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1895
Alle Buchstaben, die je von Menschen geschrieben, zählen.
1897
Nach der ›Wildente‹: Ibsen wäre ›ungriechisch‹? Aber was taten die alten Griechengötter andres, als (scheinbar) kalt und spöttisch das Treiben der Sterblichen betrachten, im Bewußtsein der Notwendigkeit aller Dinge.
So steht Ibsen vor seinen Mitmenschen. Der herbe Duft einer gewissen Lächerlichkeit, welche das Kennzeichen jeder Tragik ist, schwebt um seine Werke.
1901
Es gibt ein höchst bedeutendes Bruchstück in unserer Literatur: Der ›Empedokles‹ von Hölderlin. Hier habe ich einmal den abgebrochenen Weg des deutschen Dramas zu sehen vermeint.
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Die Griechen gestalteten ihre Sagen; die Renaissance lebte in diesen Sagen und in den Erzählungen der Bibel; die neue Zeit, in der Breite ihrer Völker jenen Sagen wie diesen Berichten ferner und ferner rückend, muß die ganze bisherige Geschichte zum Stoff ihrer Kunstwerke nehmen. Unsere Sage sind die großen Epochen der Geschichte geworden, unser Göttermythos der Mythos vom großen Menschen in allen Zeiten. Dies ist recht eigentlich die uns zugeborene Sage: die Menschheits-Sage. In ihr liegen jene heidnischen und christlichen Stoffe mit inbegriffen, aber sie selbst ist noch unausmeßlich weiter und tiefer, ihr Reich geht noch hinter alle Sagenkreise zurück und unter sie hinab, bis auf die Menschen, ja bis auf die Völker, die diese Kreise ersannen. Ein erster ungeheuerer Überblick über dreitausend Jahre geistige Erde ward möglich. Menschen dieses Überblicks werden die neue Tragödie schreiben, die einzige, welche der griechischen ebenbürtig sein wird, ja, welche sie überfliegen wird wie der Adler den Falken.
1904
(Zum Thema Strindberg.)
Es entsteht jedesmal ein bedeutendes Schütteln des Kopfes, wenn ein absonderlicher Mensch durch das Mittel einer großen künstlerischen Begabung in die Welt hinausgreift. Begabung sollte eigentlich immer mit Bravheit gepaart sein, meint man, da man gern in aller Ruhe lernen und bewundern will; so kommt man weiter in der Bravheit, und damit, meint man, in der Kultur. Ein Mensch, der einen nötigt, mit ihm zu laufen, dann jäh wieder umzukehren, dann plötzlich ins Wasser zu springen, darauf vielleicht donquichotisch auf ein eingebildetes Amazonenheer loszurücken, schließlich mit einem Male in einem Kloster zu verschwinden, um mit einer Maske in der Linken und einer Geißel in der Rechten wieder hervor zu kommen, ein solcher Irrstern und Wirbelsturm wird nicht gern einregistriert und als voll genommen. Ein genialer Verrücktling, sagt man und geht wieder zur Ordnung über. Daß aber hier ein Mensch wie ein gehetztes Wild durch die Felder und Wälder, Schluchten und Flüsse des Lebens stürzt, gehetzt – ja wovon? – von irgend einem Verfolgungswahn: als flöge die Finsternis hinter ihm her, aus der er entsprungen, und er müßte das ewige Licht finden, bevor sie ihn wieder packte, – oder von irgend einem Sehnsuchtswahn – wonach? –: nach dem grünen Wiesental eines unbewölkten Friedens oder nach dem Gipfelfelsen über den Nebeln, von dem aus er hinüberfliegen könnte ans Ufer eines anderen Sterns, einer höheren Welt, – daß aber hier ein Mensch durch die Welt geht, allen Jammer des Menschlichen vor sich her tragend, in Jubel und Hohn und Haß und jedem Gefühl vom niedrigsten bis zum höchsten, das wird als nichts empfunden, das bleibt tot und unfruchtbar für den ganzen Bann der Geordneten.
So ein Toter aber, solch ein den meisten nur selten und unvollkommen lebendig Werdender ist August Strindberg, ein gehetztes Wild, eine laufende Flammensäule, ein Mensch, alles in allem, vor dem die Sehnsucht nach jenem ›Blitz aus der Wolke, der da heißt Über-Mensch‹ aufschreit, wenn irgendwo: denn dieser Untergehende ist ein Hinübergehender.
Was liegt an ›Werken‹ (im letzten Grunde), was an Korrektheit, Bravheit, Nützlichkeit, Tradition, Gemüt, Liebe – kurz was an all dem Vordergrundswesen, außer daß da ein Mensch seinen Sinn sucht – ein Mensch. ›Respektiert den Menschen –‹; er kommt so selten zum Vorschein. Die Menschen – was sind sie wert. Der Mensch ist immer ein Phänomen. Er sieht nicht schön aus: Irgendwie heißt sein Name und Ruhlos sein Schuh, sein Rock heißt Elend, seine Zunge Eitelkeit, sein Eingeweide Wollust, sein Herz Flamme, sein Auge Sonnenheimweh, sein Wanderstab Nirgendsheim und seine bittere Nahrung Er selbst.
In den Höfen und Gärten des Menschlichen gibt es viel Nützliches und Tüchtiges zu tun. Da gebe es nur den Schurz und die Schaufel. Da wird das Handwerk getan. Aber in der Gespensterstunde von zwölf bis eins, da horcht hinaus auf die wilde Jagd der vom Genius Gezeichneten, da laßt den Menschen zu euch hinein und legt die Finger in seine Wunden und fühlt –: es gibt noch etwas, wovor Kunst und Wissen und all das versinkt wie ein Rauch.
Und da wird euch Strindberg nicht mehr nur ein genialer Sonderling dünken.
1905
Was wir in unsern neueren Büchern von der bisherigen Entwickelung der menschlichen Gesellschaft vor uns haben, ist vor allem eins: gewaschene Geschichte. Der natürliche Duft und Brodem der Dinge dürfte uns schlechtweg ersticken.
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Jedem, der seine Gedanken niederlegt, blickt schon im Augenblick des Schreibens ein Größerer über die Schulter, sei es ein Vergangener, Lebendiger, oder noch Ungeborener. Wohl dem, der diesen Blick fühlt: Er wird sich nie wichtiger nehmen, als ein geistiger Mensch sich nehmen darf.
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Der eine lebt, der andere schreibt sich aus. Das erste Dokument der Kultur war – ein Tagebuch.
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Warum ist Balzac größer als Flaubert? Weil er eine unendliche Fülle ist, aus der Großes und Geringes, aber immer Lebendiges hervorsprudelt. Balzac ist eine blühende Wiese, wo Flaubert vielleicht ein kunstvoller Garten. Keine Bewunderung hilft ihm gegenüber, man muß ihn lieben. Er hat dieses tief alles durchblutende Mitgefühl, jene wahre Liebe: die Sympathie, die ihn das Leben nicht vergolden, aber mit jenen zarten Händen anfassen läßt, womit dieses feine und des schärfsten Beurteilers immer noch spottende Gewebe allein angefaßt werden darf.
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Der Sonderling:
Seit Friedrich Schillers hundertstem Todestag habe ich diesen Dichter für mich Max Zottuk getauft; so sehr haben mir Presse und Publikum jeden Buchstaben des einst teuren Namens verleidet.
1906
Die Romanschriftsteller irren sich, wenn sie glauben, daß ihre Leser sich immer wieder die Mühe nähmen, die von ihnen sorgfältig beschriebenen Gesichter im Geiste nachzuzeichnen. Wenn ich lese, sein Kopf glich einer umgekehrten Zwiebel, so habe ich sofort ein Bild; wenn es aber heißt, sein Haar war braun, seine Stirn niedrig, seine Nase schön geschwungen, sein Mund grob aufgeworfen, so geht das – an mir wenigstens – ziemlich spurlos vorüber.
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Es wird eine Zeit kommen, da wird man Geschichten ›von außen her‹ schreiben, ich meine Geschichten, in denen wohl Ähnliches erzählt wird wie heute, aber deren eigentlicher Reiz darin besteht, daß die geschilderten Menschen durchsichtig gemacht sind – gegen das Mysterium hin. Sie werden charakterisiert werden mit allem Glauben an ihre Wirklichkeit und doch zugleich wie Halluzinationen wirken, sie werden uns fesseln wie irgendwelche Gegenstände der bisherigen Poesie, aber der Schauder dessen, für den die alte Welt zusammengebrochen ist, wird auch ihrem Bilde mitgeteilt sein, so daß sie im selben ergötzen und ein tiefes unheimliches Wundern erregen.
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Etwas vom Übersetzen.
Nehmen wir Ibsen. Ibsen arbeitete an jedem seiner Stücke durchschnittlich zwei Jahre. Wenn nun ein Ausländer hergeht und eines jener Dramen in vier Wochen in seine Sprache übersetzt, so wird er schwerlich jede der redenden Personen so in sich lebendig fühlen können, wie der Dichter, der sie zuletzt gleichsam als seine beständige Gesellschaft empfand.
Es gibt eine Art, ich möchte sie die rationalistische Methode zu übersetzen nennen. Der Übersetzer möchte das Original womöglich noch verdeutlichen. Ohne auch nur einen Schatten jener wirklichen Ehrfurcht, wie sie nur die Dichter selbst dem Dichter entgegenbringen.
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Es ist das Unglück der Franzosen, zu gut schreiben zu können.
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Ich kann mir viele denken, die Stendhal kurzerhand als langweilig oder gar abstoßend ablehnen. Der nächste Förster, der ihnen begegnet, zieht sie unendlich mehr an. Die Leidenschaft des Psychologen, der um Einen Stendhal sämtliche Förster der Welt hingibt, ist ihnen fremd, die Wißbegier dessen, dem der Mensch A und O aller Studien, ist bei ihnen durch das Behagen ersetzt, stark, warm und einfach zu fühlen.
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Nach den Erinnerungen eines Egotisten.
Überall, wo Stendhal über fremde Dinge schreibt (Italien, Napoleon ...) fesselt er, wo er aber über sich selbst und seine Gesellschaft und Liebschaften schreibt, wird er sehr bald langweilig.
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Zu Dostojewski.
Aus seinen Büchern findet man schwer wieder nach Westeuropa zurück.
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Wenn ich Dostojewski lese, so ist es mir, als sähe ich einem Feuer zu – einem Steppenbrand –, das über die Ebene wandert. Und jetzt frißt und wühlt es sich schleichend durchs knisternde Gras – und jetzt fährt ein Sturmwind daher und erhebt es bis zu den Wolken, und jetzt kriecht und glimmt es wieder dahin und nur dicke Rauchmassen bezeichnen seinen Weg – und jetzt steigt es bei einem neuen plötzlichen Stoß gleich einer Säule zum Himmel und übergießt Himmel und Erde mit übergewaltigem, erschütterndem Glanz.
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Mauthner tut Nietzsche Unrecht, auch da, wo er gegen ihn Recht hat. Ein Menschenleben gräbt sich sein Strombett und damit muß man zufrieden sein. Nietzsche ist gewiß nicht aus Eitelkeit den Weg zur Sprachkritik nicht weiter gegangen. Mauthner unterschätzt das Dynamische im Genie.
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Es ist das Interessante an Büchern, über denen man eigentlich den Verstand verlieren müßte, daß man durch sie vielmehr an Verstand gewinnt. Freilich ist das nur ein neues Kompromiß – denn anständigerweise müßte man allerdings nach ihrer Lektüre abdanken. Aber das Leben ist nicht das, was wir anständig zu nennen lieben. Allein schon der Umstand, daß der Autor seinen Verstand behalten hat, wird genügen, den Leser zum gleichen zu veranlassen; es sei denn – daß er nur so beweisen zu können meinte, daß er noch tiefer als jene sei, daß er sozusagen aus Ehrgeiz, aus ›Willen zur Macht‹ wahnsinnig zu werden geradezu – wünschte.
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Ich habe nie einsehen mögen, warum mittelmäßige Menschen deshalb aufhören sollten, mittelmäßig zu sein, weil sie schreiben können.
1907
Über etwas schreiben heißt, sich mit etwas überschreiben.
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Denke dir immer jemanden, auf den deine Sätze durchaus nicht so Eindruck machen, wie sie's dir selber bisweilen tun, der sie vielmehr trocken und gleichgültig prüft, ja beinahe feindselig, wie ein Mensch, den jede neue Behauptung zunächst – ärgert.
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Ich denke nach, welchen Dichter man einem Adler vergleichen könnte. Ibsen war die Eule in Person. Goethe war vielleicht ein Adler. War Shakespeare einer? Ich glaube, die Adler unter den Dichtern werden erst kommen: Geister, die alles Dasein zugleich mit Falkenblick erkennen und über ihm in schier unerreichbarer Höhe kreisen. Geister mit einer ›Freiheit‹ auch von sich selbst – ...
(Der Evangelist und Apokalyptiker Johannes war ein Adler.)
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Lagarde ist das stolzeste aber auch schroffste Gebirge, das ich kenne. So oft man auf ihm wandert, stürzt man in den Abgrund.
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Alles Große macht sterben und auferstehn. Wer an Nietzsche und Lagarde nicht immer wieder stirbt, um an ihnen auch immer wieder aufzuerstehen, dem sind sie nie geboren worden.
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Was wäre Lagarde mit all seinen Forderungen, seiner Strenge und Höhe, wenn nicht eine so große Natur und eine so tiefe, fast unvergleichliche Bildung in jedem Verstande sein Besitz, sein Erwerb gewesen wäre. Er gleicht einem Marmorbild, auf dessen Sockel ewige Gebote eingegraben sind, aber dessen Erscheinung für sich allein noch gebietender wirkt als sie.
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Wer Lagarde erträgt, ist entweder ein Hundsfott, ein Kind oder ein Riese.
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Wenn du Schriftsteller bist, so schreibe jeden Tag etwas nieder, und wenn du auch nur den zehnten Teil davon aufbewahrst. Kommt dann deine produktive Periode, so wirst du, was du zu sagen hast, mit doppelter Leichtigkeit und Anmut sagen, du wirst dann wie der Klavierspieler sein, der eines Tages zu phantasieren beginnt und merkt, daß es auf den Tasten fortan kein Hindernis mehr für ihn gibt.
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Mit Zeitungen und Zeitschriften kommt man nur wie im Sande vorwärts. Das macht, sie reden ohn‹ Unterbruch.
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Drucke jede Woche nur Ein Wort, Einen Satz auf ein quadratmetergroßes Stück Papier und du wirst mehr ausrichten, wofern du Der bist, als mit einer Million Buchstaben in der gleichen Zeit.
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In Fritz Mauthner tut der Immoralismus Nietzsches (dieser im Grunde raffinierteste Moralismus) einen weiteren entscheidenden Schritt. Der Wille zur Sauberkeit, zur Redlichkeit feiert in ihm einen – und wie alles Große grausam ist – grausamen – Triumph.
Im Übrigen: wer hier den ungeheuren sittlichen Entwickelungsprozeß, der unser ganzes geistiges Leben ist, nicht ahnungsvoll erkennen zu dürfen meint, wird sich auch nicht sagen können: Hier vollzieht sich ja im Großen nichts andres wie im Einzelnen: Persönlichkeitsentwickelung. Hier will ja irgend ein dumpf Wollender ganz ersichtlich zu immer höherer Selbstschönheit ...
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Vor seinem Kammerdiener, heißt es, ist kein Held ein Held mehr. Das gefällt manchen modernen Kritikern und Dichtern ganz ungemein. Begeistert predigen sie die Kammerdieneroptik, die Kammerdienerweisheit, und überschütten die Welt mit dem überlegenen Lachen des – Kammerdieners.
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Wenn man weiß, was zwei- oder dreitägiger Kefir ist, so hat man ein Bild für den Stil des Essayisten N. Könnte man sein Buch wie eine Flasche schütteln, so würde man verhältnismäßig leichtflüssige Milch bekommen. Da man es aber nicht schütteln kann, hat man ein dickes und schwerfälliges Getränk vor sich mit Brocken, die mehr kollern als rinnen, ein Getränk, nicht minder wertvoll als der ungeschüttelte Kefir, aber weniger angenehm genießbar als der geschüttelte.
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Gespräch ist gegenseitige distanzierte Berührung. Ein Buch ist chiffriertes Tasten. Lies es, taste daran, und du wirst wiederbetastet werden, es wird sich die Erscheinung seines Verfassers auf und in die deine dechiffrieren, als telegraphierte er dir mit unsichtbaren Fingern durch die Stirn.
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Je besser ein Stil wird, desto mehr nimmt er alles in sich hinein: die überflüssigen Interpunktionen, die allzuhäufigen Absätze, den Sperrdruck.
1908
Ein Buch ist nicht etwas, was ein Mensch geschrieben hat, sondern dieses Menschenmysterium selbst, ebenso wie das Musikstück, das ich heut abend von dem Nachbarhause herüberklingen hörte, kein Musikstück von Beethoven war, sondern das Mysterium Beethoven selbst.
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Jedes Buch hat zwei Wirkungen, die mittelbare und die unmittelbare. Die meisten Leser spüren nur die mittelbare. Darum bleiben auch so viele Bücher Druckerschwärze auf Papier. Und doch offenbart auch noch das schlechteste Buch seinen Vater nicht bloß mittelbar, sondern auch unmittelbar: ihn selbst, die Persönlichkeit, in der Chiffre dieser Sätze unverlierbar aufbewahrt und jeden Augenblick bereit, in ihrer ganzen ursprünglichen Kraft auf uns zu wirken.
1909
In der übertriebenen Abneigung gegen schlechte Übersetzungen, gegen Übersetzungen überhaupt, liegt eine gewisse Verzärteltheit. Große Originale leuchten auch aus unbeholfenen Reproduktionen unzerstörbar hervor.
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Tolstoi war ein Protest des höheren Menschen wider den Menschen, wie er gemeinhin heute noch ist. Tolstoi wollte nur ganz einfache, simple Dinge. Dinge, die sich eigentlich von selbst verstehen, – für jeden anständigen Menschen.
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Man fordert von Tolstoi Märtyrertum. Man sagt: Lebe wie Franziskus, stirb wie Christus. Nun, er hat sich im Jahre 1907 den Henkern seines Staates dargeboten: – ›nehmt mich und führt mich hin wie jene armen Opfer, legt den eingeseiften Strick um meinen alten Hals ...‹
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Der große Schriftsteller hat Stil, der kleine Manier, was nicht ausschließt, daß der große auch einmal klein und der kleine groß, d.h. ein Stilist sein kann. Maeterlinck – oder ein versetzter Konditor.
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In diesen Erzählungen von Liebe sehe ich immer nur eines: die Liebe als Selbstpreis. Selten oder nie, daß diese Menschen durch ihre Liebe zu einander wachsen wollen, daß sie sich über sich hinaus lieben. Daher denn auch die Übersättigung, ja der Ekel, der einen nach und vor derlei erfaßt, ein Verlangen, es möchte doch auch hier endlich eine neue Optik Platz greifen, eine tiefere, religiösere Betrachtung des Liebeslebens.
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Nichts kann mich mehr aufbringen, als wie allezeit hier und dort über den Eckermann geredet wird. Immer ist ein halb mitleidiges Lächeln dabei, gleich als handle es sich um eine durchaus subalterne Natur, der es jeder seiner gönnerhaften Bespotter unvergleichlich zuvorgetan haben würde. Man hängt sich an die Einfalt mancher seiner Fragen und bedenkt nicht, daß er oft nur frug, um Goethen zu locken und anzureizen, man wirft ihm eigene Unbedeutendheit vor und übersieht die Fülle feiner Beobachtungen und Bemerkungen, die anmutigen Berichte über seine Liebhabereien, den langen Brief aus Genf und überall den Sinn und Takt fürs Wesentliche, der uns niemals mit Tagesgeschwätz langweilt, sondern ihn fortwährend bei der Würde seiner einzigartigen Aufgabe festhält.
Laß sie sich immer überheben, würde Goethe selbst sagen, soviel ist gewiß, daß ihrer keiner mich vermocht hätte, mein inneres Leben so munter und lebendig vor ihm zu entwickeln, wie dieser liebe Junge, der wohl nicht groß war im Sinne schöpferischer Kraft, aber in seinen Maßen ein ganzer Kerl, ein Vorbild, allen denen zu empfehlen, denen es um ihre Bildung wahrhaft ernst ist, und die, da ihnen Gott die zeugende Kraft nur unvollkommen gewährt hat, im produktiven Empfangen seiner Höhe zustreben müssen und ihm damit wohl ebenso nahe kommen mögen, wie unsereins mit seinen stärkeren Mitteln und glücklicheren Voraussetzungen.
1910
In aller Literatur von heute muß man dem Seelischen nachspüren. Was der Geist heute hinzutut, hat nicht allzu viel Wert; denn der Geist stand wohl selten auf einer bescheideneren Stufe.
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Manchen Menschen würden Weihnachtskataloge, Zeitungsannoncen, und zu Mundwassern, Seife, Thermosflaschen, Petroleumöfen usw. beigepackte Erklärungen und Referate für lebenslängliche Lektüre völlig genügen.
1911
Man werfe aus der philosophischen Literatur der neueren Zeit den literarischen Jargon hinaus und man wird viel gewonnen haben.
Unter Jargon oder Fachfuchserei verstehe ich beispielsweise die humanistische Ablehnung der Bibel, als einer Gefahr für den klassischen Stil.
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An ›Geist‹ fehlt es heute so wenig, daß man ihm aus dem Wege gehen muß, um nicht vom Überdruß erfaßt zu werden. Jede Zeitung, jede Zeitschrift hat etwas von einem Variété, darin Athleten, Jongleure, Akrobaten auftreten. Eine Zeit, die den intellektuellen Biceps so eifrig und coram publico übt und spielen läßt, erfüllt damit gewiß eine bestimmte bedeutende Aufgabe, aber auf die Dauer wirkt solch im Grunde von niemandem gewünschtes Massenangebot bloßer Kunstfertigkeit destruktiv.
1912
Wenn ein Schriftsteller sich jederzeit der Macht bewußt wäre, die in seine Hand gegeben ist, würde ein ungeheures Verantwortlichkeitsgefühl ihn eher lähmen als beflügeln. Auch das Bescheidenste, was er veröffentlicht, ist Same, den er streut und der in andern Seelen aufgeht, je nach seiner Art.
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Entwurf für ein Vorwort zu: ›Wir fanden einen Pfad‹. Man glaubt, es komme in neuen Dichtungen vor allem darauf an, daß sie gewissen vertrauten Empfindungen und Vorstellungen genügen, ja schmeicheln. Nun ist ja z.B. das, was wir Deutsche unter einem Liede verstehen, etwas ungemein Liebliches und Erfreuliches, und dieselben Menschen, die der reinen Musik, sagen wir, Mozarts zuliebe, den Fortschritt, den Wagner bedeutet, Rückschritt nennen, werden für ein wirklich gelungenes Lied ...
Aber diese so sehr verständlichen und sympathischen Menschen sind in diesem Punkte Träumer und Liebhaber, an denen die Entwickelung sacht aber entschieden vorbeigehen muß. Es geht nicht an, bei einmal gewonnenen schönen Dingen versunken stehen zu bleiben und, weil sie dem viel angefochtenen Herzen so gar wohl tun, nur immer mehr ihrer Art zu fordern; als wollte einer bloß von Blüten wissen und das weitere Werden der Frucht nur so mit in den Kauf nehmen. Gewiß, ein ewiger Frühling wäre ein holder Traum, aber zugleich das Ende unserer Welt, als welche ganz anderen Zielen denn unschuldigem Lebensgenusse zustrebt. Wir brauchen keine Kunst, deren Wesen Wiederholung ist, sondern eine, die sich weiter tastet, die dem wahrhaft Neuen, das in unsere Zeit hereinfließt (nicht dem Neuen freilich, das in Flugfahrzeugen oder wissenschaftlichem Aberglauben besteht) sich zu öffnen ringt, eine Kunst, die weder von den ›Neutönern‹ akklamiert, noch auch zu guter alter Kunst gerechnet werden will, ja auch nicht zu ›guter Kunst‹, – denn in diesem ›gut‹ verbirgt sich hier nichts weiter als ›das, was wir lieben‹, und eben das liebt diese Kunst nicht mehr.
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Der Bekämpfung der Schundliteratur sollte die von fratzenhaften Reklamebildern zur Seite treten. Nur die große Trägheit in solchen Dingen nimmt hin, was hier täglich auf Plakaten und in der Presse vor Augen zu rücken gewagt wird, und achtet nicht der unausbleiblichen, schädlichen Wirkung solcher Zerrbilder auf jede, besonders aber auf jede jugendliche Seele.
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Man weiß, wie wichtig es ist, Schwangeren harmonische Verhältnisse zu schaffen. Sollte es anders sein mit der Menschheit, die sich fortwährend im Zustande der Mutterschaft befindet?
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Wir sollten gewisse Bücher mehrmals lesen, ehe wir darüber sprechen. Etwa einmal im Winter, einmal im Sommer – und manche in noch ganz anderen Intervallen. Was wir dann über sie zu sagen hätten, würde vermutlich ebensovielmal besser sein ... Und uns selbst würde solche Selbstzucht nicht nur zu besseren Lesern, sondern zugleich zu besseren Menschen machen.
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Über jedem guten Buche muß das Gesicht des Lesers von Zeit zu Zeit hell werden. Die Sonne innerer Heiterkeit muß sich zuweilen von Seele zu Seele grüßen, dann ist auch im schwierigsten Falle vieles in Ordnung.
1913
Alle Liebe zu Tolstoi wird doch nur eine andere Liebe noch steigern: die zu – Dostojewski.
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Schriftstellerei ist heute vielfach nicht wichtiger zu nehmen, als daß, sagen wir, heute jedermann Kakao trinken kann, während es früher nur die Reichen konnten.
NIETZSCHE
1896
Es gibt kaum eine größere Gefahr für einen Menschen wie mich, als Nietzsche zu lesen. Es ist wie ein Wühlen im Schmerz meines eigenen Unwerts.
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Nietzsche's herrliche Natur, die in einer wahrhaft ehrwürdigen Bescheidenheit und einer Frömmigkeit zur Kultur anfänglich immer sagt: Möchten andere es besser machen als ich.
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Ein ganzes Leben in Denken aufgelöst, im Wort sichtbar geworden, strömt vor unsern Augen, aus geheimnisvollen Gründen hervorbrechend, in undurchdringliches Dunkel sich verlierend.
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›Also sprach Zarathustra!‹ – wie? wenn dieser Kehrreim mit einem gewissen Auguren-Lächeln gelesen und geschmeckt werden müßte. Wenn er eine feine Parodie auf jene Schlußphrasen wäre, womit noch jeder ethische Neuerer bisher seine Sätze gesiegelt, ein anderes ›Amen! Amen!‹, eine Schluß- und Banngeberde, feierlicher Schauer voll für den Gläubigen, für den Auguren aber nur ein Lächeln mehr ... Wie beginnt doch die fröhliche Wissenschaft? ...
1897
Man sieht Nietzsche ins Auge und weiß, wo das Ziel der Menschheit liegt.
1905
Wer mit Nietzsche denkt, ›widerspricht‹ sich auch mit Nietzsche. Wer sich an seinen ›Widersprüchen‹ stößt, hat nie mit ihm gedacht (noch mehr: gefühlt) – ist nie mit ihm geflogen.
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Ein philosophisches System zu verstehen, erfordert schließlich ein Maß von Intellekt, nichts weiter. Einen leidenschaftlichen Wegsucher aber wie Nietzsche begreift man nicht bloß als kluger Kopf; man muß ihm noch obendrein ein bißchen – verwandt sein.
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Gewiß, es gibt Züge, die ich Nietzsche, dem Menschen, verarge – aus Liebe. Nur kleine Züge, aber ich verstehe sie nicht an ihm – oder vielmehr: ich würdige nicht genug die Tiefe des Leids, in welche dieser Geist getaucht wurde, als er unter der Last seiner Gedanken, seiner Einsamkeit und seiner Krankheit zugleich, ein ebenso furchtbares wie großes Menschenopfer, zusammenbrach.
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›Also sprach Zarathustra‹ – Nietzsche selbst hätte diesen Titel und diesen Refrain in früheren Jahren streng abgelehnt. Es ist die Tragik dieses Buches, manchmal nicht mehr gefaßt und katonisch genug zu sein.
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Ad Zarathustra – Vorrede.
1. Wo gäbe es einen größeren tieferen Prolog eines Schicksals! Wo ist das Gleichnis und die Anrufung, diesem Bilde und diesem Gebet an Würde, Heiterkeit und Tiefe gleich?
2. Ein Waldidyll voll milder Abendsonne, als Weg zur Wendepunkt-Wahrheit aller irdischen Kultur. Man kann hundertmal über diese Schlußworte hinweggesprungen zu sein meinen, bis man eines Tages erkennt, daß sie ein Berg sind, den man vielleicht nie ganz erklettern wird und von dem aus Zarathustra die Wasser gen Osten und gen Westen hat fließen sehn.
1906
Es wird mir immer gewisser, daß Nietzsche überall da versagt, wo er sich bewußt oder unbewußt der Eitelkeit seines Geistes hingegeben hat. Hätte er diesen polnisch-romanischen Zug nicht gehabt, er stände oft noch viel größer da. Es gibt keinen schlimmeren Fluch für einen Denker, als sich seinem Volk gegenüber als Schriftsteller verpflichtet zu fühlen. Wenn einer Denker geworden ist, das heißt ein Mensch, dem das Nachdenken über menschliche Probleme zur inneren Leidenschaft und Lebensaufgabe geworden ist, so ist er auch ganz von selbst genug Schriftsteller, seine Gedanken mitzuteilen.
Aber freilich, Nietzsche war vor allem ein Kämpfer. Er war ein Weiser aus der Kriegerkaste, nicht aus der der Priester.
Vielleicht hätte er im zweiten Teile seines Lebens auch noch die Milde der Weisheit ausgeströmt, nach ihren Blitzen auch ihre Wärme.
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Der Zarathustra ist bei allen Einzelheiten unbestreitbarer Größe eines der schlechtesten Bücher, die es gibt. Er ist weder ein Volksbuch noch ein Buch für Verwöhnte und Einsame, es ist ein Mischmasch von Grandiosem und Banalem, inhaltlich wie im Vortrag. Ein Vordrängen, ein Aufdrängen persönlicher Stimmungen, ein kategorisches Erledigen von Dingen, deren ›kategorische Erledigung‹ immer nur eine ›niaiserie‹ bleibt, ein Spiel mit dichterischen Bildern und Gleichnissen, das oft groß und tragisch, öfter noch fast unbeherrscht und geschwätzig wirkt. Ein Buch, das nur durch Reduktion seiner Reden auf etwa 12-20 zu dem klassischen zu machen wäre, was es zu sein wünscht.
Unglückselige kleine Zeit, du hast auch auf ihm, deinem Größten, gelastet.
1907
Nietzsches Lehre von der ewigen Wiederkunft: Man halte ihren biologisch-ethischen Grundgedanken sowie die Lehre vom Übermenschen gegen Kants kategorischen Imperativ, und sie werden ihm an ideeller Großartigkeit nichts nachgeben und als leidenschaftlicher Appell an die menschliche Armee in demselben Verhältnis zu ihm stehen, wie zum einfachen ›ich erwarte, daß heute jeder seine Pflicht tut‹ das grandiose ›Soldaten, vierzig Jahrhunderte blicken auf Euch herab!‹
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Nietzsche war nur ganz, wenn er ganz er selbst war (soweit man sich so ausdrücken darf). Sobald er sich ins Schlepptau nehmen ließ, wurde er ein Schriftsteller unter Schriftstellern und nicht einmal immer ihr erster. Und er wurde manchmal nicht nur an- sondern noch mehr mitgeregt.
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Ich kann damit nichts anfangen, – Nietzsche sei vor allem ein großer Künstler, ein großer Stilist, Artist gewesen. Was heißt das, vor allem. Was macht denn den großen Stil, wenn nicht der Mensch von überragendem Rang, der geborene Führer und Schöpfer? Und wo Nietzsche das nicht war – und er vergaß manchmal seinen Rang und führte weder noch schuf – da taugte auch sein Stil nichts, da war er auch nur ein Manierist seiner selbst.
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Nietzsche, die große Antithese seiner Zeit.
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Beim Vorlesen einiger Nietzschescher Aphorismen: – Geistige Austern. Man kann Nietzsche aus zehn Zeilen erkennen lernen und aus zehn Büchern – verkennen.
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Welch ein unnützes Geschwätz, Nietzsche habe die napoleonische Natur deshalb vor allem geliebt, weil er selbst keine gewesen sei. Herr Müller also ist ein Napoleon, weil er die Napoleons – nicht liebt.
1910
Nietzsche, der Pole, der als Deutscher tief ward.
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Nietzsche konnte mit den bisherigen fünfsinnlichen Erkenntnismitteln den Menschen nicht verstehen. Drum erfand er sich seinen Über-Menschen. Er ward damit der letzte große deutsche Philosoph – ante Christum natum. Er war, um in seiner Manier zu reden, der letzte – Ante-Christ.
1911
Nietzsches Schicksal war, über den Trümmern des komischen Bildungsphilisters als tragischer zu sterben. Nietzsche starb an der ›Bildung‹. Und mit ihm werden alle sterben, die mit seiner Seele nicht zu zittern wissen, die nur an seinen Geist glauben.
1912
Daß Künstlerschaft und Könnerschaft untrennbar sind, das versteht sich von selbst. Aber das, worauf es heute, wie immer, ankommt, ist, wer da spricht und was – nicht nur wie – gesprochen wird. Ist Nietzsche nicht einer unserer ersten Stilisten? Und dennoch blieb er in höherem Sinne unfruchtbar. Ich wäge meine Worte, denn wenn je einer, habe ich Nietzsche erlebt. Und nicht in mir war er unfruchtbar. Aber ich weiß auch, worin er lange Zeit mein Höchstes war: in seiner Größe als Mensch; nicht in der, ach nur allzu zeitgemäßen, Art seiner Philosophie. Die war Abendröte, nicht Morgenröte und wer von ihr aus weiter schreitet, der wandelt in die – Nacht.