hand hat, als ein Paradiesgärtlein, Habermann, RosengärtleinS. Seite 77 Anm. oder ein anderes herrliches Gebetbuch.« Der Elende hätte immer so fort geplaudert, wenn nicht ein Teufel, der das Geschwätz zu hören müde wurde, ihm den Athem mit einem flammenden, rauchenden Käse gestopft hätte, dessen stinkender Geruch mich forttrieb; und ich dachte bei mir: Behüte Gott! wird man also tractirt um fremder Leute böser Werke willen, wie wird es dann denen ergehen, die solche losen Bücher und Schriften selbst machen und an den Tag kommen lassen. – Ich hörte ein Rufen: es ist eine große Fähigkeit in den Büchern sowohl zu Gutem als zu Bösem; zu Gutem, indem oft einer durch ein tugendhaftes Büchlein tugendhaft, durch ein züchtiges züchtig, durch ein gottseliges gottselig, durch ein heiliges heilig wird; dagegen aber auch durch ein schandbares schandbar, durch ein unkeusches unkeusch, durch ein gottloses gottlos, durch ein heidnisches heidnisch, durch ein teuflisches teuflisch und an Leib und Seele verdorben wird.

Durch Büchsen ist manch Herz getroffen,
Durch Schifffahrt sind viel Leut' ersoffen.
Durch Bücher viel' zur Höll' geloffen.

Beim Hinweggehen zupfte mich ein anderer am Arm, daß ich über die Maßen erschrak. Mein Gott! was für Schrecken und Noth ist da an allen Orten! Ich fragte, wer er wäre? »Helft mir, helft mir, ich ersticke! sprach er, so daß ich meinte, er hing an einem Strange, ich würde dann den Dieb aus Mitleiden abgeschnitten haben. »Nein, nein, sprach er; ich hänge nicht und doch muß ich ersticken, denn ich fühle inwendig meine Schmerzen.« Was ist dir denn? fragte ich; hast du etwa zu gierig gegessen? »O weh, nein! nicht gierig gegessen, sondern gedruckt. Ich bin auch ein Buchdrucker und im Drucken so vortheilsüchtig und gierig gewesen, daß ich mir nicht habe genügen lassen an denjenigen Schriften und Büchern, die man mir in das Haus gebracht hat, sondern ich habe auch des Vortheils willen andere Bücher zum Schaden und Nachtheil ihrer Verleger nachgedruckt. Sobald ich gesehen, daß irgend ein Werk gut abging, so habe ich dasselbe in ein anderes Format gebracht, oder mit anderer Schrift, oder verändert, verketzert und vermehrt zu höchster Beschimpfung des Buchschreibers aufgelegt, um den Gewinn mir zuzuziehen. Dabei aber habe ich nicht bedacht, ob Gott oder der Christenheit damit gedient wäre, sondern einzig und allein, wie ich mir damit Reichthum sammeln könnte. O helft mir, ich ersticke!« Was Teufels hast du denn im Hals? fragte ich. »Einen Nachdruckteufel, einen Buchteufel, ein feuriges Buch, das ich unlängst einem ehrlichen Manne zum Verdruß und Schaden nachgedruckt habe; deswegen habe ich die christliche Liebe außer Acht gelassen und bin des Gewinnes willen des Teufels geworden.« – Daß dir's dann der Teufel segne! sagte ich darauf. Warum hast du dir nicht an dem genügen lassen, was dein ist? Hast du denn nicht Gottes Gebot vor dir gehabt ›du sollst nicht stehlen‹? »O wehe! rief er; sprecht nur nicht von Stehlen, sonst komme ich ganz von Sinnen, ich habe es zuvor gewußt! O daß der Geiz verdammt wäre, der mich zu solcher Thorheit gereizt hat! Verflucht sei die Stunde, in der ich solchen Frevel begangen habe! Ach mein Freund, nimm mir nur das Geld aus den Augen, das Gold, das ich durch dieses Nachdrucken gewonnen! Wenn mir dieses aus Gesicht und Gedanken wäre, so möchte ich vielleicht Linderung der Schmerzen fühlen.« Wo hast du es denn? fragte ich. »Da, da, da!« sprach er und wies mir mit dem Finger ein Gewölbe, wo etliche Kisten voll standen. Ich nahm eine Hand voll heraus um zu sehen, was es für Münze wäre. Aber es zerrann mir unter den Händen und verschwand in der Luft. Als der unselige Kerl sah, daß sein vermeintlich gesammelter Reichthum nicht besser gedeihen sollte, fuhr er in die Höhe, als ob er bersten wollte, stellte sich wie ein Hund oder eine Katze, denen ein Knochen quer in den Hals gekommen ist, und trieb es mit den lächerlichen, possierlichen Sprüngen eine gute Weile, bis er wie todt zu Boden fiel, und ihm die helle Flamme in Form von griechischen Buchstaben zum Halse hinausfuhr. – Dies Gesicht giebt mir Ursach, alle ehrliebenden Drucker zu vermahnen, daß sie sich ja, außer was zu unzweifelhafter Beförderung der Ehre Gottes und des Nächsten vonnöthen und erlaubt ist, ernstlich enthalten nachzudrucken, damit sie an dergleichen Büchern dermaleinst nicht, wie dieser Armselige, am feurigen Galgen ersticken oder dasjenige wieder ausspeien müssen, was sie zuvor sich und den Ihrigen zu ewigem Fluch und Untergang gewonnen haben. Denn ›das ist der Wille Gottes, daß niemand zu weit greife noch vervortheile seinen Bruder im Handel; denn der Herr ist der Rächer über das Alles.‹

Damit ich aber aus dem Jammer kam, ging ich vorwärts auf eine Wiese zu, welche aussah, als ob sie, wie auf der Welt in schönen Sommertagen, mit Kräutern und Gras bewachsen wäre. Allda fand ich verschiedene Parteien, welche doch nicht ohne innerlich nagenden Wurm und heimliche Schmerzen spazieren gingen. – Wie ist das zu verstehen? sprach ich zu einem: ich sehe, es ist auch Hübsch-Wetter in der Hölle zu finden. »Ja, sprach dessen Gefährte; aber in viel anderem Wesen als auf der Welt. Denn auf der Welt hält man dafür, Hübsch-Wetter sei ein Dieb; und es ist auch wahrlich so nach dem Sprichwort: Schön-Wetter und Freunde sind Diebe der Zeit. Denn Hübsch-Wetter und gute Gesellschaft stehlen einem die theure Zeit hinweg und machen, daß manche Stunde ohne Nutzen wird verbracht und mit Spazierengehen und Spielen vertrieben. Aber hier in der Hölle, wo nichts zur Ergötzlichkeit und Lust, sondern alles zur Unlust und Qual der armen Seelen dient, ist Hübsch-Wetter zwar auch ein Dieb, aber ein Dieb des Trostes und der Freuden und ein Heger alles wohlverdienten Leidens: wenn wir nämlich das sehen und hören müssen, was wir doch nicht genießen können; wodurch uns das Gedächtnis früherer Zeiten, die wir bei schönem Wetter auf der Welt so treu- und ehrlos, so ehr- und gottvergessen, ohne Nutzen und Frommen, ohne Gebet und Arbeit, in Lustseuche und Sünden verbracht haben, umsomehr peinigt und martert. Und es wäre wohl zu wünschen, daß die, welche noch auf der Welt sind, sich an uns erspiegeln, daß sie nimmermehr die weltliche Lust, Freude, Nutzen oder Ergötzlichkeit den ewigen vorziehen und so das Himmlische durch das Zeitliche verscherzen und verlieren.«

Während dieses Gesprächs hörte ich ein Geschrei und Wimmern vieler Seelen. Auf meine Frage, was das für Gesellschaft wäre? wurde mir geantwortet, es wären Bratengeiger, Spielleute und Sänger, welche gedächten, wider die Teufel einen Proceß anzustrengen, weil sie ihnen das Geigen und Spielen entweder ganz verwehren oder doch die Saiten allzuhoch spannen wollten, was ihnen zuvor weder an Königs- noch Fürstenhöfen passiert wäre. – Ich bitte mein Lieber, sprach ich zu einem: was mag die Ursache sein, daß ihr so streng gehalten werdet? »Nichts anderes, antwortete einer aus der Gesellschaft, als daß wir mit Harfen und Geigen, mit Corantos, Passomezen und Sarabanden,Es sind Tänze sammt der dazu gehörigen Musik. mit Reigen und Volten hierher gekommen sind, was uns die Herren Teufel so übel aufnehmen: dies sei nicht ein Ort des Lachens, Tanzens und Springens, sondern des Heulens, Weinens und Weheklagens.« – »Warum, du Lumpenhund, sprach einer von den Teufeln, sagst du nicht die gründliche, wahre Ursache, die ihr von jeher vertuscht und verhehlt habt, nämlich eine unzählige Menge von allerlei graulichen, wüsten, stinkenden Sünden, wozu ihr der thörichten, hitzigen Jugend Anlaß und Gelegenheit gegeben habt? Gleichwohl aber habt ihr das Alles verschwiegen, solange ihr am Leben waret. Ja, auch bei den allerheiligsten Uebungen habt ihr, anstatt zur Ehre Gottes geist- und anmuthreiche Psalmen und Gesänge erschallen zu lassen, durch welsche, lose, leichtfertige Fugen, Phantastereien und Concerte zu unzüchtigen, leichtsinnigen Hurentänzen Anlaß gegeben und auf der Orgel aufgespielt, daß gottliebende Herzen einen Abscheu und Greuel davor gehabt haben, Gott aber dadurch höchlichst gehöhnt und verlästert ist.« Darauf sprach ein anderer Spielmann, ein Diskantist: »Für wen seht ihr uns denn an? Meint ihr, wir seien Bärenhäuter? Ihr sollt wissen, daß wir auf der Welt bei den vornehmsten Gesellschaften anders angesehen und gehalten worden sind. Sind auch wohl bravere Kerls als die Spielleute in Kleidung und Tracht zu finden? Seide und Sammet, Taffet und Atlas ist an uns nicht geschont! Unsere Geigen, Brücken und Bogen, Zapfen und Hälse, Mundstücke und Griffe – sind sie nicht von Silber und Gold und unsere Feldzeichen nicht mit Schau- und Gnadenpfennigen behängt gewesen? Woher mag uns jetzt diese Ungnade herrühren, die wir eher für Herz- und Schellenkönige als für schlechte Leute angesehen werden sollten! Mit Recht hat man uns werth und hoch gehalten, die wir die Betrübnis, wovon das menschliche Leben umgeben ist, so zu überzuckern und zu überwinden geholfen haben, weswegen wir auch an Fürsten- und Herrenhöfen und bei großen Leuten mehr als sonstwo gelten.« – »Was ist das? sprach ein Teufel, der vor Lachen bersten wollte; was ist das? Wir haben vermeint, einen Bratengeiger hier zu haben; nun ist es ein Fürsprecher, ein schwatzhafter Zungendrescher, der nicht weiß, wo er seines Gewäsches ein Ende machen soll. Kennst du dich auch noch? Weißt du auch noch, wer du bist? Denkst du auch noch daran, wie du mit den Gaben Gottes gehaust hast, wie du in Verschwendung und Verwüstung mit Speise und Trank freventlich umgegangen bist? Darfst du dich wohl deiner köstlichen Kleider, Schilder und höllischen Gnadenpfennige rühmen? Du würdest wohl davon geschwiegen haben, wenn du den Reim in Acht genommen hättest:

Ein Spielmann, der die Speis' und Trank
Nicht annimmt mit Genüg' und Dank,
Sondern will Geld, Schild, Kleider ha'n:
Dem geschieht auch kein Unrecht daran,
Wenn man ihn schlägt und stäupet frei;
Auf daß er wiss' und spür' dabei.
Daß er ein rechter Schalksnarr sei.« –

»Was? Schalksnarr? sprach ein anderer Spielmann, ein Bassist, der eben erst von einem Nachttanz gekommen war: läßt man uns hier so trocken sitzen, anstatt uns hier, wie wir hofften, einen Schlaftrunk zu reichen? Es muß ja wenig Freundschaft unter euch zu Hause sein! Ihr habt gar wenig Ursach uns so übel zu tractiren, insonderheit mich: denn obwohl mir kann vorgeworfen werden, daß ich oft auf der Orgel in der Kirche zum Gottesdienst und sonst in andern ehrliebenden Gesellschaften gespielt habe, wofür ich allhier büßen müsse, so ist doch bekannt, und ich kann und will es durch viele unverwerfliche Zeugen beweisen, daß ich öfter zu Abendzechen, heimlichen Kuppeleien und Hurentänzen gedient habe, mehr zu St. Arbogast als zu St. Peter,D. i. die Kirche. mehr im grünen Schiff, auf den Wiesen, auf den Auen zu Schilke, in der Ruprechtsau, zu Hausberg – in Summa, zu Hofe gewesen bin als in der Kirche, und an allen Orten euch mehr zum Gefallen als zum Verdruß veranstaltet habe. Wenn ich jezuweilen zur Orgel gespielt habe, so geschah es doch nicht so sehr aus christlicher Andacht, als um den Gesellschaften Zeit, Ort und Gelegenheit zu Zusammenkünften zu geben: das nennen wir auf a la mode in die Kirche gehen. Zum Beispiel: wenn ein Freier wissen wollte, ob seine Liebste ein ehrlich Mädchen oder ein Balg wäre? so durfte er weiter nichts fragen als: ob sie in unserer Gesellschaft gewesen wäre? Denn das war ein sicheres Zeichen, daß sie ein oder etliche Eisen verloren hatte.« – Aber all sein höfliches Schwatzen konnte ihn in diesem Falle nicht schützen, sondern er wurde sammt seiner ganzen Gesellschaft in die Bande der Finsternis verwiesen, wo sie bei ewigem Durst ein unaufhörliches Nachtgeheul pfeifen, schlagen und klappern müssen.

Darauf kam ich an einen Ort mit großen Gewölben, wie Fürsten oder Herren Keller sind. Bald verlor ich hier allen Geruch und Geschmack und fragte, wie dies käme? Da antwortete mir einer der Geister: es wären die Schalksnarren, Possen- und Zotenreißer, Aufschneider und dergleichen Gesellschaft, deren Gespräch, Geschwätz und Possen, garstig und geschmacklos, dieses verursacht hätten. Diese elenden Tröpfe peinigten sich untereinander sehr, erzählten sich gegenseitig Schnacken, und der eine oder andere mußte sich durch die Hechel ziehen lassen, daß er vor Verdruß hätte bersten mögen.

Unter diesen sah ich andere, die ich vor der Zeit für ehrbare Biedermänner gehalten hatte; darum fragte ich einen der Geister, warum diese da wären? Er sagte mir: sie seien Fuchsschwänzer und Liebkoser, und deswegen dahin verwiesen, weil sie in der Haut rechte Schalksnarren, obschon äußerlich ehrbaren Aussehens wären. Ihnen wurde von den Teufeln etwas mehr erlaubt, weil sie sich mit den Teufeln vergleichen, da sie ehrliche Leute auf der Welt plagen, wie die Teufel die Gottlosen in der Hölle, ja in vielen Stücken dieselben weit übertreffen; vor diesen kann man sich segnen und hüten: vor einem Fuchsschwänzer aber, der unter guten Worten und freundlichem Schein seine besten Freunde verräth, ist es unmöglich sich zu hüten.

»Die andern neben ihnen werden Friedenmacher, Händelschlichter, Mittelmänner, Unterhändler, Makler genannt, deren Art es ist, den Boden gar nicht oder nur wenig zu berühren, weil sie stets auf dem Seile laufen. – Umläufer, die in großen, berühmten Städten, wo sich ein Streit entsponnen hat, geschäftig sind, sich heran machen, den dritten Mann abgeben, das Beste zur Sache reden, einem jeden nach seinem Wunsche sprechen, aber nichts anderes suchen, als wie sie das Fett von der Suppe kriegen möchten. Unterhändler, die gern einen Kauf machen helfen, damit sie umsonst mitzechen und mitzehren können; Hochzeiten anrichten, damit sie ein Brautstück oder ein Paar rothe Hosen verdienen. Makler, die einem fremden Tropf helfen Mittel zu erwerben oder ungewisse Sachen zu erforschen, um 20 oder 30, ja wohl gar 40 Procent zu gewinnen, kurz: die da wissen, allen Sachen ihre Farbe anzustreichen, alles deuten und drehen zu ihrem Vortheil und nach ihrem Willen: Leute, welche lügen können, ohne roth dabei zu werden; die Lügen für eine Ehre halten, die rechte Wahrheit verdunkeln und übergehen, eine Sache mit arglistiger Unwahrheit verbinden, falsche Berichte anbringen, mit der Wahrheit sparen, mit dem großen Messer aufschneiden, sich selbst in die Backen hauen, unter die Tauben werfen und schießen, Fabeln erdenken und sich keiner Lüge schämen – Leute, die gleichwohl meinen, daß ohne sie alle menschliche Einigkeit, Friede und Stillstand in Ewigkeit verjagt und die Welt längst zu Grunde gegangen wäre. Es sind Leute, durch deren Hurtigkeit, bevor das mönchische Bücherabschreiben und das deutsche Bücherdrucken aufgekommen ist, aller Welt Händel und Botschaften verrichtet und geschlichtet wurden (wie noch vor dem Jahre 1492 in West-Indien geschehen ist). Wie aber dieser Leute ganzes Thun keinen Grund hat, so bleibt bei ihnen auch weder Geld noch Gut, sondern geht so leicht hindurch, wie es gewonnen ist. Sie wissen auch jetzt noch hier an diesem Orte auf Begehren ihr Amt musterhaft zu verrichten und jedwedem ihre angenehmen Dienste anzubieten.

Den du dort allein sitzen siehst, war ein Richter, der aus der Stadt Verona verwiesen wurde und dem Herzog von Placentia lange Zeit in den Niederlanden gedient hatte. Das Uebel, das er auf der Welt angestiftet, ist nicht, daß er das Recht gebrochen, sondern allein, daß er es, wenn es ihm verträglich schien, gedreht und gebogen hat. – Und so du recht um dich schaust, wirst du von allen Ständen Leute unter diesen Schalksnarren finden, darum ist ihrer auch eine so große Menge. Ja, wenn man von der Sache richtig reden will, so seid ihr Weltkinder fast alle über eine Form und einen Leisten geschlagen und geht alle allein darauf aus, wie ihr einander durch die Hechel ziehen, bei der Nase herum führen, eins auswischen, ein Bein vorschlagen könnt: so daß bald mehr Schalksnarren, als rechte geborene Narren anzutreffen sein werden. Daher kommt es denn, daß so viel Ungerechtigkeit auf der Erde hin und wieder im Schwange geht, und das fast ohne Unterschied in allen Ständen; ja je höher und heiliger ein Stand ist, je größere und verdecktere Fehler und Mängel werden darin verspürt, und es ist unter allen Menschen nur dieser Unterschied: wer den Schalk besser verbergen kann, wer sich heiliger stellen, wer Ehrbarkeit nähren, wer sich selbst für fromm ausgeben kann, der muß den Preis erhalten, und sollte er auch unter allen seinen heimlichen Begierden, Listen und Tücken erliegen müssen. – Um nun von der Gerechtigkeit einmal zu reden: mein Lieber! von wem ist sie mehr angefochten als von denen, welche sie schützen und schirmen sollten, von den Juristen, die das Recht richten, daß es krumm wird, und wo es krumm sein sollte, biegen, daß es grade wird, ungeachtet dessen:

Wer will ein rechter Richter sein,
Der soll nicht achten Dein und Mein.

Das gemeinste Laster der Menschen, dessen sie auch am wenigsten gewahr werden, ist die Ungerechtigkeit: wenn z. B. Obrigkeiten von einer Partei hören, was man von einer andern sagt, es gleich glauben, dem Beklagten Unrecht geben ohne ihn gehört zu haben, und noch alte faule Sachen, die zu diesem Umstand nicht gehören, wider das achte Gebot miteinflicken: – wenn ferner geistliche Personen, gleichwie die Obrigkeiten, ihre Anbringer und Zuträger haben, die ihnen heimlich hinterbringen, was in der Welt vorgeht, ja selbst der Obrigkeiten und deren redliche Meinungen und Vorsätze fälschlich anbringen, übel auslegen und zum ärgsten deuten, die von andern redlichen Leuten Sachen erzählen, wovon jene selbst nichts wissen, viel weniger jemals daran gedacht haben. Der Geistliche aber aus innerlich-treibender, menschlicher, schwacher Mißgunst oder aus eingebildeter Alleinselbstheiligkeit glaubt nicht allein dies alles mit innerem Kitzel ohne vorherige Erkundigung, sondern trägt es auch der Gemeinde als gewiß geschehene Dinge vor, zum höchsten Aergernis derer, die es anders wissen und gesehen haben. Er verdammt also, bevor er die Partei gehört hat: – wenn ferner ein Nachbar vom andern, ein Christ vom andern hört Arges reden oder ihm Böses nachsagen, und er stimmt gleich mit zu, ohne zu wissen, ob es wahr ist oder nicht – alle diese sind ungerechte Richter, greifen Gott in sein Werk und Amt, wollen Gott gleich sein und stürzen sich dadurch in die Verdammnis, wie denn alle diese Gesellschaft, welche hier ist, nach ihren Verdiensten wird abgestraft werden.«

Als ich aus diesem Orte heraus kam auf einen weiten Platz, sah ich einen großen Haufen Pastetenbäcker über einander liegen, denen ein Teufel die Köpfe in Mörsern zerstieß. Sie dauerten mich über alle Maßen, und gern hätte ich für sie ein gutes Wort eingelegt. »Ach! sprach einer derselben, dem das Hirn noch nicht ganz zerstoßen war: sind wir nicht unselige Menschen, daß wir um fleischlicher Sünde willen solche Marter leiden müssen, die wir es doch weit mehr wegen der Knochen verdient hätten!« »Ha, Speivogel! sprach ein Teufel: wer sollte billiger verdammt sein und solche Pein leiden als allein ihr, die ihr mit so vielerlei Dreck, den ihr in die Pasteten verbacken, die Welt hättet ganz vergiften können! Die ihr anstatt Nierenfett ekles Nasenschmalz, anstatt Rosinen Mücken unter die Pasteten gewirkt habt, so daß sich mancher die Ruhr an den Hals gefressen, was ihr mit eurer unsauberen Arbeit und dem stinkenden Schelmenfleisch allein verursacht habt! Und ihr wollt euch noch beschwören, daß euch hier zu sehr unrecht geschieht? Leidet, leidet in aller Teufel Namen und machet nur nicht viel Murrens! Wir sollten vielmehr murren, weil wir mehr Strafe leiden euch peinigen, als ihr die Marter ausstehen zu müssen. Und du, Philander, sprach er mit einem zornigen Gesicht zu mir, der du ein Fremdling in diesen Landen bist: es bedarf hier nicht des Mitleidens und Erbarmens; ziehe fort und mache nicht viel Mist's hier, denn wir und diese haben mit einander zu schaffen, der Drittmann kann hier nicht viel leisten!«

Ich ging von hier weiter und gelangte in eine große Hölle, darin ich unzählig viele Seelen in lichterlohen Flammen sitzen sah. Der eine derselben sprach: ich habe nichts zu theuer verkauft; der andere: ich habe keine falsche Waare verkauft; der dritte: ich habe mit richtigem Maße gemessen; der vierte: hab' ich schon theuer verkauft, so habe ich doch niemand weiter als den Herren verkauft. – Sobald ich sagen hörte, er hätte den Herren verkauft, dachte ich: Hoho! das ist gewiß Judas! Um ihn besser sehen zu können und zu erfahren, ob er einen rothen Bart hätte, wie man sagt, nahte ich ihm. Aber ich erkannte in dem unseligen Tropf einen reichen Kaufmann, der erst vor kurzem auf der Erde gestorben war. Wie, Meister Pontius, rief ich, seid ihr an diesen Ort gerathen? Aber er würdigte mich nicht eines Blickes, wie ich merkte, deswegen weil ich ihn nicht ›Herr‹ titulirt hatte, was ihn eben sehr verdroß. Ach, ihr einfältiger, alberner Tropf! sprach ich weiter: wie? habt ihr solche Eitelkeit und Thorheit noch im Kopf, die doch allein eures Unglücks Ursache ist? Wäre euch ein wenig Gottesfurcht und Genüge lieber, als Unrecht und böses Gewissen gewesen, so wäret ihr nicht an diesen Ort der ewigen Qual durch eure Ueppigkeit und euren Geiz gerathen. – Aber er hat mir auch hierauf kein Wort geantwortet, ob aus Scham, aus Schmerz oder Hochmuth, weiß ich nicht. Doch einer der Henkersknechte, die ihn peinigten, nahm für ihn das Wort und sprach: »Sollte denn diesen heimlichen Dieben alles nach ihrem Wohlbehagen ergehen? Diese Bösewichter haben eben das mit ihrer Elle und Stab ausrichten wollen, was Moses gethan hat, der aus Steinen ließ Wasser fließen. Dieser hier hat Christus, eurem Heiland, das Handwerk nachäffen wollen, indem er aus Wasser Wein machte: sie alle insgesammt haben das gethan, was wir und Lucifer auch gethan haben, nämlich Gott gleich sein wollen; denn weil Gott unermeßlich und ohne Maß ist, so haben sie es auch sein wollen und den armen Leuten weder richtiges Gewicht noch Maß geliefert. Vielen hat es zum Betrug gedient, daß sie ihre Läden und Gewölbe im Finstern gehabt, um die Waaren desto leichter zu verfälschen, desto schwerer zu machen, oder doch wenigstens der Waare einen Schein zu geben, alte, verdorbene für neue, Ziegelmehl und Wurzeln für Würze zu verkaufen. So kann man wohl sagen: die Reiter sind geringere Räuber als die Kaufleute, sintemal die Kaufleute täglich die ganze Welt berauben, während ein Reiter das Jahr nur einmal oder zweimal einen oder zweie beraubt.

Was haben nicht die Juweliere, Seidenwirker, Goldschmiede und dergleichen für Armuth verursacht! Wenn die Welt witzig wäre, so hätte sie billig alle solche Händler mit ihren goldenen und silbernen Stücken, Spitzen, Tressen, Gold, Silber, Perlen, Diamanten sollen Hungers sterben lassen. Diese Waaren haben sie je nach Belieben bald hoch getrieben, bald herabgesetzt: diese unnöthigen Sachen, welche die Welt zu ihrem Besten wohl hätte entbehren können. All euer Unglück und Verderben kommt von ihnen her; sie wissen euch so meisterlich in ihre Garne zu bringen und zu fangen mit dem schädlichen Credit, womit sie euch herbeilocken und herbeiziehen, wie mit dem Magnet das Eisen. Dadurch aber gerathet ihr unvermerkt in solche Noth, daß es die Teufel hier, geschweige die Menschen erbarme. Denn was sie euch auf Credit anhängen, das heißt dreifach aufgeschrieben, dreimal mehr gefordert, als die Waare werth ist. Und wenn die Zeit des Zahlens gekommen ist, – welch Rennen und Laufen! Da bist du weder zu Hause noch draußen sicher: die Fledermäuse folgen dir nach, der Gruß macht dich bange, daß du möchtest aus der Haut fahren; bald kommt ein schwarzer Engel, bald geht's in das Pfandhaus – vom Borgen zum Worgen.Wir sagen: Halsabschneiden. Kurz: was sie euch anfangs selbst für zehn Thaler angehängt haben, das nehmen sie für einen Thaler an Bezahlung wieder, und wie sie euch zuerst als Prinzen umfangen, so bemühen sie sich jetzt euch als Bettler zu hängen.«

Oberhalb dieses Quartiers sah ich, wie in einem Kühlofen, viele Kerls auf einem Haufen lagen, von denen einige an ein eisernes Rostwerk herantraten und danach warfen, als ob sie wollten in den Narren werfen (ein gemeines Spiel unter den Menschen auf Erden, wobei der Narr das Beste gewinnt). Wenn diese ermüdet waren, so mußten sie wieder auf den Haufen, und andere traten an ihre Stelle, die das Werfen auf obige Weise fortsetzten. Auf meine Frage, was das zu bedeuten habe, ward mir geantwortet, es wären die Mittelmäßigen unter denjenigen, die auf Erden bei den Zolldiensten gewesen; sie würfen hier den empfangenen Zoll auf einen großen ehernen Rost, und was durchfiele, das sei ihr Antheil, was darauf liegen bliebe, lieferten sie der Obrigkeit ab. Das war aber, wie ich bemerken konnte, nur ein Weniges gegen das, was ich unter den Rost fallen sah.

Ich fand, wie richtig dies alles sei. Doch wenn ich dem Teufel Gehör gegeben hätte, so würde er sein Gespräch noch lange nicht beendet haben. Darum ging ich von dannen einem Orte zu, von wo ich ein großes Gelächter hörte: denn es däuchte mir ein wunderliches Ding zu sein in der Hölle lachen. Bald sah ich denn auch zwei todte Kerls beisammen stehen, bekleidet als ob sie Junker wären. Der eine hielt einen großen Pergamentbrief in der Hand, unten mit einem tellerbreiten Insiegel versehen. Ich hielt ihn für irgend einen Zahnbrecher oder Bruchschneider, welche oftmals den Junkern gleich gekleidet gehen, der an einem Orte eine Heldenthat verrichtet, einen armen Mann mit Aufschneiden um sein Geld gebracht hätte (denn die Bruchschneider sind von Natur Aufschneider: sie können nicht helfen, es sei denn daß sie den Schaden zuvor aufschneiden). Aber bei jedem Wort, das er sprach, erhoben die Teufel ein Gelächter, als ob sie bersten wollten; deshalb vermuthete ich, es wäre Harlequin oder Hanswurst oder einer dergleichen Gaukelnarren, der einen Mummenschanz aufführte und seinen Hut auf tausenderlei Weisen verwandelte. Aber ich hatte gefehlt; denn als ich näher herbeikam, sah ich, daß, jemehr die Teufel lachten, sich die Beiden umsomehr um die Narrenkappe rissen und sich erzürnten. Aus ihren Worten merkte ich endlich, daß sie Beide für gut vom Adel wollten angesehen sein, und daß der Pergamentbrief aus einer fürstlichen oder pfalzgräflichen Kanzlei herkomme, aus dem der eine seinen Adel, den er um viel Geld baar erkauft hatte, beweisen wollte. »Mein Vater, sprach er, war der und der, hat sich im Kriege ritterlich gebrauchen lassen, Straßen und Wege sauber gehalten, falsche Briefe und Posten auszukundschaften gewußt, die Bauern meisterlich können zum Gehorsam bringen, die Contributionen unfehlbar einfordern, die Ungehorsamen mit Feuer und Schwert können zur Schuldigkeit treiben. Mein Oheim war der Oberst Kehraus, des Obersten Räumauf's Vetter. Mit einem Worte: in meines Vaters Linie sind fünf vornehme Hauptleute und Helden, von denen die Galeeren zu Neapel noch genugsam Zeugnis geben können. Von Mutter-Seite stamme ich gleichfalls von vornehmem Geschlecht und vornehmen Leuten her; das kann auch nicht gut anders sein: denn, noch ein Kind, hörte ich sagen, daß meine Großmutter ein tapferes Weib wäre, deren Haus nimmer ohne großen Verkehr und allezeit mit zehn oder zwölf Mägden und Säugammen versehen gewesen.« – »Vielleicht hat sie, sprach ein Teufel, ein offenes Hurenhaus gehalten?« »Sie habe gehalten was sie wolle, fuhr der Monsieur fort: was geht's einen andern an; was ich von ihr gemeldet habe, ist eben wahr, das weiß ich. Ihr Vater trug allezeit einen Degen als Zeichen seines Standes.« – »Vielleicht ist er Thurmhüter gewesen?« sprach ein Teufel. »Wer mir nicht glauben will, der sehe hier Siegel und Brief, sprach der Herr Junker; dann wird er finden, daß ich meinen adligen Titel nicht umsonst führe. Wer will nun an meinem Adel zweifeln oder mich in einen geringeren Stand setzen, als meinen Mitgesellen?«

Der Teufel antwortete ihm: »Mein Herr Junker, es ist ja niemand dagegen, daß alles dies wahr sei: was du bezahlt hast, das ist billig dein. Aber was ist euer Thun und Wesen? Habt ihr auch während der Zeit eures Adels etwas Adliges verrichtet? Sind nicht Gotteslästern, Fluchen, Schwören, Huren, Rauben und Morden eure größten Thaten gewesen? Huren- und Wirthshäuser anstatt die Kirche zu besuchen, Tabak rauchen, ehrliche Leute ängstigen und peinigen, das Land verderben, – ist es nicht euer einziges Thun gewesen? Soll das eines Edelmannes Leben sein? Soll das einen Junker geben? Dann kann ja jeder Strauchdieb dergleichen wohl erwerben. Pfui des kahlen Titels, des losen Adels, der allein in Briefen, in Lastern, in Aufschneidereien und Prahlen, und nicht in Ehre und Tugend besteht! Wir Teufel sind nicht so albern, daß wir uns wie die einfältigen Bauern betrügen, drillen und tribuliren lassen. Tugend hin, Tugend her, das ist ein schöner Adel! Spielen, Prassen, Hunde und Vögel ziehen, Kauderwelschen, Pochen, Poltern, Fluchen, Alfänzen,Possen treiben, necken. Bauern schinden, Rauben, Sengen: – das macht keinen Junker! Wie geringen Herkommens ein Kerl immer sei: wenn er sich in seinem Leben und Thun rechtschaffen, aufrichtig, mannhaft, fest, fromm und redlich erweist, so ist er wahrhaft von Adel, und wir haben über ihn so wenig Gewalt, so wenig ihr pergamentenen Junker mit euren schindhündischen Thaten uns entlaufen könnt. Aber genug! Ihr Herren habt nimmermehr etwas getaugt und seid in eurem ganzen Leben nicht werth gewesen, das warme Wasser über dem Brot zu saufen: darum habt ihr auch ein solches Ende erlangt.« Da gab er ihm einen Stoß, daß er Hals über Kopf in die ewige Tiefe hinunter fiel.

Es mögen sich diejenigen, welche den Adel zu verleihen Gewalt haben, vorsehen, daß es ihnen nicht ergeht wie dem Herzog Anton von Lothringen, der einst einen Falschmünzer zum Strang verdammen ließ; und als er nun später einen kargen Schindhund adeln wollte, sagte einer seiner Räthe zu ihm: Gnädigster Fürst und Herr, haltet ein mit diesem Kerl, sonst habt ihr ein nicht geringeres Urtheil verwirkt als ein Falschmünzer! – Der Herzog fragte warum? Darum, versetzte der Rath, weil Ew. Fürstl. Gnaden einen Falschen von Adel machen.

Als der andere Gesell dem Spiel zugesehen hatte, sprach er: »Gnädiger Herr Teufel! so soll man es mit den Pfeffersäcken und neugebackenen Junkern machen, ganz recht so! weil sie sich im Stande uns gleich zu sein achten wollen. Ich aber, der ich mit meinen zweiunddreißig Ahnen ein Edler von Geblüt und aus der alten Ritterschaft geboren bin, auch nicht sorgen brauche, daß mir bei Turnieren irgend ein Schimpf geschehen oder daß ich auf die Schranken gesetzt werde – ich hoffe, daß mir mehr Ehren widerfahren sollen.« »Wohledelgeborner, gestrenger und mächtiger Junker! antwortete der Teufel: des Herren Junkers Herkommen ist uns sehr wohl bekannt. Wenn hier nichts weiter als Titel, Ahnen, Geblüt und alte Ritterschaft vorzubringen sind, so habt ihr wenig Freundschaft vom Teufel zu gewärtigen. Aus dem Alter des Adels einen ehrlichen Mann zu erweisen, das würde Schnaubens geben! Denn woher kommt anders der Adel als durch allerhand Griffe, Raub, Gewalttaten und Mord? Wieviele sind derer, die sich eines altadligen Geschlechts rühmen und deswegen andere, als Sklaven, über die Achsel ansehen oder ihnen nicht das Maul gönnen? Während sie doch durch solch unwirsche Grobheiten weiter nichts zu erkennen geben, als daß sie den rechten Adel nie recht erkannt haben, dessen Wesen ist, den geringeren Standespersonen mit Freundlichkeit, Sanftmuth und Tugend vorzuleuchten: der Adel der Sitten ist mehr werth, als der Adel der Geburt. Habt ihr etwa anderthalb Unterthanen, – was muß das arme elende Volk nicht für Leibdienste und Frohnden leisten und dulden! bald eine Steuer, bald eine Schätzung, bald eine Satzung, bald einen Frevel, den man vom Zaune herabsucht, so daß sie es nicht besser haben, als die elenden leibeigenen Leute vor Zeiten unter den Heiden.

Es hat der Vorwand des Römerzuges und der Türkenschatzung manchen Herren seit hundert Jahren viel eingebracht – die armen Bauern haben für den Türken bezahlen müssen, und der Herr hat sie nicht einmal sauer angesehen dafür. Es wäre daher kein Wunder, der gerechte Gott ließe den Türken mit all seiner Macht über solche Fürsten, Herren und Obrigkeiten kommen und dem Deutschen den Garaus spielen, weil sie selbst diesen grausamen Feind als Larve und Schreckbild zu ihrem Eigennutz, ihrer Hoffart und Völlerei wider die ohnehin bedrängten Unterthanen gebraucht haben. Auch noch heut zu Tage: o der gottvergessenen Auflagen! Wie wird Gott einmal so sachte Abrechnung halten mit euch über alles dieses! Ihr werdet in wenig Jahren noch Tonnen voll ausspeien und wiedergeben müssen, was ihr in so vielen Jahren den elenden Leuten ausgepreßt, ausgefoltert, ausgekerkert, ausgeprügelt und ausgemartert habt – tausend anderer Stückchen, die ihr Herren selbst besser als die Teufel wißt, dies Mal zu geschweigen.

Ueberdies: in welcher Ueppigkeit und Schwelgerei bringt der meiste Theil von euch sein Leben hin! Ist ein Edelknabe wehrhaft gemacht, so bleibt er vielleicht zu Hofe sitzen, kommt sein Lebtag nicht weiter als bis an das große Messer, lernt einen Hasen vorschneiden, eine Ente zerlegen, einen Waidspruch hersagen. Da ist dann sein Leben und Wandel, ja sein tägliches Amt nichts anders als trinken und trinken machen, saufen und zu saufen zwingen, eine Gasse auf, die andere ab; und wenn es zu herrschaftlichen Geschäften, Verrichtungen und Rathschlägen kommt, dann ist er so still wie eine Maus, wenn sie die Katze merkt. Fragt man ihn französisch, so antwortet er, damit er nicht ganz stillschweige ›oui‹, obschon er es nicht versteht; fragt man ihn lateinisch, so versteht er es ohnehin nicht; fragt man deutsch, so mag er nicht antworten, weil die Mode, die Reputation und die unadlige Einbildung dem Adel nicht erlaubt, daß er gut deutsch rede. Und gleichwohl, wenn ein solcher, der mit den gröbsten lotterbübischen Zoten, mit Rülpsen und Kotzen aufgezogen ist, ankäme, würde er bei Fürsten und Herren einem andern rechtschaffenen Manne, der sich wegen solcher Sünden vor Gott fürchtete, vorgezogen werden: und das ist nicht mehr eine alte Gewohnheit, sondern es ist zum ewigwährenden Wesen geworden; darum geht es auch so gut auf Erden.

O ihr Fürsten und Herren! O ihr Fürsten und Herren, die ihr euch der alten deutschen Frömmigkeit und Tugenden schämet und die Ohren nach welschen Untugenden jucken lasset! Warum folgt ihr nicht euren christlichen Räthen und liebt, ehrt und fördert Künste und Tugenden, die doch bei den Türken und Heiden geliebt, geehrt und gefördert werden, bei denen es heißt:

Wie das Alter kommt von Jugend,
So kommt Adel von der Tugend.

Wie alberne Menschen seid ihr, die ihr meint, eure Lande ohne Tugend in Ruhestand und Frieden zu bringen und zu erhalten! Nun, wollt ihr euren frommen, redlichen deutschen Räthen nicht folgen noch sie hören, so müsset ihr doch mich hören: denn wer die Wahrheit zu seiner Besserung nicht von Gott anhören will, dem muß der Teufel zu seinem Untergang die Predigt halten, wenn er sich nicht bekehrt und Buße thut.

Bei den alten Turnierhändeln war besonders dies des wahren Adels Zeichen: Witwen und Waisen zu schützen und Jungfrauen in der Noth zu retten und zu beschirmen. Von euch Junkerleins heutiges Tages sind eurer viele so kühn, daß, wenn ihr eines armen Bauern wohlerzogene Tochter wo nicht mit List so mit Gewalt zu Unehren und zu Falle gebracht, und man euch allemal in die Schranken forderte, wie Turniers Brauch ist, wahrlich wenig Spieße mehr gebrochen würden. Ich will gern davon schweigen, wie wenig eurer viele heutiges Tages sich scheuen, ihr hochbetheuertes Versprechen durch Abläugnung ihrer eigenen Worte zunichte zu machen, so daß es nunmehr bei den Deutschen zum Sprichwort geworden ist: verheißen ist edelmännisch, halten ist bäuerisch.

Euer Hochmuth und Stolz ist nicht zu ergründen; ein Mann sei so ehrlich und tapfer, als er immer wolle; in Diensten und Aemtern so erfahren, so angesehen, so beliebt, als es möglich sein kann; ihr schlagt doch den Muff über ihnD. h.: Ihr macht euch hinterrücks lustig über ihn. (Muff-Mund.) und achtet ihn eures Gesprächs nicht würdig, weil er ein Pfeffersack oder Schurke sei, als ob das Blut eines Ehrenmannes nicht so roth wäre als dessen, der von Adel geboren ist, oder als ob ihr eurer Mutter aus den Brüsten und nicht daher kommt, woher die andern, oder um recht bäuerisch zu reden, wie der alte Bauer Marius zu Rom: als ob euer Dreck Butter und eure Winde Bisam wären; ja, als ob ihr aus einem besseren Teige gebacken wäret als der wüsteste, stinkende Tropf und Stallknecht auf Erden.

Geschieht's, daß einer sich etwa in den Krieg, des Adels Schule, begiebt und zu einem Amt gelangt: – o wie viele sind derer, welche auf unritterliche Thaten sinnen und nicht bedenken, daß der Soldat den Namen trägt, um für Sold eine That zu thun; sondern sie gehen aus auf Rauben, Stehlen, Straßenfegen, Erbeuten bis auf die dünnen Biere und Kleie, auf Bauern- und Bürgerplündern und andere lose Stücke; z. B. wie sie den Soldaten den sauerverdienten Lohn vorenthalten, wie sie die Fürsten mit Passe-volants,Das sind sogen. ›Blinde‹, nur für Heeresbesichtigungen eingestellte Soldaten. mit Lichtergeld, Luntengeld, Werkgeld, Heugeld, Strohgeld, Ackergeld, mit ewighöllischem Pein-, Rauch- und Flammengeld – die armen Unterthanen mit Commis- und Diebsgriffen und Proviantforderungen aussäckeln können. Daher denn der nackte verhungerte Landsknecht sein Leben aus dem Stegreif zu fristen und dem armen Bauersmann das Blut aus den Nägeln zu saugen und noch viel gröbere Stücke zu treiben veranlaßt wird, daß sich Gott erbarme. Sie alle muß der Herr Oberaufseher controlliren, aber – wie streng er sich auch gegen einlaufende Klagen stellt – er darf die Verbrecher nimmermehr zu schuldiger Strafe heranziehen, weil er es selbst nicht besser macht. Wie will man hoffen redliche Soldaten zu bekommen, wenn Hauptleute und Commissarien selbst Diebe sind! Wenn es nun zum Treffen kommt, dann ziehen sie, wie rechte Lieutenants, hinter dem Volke her oder machen sich gar unsichtbar und verkriechen sich hinter Bäume und Mauern, während doch

Freie Kunst und gut Gemüth
Ist des Adels best Geblüt.

Oder wenn es noch redlich hergeht, dann trinken sie sich nicht nur einen Rausch, damit sie etwas Muth kriegen, sondern saufen sich ganz voll, damit sie ohne Sinn und Verstand seien, nichts fühlen und empfinden, aber auch nicht wissen, wie sie die Dinge, die ihnen plötzlich begegnen, angreifen sollen. Doch in Gesellschaften reden sie von nichts als von Schrammen und Schlachten und Metzeleien; damit sie für Helden gehalten werden, machen sie sich selbst mit dem Messer einen Schnitt in den Hut, einen Ritz in die Stirn oder schießen durch das Koller, und hernach lassen sie es als Zeichen ihrer Mannheit aufweisen und ausrufen, auf daß sie ihrer Meinung nach geehrt und gefürchtet werden.

Ja, wie viel ehrliebender Leute Kinder müssen im Spital, auf der Straße, in der Scheuer, oder gar auf der Schildwache verhungern, erfrieren, sterben, an Leib und Seele verderben oder zu Straßenräubern und Mördern werden, nur allein aus dem Grunde, weil ihnen ihre Hauptleute die gebührende Schuldigkeit mit List oder Gewalt abzwacken, vorenthalten und abstehlen.«

Dieser Teufel, dachte ich bei mir, muß eine gute Hebamme gehabt haben, weil ihm die Zunge so gut gelöst ist; und ich glaube, wenn er von seinen Genossen nicht anderweitig wäre gerufen worden, er hätte sein Gespräch noch mit vielen anderen bekannten edlen Meisterstücken zieren können. Aber er mußte fort.

Der Junker aber, welcher in Sorgen stand, es möchte ihm wie dem vorigen ergehen, sprach zu einem andern Teufel, der dabei stand: es sei zwar an dem, daß dergleichen unter den heutigen Edelleuten sehr im Schwange gehe; doch um eines bösen Buben, eines stolzen Narren willen sei der gesammte Adel nicht zu schelten: denn er für seine Person wüßte sich von all solchen Verbrechen ganz frei. »Herr Junker! sprach derselbe Teufel: es ist nicht möglich, daß der, welcher ein besseres Leben geführt hätte, nach seinem Tode hierher kommen sollte wie du. Ergo kannst du dir die Rechnung unschwer selbst machen. Und weil du meinst, du seiest engelrein – wohlan! wir wollen dem übrigen Adel zum Besten einen Spiritus Tartari aus deinen Werken extrahiren, um ihnen damit gegen den bösen schleimigen Magen zu helfen oder sie mit deiner Quintessenz zu laben. Damit du uns auch nicht etwa der Unhöflichkeit und Grobheit bezichtigen könnest, so sollst du von uns als Cavalier, nicht als Pfeffersack, sondern recht edelmännisch behandelt werden;« und unversehens war ein Teufel zur Stelle, gesattelt und gezäumt wie ein großer Reithengst; der andere nicht unbehende, als Herr Stallmeister, griff mit der Linken an die Bügel, mit der andern hob er sich in den Sattel und mit dem Junker davon über alle Teufel hinweg, daß ich ihn nicht mehr sehen konnte.

Ich fragte, in welches Land er reiten müsse? »Nicht weit, nicht weit, sprach ein anderer Teufel, der da stand: was hier geschehen ist, ist nur um den Anstand zu beobachten; denn den edlen Cavalieren sind wir billiger Weise bereitwilliger zu Diensten als andern gemeinen Leuten, die uns eben auch nicht alles nach Gefallen thun wie der Adel. Sieh nur beiseits!«

Und wahrlich! ich sah den armen Junker in einem glühenden Ofen liegen mit allen Stiftern und Urhebern des Adels wie: Kain, Cham, Nimrod, Esau, Kambyses, Romulus, Tarquinius, Nero, Caligula, Domitianus, Heliogabalus und andern unzähligen Helden. Insonderheit waren viele mir bekannte darunter, welche bei dem jetzigen böhmischen Unwesen bisher ihren Adel durch Feuer, Schwert und Strang, durch Rauben und Blutvergießen, durch Tyrannei und Laster, nicht aber durch Tapferkeit und Tugend entweder von neuem erlangt oder doch erhöht hatten. Ich sah sie mit Verwunderung an; sie aber schlugen die Augen unter sich vor Scham, daß sie aus so gewaltigen Hansen und Weltbezwingern so grausame Höllenbrände geworden waren.

Während ich dies alles betrachtete, trat gegenüber ein anderer Geist mit einem großen pergamentenen Brief auf, von dem er ein Urtheil ablas. Meines Wissens sind dies die Worte gewesen:

Edel kommt von eitel her,
Aber nicht von Adel, und Adel
Heißet soviel als Un-Tadel;
Das ist selten edel mehr.
Edelleut' und Edelfrauen
Thun meist nach der Eitelkeit,
Nach des Fleisches Ueppigkeit,
Nicht nach Ehr' und Tugend schauen.
Wenig sind da ohne Tadel,
Drum sind wenig recht von Adel.

Also, also geht es heut:
Prahlen, Pochen, Fressen, Saufen,
Nach dem Geiz und Wucher laufen;
So sind unsre Edelleut'.
Sauer sehen und braviren,
Raub und Reputation
Sind des Adels Ehrenkron';
Bauern schinden, tribuliren.
Wenig sind da ohne Tadel,
Drum sind wenig recht von Adel.

Adels Sitt' ist Freundlichkeit,
Gern ansprechen, Bauern lieben,
Sich in Kunst und Tugend üben;
Alte Treu und Redlichkeit
Muß da sein vor allen Dingen;
Adel ist nicht aus dem Blut,
Nicht aus Zins und großem Gut,
Nicht mit Fluchen zu erzwingen.
Wenig sind da ohne Tadel,
Drum sind wenig recht von Adel.

Bergskofsky und seine Rott'
(Die den Adel heut erworben
Drum manch redlich Mann verdorben),
Sind des wahren Adels Spott:
Tugend muß den Adel zieren,
Adel ist der Tugend Lohn,
Tugend ist des Adels Kron'.
Da hilft wahrlich kein Erfrieren:
Denn wer nicht ist ohne Tadel,
Der ist auch nicht recht von Adel.

Drum in deiner Jugend
Streb' nach Ehr' und Tugend,
Und leb' ohne Tadel:
So wirst du von Adel.

Nun weiß ich zwar sehr wohl, dachte ich im Weitergehen (denn es wollte mir an dem Orte zu heiß werden), daß der Teufel ein Lügner ist von Anbeginn; aber ich habe nun aus diesem Gespräch gemerkt, daß er auch die Wahrheit sagen kann; und ich wollte lieber den Adel nicht noch einmal geschenkt nehmen, als daß ich sein Gespräch nicht gehört und die vielen Beispiele nicht erfahren hätte.

Nachdem ich nun dieser Predigt genug zugehört hatte, kam ich an einen Ort, welcher aussah wie ein Marktplatz in einer Stadt; da sah ich verschiedentliches Weibervolk beisammen stehn, theils bei den Metzgern, theils bei dem Brunnen, theils sonstwo in einem Haufen beieinander. Sie waren gekleidet, ich weiß nicht wie; ich erkannte nur, daß sie köstliche Schuhe trugen, an denen die Absätze nicht einen Pfennig breit waren; hinter ihnen standen des Teufels Reitböcke, große Schuhbande, als ob sie mit den Füßen fliegen wollten.

Die übrige Kleidung war der ganzen Manier nach leichtfertig und köstlich anzusehen: den Hintern hielten sie empor und zu Zeiten kam ein Teufel herbei, der ihnen die Kleider aufhob; da sah man denn, wie zerhudelt und zerlumpt sie dastanden mit halben Hemden und bloßem Hintern. Ihre Brüste waren eingeschnürt mit Taffet- und Atlasbändern von 20 bis 30 und mehr Ellen und der Busen aufgemutzt und aufgeputzt, als ob sie ihn auf dem Markte feil tragen wollten; die Aermel hatten sie zurückgestülpt, daß man die entblößten Arme bis unter die Achseln sehen konnte, bei einigen war es eine Lust, bei andern eine Unlust zu sehen. Sie erzählten von ihren Frauen und Herrschaften, wie es ihnen ging, was sie für Schenkungen, für Meßkram, für Vortheil und Genuß auf dem Markte, im Hause, in Küche und Keller und sonsten hätten. Andere klagten dies und das. Die eine trug eine Krause von dreißig und mehr Strichen; die andere einen Umschlag so klein, daß wegen des kleinen Lappens die Brüste fast entblößt zu sehen waren. Ich stand und sah diese Dinge mit Verwunderung an, worüber der Teufel einer lachte. Ich aber sprach zu ihm: Mir ist nichts lächerlich, sondern es ist mir rechter Ernst; und wenn diese Tracht auf Erden gesehen wäre, so würde es ohne Abstrafung nicht abgegangen sein. »Glaube mir, sagte der Teufel, daß es ihnen an diesen Orten gar nicht geschenkt ist; du wirst sehen, wie solche Hoffart und Untreu, welche die Mägde gegen ihre Herrschaften verüben, wird abgestraft und bezahlt werden.« Während unseres besten Gesprächs kam ein Haufen Teufel daher geritten, wie Soldaten gekleidet, erwischten jeder eine Dirne, setzte sie hinter sich auf's Roß und davon. Bald hörte ich ein Rufen und sah, daß die Reiter und Dirnen in heller Lohe brannten wie Schwefelhölzer, und der Boden that sich auf, so daß sie untergingen. Auf Ermahnung des Geistes ging ich an den Ort um zu hören und zu sehen, wie es herging. Da sah ich, wie der einen glühende Nägel statt der Absätze in die Füße geschlagen wurden; einer andern wurden anstatt der Preßbänder glühende Ketten umgethan, einer andern anstatt der Krausen, glühende Halsbänder; der einen wurden die Arme aus dem Leibe gezogen, der andern die Brüste mit glühenden Haken ausgerissen, die Haare und das Gesicht zerzaust und zerkratzt, daß ich Mitleid damit hatte. Doch ein Geist rief mir zu: »Hier soll niemand Mitleid tragen, hier ist Marter und Pein ohne Gnade, hier sind Streiche und Striemen ohne Bedauern, hier ist Hölle und Verdammnis ohne Aufhören!« Und ein anderer schrie laut: »Also wird es allen Dienstboten ergehen, die ihres Standes und Dienstes vergessen. Also werden alle die empfangen werden, welche der Ehre und Ehrbarkeit absagen, die sich zu höchster Aergernis in halber Kleidung entblößen, mit leichtfertigen Kleidern prangen, sich leichtfertig in Geberden und Anreizungen auf offener Straße zeigen, die der Herrschaft untreu werden, sich ihr Theil nehmen und zu leichtfertigem Gebrauch verwenden!« Und ein Geschrei war unter ihnen, wie bei den Katzen um Lichtmeß, wenn sie rammelig übereinander springen. Eine aber wollte ihre Entschuldigung vorbringen und sprach mit beweglicher Stimme: »Ach wir armen elenden Mägde, o was haben wir gedacht, o was haben wir gethan! O des Elends und Jammers! O des verdammten Prunks, wozu wir nimmer ohne Unterricht und Anstiften unserer Frauen gekommen wären! Unsere Frauen bringen uns ins ewige Verderben, denn ihnen haben wir so und so zu Gefallen gehen müssen; die hat uns zu dieser Hoffart angewiesen, jene zu einer andern; diese hat uns das dazu spendirt, jene etwas anderes, und hätten sie uns unseres Standes und Dienstes erinnert und uns nicht selbst zur Hoffart angetrieben, so würden wir das nicht gewußt haben!« Aber ein Teufel sprach zu ihr: »Nun leide du für dich! Bist du so gottvergessen gewesen, daß du deiner Frau gefolgt bist zu unrechten Dingen, so leide auch jetzt dafür. Hat eine Frau ihre Mägde zu Sünden gereizt, so wird sie ihre Strafe so gut wie du finden!« – Nicht zwanzig Schritt davon kam ich zu einem großen See, der mir dem Genfer See nicht ungleich däuchte, aber er war voll Morasts und dampfenden, stinkenden Nebels; darin hörte ich ein wunderseltsames Geräusch und Geschrei. Als ich fragte, was das wäre? ward mir zur Antwort, daß diejenigen Weiber, welche auf der Welt Haushofmeisterinnen und Wärterinnen gewesen wären, hier ihre Rendezvous hätten. Ich erkannte also, daß die Haushofmeisterinnen auf der Welt die Frösche in der Hölle werden, welche sich in Lumperei und Wüstenei aufhalten, und die einige Tausend stark mit Murren, Murmeln, Quaxen, Pappeln und Klappern sich unter und miteinander die Zeit vertreiben.

Der üble Gestank der aufsteigenden Dünste aus diesem See gefiel meiner Nase nicht, deshalb machte ich mich auch bald von dannen und wanderte zur Linken weiter. Allda fand ich einen Ort, wo wohlbetagte Leute lagen, die sich mit großem Seufzen und Jammern selbst die Haare ausrauften und Gesicht und Leib mit den Nägeln zerrissen. Derjenige, den ich fragte, wer sie wären? gab mir zur Antwort, es wären die unbedachtsamen Eltern und darum verdammt, weil sie ihre Kinder hätten reich machen und in der Welt hoch anbringen wollen. »Ich unseliger Mann! sprach einer: ich habe doch auf der Welt nicht einen guten Tag gehabt, habe mein Leben so elend zugebracht wie ein Kapuziner, habe weder Schlaf noch Ruhe gehabt, habe mich nicht einmal satt gegessen, bin zerlumpt und mit Stücken zusammengestickt einhergegangen wie ein Bettelmann, habe mich zerarbeitet und zermartert, daß es zum Erbarmen war, und habe meinem Leibe nicht eine gute Stunde angedeihen lassen, bin gerannt und gelaufen wie ein Esel, nur um meinen Kindern viel Geld zu hinterlassen, ihnen eine gute Heirath oder guten Dienst zu verschaffen und sie in der Welt hoch anzubringen: ich habe gehandelt, geschachert, gewuchert, gefeilscht und nicht einmal gefragt, wo es herkommen sollte, wenn ich es nur haben wollte. Aber o wehe! ich konnte nicht sobald den Mund aufthun und sprechen, mir wäre wehe, da wollten meine Kinder schon, ich wäre todt; ich konnte nicht sobald sagen: O daß ich todt wäre! da stimmten meine Kinder schon zu: O wollte Gott! Daher bin ich denn in solchem Elend gestorben, ehe ich noch krank wurde, damit ich nur meine Klumpen Goldes beisammen erhalten und weder dem Seelsorger noch dem Arzt etwas davon zu Theil werden möchte. Doch meine Seele war nicht so schnell aus und hierher gefahren, da hatten meine Kinder schon meiner vergessen: da war weder Trauern noch Klagen, weder Weinen noch Leidtragen, sondern es ging alles in Freude und Wohlleben her. Und das ist mir nun um so mehr weh, weil durch das sonderbare Verhängnis Gottes ich sehen muß, wie meine Kinder so üppig mit all meinem Gut umgehen und es durch die Gurgel jagen, bei dessen Zusammenscharren ich so manchen ehrlichen Mann übertölpelt und betrogen habe. O ihr Diebeskinder! schrie er aus vollem Halse; o ihr Diebskinder! für euch habe ich gesorgt, für euch gearbeitet, für euch berathschlagt, für euch bin ich gereist, für euch habe ich gelitten, für euch gewonnen, für euch das theure Leben gewagt, für euch meine Seele in Gefahr gesetzt! Ist das der gebührende Dank? Ist das der verdiente Lohn, daß ihr nach meinem Tode meiner nicht besser gedenkt? O wie ist mein Sorgen so vergeblich, mein Sinnen so betrüglich gewesen! O wie klug wollte ich werden, wenn ich wieder zu der Welt Leben gelangen könnte! O ihr verfluchten Kinder! wozu bin ich um euretwillen gekommen!« »Solche Klagen, sprach ein Teufel, sind viel zu spät. Hast du nicht auf der Welt gehört: unrecht Gut will zwei Schelme haben? einen, der es gewinne, den anderen, der es verthue, durchjage und verschwende. Das ist das gerechte Urtheil Gottes über euch ungerechte Landbetrüger: wie gewonnen, so zerronnen. Es ist recht wahrhaftig wahr, was an seinem Ort von einem gewissenlosen Vogel geschrieben worden ist:

So weit ist's allezeit mit dem Gottlosen kommen:
Unrecht Gut gedeihet nicht. Untreu wird keinem frommen.
Drum scharr', kratz', grab, wühl', hark', such', lauf', rauf', stehl', hehl', trüg',
Auf Gott und Seligkeit zu deinem Vortheil lieg':
Ein loser Mann bringt doch das Wenigste zu Wegen.
Ihm bringt kein Griff noch Trug, nicht Ränk' noch Arbeit Segen
Wenn er schon meint, es trag' ihm in der Küche ein,
So ist der Fluch im Topf, und schlägt der Donner drein;
Was mit der Pfeife kommt, das geht weg mit der Trommel:
So weit ist es allzeit mit dem Gottlosen kommen.

Auf diesen elenden Trost fing die armselige Gesellschaft ihr Heulen und Jammern wieder an; und sie richteten sich ihren Leib mit Zähnen und Nägeln dermaßen zu, daß ich es nicht mehr zu sehen vermochte.

Ich ging weiter und gelangte in ein finsteres Gefängnis, in dem ich ein mächtiges Klingen und Rasseln von Ketten, Eisen und Banden, von Streichen und Schlägen hörte. Ich fragte, was es wäre? Da ward mir gesagt, es wäre der Ort, wo die Spätlinge lägen, die o hätte ich! o wäre ich! Ich konnte nicht errathen, was damit gesagt sein sollte; deshalb gab mir ein anderer zu verstehen: es wären die Tölpel und Büffel der Welt, die sich den Lastern so ergäben, daß sie ohne die geringste Ahnung in die Verdammnis gerathen wären und erst hernach bedächten, was sie gethan und wo sie wären, was sie unterlassen und wohin sie gerathen wären: die, um vermeintliche Linderung in ihrer Marter zu haben, ohne Unterlaß riefen: o hätte ich! o wäre ich! o hätte ich meine Sünden recht bereut! o hätte ich meine Buße nicht so lange hingezogen! o hätte ich die heiligen, hochwürdigen Sacramente öfter besucht! o hätte ich Gottes Wort mehr in Acht genommen! o hätte ich den Armen mehr Gutes gethan! o hätte ich Gottes Wort eifriger gelehrt! o hätte ich einem jeden das Recht ohne Ansehen der Person, ohne Suchen nach Vortheil und Nutzen widerfahren lassen! o hätte ich meinen Verstand mehr in wichtigen und dem Nächsten dienlichen Dingen als in leichten Händeln sehen lassen! o hätte ich die teuflische Reputation dem Licht der Wahrheit und Gottesfurcht nicht vorgezogen! o hätte ich ehr- und friedliebende Menschen mit erdichteten losen Reden nicht so an einander gehetzt! o hätte ich meiner Kranken besser gewartet! o hätte ich es mit meinem Clienten, der sich mir vertraut und nächst Gott seine Hoffnung auf mich gesetzt hatte, redlicher gemeint und ihn nicht mit vergeblichen Vertröstungen zu seinem und der Seinigen Untergang und Verderben aufgehalten und herum gezogen! o hätte ich meinen Eltern mehr Gehorsam geleistet! o hätte ich meine Kinder mit größerem Ernst erzogen! o hätte ich nicht in so unversöhnlichem Haß gelebt! o hätte ich meinem Nächsten die alten Fehler nicht wiederum auf's neue vorgeworfen, so hätte mir Gott auch die meinigen nicht zur Verdammnis angerechnet! o hätte ich den armen Mann nicht gar so sehr um das Seinige betrogen und ausgesogen! o hätte ich mich mit meinen Gütern begnügt und nicht so weit um mich gegriffen nach meines Nächsten Zaun und Marken! o hätte ich nicht soviel nach Gunst geredet und gelogen! o hätte ich mehr aus Liebe zur Gerechtigkeit als aus andern Ursachen meinem Nächsten gedient! o wäre ich nimmer geboren worden! o hätte ich ein Schloß an meinen Mund gelegt! wenn mir Gott das Leben von neuem schenkte, o wie gern wollte ich meine Fehler verbessern, Gott mein ganzes Leben lang dienen und niemals gegen ihn sündigen! o hätte ich die Gelder, welche meine Eltern auf mich verwendet haben, besser angelegt und nicht im Luder mit Fressen und Saufen so durchgejagt! o die Vergangenheit, die Vergangenheit! – –

Als ich diese Worte rufen hörte, dachte ich an mich selbst und an die vorige gute Zeit und Gelegenheit, die ich im Unverstand der blinden, thörichten Jugend auch oftmals unnütz hatte vorüberstreichen lassen? Ich seufzte, schlug an meine Brust und wandte mich nach der rechten Seite und wollte weiter gehen. Indem rief mir ein Geist zu: »Philander, es ist noch nicht Zeit von hinnen zu scheiden; denn die meisten Dinge, deren wegen du hier eingelassen bist, sind dir noch verborgen; du wirst es erst jetzt erfahren; komme herbei und schaue, in welchem Zustande meistens eure Studenten heutiges Tages leben und ob deren noch einige können errettet werden!« – Und sieh', ich sah ein großes Zimmer, eine Kunkelstube, ein Bierhaus, ein Pastetenhaus, eine Weinstube, ein Ballhaus, ein Hurenhaus u. s. w. Ich kann nicht sagen, was es eigentlich gewesen ist, denn ich sah alle diese Dinge darin: Huren und Buben, Herren und Bärenhäuter, Rüpel und Studenten. Ich fragte, was für eine Gesellschaft das wäre? und der Geist sagte mir mit zwei Worten: das ist euer Studentenleben. Ein wie herrlicher Stand es ist ein rechter Student zu sein, so ein verdammlicher ist es, wenn er in Mißbrauch und Frevel durch Sünde und Eitelkeit dahin geht. Diesem Uebelstand thut nicht wenig Vorschub die Unbarmherzigkeit und der Hochmuth derer, die ihnen steuern sollten; daher denn mancher, wenn er sieht, daß man den Schalk dem Frommen, den Bärenhäuter dem Redlichen, den Schuft dem Edlen, den Esel dem Fleißigen vorzieht, den guten Weg verläßt und aus Verzweiflung in die Irrwege geräth, weil eben nicht die Kunst und Tugend, sondern die Gunst und Eitelkeit heutiges Tages bei vielen hohen Personen den Zugang erlangt.

Ein Löffel Gunst, ein Scheffel Kunst
Ist gar ungleich gemessen;
Doch macht die Gunst, daß wird der Kunst
Oft ganz und gar vergessen.

Daher findet man jetzt so wenig, die sich der rechten Kunst befleißigen wollen: denn wo die köstlichen Kleider zunehmen, da geht der Verstand hinweg; wo die närrischen Trachten und Geberden einreißen, da hat die Lehre und Sittsamkeit ein Ende. Und nun Philander, was dünkt dich? Sieh', die vornehmsten und meisten dieser Gesellschaft sind Studenten der Theologie; sie gehen einher in verfladerten, vernestelten, verbändelten, verstrickten Hüten, in verlotterten Hosen, in verfederten taubenfüßigen Stiefeln, mit durchlöchertem Gewissen; sieh', was für ein Leben sie führen, wie sie's treiben und thun: und diese sind es, welche euch den Weg zum Himmelreich dermaleinst weisen sollen.

Sieh', die andern dort sind Studiosi der Humanität. Sie gehen daher in kostbaren Kleidern mit Silber und Gold besetzt, mit gepuderten Köpfen und gepufftem Haar, mit ungestalteten Leibern, mit teuflischen Trachten und prangen in ihrem Grade wie eine Kuh, die am Joch zieht. Sie sind von ihren Eltern geschickt, um den Professoren mit Gehorsam und Demuth entgegen zu gehen und ihrer Lehre mit Fleiß und Ernst zu horchen; aber sie bringen die meiste Zeit im Luder hin und jagen das sauererworbene Gut ohn Erbarmen durch; sie halten es für eine Bärenhäuterei fleißig zu sein, und für ein adlig Werk sich närrisch, phantastisch, eselig, flegelhaft und rüpelhaft stellen. Zwar einen frommen, redlichen, fleißigen Studenten schändet die schöne Kleidung gar nicht; ein rechtschaffener Student ist freilich eines sammtnen Kleides wohl werth ebenso wie der Edelgeborne: aber es will jetzt im sammtnen Mantel gehen nicht nur der, welcher etwas studiert hat, sondern auch der grobe Lümmel, nicht nur der edelgeborne, sondern auch der frevle untaugliche.

Seit man die langen Schuh' erdacht,
Quasten und Lappen an Kleider macht.
Und in den Hosen mancherlei
Mehr Nestel trägt als zwei auch drei,
Und jeder will in Sammet gehn:
Da kann's nicht wohl auf Erden stehn.

Als ich auf Ermahnung des Geistes näher hinzutrat, sah ich, daß die Vornehmsten an einer Tafel saßen und einander zusoffen, daß sie die Augen verkehrten wie gestochene Kälber oder geschochtene Ziegen. Aber bei der Schenke bemerkte ich einen in grausamer Gestalt, der ihnen heimlich Schwefel und brennendes Pech unter den Wein mengte, wovon sie erhitzt wurden, als ob sie voll höllischen Feuers wären. Einer brachte dem andern eins zu aus einer Schüssel, aus einem Schuh: der eine fraß Gläser, der andere Dreck, der dritte trank aus einem verdeckten Geschirr, darin allerhand Speisen waren, daß einem davor gruselte. Einer reichte dem andern die Hand, fragten sich unter einander nach ihren Namen und versprachen sich ewige Freunde und Brüder zu sein mit Hinzufügung dieses üblichen Burschenspruchs: ›ich thue, was dir lieb ist, ich meide, was dir zuwider ist!‹ dann band einer dem andern eine Schleife von seinen Schlotterhosen an des andern zerfetztes Wamms. Darauf trat ein scheußlicher Geist hinzu, schlug die Hand ein und sprach den Segen darüber mit diesen Worten, die ich ihn dabei murmeln hörte: ›so ist die Freundschaft mit dem Teufel geschlossen worden!‹

Die aber einander nicht Bescheid thun wollten, stellten sich theils wie Unsinnige theils wie Teufel, sprangen vor Zorn in die Höhe, rauften vor Begierde solchen Schimpf zu rächen sich selbst die Haare aus, stießen einander die Gläser ins Gesicht, mit den Degen heraus und auf die Haut, bis hier und da einer niederfiel und liegen blieb. Und diesen Streit sah ich auch unter den besten und Blutsfreunden selbst mit teuflischem Wüthen und Toben entbrennen. Ich hörte einen hinter mir, der sprach: das sind die Blüten der Sauferei, das sind die Früchte des Pennalismus! worüber ich seufzend bei mir sprach: Mein Gott! ist es möglich, daß der Teufel etwas ärgeres unter den Menschen hätte aufbringen können als dieses, daß auch die besten Freunde wegen eines Glases Wein, wenn sie einander nicht Bescheid thun wollen, nicht mögen oder können, sich so entzweien, zanken, neiden, plagen und placken! und was das ärgste ist, daß sie sich die bäurischen, gröbsten Gedanken machen, als ob Ehre und Reputation deswegen in Gefahr stünde!

Andere waren da, die mußten aufwarten, einschenken, Stirnknuffen und Haarrupfen aushalten neben vielen andern Narretheien. So saßen die andern Esel auf diesen wie auf Pferden und soffen eine Schüssel mit Wein auf ihnen aus; andere sangen Bacchuslieder dazu oder lasen Bacchusmesse: ›o edler Wein, o süße Gabe!‹ Diese Aufwärter wurden von den andern genannt: Bacchanten, Pennale, Haushähne, Spulwürmer, Mutterkälber, Säuglinge, Quasimodogeniti, Offsky's, junge Herren; und sie sangen über diese ein Lied, dessen Anfang war:

Prächtig kommen alle Pennäle hergezogen,
Die da neulich sind ausgeflogen
Und haben lang' zu Haus gesogen
Von der Mutter u. s. w.

Das Ende lautete:

So thut man die Pennäl' agiren,
Wenn sie sich viel imaginiren
Und die Studenten despectiren u. s. w.

Endlich nach Beendigung dieses Geplärrs schoren sie ihnen das Haar ab, wie den Nonnen, wenn sie das Gelübde ablegen. Daher heißen diese Schönsten, Agirer, Pennalisirer; unter sich selbst aber tituliren sie sich: frische Kerls, fröhliche Burschen, freie, redliche, tapfere und herzhafte Studenten.

Andere sah ich blinzelnd herum schwärmen, als ob sie im Finsteren wären, jeder mit einem bloßen Degen in der Faust; damit schlugen sie in die Steine, daß es funkelte, schrieen in die Luft wie Pferde, wie Esel, wie Ochsen, wie Katzen, wie Hunde, wie Narren, so daß es den Ohren wehe that; stürmten mit Steinen und Knütteln an die Fenster und riefen: heraus Pennal! heraus Feix!Feix oder Fuchs sind Titel der jungen Studenten. Die Herkunft beider Ausdrücke ist nicht sicher festgestellt. heraus Pech! heraus Raup'! heraus Schurk'! heraus Oelberger!Oelberger soviel wie Oelgötz! und dann ging es bald an ein Reißen und Schmeißen, an ein Rennen und Laufen, an ein Hauen und Stechen, daß mir darob die Haare zu Berge standen.

Sie ziehen des Nachts umher: die einen spielen die Laute, die andern die Zither, andere schreien und raufen, und bald folgt das Jammergeschrei der Verwundeten.

Daher werden sie Nachtraben genannt.

Billig nennt man sie Nachtraben,
Dieweil sie Nachts umhertraben.
Dann viel bösen Unfug pflegen
Und umwerfen Bänk' und Schrägen,
Leere Karren ins Wasser schieben,
Laufen um mit andern Dieben,
Um ein' Laus sich zanken, schlagen,
Taubenfüß'ge Stiefel tragen.
Mancherlei Farb' am Gewand
So vor Zeiten war 'ne Schand,
Hochmuth treiben mit Geberden,
Schwarz' Haarpuffen, grau zu werden.
Sich an einer Kuhmagd laben:
Billig nennt man sie Nachtraben.

Andere wieder soffen einander zu auf Stühlen und Bänken, auf dem Tisch oder auf dem Boden, auf den Knieen, den Kopf unter sich, über sich, hinter sich, vor sich. Andere lagen auf dem Boden und ließen sich den Wein einschütten durch einen Trichter. Andere lagen und schnarchten; andere nickten und tranken sich zu; andere stimmten mit schwerer Zunge dem Gesänge der Genossen bei; andere lagen lang auf dem Tische, das Kinn in die hohle Hand gestützt. Nun ging's über Thür und Ofen, über Trinkgeschirr und Becher her und mit denselben zum Fenster hinaus mit solcher Unsinnigkeit, daß mir grauste.

Andere lagen da, spieen und kotzten wie die Gerberhunde; und wenn sie sich genugsam in dem Unflat besudelt hatten, dann kamen ein paar häßliche Geister und trugen sie zu Bett, daß die Flamme über ihrer Seele zusammenschlug. Da sahen sie sich denn plötzlich um, wo sie waren und schrien vor höllischem Schrecken: o über die vergangenen Zeiten!

Ueber der Thür des Gemaches standen diese nachgeäfften aber wahren Worte: Pix intrantibus. Unter diesen zwei Worten stand: A. D. D. U. C. das ist: adduc, bringe sie hierher.Nämlich Kanne und Becher, welche im Text abgebildet sind. Mir wurde es aber so ausgelegt: auceps dum decipit volucres canit, mit solchen Pfeifen lockt der Teufel seine Vögel. An der Innenseite der Thür waren zwei oblonge, an einander gefügte Tafeln angebracht, worauf zehn Gesetze oder Regeln standen. Ich glaubte anfangs, es wären die heiligen zehn Gebote. Doch ich hielt dies nach dem Vorhergegangenen für unmöglich; außerdem hatte ich gelesen, daß der Teufel, um die Leute durch einen Schein der Gottesfurcht um so eher zu betrügen, sie in dieser Weise aufmuntere, wie es insonderheit der Fitziputzli bei den ersten Mexikanern mit den zehn Geboten gethan hat, und wie es von dem Goffredi in Frankreich bekannt ist. So las ich denn auch, als ich näher kam, folgende Worte, die ich dies Mal behalten habe: Der Scholasten Regeln sind allezeit diese:

I.
η πιθι ηαπιθι!
VI.
aut bibe, aut abi
II.
more palatino!
VII.
in floribus
III.
Massaquidit!
Toppetinque!
VIII.
Uff ein Suff!
IV.
απνευτι!
IX.
Ohn' Schnaufen und
Bartwischen
V.
Pindiuva, Tschittschi!
X.
Sauf oder lauf!

Das und vieles andere sah ich mit Furcht und Verwunderung an. Als ich nun hin und her schöne Schränke und Kasten voll herrlicher, vortrefflicher Bücher sah, da konnte ich mich nicht mehr irren, daß es müßten Studenten sein, welche von ihren Eltern auf die hohe Schule geschickt wären, um Kunst und Tugend allda zu erlernen, um den Eltern Freude und dem Vaterlande dermaleinst Rath und Hilfe zu bringen. Ich setzte mich daher zu ihnen, um etwas aus ihrem Gespräch zu erlernen. Da wurde denn nun zum Schein ein wenig angefangen von Gott, von Glauben, von Tugend und andern heiligen Dingen, aber das haftete nicht lange; es kam allemal einer, der eine Zote dazwischen warf und uns lachen machte, und wir geriethen von dem Worte Gottes auf die Waidsprüche und andere Possen, so daß wir uns oft fast zu Narren lachten. Als ich aber grade im besten Springen war und mit dieser Gesellschaft erst recht anfing bekannt zu werden, kam ein Geist an mich heran und zupfte mich, daß ich möchte mit ihm gehen. Ich stand von dem Tische auf, und er führte mich in ein anstoßendes Zimmer und sprach, als ob er meine Gedanken gewußt hätte: »Nichts weniger als Studenten! Du wirst jetzt diese Gesellschaft plötzlich sehen zu Grunde gehen und in die ewige Verdammnis fahren, und danke du Gott, daß du bei Zeiten aus der Gefahr dieser Unseligen entkommen bist.«

Während wir zurück in das erste Zimmer gingen, sah ich Reiner von SittewaldIst einer von M.'s Freunden, vielleicht auch aus Wilstädt. unten an dem Tische sitzen, dem winkte ich mir zu folgen, ehe die Stricke über ihn fielen. Er that es, und wir gingen zum Zimmer hinaus. Alsbald sahen wir das ganze Zimmer unter Donner und Krachen lichterlohe im Feuer stehen und die Seelen dieser armen Gesellen wie in einem Glasofen schmelzen und doch nicht verschmelzen, während sie noch diese Worte seufzen konnten: o über die vergangene Zeit! Und es antwortete einer darauf: »So wird es allen Studenten ergehen, welche die theure Zeit so liederlich verscherzen und die stattliche Gelegenheit so elendiglich versäumen; die ihrer Eltern sauren Schweiß mit Fressen und Saufen, mit Spielen und Prassen, mit Buhlen und Stolzieren, mit Doppeln und Würfeln, Lautenschlagen, Tanzen, Springen, Fechten, Ballschlagen oder für Schuster,. Schneider, Krämer, Barbiere, Wäscherin, Buchhändler, Holz, Stube, Licht gleichsam durchjagen und verzehren, Witz und Verstand versaufen, Kunst und Tugend verachten und in der Gnadenzeit nicht umkehren und sich bessern: die das edle Talent und die von Gott verliehenen Gaben, das herrliche Genie, Sinne und Gedächtnis in so mörderischer Weise verderben, zu geringschätzigen, unnützen Dingen mißbrauchen, die erleuchtete Natur zum Liederdichten und zu anderer Leichtfertigkeit abrichten, ungeachtet daß sie von Gott zu vortrefflichen Ständen, Tugenden und Diensten ausgerüstet sind! Also wird es allen Studenten ergehen, die sich der edlen Künste schämen und mit neumodischen, närrischen Geberden dem Vaterlande dienen wollen: die sich schämen, beim Gebet die Augen und Hände zum Himmel zu erheben zu dem, der Macht hat selig zu machen oder zu verdammen, sondern die mit unhöflichen, närrischen, leichtfertigen, bärenhäuterischen, flegelhaften Geberden die Augen, die Hände, den Mund, den ganzen Leib verstellen, verdrehen, verziehen wie die Erznarren, so daß es eine Sünde vor Gott, eine Schande vor Christen und ein Spott vor ehrliebenden Herzen ist, welche solcher unstudentischen, bengelhaften Unart und alamodischen Höflichkeit mit Bekreuzungen zusehen! Ist dies die alte schöne Zucht? Soll das sanftmüthige, gott- und ehrliebende Studenten geben? Sind dies die Helden, durch welche künftiger Zeiten geistliches und weltliches Regiment auf Erden soll bestellt werden?!« Und die in dem Feuer saßen, verfluchten ihre Lehre und ihr Leben. Einer sprach: wehe den Akademieen, wo die Wahrheit durch haarspaltende, scholastische Formeln verspottet wird! Ein anderer: wehe den Schulen, wo die Wahrheit durch übertriebene Künsteleien verdeckt wird! Ein anderer: wehe den Universitäten, welche sind eine Schule der Eitelkeit, der Verschwendung, der Begierden und der Schwatzhaftigkeit! Ein anderer wehe den Gymnasien, wo die Blüte der Jugend dem Aristoteles allein, die Hefe Gott geweiht wird! Diesen Koth wird sich der Satan mit vollem Rechte holen! Ein anderer: verdammt alle, welche den edlen Bürgern der Gymnasien und Akademieen Mühsal bereiten! und ein anderer sprach Amen.

Ich und Reiner gingen voll Schrecken beiseits und seufzten, und zwar ich folgendermaßen:

Mein' Klag' und Reu'
Wird mir jetzt neu,
Mein Jammer sich vermehret;
Groß Leid ich trag,
Daß meine Tag'
So schlecht ich hab' verzehret.
Der Jugend Kron'
Ist nun davon.
Mit Fleischeslust verscherzet,
Was meine Seele schmerzet.
Herr Jesu, mein' Begier,
Verzeih' die Thorheit mir!

Ich irre noch,
Und 's reut mich doch,
Groß Streit in mir ich spüre;
Zu Hilf' o Herr,
Und sei nicht fern.
Die Wege dein mich führe;
Dem Bösen wehr',
Es von mir kehr',
Laß mich nicht so verderben.
Laß mich nicht ewig sterben.
Laß mir dein Wort allein
Wegweiser, Führer sein!

Auf dies dein Wort,
Jesu, mein Hort,
Komme ich zu dir getreten:
O Christenschild!
Du kannst und willt
Die armen Sünder retten,
Wenn nur zu dir
Ist ihr Begier
Und sie's mit Ernst auch meinen.
Zu Hilf thust du erscheinen.
O treuer Jesu Christ,
So treu und gut du bist!

Verdammt bin ich,
Weil wider dich
In Sünden ich braviret

Darum du mich
Strafst väterlich –
Viel ärg'res mir gebühret.
Nichts liegt mir an,
Wenn ich nur kann
Dein' Huld und Gunst erwerben;
Von Herzen will ich sterben
Auf deine Gnad allein.
Dies soll mein Abschied sein.

Und du Reiner, sprach ich, du siehst, wie brüderlich ich dich zurückgezogen habe. Erkenne du diese Gnade und gieb Gott Dank und thue nach mir, wie ich jetzt an dir gethan habe! Reiner sprach: »Und nun erkenne ich auch, daß mich Gott aus besonderer Gnade vor dem Untergang bewahrt hat; darum:

Gott Lob, der JastAufregung, Erregung, Gährung. ist auch vorbei.
Nun leb' ich wieder frank und frei!
Gott woll' mich meiner Sünden,
Da ich so thöricht hab' gethan.
In Gnaden doch entbinden.
Und führen auf die rechte Bahn.

Der Will' ist: hinfort fromm zu sein.
Der Will' ist gut; doch du allein,
O Gott! kannst es so richten.
Daß Will' und Werk beisammen sei,
Daß all mein Sinn, mein Dichten
Stimm' deinem Werk und Ordnung bei.

Ich war, Herr! das verlorne Kind,
Das in der Welt sich allzu blind
In Lüsten umgewalzet;
Ich rastet' an der Hölle Flut:
Wie sonst der Fisch erschnalzet,
Wenn er im Grunde sucht den Muth.

Dämpf' Herr, ach dämpfe fort in mir
Des faulen Fleisches geile Gier,
Die in mir also brennet,
Daß ich oft wider meinen Sinn
Das Gut' lass' unerkennet
Und flieh' dafür zum Bösen hin!

Ach weh: des Grimms entbrannter Fehd',
Des Streit's, der in mir seine Statt'
Und Tummelplatz erwählet!
Der Geist will gern die Oberhand,
Möcht mit sich sein vermählet,
Wenn nicht das Fleisch hielt' Widerstand.

Das Fleisch, das böse Fleisch will itzt
Behalten schier den Obersitz;
Hilf lieber Herr, hilf streiten!
Bewappne doch in mir den Geist,
Daß er auf allen Seiten
Sich als ein starker Sieger weist!

Sei Friede, Fried' auf heut' mit euch
Ihr beiden Streiter! Der Vergleich
Sei nunmehr fest geschlossen:
Du Fleisch thu', was der Geist gewillt,
Du Geist bleib hoch entsprossen,
So ist der höchste Will' erfüllt.

Komm Herr und schlag das Amen drein,
Lass' den Vertrag aufrichtig sein.
Den wir in uns'rem Leibe
Vor deinem Thron heut' aufgericht!
Das Fleisch, Herr! hintertreibe.
Dem Geist ich mich mit ja verpflicht'!«

Während wir zusammen über Gerechtigkeit und Güte Gottes sprachen, trat einer herbei eines ernsthaften Wesens und Ansehens, welcher auf Lateinisch, damit es die Bauern nicht merken sollten, anfing zu reden: »Ich bin der Römer Cato, der Lehrer der Sitten und der alten Disciplin und Strenge. Ich sehe, daß die Schulen der Menschen auf Erden der Verbesserung bedürfen, denn die Lehrer sind faul, der Unterricht zu vielfältig, die Schüler trotzig, übermüthig und den Lüsten ergeben; daher müssen sie durch strengere Erziehung gezügelt werden, wenn nicht alle Bande des Rechts, der Scham, der Pflicht und Ehre reißen sollen. Erhebt euch daher, ihr Menschen, die ihr wohl nach Geld begierig jagt, aber eurer Kinder Erziehung nicht durch strenges Gesetz fördern wollt!«

Ach Gott! dachte ich; was braucht man es erst mit Latein zu bemänteln; es ist schon lange genug bekannt, man hat's vor hundert Jahren schon gewußt, daß der Cardinäle, Bischöfe, Pfaffen, Mönche, Studenten und dergleichen Hurenvolks und Mastsäue Leben nur ein Fressen und Saufen, Unkeuschheit und Wollust ist und daß sie für dieses schamlose Leben auf Erden ungestraft und gänzlich frei sind. Wo christliche Eltern ihre Kinder nicht ernster anhalten, wo christliche Obrigkeiten die Studenten nicht ernster abhalten von den üppigen Kleidungen, von den rüpelhaften Geberden und dem bengelhaften Gebaren: da werden sie am jüngsten Gericht schwere Rechenschaft zu geben haben! Beim Fortgehen von diesem verdammten Orte sah ich drei Personen, die ich ihrer Gestalt nach für Geistliche, Pfarrherren oder Priester hielt. Sie wurden alle drei vom Teufel auf einem feurigen Wagen daher gefahren; und als ich fragte, ob auch so heilige, unsträfliche Leute an diesen Ort der Qual gelangen könnten? hörte ich Stillschweigen gebieten und eine schreckliche, starke Stimme sprechen: »Verflucht sind diejenigen, welche predigen und sind trunken, die Sacramente ausüben und sind trunken, die jungen Pfarrherren examiniren und sind trunken, die Sterbenden trösten und sind trunken, Kinderlehre halten und sind trunken, Beichte hören und sind trunken, verbinden Eheleute und sind trunken, begraben und sind trunken, halten Betstunden und sind trunken, taufen Kinder und sind trunken; die mit heiligen Handlungen eilen wegen der Gastereien, heilige Handlungen verschieben wegen der Gastereien; die von Armen wie von Reichen, von Bettlern wie von Bauern, von Vertriebenen und Geplünderten wie von Bürgern, von Fremdlingen wie von Einheimischen Geld nehmen für die Begräbnisse, Geld für die Taufen, Geld für die Beichte, für das Abendmahl, für den Besuch; die Studenten gewesen und haben nichts gelernt, Studenten und haben nichts gelesen; die Magister sind und können keine Rede halten, nicht disputiren, nicht predigen, Magister und können nichts als weidlich schreien, nichts als sich närrisch geberden, nichts als prahlen und blasen: welche Priester sind, doch saufen und fressen wie die Zuhörer, Priester sind, doch spielen und doppeln, lügen und trügen, neiden und nagen, verleumden und austragen, wuchern und schinden, schänden und schmähen wie die Zuhörer: welche Pfarrherren sind und keine Bibel lesen, Pfarrherren und nicht wissen, wo die Bibel zu lesen, die nichts studiren, nichts lesen, nicht beten zu den Predigten: welche Prediger sind und gehen auf die Kanzel voll, mit rauher Stimme, mit trüben Augen, mit verfinstertem Verstand: welche Prediger sind und in der Kirche als Teufel wüthen, schnauben, toben, schlagen, drohen, stürmen, pochen, poltern, donnern, gehen auf die Kanzel voll wüsten Wesens, daß ihnen der Unflat aus dem Halse in die Kanzel stinkt, aus der Kanzel in die Stühle, aus den Stühlen in die armen einfältigen Zuhörer: welche ihre Predigten ausfüllen mit ihrer eigenen Ungeduld, ihrem eigenen Neid, eigenem Haß, eigenem Zorn, eigener Rachgier, eigener Hoffart, eigenem Geiz, eigenen bösen Lüsten: welche das, was ihre Weiber und Mägde auf der Gasse, beim Brunnen, bei der Wäsche, in der Metzgerhalle, in den Badestuben, in den Spinnstuben, von abgelebten Gimpelhuren oder von jungen Klappertaschen auffassen, auffangen, erforschen, erschnappen, als gewiß geschehene Dinge aus falschem Argwohn in ihre Predigten bringen: welche trunken sind und predigen von der Mäßigkeit, hoffärtig und aufgeblasen und predigen von der Leutseligkeit, grausam und predigen von der Versöhnlichkeit, unversöhnlich, neidig, bissig und predigen von der Langmüthigkeit, grimmig und predigen von der Freundlichkeit, geizig und predigen von der Freigebigkeit, unflätig und predigen von der Ehrbarkeit, verlogen und predigen von der Wahrheit: welche, wenn der Teufel ihnen das Nachdenken widerrathen hat, ihm gefolgt sind, wenn der Teufel eine Verhinderung vorgeschlagen, sie diese angenommen haben, wenn der Teufel ihnen den sanften Schlaf eingeblasen, sie sich daran erfrischt haben, wenn der Teufel ihnen die Gedanken entzogen, sie es willig empfunden haben – kurz, verflucht alle die, welche die Lehre in dem Munde führen, aber mit dem Leben verläugnen! Verflucht alle die, welche Lehrer sind, doch alle Zusammenkünfte veruneinigen, sich in alle Händel einflechten und einflicken; welche Lehrer sind und zu Hofe an der Tafel mit hofmännischen Sitten und Geberden, mit guten Worten und falschem Herzen sich wissen zu vermummen; welche ihre Reden pflegen nach der Person zu verändern, den Armen schärfer, den Reichen gelinder züchtigen und die großen Häupter unberührt und ungestraft lassen! Verflucht seien alle die Geistlichen, die sich zu weltlichen Händeln und Sachen, zu Fuggerhändeln gebrauchen lassen; die, wenn sie den armen Bauern predigen sollen, dasselbe entweder aus gottvergessener Eigenmacht ganz und gar unterlassen oder aber nur aus leichtfertigem Frevel, aus langer Weile, aus teuflischer Hoffart nur zum Spaß predigen und also die Ehre Gottes und der Zuhörer Heil und ihre höchste Schuldgebühr außer Obacht lassen!« –

Indem verschwand der Wagen vor meinen Augen, und ich hörte eine liebliche, sanfte Stimme, die sprach:

Die Priester sollen Väter sein
Bei ihren Geistes-Kinderlein,
Mit ihrem Fall und schwachen Gaben
Ein freundliches Mitleiden haben,
Sie trösten, warnen, leiten, führen.
Vermahnen, schützen, salben, schmieren,
Und wie ein Hirt bei seiner Schaar
Der Bess'rung warten immerdar.
Doch wo sie sehn, wissen, verstehn,
Daß etwas gar bei Seit' will gehn
In bösem Leben, falschem Wahn
Und nicht von Sünden ab will stahn:
Dann sollen sie die Straf' nicht sparen
Und ihnen tapfer offenbaren
Die ärgerlichen Werke faul
Und nehmen gar kein Blatt vor's Maul.
Doch wenn ihr straft nach Amtes Pflicht,
So überfahrt darin euch nicht
Wie mancher, der sich leicht erhitzt
Und immer von der Kanzel blitzt.
Sondern wo ihr ja strafen müßt,
Da thut es nicht nach freier Lust
Noch etwa nach gewünschtem Fleiß,
Sondern vielmehr gezwungener Weis';
Gleichwie ein Vater, der viel lieber
Die Ruthe ließe gehn vorüber,
Wenn nicht die Kinder durch ihr Leben
Ihm dazu thäten Ursach geben.
Aus einem solchen Vatermuth
Ihr auch die Euren strafet gut
Und nicht aus Zorn, Haß oder Neid
Noch aus gefaßter Bitterkeit!
Ihr sollt auch nicht aus hoher Rach'
All neue Mähr und eigne Sach'
Leichtfertig auf die Kanzel bringen
Und Leute lassen herunter springen;
Damit man euch nicht werde gram
Superbam propter choleram,Zu deutsch: wegen des hochfahrenden Zornes.
Die euch zu eifern stärker zwingt,
Als wohl die Nothdurft mit sich bringt.
Denn wer sein Völklein ausschimpfiert.
Bei ihnen alle Gunst verliert
Und macht, daß man ihn feindet an,
Dieweil er nichts als schelten kann.
Ihr wißt wohl, wer da will regieren
Der muß bisweil dissimuliren.
Auch etwas dulden, hören, leiden
Und allzu scharf Gericht vermeiden.
Derhalben nehmt das wohl in Acht,
Laßt eure Schaf' unausgemacht
Mit unverschämten hochverbot'nen
(Wie Schelm- und Diebes-) Lästerworten.
Ihr könnt doch sonst wohl Wörter finden.
Die sanfte gehn und feste binden
Und bei dem Volk mehr richten aus
Als Dünkel und als harter Strauß.
Thut man euch dann noch was zu Leid,
So sucht es bei der Obrigkeit,
Und tragt's nicht auf die Kanzel bald,
Um da zu rechten mannigfalt
Mit vielen Schänden, Schnarren, Pochen
Und mit Verdammen und Verfluchen,
Dermaßen daß vor diesem Stechen
Wohl einem möcht' das Herze brechen.
O nein, ihr Brüder in dem Herren,
Wollt nicht im Strafen euch geberden,
Denn das reißt nur die Lieb' entzwei
Und giebt dem Amt groß Ungedeih;
Und wo es lang bestehen thut,
Da jagt's den Hirten aus der Hut!

Darauf ging ich weiter und fand in einem weiten Saal eine Menge Volks, denen es viel ärger ging als den vorigen. Wie ich von einem Geist vernahm, waren es diejenigen, welche mit Gottes Barmherzigkeit gesündigt hatten. Ich verwunderte mich dessen. »Ja, sprach der Geist, wenn sie auf Erden um irgend einer Sünde willen gestraft wurden, sagten sie zur Entschuldigung: Gott ist barmherzig! Hei, Gott ist barmherzig! Hei, daß mir's Gott verzeih! Ich wollte, daß (Gott verzeih' mir's!) der Teufel meinen Schwager, meinen Nachbar holte! Gott verzeih' mir's! ich habe ihn niedergeschlagen wie einen Hund! Ich habe ihn (Gott verzeih' mir's!) recht übertölpelt! Gott verzeih' mir's! ich hab' meinem Gesellen eins angemacht bei der Herrschaft, daß er wird eine Weile daran zu schlucken haben! Gott verzeih' mir's! ich bin dem Kerl so feind, daß ihn möchte der Teufel holen! Und wenn sie von einem gottliebenden Menschen deswegen zur Rede gezogen werden, dann sprechen sie: Hei, was sollte das wohl sein! Gott ist barmherzig, er nimmt nicht alles so hoch auf wie die Welt, seine Barmherzigkeit ist groß und unendlich!

Darum bleiben sie denn auch in der Verdammnis, so lange sie in vergeblicher Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit sündigen. Auf Gottes Barmherzigkeit sollen die Menschen billig hoffen, denn den Gottesfürchtigen ist sie eine Gnadenbelohnung; aber den halsstarrigen Sündern ist sie verschlossen. Denn es hieße die Barmherzigkeit Gottes verachten, wenn man meinen wollte, daß sie den muthwilligen Sündern widerfahren würde, und daß, sobald ein gottloser Mensch die Gnade Gottes begehrt, sie ihm alsobald werde offen stehn, bevor er sich durch wahre Buße und Besserung derselben würdig gemacht hat. Die Barmherzigkeit Gottes ist ohne Ende bei den Frommen und Bußfertigen, und die am meisten ihre Hoffnung darauf setzen, die gehen am furchtsamsten mit ihr um. Wer Gott lieb hat, der hütet sich, daß er seine Gnade nicht verscherze; wer sie zum Bösen wollte mißbrauchen, der schließt sich von derselben aus. Wahr ist's, Gott thut auch Barmherzigkeit an denen, die es nicht werth sind, denn der Menschen Verdienst ist eitel und es heißt: wenn ihr alles gethan, so muß doch Christus durch sein eigenes Verdienst der Sache helfen, sonst ist's verloren. Und doch seid ihr Menschen in all diesem so unbedachtsam, daß ihr erst an eurem Ende thun wollt, was ihr den ersten Tag solltet gethan haben. Darum ist euch auch das letzte Stündlein oft eher vor der Thür, bevor ihr es gewahr werdet oder nur daran denkt; ihr verscherzt die Barmherzigkeit Gottes, indem ihr diese Gnade nur mit dem Munde rühmt, ihre Kraft aber mit dem Herzen läugnet.« –

Mit großer Verwunderung hörte ich dieser Predigt zu. Ist es denn immer möglich, sprach ich, daß aus dem Munde eines so verdammten Lehrers eine so herrliche Lehre kommen kann!

Als ich nun aber das Geschrei eines Kuckuks vernahm, fragte ich, wo denn die wissentlichen Gäuche,Der Name ›Gauch‹ stammt aus dem Lateinischen cuculus Kuuckuk, und bedeutet Schelm, Narr, Geck. die sonder Zweifel auch in der Hölle wären, ihre Nester hätten? und mir wurde gesagt, daß sie an keinem bestimmten Orte, sondern wie auf der Welt an allen Orten wären, wo man es sich am wenigsten versehe und gern den Hut vor ihnen abziehe. Um nun nicht für einen Kundschafter angesehen zu werden, der alle Heimlichkeiten ausforschen wolle, begab ich mich fort.

Da sah ich einen Haufen, die ihren Unfall beklagten. Wer seid ihr Elenden? fragte ich. Und einer von ihnen sprach: »Wir sind diejenigen, welche von dem Tod plötzlich sind übereilt worden, die eines jähen Todes gestorben sind.« »Du hast's erlogen, Unflat! rief ihm ein Teufel zu; es wird keiner vom Tod übereilt, man wird dessen allemal zuvor inne. Wie will sich denn jemand mit Fug beklagen, daß er plötzlich vom Tod ist übereilt worden? Da ihr doch alle, sobald ihr geboren werdet, den Tod euch auf den Fersen folgen habt. Was sieht man mehr und öfter auf der Welt als Leichen und Begräbnisse? Wovon hört man mehr auf der Kanzel durch die Pfarrer reden als vom Tod? Wovon liest man mehr in guten Büchern als von der Gebrechlichkeit und Sterblichkeit der Menschen? Der Mensch geht ja dem Tode selbst alle Tage entgegen; alles was er mit seinen Augen sieht, das sind Spiegel der Unbeständigkeit und Endschaft aller Dinge: die Kleider verschleißen, die Häuser fallen ein, wenn sie ihre Jahre gestanden haben. Die Krankheiten sind des Todes Fouriere, welche alle Augenblicke bei den Menschen anklopfen und denselben ankündigen, daß der Tod allda seine Herberge bestellen und der Gast den Wirth austreiben werde. Der Schlaf stellt dem Menschen die Gestalt des Todes alle Tage vor Augen. Ja das menschliche Leben kann sich nicht anders als durch den Tod anderer Thiere erhalten. Ihr wisset alle das unvermeidliche Gesetz: der Mensch muß sterben; es heißt nicht: vielleicht, vielleicht stirbt er einmal, sondern er muß sterben. Und ihr Menschenkinder dürft so frevelhaft und verwegen sein und sagen, daß ihr durch den Tod übereilt worden seid? O nein, o nein, es verhält sich viel anders. Ihr seid wirklich gestorben und wisset nun keine Ausflucht als die, welche alle Thoren haben: ›ich hätte es noch nicht gemeint‹. Warum erspart ihr die Buße allzu lange? Wißt ihr nicht:

Welch Menschenkind spart sein' Andacht
Bis gen Lichtmeß oder Fastnacht,
Und in der Kirch' Demüthigkeit
Und bei der Hochzeit Fröhlichkeit,
Und allererst thut sein Gebet,
Wenn er etwa spielt in dem Brett
Und spart die Buß', bis er wird voll –
Für thöricht den man halten soll.

Es ist beim Tod kein Ansehen der Person, er schleicht den Menschen nach.

Wer sich nicht wohl versieht, der ist gefangen,
Denn dem Tod keiner ist noch je entgangen.

Wer dem Tode entfliehen will, dessen Mühe ist umsonst, er thut vergebene Arbeit, er scheert einen Esel, er berupft eine Sackpfeife, er badet einen Rappen, er wäscht einen Mohren, er geißelt einen Todten, er holt Wasser in einem Sieb, er ficht mit den Seelen, er singt einem Tauben, er redet zu einer Wand, er balgt sich mit dem Nebel, er spielt auf einer gebrochenen Laute, er zählt den Sand, er schreibt in das Wasser, er rudert in der Luft, er fliegt ohne Federn, er baut auf den Sand, er hütet Weiber und Flöhe, er klagt seine Noth einer Stiefmutter, er lehrt das Eisen schwimmen, er bäckt Brot in einem kalten Ofen, er sagt einem Räuber ein Mährlein, er wetzt einen Wetzstein, er lehrt einen Krebs vorwärts gehen, er bläst in ein hohles Gefäß, er säet ins Meer, er guckt ins Bergwerk, er sucht Bratwürste in einem Hundestall. Daher ist, wer solcher Arbeit sich unterwindet, närrisch nach dem bekannten Reim:

Wer baden will 'nen Mohren weiß
Und darauf legen seinen Fleiß
Und an der Sonne Schnee aufdörrt
Und Wind in eine Kiste sperrt
Und Narren bindet an ein Seil
Und Unglück auch will halten feil
Und einen Bock in Gärten setzt,
Geiß', Gäns' und Schaf' nach Wölfen hetzt,
Dem Tod entlaufen sich befleißt
Und Wein in eine Rinne geißt (gießt)
Und Gras will machen in dem Rhein –
Der kann mit Fug nicht witzig sein.«

Ich wendete mich zur linken Hand und sah bald in einem weiten, unendlichen Laboratorium eine große Menge Seelen in glühenden Gläsern wie eingemachte Nüsse in Teufelsdreck, Harz und anderem zubereiteten Geschmier liegen. Pfui! sprach ich, wie stinkt es hier! Wir sind gewiß nicht weit von dem Ort, wo die höllischen Schlot-Geister Wohnung haben; was mag es wohl sein? Und einer derer, welche die Seelen peinigten, gelblich von Farbe, als ob er mit Safran angemalt wäre, sprach: »Es sind allhier diejenigen, welche man unter den Menschen Apotheker nennt. Sie sind die rechten, unfehlbaren Realphilosophen und Alchimisten, bei denen Theophrast, Raimund Lullus, Hermes, Geber und AvicennaTheophrast, ein griechischer Philosoph, geb. 390 v. Chr. Raimund Lullus (geb. 1234, gest. 1315) erfand eine unfehlbare Kunst, andere durch Gründe und Beweise zur Erkenntnis zu bringen, wozu er eine eigene Maschinerie construirte. Hermes (Trionegistos) ist eigentlich der Mondgott der alten Aegypter, dem man alle Erfindungen zuschrieb. Bei den Alten wie bei den Christen galt er als weiser König von Aegypten. Geber (Giafr), ein arabischer Gelehrter zu Anfang des 9. Jahrhunderts und der bedeutendste arabische Chemiker. Avicenna, ein arabischer Arzt, der 1036 starb. noch in die Schule gehen könnten; denn obwohl sie geschrieben haben, wie man Gold machen soll, so haben sie es doch selbst nicht machen können; hätten sie es aber auch gekonnt, so sind sie gleichwohl in ihren Schriften so dunkel, daß heutiges Tages keiner ihre Meinung oder Geheimnisse wird erforschen können. Aber unsere Herren Apotheker können mit einem Glas voll trüben Wassers, mit einem Knollen Pech oder Wachs, mit einer Hand voll Mücken, Koth, Schlangen, Kröten, mit einem Karren Heu das beste gemünzte ungarische Gold zu Wege bringen, ja besser als alle die, welche jemals von dieser Kunst geschrieben haben; so daß es wahrhaftig scheint, als ob um der Apotheker willen allein der Spruch wahr gemacht sei von Gott: daß in Worten, Kräutern und Steinen eine große Kraft liegt. Denn es ist kein Kräutlein, so giftig es immer sein mag, es kann ihnen merklichen Nutzen schaffen; kein Stein ist so hart, aus dem sie nicht das beste, trinkbare Gold machen könnten. Und aus Worten gar das allermeiste; denn wenn man fragt, ob sie dies und das haben, so sprechen sie (ob es schon erlogen ist) nimmer nein, und geben alsdann einem armen Manne Dreck für Schleck,Schleckereien, Leckereien so daß er also nicht die Mittel sondern die Worte bezahlen muß, welche sie theurer verkaufen als alle Büchsen. Außerdem sollte man sie gar nicht Apotheker, sondern Abdecker und Waffenschmiede nennen, und ihre Läden der Mediciner Rüst- oder Zeughaus: eben weil darin Wehr und Waffen an die Hand gegeben werden, ja Kraut und Loth, um die Menschen offensiv und defensiv unvermerkt außer der Zeit und Gelegenheit anzugreifen, zu Boden zu legen und sie abzudecken.«

Unfern davon sah ich ein verschlossenes Zimmer; und als ich nahe kam, sprach einer zu mir: »Hier wirst du sehen die Art und Weise vorwitziger, leichtsinniger und hoffärtiger Weiber.« Und ich sah einen Haufen Weiber, die im Gesicht aussahen, als hätten sie sich schröpfen, picken oder hacken lassen: denn an allen Stellen, die sie gern wollten beschaut haben, waren sie mit schwarzen, kleinen Pflästerchen und mit runden, langen, breiten, schmalen, spitzen Mücklein, Flöhen und andern possirlichen zum Anblick dringenden, zum Zugriff zwingenden Mannsfallen beklebt. Einige schabten sich das Angesicht mit einem Glas; andere rupften sich mit Pech die langen Augenbrauen aus; andere, welche keine Augenbrauen hatten, malten solche mit etwas Schwärze an; andere behängten sich mit falschem Haar und wollten die Leute damit überreden, daß sie schön gelbes Haar hätten und jung wären; andere ließen sich Zähne von Elfenbein einsetzen, um ihre schwarzen, häßlichen, stinkenden Zähne los zu werden; andere kauten Zimmetrinden, NägeleinNägelein ist der elsässische Name für mehrere einheimische Pflanzen. oder Zucker von VerdunZuckergebäck von Verdun, welches noch heute berühmt ist. um ihren giftigen Athem zu vertreiben; andere gingen auf ellenhohen Schuhen, damit sie groß scheinen, weit um sich sehen und desto tiefer fallen möchten; andere besahen sich im Spiegel hinten und vorn, und wenn sie ihre Ungestalt merkten, gaben sie dem Spiegel die Schuld, schalten deswegen auf die Stadt und Herren von Venedig, welche nicht mehr so schönes Glas machten wie vor zwanzig oder dreißig Jahren; andere bedeckten ihre Gesichter mit einem Krepp, ZindelFrüher ein kostbarer Seidenstoff. Taffet oder Flor, damit man meinen sollte, ein schöner Unflat stecke dahinter; andere, damit sie ihre Schandflecken und kupferrothen Habichtsgesichter zieren möchten, schämten sich nicht, mit weiblichen unreinen Tüchern sich alle Morgen zu reiben, zu wischen und zu waschen: – und so tausenderlei lose Stückchen mehr, welche alle doch den Wust und Unflat nicht verbergen konnten. Ich vermochte auch vor Gestank nicht mehr zu bleiben und sprach zu mir selbst: Ist es wohl immer möglich, daß das weibliche Herz so arglistig und vortheilsüchtig sein soll, seine Verdammnis auf so viel tausenderlei Wege auch noch in der Verdammnis zu suchen, zu vermehren und größer zu machen? Denn meines Erachtens hätten die Teufel selbst nicht losere Stücke erdenken können.

Aber ich kehrte mich von ihnen anderwärts und sah allda einen Verdammten in einem Sessel. Es war weder Hitze noch Kälte, weder Teufel noch Marter da; er saß so allein und schrie doch so grausam, als ob ihm einer die Seele wollte ausreißen. Das Herz floß ihm tropfenweise die Stirn herab, als ob er strangulirt würde, und er zermarterte seinen Leib mit Streichen und Striemen, als ob er von Teufeln besessen wäre. O Gott! dachte ich, in welche Verzweiflung ist dieser arme Mann gerathen! Und ich sehe gleichwohl niemand, der ihm Leids thut. Was ist euch? fragte ich ihn; was jammert und zetert ihr so, da doch weder Hitze noch Kälte, weder Teufel noch Peiniger euch umgeben? Da stieß er einen heftigen Schrei aus und sprach: »Ach, ich habe in mir selbst alle höllische Pein und Marter, die alle andern Verdammten fühlen! Ihr seht nicht die Henker, die sich an mein Herz anhängen und mir ewige Plage anthun; aber der, der (und er biß sich selbst mit den Zähnen und krümmte seinen gemarterten Leib, daß er die Augen verkehrte), der, dessen Gerechtigkeit unendlich ist und dessen Gerichte ewig bleiben über die Gottlosen, der sieht sie wohl. O daß ich immer gedenken muß der guten Zeit, in der ich mich hätte bekehren können, des guten Raths, den ich oft verachtet und der bösen Werke, die ich oft gethan! O des ewigen Heils, welches andere mit wenigem Verstand aus großer Gnade erlangt haben, und meine hohe Geschicklichkeit hat mir die ewige Pein gebracht! O der grausamen Noth, daß ich immer und immer au den Himmel gedenke! Denn die Fülle der ewigen Freude mehrt der Verdammten Herzeleid, wenn sie an dieselbe gedenken. O daß ich das alles aus meinem Herzen ewig vertreiben könnte, meine Qual würde sich um so viel mindern! O Mensch, frage du nicht, was meine Marter sei! denn alle Kräfte meiner Seele haben sich in ewige Flammen, in Schlangen und Skorpionen verwandelt, welche mein Herz martern und peinigen ohne Aufhören; der nagende Wurm meines Gewissens ist mir an die Seele angeheftet und mit ewigem Hunger frißt er mir mein armes Leben!« Und mit einem großen Geschrei, Wimmern und Aufbäumen sprach er: »Du Menschenkind, bedenke und nimm dir wohl zu Herzen, alle hochgelehrten, scharfsinnigen Doctores in der Welt, welche mit himmlischen Gaben geziert und begabt sind, aber dieselben mehr zu eitler Lust und zu eignem Ruhm als zur Beförderung ihrer Seligkeit und zu des Nächsten Auferbauung verwendet haben, die sind gleichermaßen, wie ich es jetzt bin, der ewigen, gleichförmigen Marter unterworfen!« Dann hob er sein erstes Wesen von neuem an. Voll Furcht und Schrecken sah ich, wie ich davon kommen könnte und mit Bestürzung dachte ich bei mir selbst, es müsse dieser Elende unzählige und unsägliche böse Stücke auf dem Gewissen haben. Aber einer der Geister, welcher sah, mit was für Gedanken ich umging, sagte mir heimlich ins Ohr: es wäre dieser ein vortrefflicher, hochberühmter Philologe gewesen, der Jahr und Tag hätte über einen Buchstaben grübeln und spintisiren können – ohne Nutzen für einen einzigen Menschen; ein Atheist, einer der weder einen allmächtigen Gott noch einen Teufel, weder Himmel noch Hölle recht geglaubt, sondern seine weltliche Weisheit und tiefsinnige Geschicklichkeit höher gehalten habe als das ewige Leben; der alles dem Lauf der blinden Natur zugeschrieben, der die Auferstehung der Todten verlacht und für eine gelehrte Fabel gehalten, damit die Leute in den Schranken der Gesetze menschlicher Regierung und Ehrbarkeit um so besser zu hemmen seien; der, um auf der Welt hoch angesehen zu werden, nach unordentlichen, verbotenen Mitteln gegriffen, sich ein Galgenmännchen gezogen, die Geister beschworen, sie um Rath gefragt und wie Gott angebetet und verehrt habe, Gott aber, den allmächtigen Schöpfer und Erhalter aller Dinge habe er außer Acht gelassen. Und zu dem Verdammten sich wendend, sprach der Geist ferner: »So, so soll es denen ergehen, welche ihre Geschicklichkeit der Seligkeit vorziehen und sich in die Weltweisheit mit Verachtung der heiligen Vorsehung Gottes vertiefen! Leide, leide du nun, du verdammte Seele, die du auf Erden von dem Allmächtigen nichts hast hören und wissen wollen!«

O, sprach ich im Innersten meines Herzens, wie sehr ist freilich ein Gelehrter ein verdammter Mann, wenn er seine Geschicklichkeit mehr aus Eitelkeit und Ehrgeiz als zum Nutzen des Nächsten und zum Lobe und Preise Gottes sehen läßt und gebraucht! Wie werden es aber, dachte ich ferner, diejenigen Könige und Fürsten vor dem strengen Gericht Gottes verantworten, welche nicht allein in ihren allerchristlichsten Reichen den Atheismus in der Theorie, sondern auch in der Praxis bereitwilligst einwurzeln, und sogar ohne rechte Erkenntnis des einigen wahren Gottes, eines Wesens und unseres Heils bei ihrem Adel und ihren Unterthanen ungestraft üben und treiben lassen?! – Nicht weit von diesen sah ich viele feurige Wagen voll Seelen daher fahren, welche mit glühenden Zangen gefetzt wurden, und den Wagen folgte eine große Menge nach mit lautem Geschrei. Einer von ihnen, der vorn saß und Schweigen gebot, rief laut und sprach: »Auf Befehl des allgerechten Gottes sollen alle diese, welche selbst gethan, was sie andern verboten, welche an andern ärgerlich getadelt, was sie leichtfertig selbst begangen haben (wodurch den Einfältigen unnöthiges Nachdenken, Seufzen und Aergernis über die allweise Regierung des Höchsten verursacht ist), also bestraft werden. Es sollen gestraft werden die Fürsten und Herren, welche ihre Diener geärgert, sie zur Ungerechtigkeit gebraucht, sie zu Löwen gemacht haben, um die armen Unterthanen zu verderben. Die Diener sollen bestraft werden, welche den Fürsten und Herren zur Ungerechtigkeit geholfen und unbilligen Geboten wider Gott und den armen Unterthanen Gehorsam geleistet haben. Ewig sollen gestraft werden die Obrigkeiten, welche die Unterthanen über Gebühr beschwert, die Unterthanen, welche der Obrigkeit geflucht und einander geärgert haben; die Eltern, welche die Kinder nicht gezogen, die Kinder, welche den Eltern nicht gehorcht haben.« Und mit Fingern zeigte er mir noch andere und sprach: »Diese Männer haben ihre Weiber geärgert mit Ehebrechen, diese Weiber ihre Männer mit Verschwendung und Unfreundlichkeit. Diese Herren haben ihre Knechte geärgert mit Unbarmherzigkeit, diese Knechte ihre Herren mit Untreue. Diese Kaufleute haben ihre Handwerker geärgert mit falschen Maßen und Gewichten, diese Handwerker ihre Kaufleute mit Verweigerung und Verfälschung der Arbeit. Diese Alten haben geärgert die Jungen mit bösen Beispielen, diese Jungen die Alten mit Verspottungen. Diese Reichen haben geärgert die Armen mit unmenschlichem Wucher, diese Armen die Reichen mit heimlichem Diebstahl. Diese Jünglinge haben geärgert die Jungfrauen mit ihrer Gestalt und mit Nachstellungen, diese Dirnen die Jünglinge mit Anreizungen durch ihre geilen Geberden, üppigen Kleidungen und durch schmeichelndes Wesen. Diese von Adel haben geärgert den Pöbel mit Verachtung, dieser Pöbel den Adel mit Haß; dieser den, welchen er beneidet, der diesen, welchen er angefeindet. Und es ist unter euch Menschen die Bosheit so gemein geworden, daß ein jeder nur auf sich selbst sieht und seinen Nächsten zu Aergernis und Frevel verleitet und treibt: – was ihr entweder gar nicht achtet wie Blinde, oder wenn ihr es achtet, es als geringe Dinge verachtet. Also muß ein frommer, gottliebender Christ unter den Aergernissen dieser Welt erliegen, weil er ja sieht, daß all seine Redlichkeit ihm vor der Welt nichts hilft, und der Schalk allenthalben durchschlüpft und vorgeht.«

Alle diese traurigen Händel hatten mich sehr angefochten, und ich hätte mögen gern weit von dort sein. Aber da sah ich einen Haufen Verdammter ungefesselt umher gehen, fragte deshalb, wer sie wären? und man sagte nur, es wären Weinschänker (Weh-einschänker), die man allein auf schlichtes Angeloben oder (wie man bei den Strauchdieben jetzt reden muß) auf Parole ungebunden gehen ließ, weil man den Glauben und das Vertrauen zu ihnen in der Hölle trug, daß sie gewiß nicht ausreißen würden. »Man braucht nicht zu sorgen, sprach ein Teufel, daß die Weinschänker durchgehen werden, weil sie ja so viel Arbeit vollbringen, ehe sie in die Hölle kommen können. Allein wir tragen in etwas Sorge, daß sie ihrer Gewohnheit nach hier und da Wasser zu schütten haben; dann müssen wir aber um so fleißigere Aufsicht üben, daß sie durch das Wasser die Kraft des Schwefels und Pechs für die andern nicht zu milde machen, wie sie es mit den geschwefelten Weinen pflegten auf der Welt.«

Währendem hörte ich ein Rufen: Hier ist Judas! Hier ist Judas! und als ich mich umsah, bemerkte ich sehr viel Volks um ihn her, die seines Amts und Wesens auf Erden gewesen waren, wie ungerechte Haushälter, Schaffner, Rentmeister, Kellermeister, Burgvögte, Küchenschreiber, Haushofmeister, Einkäufer und dergleichen; den allen standen diese vier Worte mit glühenden Buchstaben auf der Stirn geschrieben: ›Weder traue noch glaube.‹

Als Judas so viele köstliche Aufwärter um sich bemerkte, da däuchte er sich eben auch keine Sau zu sein. Ich sah aber, daß ihre Pein die des TityosEin Titan, dem zur Strafe in der Unterwelt ein Adler die Leber aushackte. war, dem die Eingeweide von den Raubvögeln, Sissadores genannt, aus dem Leibe gerissen und ohne Aufhören gefressen wurden; und ein Teufel flog in Gestalt eines Raben oder Raubvogels umher und schrie: Sissadores, Recebidores,Raubvogelnamen mit Anspielung auf die Menschen. Recebidores, Sissadores; und zur Stunde kam sie alle ein Heulen und Zähneklappern an. Judas selbst mit seinem Säckel konnte sie in allen diesen Nöthen nicht anders als mit Strang und Strick trösten. – So geschieht dir recht, sprach ich, du meineidiger, treuloser, gottvergessener Verräther, der du dich so ganz hast vom Teufel verführen lassen, daß du deinen Herrn und Gott, das unschuldige Lamm, um ein so schnödes Geld verrathen hast! »Was darfst du Weltkind, sprach er, mich in meiner Verdammnis hier noch schmähen, da doch hochgelehrtere, verschmitztere und spitzfindigere Köpfe, als du bist, ausgegrübelt haben, daß ich die Hauptschuld daran nicht trage, sondern solches zu thun von Ewigkeit her bin berechtigt gewesen! Zudem bin ich nicht allein ein Dieb und Verräther: denn seit Christi Leiden sind noch viel Undankbarere erfunden worden als ich, welche nicht allein Christum um geringeren Nutzens willen verrathen, verläugnet und verkauft haben, sondern auch noch alle Tage in ihren Werken verspotten, geißeln, kreuzigen und tödten, viel greulicher und schmählicher als ich oder die Juden mögen gethan haben.«

Ich dachte bei mir: Judas, du seist ein so verzweifelter Bösewicht wie du wollest, du hast doch wahrlich hierin nicht ganz gelogen! –

Jetzt besann ich mich, daß ich zu Anfang auf dem Wege eine Protestation wider eine bewußte große Dame hatte wollen aufsetzen lassen, aber keinen Notar hatte finden können. Da fragte ich denn, ob gar keine in der Hölle wären? »Ja freilich sind sie hier zu finden, und in großer Menge, antwortete ein Teufel; daß du aber keinen auf dem Wege angetroffen hast, liegt daran, daß sie nicht zu Fuß herein kommen wie gewöhnliche Gesellen, sondern mit ihren Federn, doch ohne Federn, und in der Ordnung wie die Schneegänse fliegen; auch sind sie so eifrig hierher gekommen, daß mit den Federn schreiben und ohne Federn fliegen bei ihnen eins ist, nach dem Sprichworte:

Ein' Mistpfütz' und ein Pfuhl,
Ein Sessel und ein Stuhl,
Ein Fischer und ein Ferg',
Ein Büttel und ein Scherg',
Ein Klimmer und ein Steiger,
Ein Fiedler und ein Geiger,
Ein Waidmann und ein Jäger,
Ein Fauler und ein Träger,
Ein Weber und ein Knapp'So hießen früher die Wollweber und Tuchmacher.
Em Maulaff' und ein Lapp'Lapp' = Laff
Ein Tüncher und ein Weißer,
Ein Trüger und Bescheißer,
Ein' Kist' oder ein Schrein,
Ein' Sau oder ein Schwein,
Ein Soldat und ein Krieger,
Ein Schreiber und ein Lüger,
Ein Ochs und ein Rind –
Sind all' Geschwisterkind.

Das kommt daher, weil ihre Federn so leichtfertig sind und deswegen einen um so größeren Trieb und größere Gewalt haben ihren Zweck zu erlangen. Wenn du aber auch hier noch keinen nennen hörst, so liegt das daran, daß sie, sobald sie herkommen, ihren weltlichen Namen verlieren und Käutze oder Finken genannt werden.« – Sind auch Schergen hier? »Nein,« sprach ein Teufel. Da ich mich aber erinnern konnte, was sich bei dem ersten Gesicht mit dem Schergen zugetragen hatte, fragte ich nach der Ursache dessen. »Weil ein jeder Scherge, antwortete der Teufel, selbst eine Hölle und Verdammnis ist, ja sie sogar verteufelt und die armen Menschen auf Erden genug an Leib und Seele zu nagen und zu plagen weiß. Weil sie also das Handwerk der Teufel besser und fertiger ausüben können als die Teufel selbst, so stehen wir in Sorgen, daß, wenn sie hinein können, Lucifer sich über unsere Trägheit erzürnen, uns beurlauben und sie uns vorziehen möchte.« Auf etwa fünfzehn Schritt weiter kam ich zu einem großen Platz; der war anzusehen, als ob er mit einer hohen Tuchmauer, wie Meister HämmerlinsIst wahrscheinlich ein umherziehender Gaukler, der sein Schaugerüst mit Leinwand verhängte. Gerüst, umgeben und mit allerhand Völkern erfüllt wäre, deren einige mausestill schwiegen in ihrer Qual, einige beteten und seufzten ohne Aufhören. Man sagte mir, es wären Buhler. Ich hatte Mitleid mit ihnen, weil ich sah, daß auch die Hölle selbst die Venusnarren von ihrer närrischen Noth nicht los machen konnte: denn einige erzählten noch von ihrem unglücklichen Mißtrauen; andere von ihrem verzweifelten Hoffen; andere von ihren vergebenen Einbildungen; andere von ihren thörichten Begierden, die sie auf der Welt gehabt hatten, da sie meistentheils eine verschleierte Geiß für eine Jungfrau, einen losen Balg für ein ehrlich Mädchen geliebt und gelobt hatten. Die meisten lagen darnieder an einem ewigen Schmerz des Unglaubens, wie wenn sie die Darmgicht hätten. Und als ich fragte, weshalb sie Qual litten? sagte mir ein Geist, es wäre ein sonderbarer Zustand, den sie ›berühre mich nicht!‹ und ›ich hätte nicht gemeint!‹ nenneten. Denn wenn sie betrachteten, daß sie in all ihrer Hoffnung betrogen worden, daß sie auf Erden so manchen Narrengang um nichts gethan und ohne Ursache ihr Gut so verschwendet hätten, dann sprächen sie: ich hätte nicht gemeint, daß es soviel kosten würde! ich hätte gemeint, daß ich sicher ankommen würde! ich hätte nicht gemeint, daß sie würde Meister sein! ich hätte gemeint, sie würde mir mehr gehorchen! ich hätte gemeint, wenn sie einen Mann hätte, würde sie der andern müßig gehen! ich hätte gemeint, sie würde mich von Herzen lieben! So daß also ihr Unglück und Verdammnis davon herkommt und gemehrt wird, daß sie erst nach geschehener That bedenken und ohne Reue sagen: ich hab's nicht gemeint, oder ich hätte gemeint.«

Mitten in dieser ehrlichen Zunft saß der ehrbare und von ihnen auf der Welt als ein Gott verehrte Götze Cupido, nackt wie ein Bärenhäuter. Gleichwohl war seine Haut mit einer gewissen Tracht bedeckt, anzusehen wie ein köstlich gesticktes Zeug von Krätze oder ein herrliches Tuch von Franzosen oder gar wie der Aussatz und Ausschlag. Eine Siegesfahne schwebte über ihm, auf welcher die Reime standen:

Wer stets im Luder liegt,
'Nen solchen Lohn er kriegt:
Denn wer mit Huren will haushalten,
Wird arm aus reich, muß jung eralten.

Hoho! sprach ich, da giebt es wahrlich Poeten in der Nähe! was ich leicht an den frisch gebackenen Reimen erkannte. Ich hatte auch kaum das Wort gesagt, da sah ich einen großen Pferch, in welchem viel tausend Poeten saßen; sie wurden aber in der Hölle nicht anders als wie Phantasten, Esel und Narren behandelt. Als ich sie nun genau beschaute, kam einer auf mich zu und mit dem Finger auf ein nahes Frauenzimmerquartier zeigend, sprach er: »Was däucht euch? ist's nicht wahr, die Weiber sind nicht ganze Gehilfinnen des Mannes, sondern nur halbe, weil sie nicht allezeit um den Mann sind? Ein Theil des Theils! denn die halbe Zeit, nämlich die Nacht, bringen sie mit Schlafen zu. Noch ein kleiner Theil des Theils! denn auch am hellen Tag helfen sie zwar die Männer ausziehen, aber nimmermehr wird man sehen, daß sie dieselben gern helfen anziehen. Daher ist es unumstößig wahr, daß die Weiber nur halbe Gehilfinnen des Mannes sind.« Wenn ich der überspitzfindigen, tiefgesuchten Weisheit dieses Poeten länger hätte Gehör geben wollen, ich glaube sicherlich, er würde tausend Theilchen nacheinander hergezählt haben. Aber wie? sprach ich: könnt ihr dergleichen spitze, unnütze, kahle Gedanken und Fragen auch noch in der Hölle nicht vergessen? Ist euch die Narrheit noch nicht ausgeschwitzt? Ihr müßt wahrlich auf Erden ein fauler Kunde und ein lächerlicher Naseweis gewesen sein, weil ihr die Schnacken und Grillen auch bis hierher behalten habt.

Dieser ging von mir, und ein anderer, ein Schreibtäfelchen in der Hand, ein glänzend-schmutziges Käppchen auf dem Kopf, kam auf mich zu und redete mich ohne weitere Grimassen also an:

Wenn ihr denn mich wollt fragen rath,
So wollt' ich es euch sagen dratGeschwind, alsbald.
Und nichts verhehl'n zu dieser Frist;
Das schwör' ich euch ohn' arge List:
Denn ich es all's erfahren han,
Als ich durch die ganz' Welt that gahn.
Von morgen- bis gen abendwärts
Bin ich bekannt ohn' allen Scherz,
Und ist kein' Stadt fast in der Welt,
In der ich nicht war, wie gemeld't.
Auch in der großen Stadt Constant-
Tinoppel, die allen ist bekannt u. s. w. –

Ei so noppele, daß du deine Ehre vernoppelst, du elender Tropf! daß ich dich ja nicht länger höre, nopple dich fort und höre auf! sprach ich: denn wenn ich ohne Strafe und Gefahr in der Hölle lachen könnte, so müßte ich mir dieser närrischen Verse wegen einen Buckel lachen. Pfui Teufel! wie kannst du so närrisch sein! du machst allen Poeten einen bösen Rauch. Wenn das Ding auf Erden geschähe, man würde meinen, es könnte keiner ein Poet sein, er wäre denn zugleich ein Narr, und es würde sich einer bald schämen müssen, daß er etwas dichten und reimen gelernt habe! Meinst du, daß es genug sei, Narren-Reime machen und die Zeilen mit einem Holz abmessen? O elender Tropf, es gehört ein anderer Verstand und Kopf zur Poeterei; solche Narren, wie du einer bist, gehören nicht unter die Zahl der Poeten: rechte Poeten haben herrlichere Einfälle und bessere Reime, als du sie kannst machen! – »Ja, ja, sprach ein anderer, der eiserne Fesseln anhatte und viel härter gestraft wurde wie der vorige: ich hoffte bei der Poeterei eine bessere Krone verdient zu haben, der ich in derselben herrlichere Thaten gethan als dieser Reimklotz da; aber – o daß der, welcher die Poeterei, das Versemachen, Reimen und Grillisiren zu Anfang erdacht hat, hier an diesem Orte sitzen und höllische Reime schwitzen möchte!« Du elender Tropf, antwortete ich diesem: das Versemachen und Reimen an sich selbst ist an deiner Verdammnis nicht schuld; wenn du solche Gaben nicht zu loser Eitelkeit und Leichtfertigkeit mißbrauchst, sondern sie zur Ehre und zum Lobe Gottes, wie viele heilige Männer, verwendet hättest, du wärest dieser Strafe wohl entronnen. Aber deinesgleichen verführerischen Schreibern soll es billig so ergehen.«

Ich hatte ihn anfangs, weil er Lateinisch zu mir redete, für Martial, Petronius, CatullusRömische Dichter: Martial, Epigrammendichter zu Ende des ersten und zu Anfang des zweiten Jahrhunderts n. Chr. Petronius lebte unter Nero. Catullus, Dichter von Elegien, geb. 87 v. Chr. oder für einen ihresgleichen kitzelgierigen Franzosen gehalten: aber jetzt fing er an, in deutscher Sprache ein trauriges Klagegedicht vorzutragen, so daß ich unschwer daraus urtheilen konnte, er müsse ein geborner Deutscher sein, die zum Theil solche losen Narretheien, wie auch andere greuliche Laster und Untugenden den welschen Völkern ablernen. Diese Klage lautete also:

Die Vers', die ich heuer gedichtet,
Haben mich zum Tod gerichtet;
Meine Reime ohne Zahl,
Die ich oft hätt' sollen meiden.
Bringen mich in diese Qual,
Die ich in der Höll' muß leiden.

Also sich die Narren quälen,
Daß darf keine Silbe fehlen:
Drum zu reimen auf ein' Schnur,
Hab' dem Leser zu Gefallen
Ich gesagt: die wär' ein' Hur' –
So doch war die frömmst' von allen.

Oftmals stiegen mir die Grillen
Einen Reim recht auszufüllen,
Welcher ausging auf ein Helm:
Sich zu schicken in das Lesen
Sprach ich: jener war ein Schelm, –
Der doch Biedermann gewesen.

Als ich von dem Meer that fragen,
Wie sich da die Winde jagen,
Und nichts reimen konnt auf Sud:Sud veraltet für Süd, Südwind.
Nur den Wohlklang zu erzwingen
Sagt' ich: ein Christ wär' ein Jud',
Und ein Esel könnte singen.

Was ich wollt' zusammenflicken,
Das mußt' sich in Reime schicken,
Es wär' gleich Katz' oder Hund,
Tod und Leben, Hoffnung, Zweifel,
Himmel, Höll', ja Engel, Teufel.

Dem Patrone zum Belieben
Hab' ich oftmals das geschrieben.
Welches doch erlogen war,
Hab' gelobt, was war zu schelten;
Jetzt muß ich's ohn' Zeit und Jahr
Ewig in der Höll' entgelten.

Nehmt Exempel ihr Poeten!
Seht in welch grausamen Nöthen
Wir hier sitzen in der Glut!
Cerberus indessen brummet.
Denn wir haben einen Muth,
Der von Lucifer herkommet.

Wie könnte doch närrischere Thorheit und thorheitlichere Narrheit erfunden werden als diese: die Hölle verdienen durch Versemachen und doch in der Hölle selbst noch nicht aufhören zu reimen? Man kann wohl sagen, es muß der Rest der Poeterei tief in deine Seele gefressen haben, weil das höllische Feuer denselben nicht kann ablösen. Ich halte es für eine von den unnützesten Arbeiten, einen Versemacher klüger machen zu wollen:

Wer wehren will der Sonne Glanz
Und zwingen eine Geiß zum Tanz,
'Nen Tauben zwingen, daß er hör',
Eine Kuh treiben durch ein Nadelöhr,
Fromme Mönche machen aus Schälken,
Aus einem Esel MättMätt ist ein vornehmes Getränk, aus Honig gebraut. will melken,
Einen Versanten machen klug: –
Der hat selbst nicht Verstand genug.

»Es ist eine recht phantastische Begeisterung in den Poeten, sprach ein Teufel: denn während andere ihre Sünden bejammern und Mord darüber schreien, da singen, sagen und erzählen die Poeten die ihrigen an allen Orten, als ob sie es recht gut getroffen hätten; treiben Hurerei im Sinn (wie arme Juden den Wucher) mit irgend einer Clorinda, Lesbia, Thalia, Rosamunda, Florinda, Cassandra, Flora, Laura und führen sie in ihren Versen und Liedern auf goldenen Wagen und Kutschen daher, als ob sie Fürstinnen oder Göttinnen wären; wissen die goldenen Haare, die kristallene Stirn, die sternfunkelnden Augen, die Perl-Zähne, den Korallen-Mund, die zuckersüßen Worte nicht genugsam zu beschreiben, wie der thörichte Maler Aubelin, während doch bisweilen alle diese Herrlichkeiten eine stinkende, kahle Vieh- oder Küchenmagd kaum entwerfen können, und sie mit all diesem eingebildeten Reichthum und dieser Pracht nicht ein Pfund Brot zu bezahlen wissen oder einen Schuhflecken dafür aufsetzen lassen können. Außerdem ist es unmöglich, daß man eines Poeten Heimat, Glauben und Religion recht erfahren kann: sie nennen sich zwar heutiges Tages alle Christen, aber sie haben irrige, verketzerte Seelen. Ihre Gedanken sind arabisch und schwärmen in den dortigen einsamen Wüsten herum wie eine Mücke in einer Trommel. Ihre Schriften, Worte und Gebete sind ohne Maß und Zahl – denn sie zahlen nicht leicht und sind des Borgens besser gewohnt.

Doch weil ich an einem poetischen Fieber vorzeiten auch etwas krank gelegen war und in Furcht stand, es möchte mir deswegen auch ein Verweis hergesagt werden, so trollte ich mich von dannen, und bemerkte unfern die Heuchel- und Maulchristen, die, wenn sie beten, in der Kirche sind oder mit Gottes Wort umgehen, sich heilig stellen und unterdessen mit den Gedanken im Gerstenfeld herumfahren; dem Heiligen eine Kerze verheißen, doch nicht einen Docht geben: auch von Gott Dinge wünschen, was eine Schande ist zu hören. Deswegen sind sie mit Ketten des ewigen Stillschweigens gebunden, müssen ewig und ewig hören, daß ihnen die Teufel ihre Untugend vorwerfen: O ihr unverschämten Seelen, die ihr das Gebet und die Geduld Gottes so leichtfertig mißbraucht habt! Ihr Frevler, die ihr mit der heiligen Majestät Gottes in geringerer Ehrerbietung umgegangen seid, als mit irgend einem Kaufmann oder Händler, ja ärger als eine Sau mit einem Bettelsack! Wievielmal habt ihr von Gott solch unbillige Sachen erbeten, daß ihr selbst euch dessen schämen müßt – wie jener dort, auf den er mit einem Finger zeigte, der, solange er auf Erden war, sprach: O daß Gott gebe, daß mein Vater todt wäre! daß ihn der Teufel hinweg hätte, damit ich das Diebsgut einmal benutzen könnte! o daß mein Oheim stürbe, und ich ihn beerben möchte! o daß ich ein Doctor wäre! o daß ich ein reicher Abt würde! o daß ich einen heimlichen Schatz fände! gebe Gott, daß ich im Spiel möchte Glück haben! o daß ich meinem Kinde könnte eine reiche Heirath verschaffen! o daß der Fürst oder mein gnädiger Herr mir mit Gnaden ewig müßte verbunden sein, und ich sein Mignon und Favorit, das ist, ihm vor allen andern lieb und werth wäre! – Und dann dürften sie wohl noch die losen Bedingungen und Versprechen dazusetzen: Thue das mein Gott und hilf mir, so will ich das und das vollbringen, den Armen dies und das Gute thun, so und so fromm werden! Welch grobe und große Unkenntnis, Gott unter gewisser Bedingung versprechen, was man ihm ohne Bedingung und von Rechtswegen schuldig ist, was für eine Frevelthat ist das! Von Gott diejenigen Dinge bitten, die er doch den Menschen oft zur Strafe und Züchtigung zuschickt, und wenn er alles gegeben, was die Menschen von ihm bitten, das Versprechen nimmermehr erfüllen! Ihr Gottesverräther, wie oft habt ihr ihm gelobt, wenn ihr aus dieser oder jener Noth und Lebensgefahr errettet werdet, wenn ihr eure Gesundheit wiedererlangen werdet: daß ihr dies und das thun, Gott von Herzen dafür danken, fromm werden, den Nächsten Gutes thun, nicht mehr sündigen wollet – wovon ihr doch nicht ein Härlein gethan oder gehalten habt. Ihr seid Schwätzer, ihr seid Betrüger gewesen und habt diese Gelübde nicht aus Andacht, sondern aus Noth und Schein gethan. Habt ihr auch je gedacht, von Gott eine geistliche Gnade zu erbitten, wie die Ruhe eurer Seele, ein gut Gewissen, die Gnade Gottes, seinen guten Geist und Eingebung? Freilich nein! Denn ihr seid in weltlichen Gedanken so verirrt gewesen, daß ihr die Kraft des Geistes Gottes nicht habt schmecken noch fühlen wollen. Ja ihr habt nicht bedacht, daß das beste Opfer, das Gott gefällig sein kann, ein reines Gewissen, ein williger Geist, ein demüthig Herz, eine brennende Liebe sei. Gott selbst hat Wohlgefallen an dem, daß die Menschen seine Gnade annehmen, nur damit er Ursach habe ihnen destomehr zu geben. Aber das alles ist bei euch bald vergessen, und ihr denkt nicht eher daran, als wenn die Trübsal herannaht, welche Gott oft den Menschen zum Besten schickt, damit sie in der Andacht erhalten werden. O ihr unbedachtsamen Beter, wie übel sind euch nun diejenigen Gaben, die ihr von Gott gebeten, gediehen? wie wenig habt ihr sie zu eurem Besten genossen? So wenig, daß sie euch und ihr sie in der letzten Noth verlassen mußtet.« – Auf diese sinnreiche, wahrhaftige Predigt wollten einige der Armseligen etwas zu ihrer Entschuldigung vorbringen; aber es war ihnen ein Siegel des ewigen Schweigens auf das Maul gedrückt, als solchen, die mit Grund auf dies alles nichts vorzubringen haben könnten. –

Von da ging ich, um die Segensprecher, Kristallseher und abergläubischen Wahrsager zu besehen, welche in dem höchsten Grade der Zauberei begriffen sind. Bei ihnen waren alle diejenigen zu finden, welche Krankheiten, Wunden und andere Zustände der Menschen und des Viehs durch gewisse Segen und Worte, durch Bußen, Zettel und Aberglauben heilen, von verlorenen Dingen, und wie selbige wieder zu erlangen wären, sagen konnten, die das Sieb herumlaufen, die Scheere herumtreiben oder Immergrün aus der Pfanne springen machten; sie alle saßen lebendig in dem Feuer und in der Lohe. »Diese sind, sprach ein Teufel, diejenigen, welche das alberne, einfältige Volk zu allerhand Aberglauben treiben; es sind die allerverdammtesten Menschen der Welt. Wenn sie auch zuweilen einem von seiner Noth helfen, so ist doch gewiß, daß sie allemal einen andern damit behängen, der unschuldiger ist und es weniger verdient hat als der erste. Und gleichwohl sind deren nicht viele, die über sie klagen wollen oder dürfen: denn wird einem geholfen, so ist er froh und bezahlt sie redlich, nur daß er von ihnen loskomme; wird ihm aber nicht geholfen, so muß er sich fürchten, wenn er etwas sagt, daß es ärger mit ihm werde. Also sie mögen thun, was sie wollen, der Kranke ist genöthigt sich wohl oder wehe sein zu lassen. Fragt man, was sie für Mittel gebrauchen? so haben sie die verdammten Ausreden, es seien heilige gute Worte oder Buchstaben, die sie etwa von einem Juden oder von alten Huren erlernt haben, denn von denen stammt der rechte Ursprung ihrer Geheimnisse. Außerdem ist nichts närrischer anzuhören, als wenn sie erzählen, wie sie dieses oder jenes Probestück gethan haben: wie diesem das Auge ausgestochen und ihm in der Hand gelegen habe, was sie aber wieder eingesetzt, so daß er besser gesehen als vorher; wie jener durch das Hirn geschossen, durch die Leber gestochen sei, das Eingeweide habe im Hut getragen, sie ihn aber wieder so zurecht gebracht hätten, daß man nicht einmal das Wundmal könnte finden. Aber wenn man fragt, wo das geschehen sei? so ist es etwa 200 oder 300 Meilen Wegs von da, woselbst der elende verlogene Tropf selbst niemals gewesen ist. Fragt man, wann es geschehen? dann ist der Elende bereits vor mehr als zehn Jahren gestorben. So können sie also ihre Schalkheit beweisen.«

Die ernsthafte Zunft war dieses Verweises gar nicht zufrieden, und hätten den Teufel in seinen Reden gern Lügen gestraft, wenn sie nicht ärgeres gefürchtet hätten. Einer aber, den solch ein Schimpf sehr verdroß und der vorher auf Erden für einen berühmten Quacksalber und Segensprecher gehalten wurde, stand auf und sprach, um in der That zu beweisen, was für vortreffliche Künste er habe: »Und vor dieser ganzen löblichen Versammlung thue ich dar und beweise es mit einem besiegelten Testimonium, daß meine Wissenschaft nicht Betrügerei ist. Denn ist's nicht wahr (indem er seine Nachbarin herbeirief): wenn ein Weib ihre Hochzeits-Schuhe zerrissen hat, so ist's ein unfehlbares Anzeichen, daß sie von ihrem Manne wird geschlagen werden? Ist's nicht wahr: wenn ein Weib aus dem Kindbett aufsteht und nicht neue Schuhe anzieht, so muß hernach das Kind, wenn es gehen lernt, gefährlich fallen?

Wenn ein Vieh böse Augen hat, so hänge man ihm eine Schnur mit Wurzeln an, das wird helfen im Namen der heiligen Ottilie.

Wer Erbsen und Bohnen ißt und selbige Woche dergleichen säet, dem gerathen sie nicht.

Wer ein Gewächs am Leibe hat, der wasche sich mit frischem Wasser, welches aus dem Bach geholt ist während der Zeit, daß man einen zu Grabe läutet, – es hilft.

Wer ein neues Messer kauft, soll den ersten Bissen, den er damit schneidet, einem Hund zu essen geben; dann verliert er das Messer nicht.

Wer einen Storch zu allererst kommen sieht und heißt ihn willkommen, dem thut das ganze Jahr kein Zahn weh.

Wer drei Freitage des Morgens den rechten Fuß zuerst aus dem Bett setzt, dem drücken die Schuhe das ganze Jahr keine Blasen.

Wenn man einer Henne an einem Freitag Eier unterlegt, so werden die Hühnchen von dem Vogel gefressen.

Wenn man Nachts schlafen geht und den Tisch nicht abräumt, so kann das Jüngste in dem Hause nicht schlafen.

Wer eine Hasenbohne findet und ißt sie, der kriegt sein Theil von selbigem Hasen.

Wenn eine Frau ihre Katze nicht verlieren will, dann schmiere sie ihr die Tapeten drei Abende mit Butter.

Wer spielt und mit dem Rücken gegen den Mond sitzt, der verspielt.

Wenn eine Magd des Samstags ihre Kunkel nicht abspinnt, so bleichen diese Fäden sich nimmer weiß.

Wenn dir das rechte Ohr singt, so sagt man eine Wahrheit; ist es das linke, so sagt man eine Lüge von dir. Alsdann beiße in das obere Häkchen an deinem Hemd, so wächst dem Lügner eine Blase auf der Zunge.

Welche einen Rost auf das Feuer setzt und nichts darauf legt, die wird häßlich und bekommt einen Schurz im Gesicht, wie jener Welsche sagte; das ist: sie wird voll Runzeln.

Wem ein Hase auf dem Wege begegnet, der drehe sich dreimal um, sonst widerfährt ihm ein Unfall.

Welche Magd das Holzbündel auf der Gasse verliert, die hat einen untreuen Buhlen, das heißt: er giebt ihr gute Worte mit dem Maul, aber sein Herz ist wie Sauerkraut.

Wenn man über ein Kind schreitet, so wächst es nicht mehr, man schreite denn wieder zurück.

Wenn eine Magd gesottene Milch oder Päppel aus der Pfanne ißt, so regnet es bald, und sie bekommt einen Mann, der sieht so sauer wie Sauerkraut.

Wenn eine schwangere Frau ein Kind über die Taufe trägt, so muß das Kind bald sterben.

Wenn man einen neuen Besen umgekehrt hinter die Hausthür stellt, so kann keine Hexe hinein noch hinaus.

Wer an den vier hohen Festtagen kein Fleisch ißt, der bekommt kein Zahnweh.

Wenn eine Frau ihr Kind säugt und auf einem Markstein sitzend dem Kinde zu trinken giebt, so bekommt dasselbe sein Lebtag kein Zahnweh.

Wer im Aufstehen des Morgens nießt, der lege sich wieder drei Stunden ins Bett, sonst ist seine Frau dieselbe Woche hindurch Meister.

Wer sich anzieht, soll zuerst das rechte Hosenbein, im Ausziehen aber das linke nehmen, – ist gut für das Zipperlein.

Wer am Fasten-Dienstag morgens nüchtern badet, der bekommt das Jahr kein Rückenweh.

Die Kinder, welche nach des Vaters Tode geboren werden, haben die Kraft und Tugend, daß sie die Häutchen, die auf den Augen wachsen, drei Freitage nacheinander können abblasen; das fließende Brunnenwasser, das man in der heiligen Weihnacht, solange die Glocke zwölf schlägt, sammelt und Heilweg genannt wird, ist gut wider das Nabelweh.

Wer am Freitag seine Nägel und Haare abschneidet, der hat kein Ohren- noch Augenweh zu fürchten. –

Als er noch mehr herrliche Kunststückchen her erzählen wollte, ließ ihn der Teufel auch eine Probe sehen, nämlich: daß alle Abergläubischen und Segensprecher, Kristallseher, Siebtreiber und dergleichen, als des Teufels leibeigene Leute, ewig müssen verdammt werden.

Ich kam weiter in einen großen Saal, der im Umfang 9999mal größer war als die Metzger-Au zu Straßburg, dessen Fenster dreimal höher waren als bei uns in Deutschland, in der Größe wie man jetzt ins gemein zu Paris die Alamode-Fenster macht: gleich einem Scheunenthor.

Zuerst glaubte ich, da es im Eingang so stark nach Schwefel roch, daß die alten Jungfrauen, welche ihre Jungfrauschaft mit Unwillen über fünfzig Jahre bewahrt und unverletzt ins Grab getragen hatten, dort Schwefelhölzer oder Zunder feil hätten oder gar wohnen würden. Aber durch Erkundigungen erfuhr ich, daß es ein ewiges Laboratorium war, und daß sich allda die Goldmacher, Goldschmelzer, Goldbläser, Alchemisten genannt, aufhielten. Dieselben wurden von den Teufeln scharf befragt, was es denn mit dem Stein der Weisen oder mit der Universaltinctur, mit dem Goldmachen, für eine Bewandtnis habe? Da sie, die Teufel, denen doch sonst des Feuers Kraft und Eigenschaft in allen Graden bekannt ist, sich gleichwohl nicht da hinein finden könnten. Die Herren Alchemisten aber wußten von nichts weiter zu erzählen, als von der in Utopia und Schlaraffenland gebräuchlichen Vermischung der Metalle und Mineralien aus der Idee und aus dem Traum, und dasselbe unter so verdeckten Namen und Zeichen, daß es auch nicht ein einziger Teufel verstehen konnte. Insonderheit (so viel erinnere ich mich noch) nannten sie Gold Symbol Sonne, Silber Symbol Mond letztes Viertel, Quecksilber Symbol Merkur, Eisen Symbol Eisen/Männlich, Kupfer Sybol Venus, Zinn Symbol Zinn, Blei Symbol Blei. Um die Goldmacher stand es voll Destillir- und Brennöfen, Feuerzangen, Feuerhaken, Tiegel, Gabeln, Schippen, Kohlen, Blasebälge, Lehm, Leim, Mist, Menschenblut, Helme, Kolben, Gläser, Pulver, Wasser, Harn; ferner allerhand Metall und Mineral ausgenommen Gold, wohl aber Schwefel, Quecksilber, Blei, Zinn, Kupfer, Arsenik, Allaun, Salpeter, Vitriol, Mennig, Ammoniak, Antimon, Agstein, Kalk, Oel, Weinstein, Todtenköpfe, Asche, Arsenikerz. Ferner allerhand Bücher, auf Pergament, Buchenrinden und Birkenrinden geschrieben und eingegraben wie: Hermetis et AlaniAlanus (Alani) ab Insulis (1114–1203) ein vielseitiger Gelehrter, daher Doctor universalis genannt. de Symbol Merkur, Lumen chymicum Thurmhäusers und andere. Ein Theil der Leute destillirte, despumirte, calcinirte; der andere lavirte; der dritte purificirte, rectificirte, separirte, präcipitirte, sublimirte, cimentirte, gradirte, filtrirte, cragulirte, circulirte, fibrirte, macerirte, radirte, trirurirte, limirte, condirte, digerirte, erprimirte, liquirte, nutrirte, fermentirte, levigirte, inspissirte, rarificirte, solvirte in Rauch, in Dunst, in Luft, in nichts, so daß unsichtbar und unbegreiflich wurde, was zuvor sichtbar und begreiflich gewesen war und was sie im Säckel gesehen und gefühlt hatten. An einem andern Orte transformirten, transfigurirten, transmutirten sie die Dinge eins in das andere, eins aus dem andern, und fixirten das Symbol Merkur auf dem Ambos mit hunderttausend Schlägen. Endlich, wenn sie das Zähe, Schleimige und Unsaubere abgetrieben hatten, und an dem waren, den Schatz aus der Tiefe herauszuholen, da flog er in der Luft ohne Federn davon. Andere redeten ohne Unterlaß mit sich selbst, obwohl sie niemand fragte noch ihnen antwortete. Andere disputirten, ob sie ein Feuer von Rädern, von Lunten, von Lumpen, von Haar machen sollten? ob das Feuer oder Nicht-Feuer des Raimund Lullus vom Kalk (welcher brennt und hitzt, doch kein Feuer hat), oder von der Kraft der Hitze und nicht von der Hitze des Feuers zu verstehen wäre? – Andere, wie Hermes und Consorten wollten das primum principium, die Urmaterie haben, das ist, aus nichts etwas machen, Gott gleich werden, eine neue Welt schaffen. – Andere hatten ihre Speculationen und phantastischen Betrachtungen über die wunderliche Kraft und Veränderung des Symbol Merkur, wie man aus Gold und Dreck eine Essenz machen, wie aus schwarz weiß, aus weiß roth werden könne; suchten die Natur mit der Natur zu proportioniren: wie man lange leben und nicht alt werde. – Die übrigen alle, als eifrige maulaufsperrende Erwarter und Zuseher des Glückshafens, warteten in ihrer Blindheit, bis sogar ihr eigen Blut, ihr Hirn und Verstand zu Staub und Pulver geworden war, und – anstatt daß die allein solcher Geheimnisse würdigen Söhne der Weisheit aus Dreck, Mist, Schwefel, Salz, aus Pfrimmen, Harn, Essig, Haar, aus Blut und Horn Gold, Gold, Gold machten, machten sie im Gegentheil aus feinem, feinem, feinem Gold elenden Schaum und Dreck und aus witzigen, reichen, hochgebornen Leuten rechte Narren, Bettler und falsche Münzer.

Die guten Herren waren so blind-eifrig, daß sie nicht wußten, ob sie es schon wüßten: daß Goldmachen eine Kunst ist, die nicht unmöglich ist, wie Unverständige meinen; aber eine solche Kunst, die manchen zum Narren macht, der doch vermeint witziger zu werden, – eine solche Kunst, die Einem forthilft, tausend aber in das Verderben und in Verzweiflung bringt.

Wie viele sah ich da, die sich zermarterten, wie der Alchemisten gebräuchliche heilige Worte zu verstehen und zu ergründen seien, da geschrieben steht: Gott sei Lob und Dank, der den Menschen die Macht gegeben, aus dem allergeringsten, verachtetsten Dinge auf Erden einen herrlichen und reichen Schatz zu machen! – Einige Nachgrübelnde wollten diese Worte auf öffentliche, gemeine Huren deuten, weil ja nichts wüsteres und geringeres auf Erden zu finden ist, als seinen Leib männiglich zur Ausbeute und Schindgrube feil bieten. Deshalb kochen einige derselben, um den Versuch zu machen, noch jetzt in dem ewigen Ofen.

Andere, welche sagten, daß die Huren zuviel Unreinigkeit in sich hätten, so daß unmöglich ein so herrlicher Schatz aus ihnen herausgebracht werden könnte, gaben vor, die Kalenderschreiber wären das Geringste und Verachtetste auf Erden, weil sie alle Stunden und Minuten sich und ihr Maul zu Lügnern machen so handgreiflich und augenscheinlich, so ärgerlich und gefährlich, daß zu fürchten ist, wenn christliche Potentaten diese Kalenderschreiberei und Landbetrügerei nicht abschaffen oder beschränken, die ganze Welt sammt ihnen werde noch gänzlich dadurch zu Thoren und zu Narren gemacht. Und wirklich auch setzte man einige der bekannten Kalenderschreiber in einen dazu bereiteten Ofen, um eine Probe zu machen. Aber ein kohlschwarzer rauchender Teufel kam hindernd dazwischen und sprach: »Ihr Herren Steine der Weisen, ihr Windbeutel, ihr Leutebetrüger, ihr Goldverblaser, ihr

Neuer Ding'-Erfinder,
Großer Herren-Schinder,
Deren Hoffnung, Seel und Gut
Steht im Feuer, Rauch und Glut,
Deren Heil und ewig Leben
Wir euch in der Hölle geben.

ihr irrt euch hier! Denn wenn ihr das allerheilloseste, liederlichste, geringste, verachtetste Ding auf Erden haben wollt, so müßt ihr einen Alchemisten nehmen, und müßt, wie ich euch lehren will, kraft dessen, was ihr der Universaltinktur zuschreibt, ihn in einen glühenden Ofen setzen um zu versuchen, ob etwas würdiges daraus zu Wege gebracht werden könne. Ihr Land- und Leutebetrüger, sprach der Geist weiter: ihr wißt sehr wohl und seid in eurem Gewissen überzeugt, daß ihr nicht nur falsche erdichtete Bücher geschmiedet, Fürsten und Herren damit geäfft und genarrt und hinter das Licht geführt, sondern auch gottlose und verführerische Figuren gebraucht und die göttliche heiligste Dreifaltigkeit nicht verschont habt, um Land und Leute unter so heiligen Namen um so besser zu betrügen. Es ist männiglich bekannt, daß ihr in öffentlicher Hurerei, Ehebrecherei, Völlerei und anderen unreinen Wesen steckt, in Summa: daß ihr öffentlich verwiesene Landbetrüger, Lecker und Buben seid, welche verdienen, daß sie von redlichen Menschen abgesondert und an Leib und Seele gestraft werden!« Dasselbe ward denn auch alsbald einhellig im höllischen Rath beschlossen, und die armen unsinnigen Alchemisten, die, um zu ihrem Ziel zu gelangen, dieses Urtheils über sich selbst wohl zufrieden waren, in den Feuerofen geworfen, wo sie nun sitzen und ihre nachkommende Gesellschaft alle Tage bis zum Ende der Welt mit Verlangen erwarten.

Auf der gegenüberliegenden Seite befanden sich die abergläubischen Astrologen, Sterngucker, Prognostiker, Wettersteller, Kalendermacher, Nativitätensteller, Schwarzkünstler und dergleichen, welche sich untereinander einer nach dem andern die Hände besahen und wahrsagten. Zu einem sagten sie: es sei leicht abzunehmen aus dem Monte Symbol Saturn ,Die astrolog. Zeichen bedeuten: Symbol Saturn Saturn, Symbol Venus Venus, Symbol Sonne Sonne, Symbol Jupiter Jupiter, Symbol Merkur Merkur, Symbol Wassermann Wassermann, Symbol Sonne Drittes Viertel des Mondes. daß er hätte müssen verdammt werden; einem andern an dem Gürtel Symbol Venus) und Symbol Sonne im Hause Symbol Jupiter, daß er ein großer Buhler sein müsse; einem andern, daß er ein großer Philosoph und Alchemist wäre, weil in seiner Geburtsstunde Symbol Merkur in Symbol Wassermann aufsteigend gewesen im Hause Symbol Sonne; einem andern an Symbol Sonne und Symbol Jupiter und Symbol Venus in 19 Symbol Saturn Hause, daß er ein tapferer Hofmann wäre. Ein anderer aber war mit Sphären, Globen, Sternhöhenmessern, Quadranten, Cylindern umgeben und verbollwerkt wie das Kastell zu Metz oder Wolfenbüttel oder die Stadt Danzig mit ihren Basteien und Wällen, zwischen denen er auf allen Vieren herumkroch, Zirkel und Winkelmaß in der Hand und die Längen und Breiten, Höhen und Tiefen und die Abstände auf Erde und Himmel abmessend: wie breit die Erde, wie weit das Meer, wo die Hölle, wo die Sterne, wie viel Himmel, wie hoch der Himmel, wie weit der Himmel, wie breit der Himmel, wie und wo der Himmel wäre; bald über sich sah, bald unter sich, bald vor sich, bald hinter sich, bald aufstand, bald schrie und sprach: o du Jupiter und du Sonne und Venus, welch ein Unfall! wenn ich eine halbe Stunde eher zur Welt gekommen, so wäre ich der Hölle entgangen und selig geworden! Denn grade nach diesem Punkte hier hat der böse Stand des Saturn ein Ende gehabt und Mars ist in das Haus des Lebens getreten. Ein anderer, gemäß diesem, sprach zu den Teufeln, die ihn peinigten, sie sollten auch genau zusehen, ob sie ihn gewiß hielten und ob er todt und in der Hölle wäre, denn er könne es nach unfehlbaren astronomischen Beweisen nicht glauben, weil er nämlich Saturn aufsteigend und Venus im Haufe des Lebens habe ohne eine einzige widrige Stellung: woraus er schließe, daß er nicht todt sondern noch auf der Welt sei und leben solle 101 Jahr 11 Monate 3 Wochen 6 Tage 23 Stunden 59 Minuten 3 Minutentheilchen. »Da wirst du den Teufel schwerlich betrügen können, sprach einer zu ihm; denn er hat seine Klauen viel zu fest in dich eingeschlagen. Bauern lassen sich bereden und Kinder durch die albernen Erklärungen der Gestirne, Teufel aber nicht. Ihr Menschenplager und Gemüthsverwirrer! welcher Mensch wird nicht durch eure Büberei gefangen und bezaubert? also daß er bald nicht gehen, nicht reiten, nicht fahren, nicht schiffen, nicht säen, nicht pflanzen, nicht kaufen will, obschon es die höchste Noth erfordert; ja sich nicht vor Gericht stellen will, obschon er unumstößlich citirt ist, und schließlich nicht einmal zu Stuhle gehen will, obschon ihm die Bänder platzen; daß er keine neuen Kleider will anlegen, obschon er voller Läuse sitzt, er habe sich denn zuvor in euren losen, erlogenen Scharteken Raths geholt, was ihm denn allemal ebenso gedeiht wie dem Hund das Gras: daß er nämlich nicht will die Füße netzen, und fällt hernach mit allen Vieren in den Rhein. Das sind mir der Welt und Menschen Martermänner!«

In einer Ecke weiter davon sah ich einen Menschen allein sitzen mitten in den Flammen, der vor Unsinnigkeit die Zähne zusammenbiß und aus Verzweiflung Gott lästerte. Wer bist du? fragte ich. – »Ich bin Mahomet,« antwortete er. – So bist du wahrlich der verdammteste Mensch, der je gelebt hat und der die Ursache ist, daß die meisten Seelen hier in der Verdammnis leiden. Wie kommt's, fragte ich weiter, daß du den Anhängern deiner Ketzerei den Wein verboten hast? »Darum daß sie die Wahrheit nicht erfahren sollten und desto mehr von meinem Alkoran betäubt, bethört und betrunken gemacht würden.« – Warum hast du ihnen denn das Schweinefleisch verboten? »Damit sie den Schinken nicht verunehrten, wenn sie Wasser dazu trinken müßten.« Wie hast du denn solch große Gewalt unter deinem Volk erlangen können? »Weil ich ihnen unkatholischer Weise das ewigseligmachende Wort Gottes zu lesen und zu erforschen ernstlich verboten, dagegen geboten habe, daß alles mit Gewalt und Krieges Kraft müsse angefangen, fortgesetzt und erhalten werden. Dadurch habe ich sie in ein ewig Babel und Barbarei gebracht und sie also mit stockblindem Gehorsam regiert. Und wiewohl kein Glauben und keine Ketzerei unter der Sonne ist, die mehr Anhang hat als die meinige, so geschieht es doch nicht um der guten Werke und der guten Lehre willen, welche nimmermehr aus der Größe zu erzwingen sind, sondern darum, weil meine Gesetze sich nach eines jeden fleischlichen Lüsten und Willen richten: es habe einer so viel Weiber als er wolle, er glaube was er sonst wolle, – er ist unsträflich vor mir. Doch bin ich es nicht allein, der dergleichen aufgestellt hat; gehe nur beiseits, da wirst du den Nestorius, Arrius, ManichaeusHäretiker des 4. und 5. Jahrhunderts der christlichen Kirche. und andere Ketzermeister sehen, welche die Person Christi nicht minder als ich angefochten und verfolgt haben.«

Diese und viele andere saßen lebendig gebraten in dem Feuer. Mir aber wollte zuletzt die Zeit lang werden in der Hölle; deshalb sah ich mich um, ob ich irgendwo einen Ausschlupf finden und mich davon machen könnte.

Während ich so herumging, kam ich in einen langen Saal, in welchem Lucifer selber saß und um ihn her der ganze höllische Staat von Teufeln und Teufelinnen. Ganz verblüfft blieb ich an dem Eingang stehen. Doch bald kam ein Thorwärter auf Befehl zu mir heran und sagte mir, daß Lucifer befohlen hätte, weil ich ein Fremdling wäre, mich nicht weiter hier einzulassen, mir aber alle denkwürdigen Dinge zu zeigen – was mir ganz gelegen war. Unterdeß aber das Zimmer beschauend, dachte ich bei mir, was für ein großer Unterschied zwischen unserer Fürsten und Herren Höfen auf der Welt und zwischen Lucifers Wohnung wäre: denn die weltlichen Paläste wären oftmals nur mit gehauenen, stummen, unempfindlichen, unbeweglichen, doch fleischlich-anreizenden und zur Verdammnis befördernden Bildern, Gemälden und Tafeln, dieser aber mit leibhaftigen, lebendigen Seelen ausgeziert und insonderheit nicht aus den geringeren Geschlechtern, sondern von den höchsten mächtigsten Kaisern, Königen, Fürsten, Herren und Weibern. Das ganze ottomanische Haus bis auf den jetzt regierenden türkischen Kaiser stand oben an, dann alle ersten römischen Kaiser in ihrer Ordnung, die ersten römischen Könige alle mit ihren Vorfahren und unzählbaren Fürsten und Fürstinnen: Manlius, Alcibiades, Pausanias, Miltiades, Crassus, Pompejus, Regulus, Hasdrubal, Hannibal, Cato, Pyrrhus, Cäsar, Otho, Vitellius, Antonius, Dionysius, Polycrates, Phocas, Nero, Domitian, Caligula, Claudius, Cethegus, Lentulus, Catilina, Sertorius, Gracchus, Saturnius, Drusus, Marius, Sulla, Cinna, Lepidus, Attilla, Germanicus, Silanus, Britannicus, Sejanus u. s. w., auch viele, viele der unsrigen, welche Christen gewesen: Fürsten, Grafen, Herren, Ritter und Adlige, so viel, so viel, daß ich auch nicht drei oder vier Bauern vor ihnen sehen konnte. Sie alle herzuzählen würde mir Zeit und Gelegenheit mangeln; doch auf eines jeden Begehren will ich ihm sagen, wo ein jeder sitzt oder steht.

Während ich so in Betrachtung stand, siehe, da führte man vor Lucifer einen bekannten Alamode-Kerl, einen Studenten, den ich vor weniger Zeit noch auf Erden gesehen hatte; einen Studenten, dessen Eltern ihn mit großen Kosten und zu ihrem eigenen Untergang auf eine vortreffliche hohe Schule geschickt hatten, um allda etwas nützliches, redliches und gutes zu erlernen. Er aber verwendete auf Bücher und auf gelehrte Männer und Lehrer nichts; sondern vergeudete statt dessen seiner Eltern sauren Schweiß durch köstliche und seinem Stande nicht gebührende Kleidungen, denn sein Vater war ein Handwerker gewesen; aus allen welschen Völkern hatte er etwas von ihren Trachten an sich, nur besaß er ein deutsches Maul und ein undeutsches Herz. Es führten ihn drei Teufel, als Welsche gekleidet, vor Lucifer, dieselben, welche ihm vorher bei der kostbaren Thorheit geholfen hatten, solange bis der Elende kein Geld mehr im Säckel und das Gewissen durchlöchert hatte. Indem er sich nun in seiner Eitelkeit gefiel, beschaute und betrachtete, da hatten ihn die Drei unversehens erhascht, verklagten ihn vor Lucifer und sprachen also: »Dieser untreue, modische Deutsche hat sich in seinen Kleidern und Geberden so weit verstiegen, daß er uns welschen Teufeln in dem Alamode weit voraus ist, und wir uns schämen müssen, daß ein Deutschling in Erfindung solch heidnischer Trachten uns soll überlegen sein; wir glauben auch nimmer, daß mitten in Rom, mitten in Paris, mitten in Madrid etwas üppigeres hätte mögen, hätte können, hätte dürfen erdacht, aufgebracht, nachgeäfft und getragen werden. Da nun dieser Elende mit dem Gifte der Neuerungssucht so viel andere Jünglinge angesteckt hat, so danken es ihm jetzt wir Teufel in der Hölle. Und wir bringen ihn hierher, daß er seine gebührende Belohnung empfange.«

Lucifer stellte ihn zur Rede über alle die leichtsinnigen Ueppigkeiten, die er zu seiner armen Eltern Verzweiflung begangen habe, und fragte ihn, ob er gereist sei, ob er welsch könne, ob er seinem Stande nach solche Kleidungen auf Erden hätte tragen dürfen, ob er darum niemals wäre abgestraft oder gewarnt worden? Der elende Kerl aber ward, weil er überführt wurde, von den Teufeln in tausend Stücke zerrissen; diese Stücke warfen sich die Teufel, als besonders angenehme Dinge, einander zu, und sie schimmerten wie Feuerflammen.

Ich entsetzte mich über all diese schrecklichen Dinge sehr, ging heraus und kam in des Teufels Küche. Da sah ich verschiedene Köche, die mir einbrocken und anrichten wollten. Weil ich ihnen aber nicht traute, trat ich hinzu und sah, daß alles von Gift und Galle zubereitet war; auch ward mir so angst und bang wegen der übermäßigen Hitze, daß ich sie nicht länger hätte erdulden können, auch wenn ich ein Glas-Junker gewesen wäre. Ich bat demnach meinen mir zuertheilten Trabanten mir an einem Orte heimlich hinaus zu verhelfen. Dessen war er wohl zufrieden und hieß mich ihm nachfolgen.

Damit aber nicht jedermann über mich viele Bemerkungen zu machen hätte, gingen wir durch einen heimlichen Gang davon hart neben dem geheimen Orte Lucifers, bei welchem ich einige Tonnen voll fuchsschwänzerischer Historienmacher und Zeitungsschreiber gepackt stehen sah, die da aus Haß, aus Liebe auch dasjenige klagen, nachsagen, schreiben und übertreiben, das sich die Kinder in den Schulen zu erzählen schämen sollten; daher sie denn auch verlacht und verspottet wurden und endlich aller Fuchsschwänzer und Ohrenbläser Lohn empfingen. Als ich sie so in ihrer possirlichen Lage in dem stinkenden Quartier erblickte, fing ich an darüber zu lachen, und mein Gefährte, der es gewahr wurde, sprach: »Ich sehe wohl, daß ihr auch merkt, wozu diese Lumpen dem Lucifer dienen müssen, und es kommt euch recht spöttisch vor, daß die, welche auf Erden in ihren Handlungen so schlüpfrig und in ihrem Sinn so steif und störrig gewesen sind, sich jetzt auf tausenderlei Manieren biegen und schmiegen, drücken und drillen lassen müssen.« – Ja, ja, sagte ich, laßt uns nur gehen, damit ich in andere Luft komme.

Endlich ersah ich ein Schlupfloch, wie ein Luft- oder Rauchloch gemacht, durch das ich mit großer Behendigkeit, wie eine Hexe auf der Gabel, hinaus flog, floh, kletterte, klomm, kroch, stieg, wie es gerade kam. Und in einem Hui war ich an dem Ort, wo ich anfangs hineingekommen war. Wer war fröhlicher als ich. Ich lief den Weg zurück, als ob ich den Teufel gesehen hätte und dachte indeß an die mannigfache grausame Pein, womit die ewigunseligen Leute gemartert werden, deren viele es weniger möchten verschuldet haben, als die, welche noch leben. Deshalb faßte ich denn den ernstlichen Vorsatz, dieses Gesicht in die Feder zu bringen und die Menschen zu warnen, damit sie ihr Leben und Thun so einrichten, daß sie die wirkliche und wahrhaftige Pein und Qual der höllischen Verdammnis (gegen welche die Marter und Pein dieses Gesichts nur ein Kinderspiel, ein lauter Nichts ist) nicht in der That erfahren und leiden müssen. Zugleich bitte ich den Ehre und Redlichkeit liebenden Leser, er wolle wahrhaftig glauben, daß ich nicht beabsichtige, einige Geistliche, einige Juristen, erfahrene Mediziner, christliche Philosophen oder aufrichtige Männer und Stände zu verkleinern noch einigen rechtschaffenen Studenten ihren Ruhm und ihre Ehre zu verringern: die ich ja so hoch ehre und, nach den Kräften und dem Vermögen, die mir zu Gebote stehen, so eifrig befördere als irgend jemand immer thun kann und mag. Sondern ich will allein diejenigen Laster und Sünden vor Augen stellen, welche heutiges Tages allgemein für keine Sünden gehalten werden, sondern mit denen man prangt und pocht und trotzt, – als ob Gott sich vor einem Prahlhans fürchtete wie der arme Nachbar, ja als ob Gott um eines eigensinnigen, schnarchenden Esels willen die zehn Gebote abschaffen oder doch wesentlich ändern, lindern und beschränken sollte. Solch ein Wesen aber, so gering wir es auch achten, ob wir es auch bemänteln oder mit Gewalt vertheidigen mögen, bringt gleichwohl den Menschen in die Verdammnis.

Es redet ja dieses Traumgesicht nur allein von denjenigen, die in der Hölle sind; es soll also einem Biedermann der Welt, so hoch oder so niedrig er sein mag, weder Edlen noch Unedlen, weder Reichen noch Armen, weder Obrigkeiten noch Unterthanen, weder Großen noch Kleinen dadurch etwas an Ehren oder Seligkeit von mir genommen werden. Er thue nur recht, – sein Lohn wird sich schon finden. Ein wahrer Christ lese des seligen Herrn Maifard Bücher vom jüngsten Gericht, Tod, Himmel, Hölle, so wird er sich und die Welt erst erkennen lernen und zu allem, was ich hier schreibe, sagen Amen.


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