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Die gespannten und unklaren Verhältnisse, in denen Sulla bei seiner Abfahrt nach Griechenland im Anfang des Jahres 667 (87) Italien zurückließ, sind früher dargelegt worden: die halb erstickte Insurrektion, die Hauptarmee unter dem mehr als halb usurpierten Kommando eines politisch sehr zweideutigen Generals, die Verwirrung und die vielfach tätige Intrige in der Hauptstadt. Der Sieg der Oligarchie durch Waffengewalt hatte trotz oder wegen seiner Mäßigung vielfältige Mißvergnügte gemacht. Die Kapitalisten, von den Schlägen der schwersten Finanzkrise, die Rom noch erlebt hatte, schmerzlich getroffen, grollten der Regierung wegen des Zinsgesetzes, das sie erlassen, und wegen des Italischen und des Asiatischen Krieges, die sie nicht verhütet hatte. Die Insurgenten, soweit sie die Waffen niedergelegt, beklagten nicht bloß den Verlust ihrer stolzen Hoffnungen auf Erlangung gleicher Rechte mit der herrschenden Bürgerschaft, sondern auch den ihrer althergebrachten Verträge und ihre neue völlig rechtlose Untertanenstellung. Die Gemeinden zwischen Alpen und Po waren ebenfalls unzufrieden mit den ihnen gemachten halben Zugeständnissen und die Neubürger und Freigelassenen erbittert durch die Kassation der Sulpicischen Gesetze. Der Stadtpöbel litt unter der allgemeinen Bedrängnis und fand es unerlaubt, daß das Säbelregiment sich die verfassungsmäßige Knüttelherrschaft nicht ferner hatte wollen gefallen lassen. Der hauptstädtische Anhang der nach der Sulpicischen Umwälzung Geächteten, der infolge der ungemeinen Mäßigung Sullas sehr zahlreich geblieben war, arbeitete eifrig daran, diesen die Erlaubnis zur Rückkehr zu erwirken; namentlich einige reiche und angesehene Frauen sparten für diesen Zweck keine Mühe und kein Geld. Keine dieser Verstimmungen war eigentlich von der Art, daß sie einen neuen gewaltsamen Zusammenstoß der Parteien in nahe Aussicht stellte; größtenteils waren sie zielloser und vorübergehender Art: aber sie alle nährten das allgemeine Mißbehagen und hatten schon mehr oder minder mitgewirkt bei der Ermordung des Rufus, den wiederholten Mordversuchen gegen Sulla, dem zum Teil oppositionellen Ausfall der Konsul- und Tribunenwahlen für 667 (87). Der Name des Mannes, den die Mißvergnügten an die Spitze des Staats berufen hatten, des Lucius Cornelius Cinna, war bis dahin kaum genannt worden, außer insofern er als Offizier im Bundesgenossenkrieg sich gut geschlagen hatte; über die Persönlichkeit desselben und seine ursprünglichen Absichten sind wir weniger unterrichtet als über die irgendeines andern Parteiführers in der römischen Revolution. Die Ursache ist allem Anschein nach keine andere, als daß dieser ganz gemeine und durch den niedrigsten Egoismus geleitete Gesell weitergehende politische Pläne von Haus aus gar nicht gehabt hat. Es ward gleich bei seinem Auftreten behauptet, daß er gegen ein tüchtiges Stück Geld sich den Neubürgern und der Koterie des Marius verkauft habe, und die Beschuldigung sieht sehr glaublich aus; wäre sie aber auch falsch, so bleibt es nichtsdestoweniger charakteristisch, daß ein derartiger Verdacht, wie er nie gegen Saturninus und Sulpicius geäußert worden war, an Cinna haftete. In der Tat hat die Bewegung, an deren Spitze er sich stellte, ganz den Anschein der Geringhaltigkeit sowohl der Beweggründe wie der Ziele. Sie ging nicht so sehr von einer Partei aus als von einer Anzahl Mißvergnügter ohne eigentlich politische Zwecke und nennenswerten Rückhalt, die hauptsächlich die Rückberufung der Verbannten in gesetzlicher oder ungesetzlicher Weise durchzusetzen sich vorgenommen hatte. Cinna scheint in die Verschwörung nur nachträglich und nur deshalb hineingezogen zu sein, weil die Intrige, die infolge der Beschränkung der tribunizischen Gewalt zur Vorbringung ihrer Anträge einen Konsul brauchte, unter den Konsularkandidaten für 667 (87) in ihm das geeignetste Werkzeug ersah und dann ihn als den Konsul vorschob. Unter den in zweiter Linie erscheinenden Leitern der Bewegung fanden sich einige fähigere Köpfe, so der Volkstribun Gnaeus Papirius Carbo, der durch seine stürmische Volksberedsamkeit sich einen Namen gemacht hatte, und vor allem Quintus Sertorius, einer der talentvollsten römischen Offiziere und in jeder Hinsicht ein vorzüglicher Mann, welcher seit seiner Bewerbung um das Volkstribunat mit Sulla persönlich verfeindet und durch diesen Hader in die Reihen der Mißvergnügten geführt worden war, wohin er seiner Art nach keineswegs gehörte. Der Prokonsul Strabo, obwohl mit der Regierung gespannt, war dennoch weit entfernt, mit dieser Fraktion sich einzulassen.
Solange Sulla in Italien stand, hielten die Verbündeten aus guten Gründen sich still. Als indes der gefürchtete Prokonsul, nicht den Mahnungen des Konsuls Cinna, sondern dem dringenden Stand der Dinge im Osten nachgebend, sich eingeschifft hatte, legte Cinna, unterstützt von der Majorität des Tribunenkollegiums, sofort die Gesetzentwürfe vor, wodurch man übereingekommen war, gegen die Sullanische Restauration von 666 (88) teilweise zu reagieren; sie enthielten die politische Gleichstellung der Neubürger und der Freigelassenen, wie Sulpicius sie beantragt hatte, und die Wiedereinsetzung der infolge der Sulpicischen Revolution Geächteten in den vorigen Stand. In Masse strömten die Neubürger nach der Hauptstadt, um dort mit den Freigelassenen zugleich die Gegner einzuschüchtern und nötigenfalls zu zwingen. Aber auch die Regierungspartei war entschlossen, nicht zu weichen; es stand Konsul gegen Konsul, Gnaeus Octavius gegen Lucius Cinna, und Tribun gegen Tribun; beiderseits erschien man am Tage der Abstimmung großenteils bewaffnet auf dem Stimmplatz. Die Tribune von der Senatspartei legten Interzession ein; als gegen sie auf der Rednerbühne selbst die Schwerter gezückt wurden, brauchte Octavius gegen die Gewalttäter Gewalt. Seine geschlossenen Haufen bewaffneter Männer säuberten nicht bloß die Heilige Straße und den Marktplatz, sondern wüteten auch, der Befehle ihres milder gesinnten Führers nicht achtend, in grauenhafter Weise gegen die versammelten Massen. Der Marktplatz schwamm in Blut an diesem "Octaviustag", wie niemals vor- oder nachher – auf zehntausend schätzte man die Zahl der Leichen. Cinna rief die Sklaven auf, sich durch Teilnahme an dem Kampf die Freiheit zu erkaufen; aber sein Ruf war ebenso erfolglos wie der gleiche des Marius das Jahr zuvor, und es blieb den Führern der Bewegung nichts übrig, als zu flüchten. Weiter gegen die Häupter der Verschwörung, solange ihr Amtsjahr lief, zu verfahren gab die Verfassung kein Mittel an die Hand. Allein ein vermutlich mehr loyaler als frommer Prophet hatte geweissagt, daß die Verbannung des Konsuls Cinna und der sechs mit ihm haltenden Volkstribune dem Lande Frieden und Ruhe wiedergeben werde; und in Gemäßheit zwar nicht der Verfassung, aber wohl dieses glücklich von den Orakelbewahrern aufgefangenen Götterratschlags wurde durch Beschluß des Senats der Konsul Cinna seines Amtes entsetzt, an seiner Stelle Lucius Cornelius Merula gewählt und gegen die flüchtigen Häupter die Acht ausgesprochen. Die ganze Krise schien damit endigen zu sollen, daß die Zahl der ausgetretenen Männer in Numidien um einige Köpfe sich vermehrte.
Ohne Zweifel wäre auch bei der Bewegung nichts weiter herausgekommen, wenn nicht teils der Senat in seiner gewöhnlichen Schlaffheit es unterlassen hätte, die Flüchtlinge rasch wenigstens zur Räumung Italiens zu nötigen, teils diese in der Lage gewesen wären, zu ihren Gunsten als der Verfechter der Emanzipation der Neubürger gewissermaßen den Aufstand der Italiker zu erneuern. Ungehindert erschienen sie in Tibur, in Praeneste, in allen bedeutenden Neubürgergemeinden Latiums und Kampaniens und forderten und erhielten überall zur Durchführung der gemeinschaftlichen Sache Geld und Mannschaft. So unterstützt zeigten sie sich bei der Belagerungsarmee von Nola. Die Heere dieser Zeit waren demokratisch und revolutionär gesinnt, wo immer nicht der Feldherr durch seine imponierende Persönlichkeit sie an sich selber fesselte; die Reden der flüchtigen Beamten, die überdies zum Teil, wie namentlich Cinna und Sertorius, aus den letzten Feldzügen in gutem Andenken bei den Soldaten standen, machten tiefen Eindruck; die verfassungswidrige Absetzung des popularen Konsuls, der Eingriff des Senats in die Rechte des souveränen Volkes wirkten auf den gemeinen Mann, und den Offizieren machte das Gold des Konsuls oder vielmehr der Neubürger den Verfassungsbruch deutlich. Das kampanische Heer erkannte den Cinna als Konsul an und schwor ihm Mann für Mann den Eid der Treue; es ward der Kern für die von den Neubürgern und selbst den bundesgenössischen Gemeinden herbeiströmenden Scharen. Bald bewegten ansehnliche, wenn auch meistens aus Rekruten bestehende Haufen sich von Kampanien auf die Hauptstadt zu. Andere Schwärme nahten ihr von Norden. Auf Cinnas Einladung waren die das Jahr zuvor Verbannten bei Telamon an der etruskischen Küste gelandet. Es waren nicht mehr als etwa 500 Bewaffnete, größtenteils Sklaven der Flüchtlinge und geworbene numidische Reiter; aber Gaius Marius, wie er das Jahr zuvor mit dem hauptstädtischen Gesindel hatte Gemeinschaft machen wollen, ließ jetzt die Zwinghäuser erbrechen, in denen die Gutsbesitzer dieser Gegend ihre Feldarbeiter zur Nachtzeit einschlossen, und die Waffen, die er diesen bot, um sich die Freiheit zu erfechten, wurden nicht verschmäht. Durch diese Mannschaft und die Zuzüge der Neubürger sowie der von allen Seiten mit ihrem Anhang herbeiströmenden landflüchtigen Leute verstärkt, zählte er bald 6000 Mann unter seinen Adlern und konnte vierzig Schiffe bemannen, die sich vor die Tibermündung legten und auf die nach Rom segelnden Getreideschiffe Jagd machten. Mit diesen stellte er sich dem "Konsul" Cinna zur Verfügung. Die Führer der kampanischen Armee schwankten; die einsichtigeren, namentlich Sertorius, warnten ernstlich vor der allzuengen Gemeinschaft mit einem Manne, der durch seinen Namen an die Spitze der Bewegung geführt werden mußte und doch notorisch ebenso jedes staatsmännischen Handelns unfähig wie von wahnsinnigem Rachedurst gepeinigt war; indes Cinna achtete diese Bedenklichkeiten nicht und bestätigte dem Marius den Oberbefehl in Etrurien und zur See mit prokonsularischer Gewalt.
So zog sich das Gewitter um die Hauptstadt zusammen, und es konnte nicht länger verschoben werden, zu ihrem Schutz die Regierungstruppen heranzuziehenDie ganze folgende Darstellung beruht wesentlich auf dem neu aufgefundenen Bericht des Licinianus, der eine Anzahl früher unbekannter Tatsachen mitteilt und vor allem die Folge und Verknüpfung dieser Vorgänge deutlicher, als bisher möglich war, erkennen läßt.. Aber die Streitkräfte des Metellus wurden in Samnium und vor Nola durch die Italiker festgehalten; Strabo allein war imstande, der Hauptstadt zu Hilfe zu eilen. Er erschien auch und schlug sein Lager am Collinischen Tor; mit seiner starken und krieggewohnten Armee wäre er wohl imstande gewesen, die noch schwachen Insurgentenhaufen rasch und völlig zu vernichten; allein dies schien nicht in seiner Absicht zu liegen. Vielmehr ließ er es geschehen, daß Rom von den Insurgenten in der Tat umstellt ward. Cinna mit seinem Korps und dem des Carbo stellten sich am rechten Tiberufer dem Ianiculum gegenüber auf, Sertorius am linken, Pompeius gegenüber gegen den Servianischen Wall zu. Marius, mit seinem allmählich auf drei Legionen angewachsenen Haufen und im Besitz einer Anzahl von Kriegsschiffen, besetzte einen Küstenplatz nach dem andern, bis zuletzt sogar Ostia durch Verrat in seine Gewalt kam und, gleichsam zum Vorspiel der herannahenden Schreckensherrschaft, der wilden Bande von dem Feldherrn zu Mord und Plünderung preisgegeben ward. Die Hauptstadt schwebte, schon durch die bloße Hemmung des Verkehrs, in großer Gefahr; auf Befehl des Senats wurden Mauern und Tore in Verteidigungszustand gesetzt und das Bürgeraufgebot auf das Ianiculum befehligt. Strabos Untätigkeit erregte bei Vornehmen und Geringen gleichmäßig Befremden und Entrüstung. Der Verdacht, daß er mit Cinna insgeheim unterhandle, lag nahe, war indes wahrscheinlich unbegründet; ein ernstliches Gefecht, das er dem Haufen des Sertorius lieferte, und die Unterstützung, die er dem Konsul Octavius gewährte, als Marius durch Einverständnis mit einem der Offiziere der Besatzung in das Ianiculum eingedrungen war, und durch die es in der Tat gelang, die Insurgenten mit starkem Verlust wieder hinauszuschlagen, bewiesen es, daß er nichts weniger beabsichtigte, als sich den Insurgentenführern anzuschließen oder vielmehr unterzuordnen. Vielmehr scheint seine Absicht gewesen zu sein, der geängsteten hauptstädtischen Regierung und Bürgerschaft seinen Beistand gegen die Insurrektion um den Preis des Konsulats für das nächste Jahr zu verkaufen und damit das Heft des Regiments selber in die Hände zu bekommen. Der Senat war indes nicht geneigt, um dem einen Usurpator zu entgehen, sich dem andern in die Arme zu werfen, und suchte sich anderweitig zu helfen. Den sämtlichen, an dem Aufstand der Bundesgenossen beteiligten italischen Gemeinden, die die Waffen niedergelegt und infolgedessen ihr altes Bündnis eingebüßt hatten, wurde durch Senatsbeschluß nachträglich das Bürgerrecht verliehen3, 258. Daß eine Bestätigung durch die Komitien nicht stattfand, geht aus Cic. Phil. 12, 11, 27 hervor. Der Senat scheint sich der Form bedient zu haben, die Frist des Plautisch-Papirischen Gesetzes einfach zu verlängern, was ihm nach Herkommen freistand und tatsächlich hinauslief auf Erteilung des Bürgerrechts an alle Italiker.. Es schien gleichsam offiziell konstatiert werden zu sollen, daß Rom in dem Krieg gegen die Italiker seine Existenz nicht um eines großen Zweckes, sondern um der eigenen Eitelkeit willen eingesetzt hatte: in der ersten augenblicklichen Verlegenheit wurde, um ein paar tausend Soldaten mehr auf die Beine zu bringen, alles aufgeopfert, was in dem Bundesgenossenkrieg um so fürchterlich teuren Preis errungen worden war. In der Tat kamen auch Truppen aus den Gemeinden, denen diese Nachgiebigkeit zugute kam; aber statt der versprochenen vielen Legionen betrug ihr Zuzug im ganzen nicht mehr als höchstens zehntausend Mann. Wichtiger noch wäre es gewesen, mit den Samniten und Nolanern zu einem Abkommen zu gelangen, um die Truppen des durchaus zuverlässigen Metellus zum Schutze der Hauptstadt verwenden zu können. Allein die Samniten stellten Forderungen, die an das Caudinische Joch erinnerten: Rückgabe des den Samniten abgenommenen Beuteguts und ihrer Gefangenen und Überläufer; Verzicht auf die samnitischerseits den Römern entrissene Beute; Bewilligung des Bürgerrechts an die Samniten selbst sowie an die zu ihnen übergetretenen Römer. Der Senat verwarf selbst in dieser Not so entehrende Friedensbedingungen, wies aber den noch den Metellus an, mit Zurücklassung einer kleinen Abteilung alle im südlichen Italien irgend entbehrlichen Truppen schleunigst selber nach Rom zu führen. Er gehorchte; aber die Folge war, daß die Samniten den gegen sie zurückgelassenen Legaten des Metellus Plautius mit seinem schwachen Haufen angriffen und schlugen, daß die nolanische Besatzung ausrückte und die benachbarte, mit Rom verbündete Stadt Abella in Brand steckte; daß ferner Cinna und Marius den Samniten alles bewilligten, was sie begehrten – was lag ihnen an römischer Ehre! -und samnitischer Zuzug die Reihen der Insurgenten verstärkte. Ein empfindlicher Verlust war es auch, daß nach einem für die Regierungstruppen unglücklichen Gefecht Ariminum von den Insurgenten besetzt und dadurch die wichtige Verbindung zwischen Rom und dem Potal, von wo Mannschaft und Zufuhren erwartet wurden, unterbrochen ward. Mangel und Hunger stellten sich ein. Die große volkreiche, stark mit Truppen besetzte Stadt war nur ungenügend mit Vorräten versehen; und namentlich Marius ließ es sich angelegen sein, ihr die Zufuhr mehr und mehr abzuschneiden. Schon früher hatte er den Tiber durch eine Schiffbrücke gesperrt; jetzt brachte er durch die Eroberung von Antium, Lanuvium, Aricia und anderen Ortschaften die noch offenen Landverbindungswege in seine Gewalt und kühlte zugleich vorläufig seine Rache, indem er, wo immer Gegenwehr geleistet worden war, die gesamte Bürgerschaft mit Ausnahme derer, die etwa die Stadt ihm verraten hatten, über die Klinge springen ließ. Ansteckende Krankheiten waren die Folge der Not und räumten in den dicht um die Hauptstadt zusammengedrängten Heermassen fürchterlich auf von Strabos Veteranenheer sollen 11000, von den Truppen des Octavius 6000 Mann denselben erlegen sein. Dennoch verzweifelte die Regierung nicht; und ein glückliches Ereignis für sie war Strabos plötzlicher Tod. Er starb an der PestAdflatus sidere wie Livius (nach Obsequens 56) sagt, heißt "von der Pest ergriffen" (Petr. 2; Plin. nat. 2, 41, 108; Liv. 8, 9, 12), nicht "vom Blitz getroffen", wie die Späteren es mißverstanden haben.; die aus vielen Gründen gegen ihn erbitterten Massen rissen seinen Leichnam von der Bahre und schleiften ihn durch die Straßen. Was von seinen Truppen übrig war, vereinigte der Konsul Octavius mit seiner Armee. Nach Metellus' Eintreffen und Strabos Abscheiden war die Regierungsarmee wieder ihren Gegnern wenigstens gewachsen und konnte am Albaner Gebirge gegen die Insurgenten zum Kampfe sich stellen. Allein die Gemüter der Regierungssoldaten waren tief erschüttert; als Cinna ihnen gegenüber erschien, empfingen sie ihn mit Zuruf, als wäre er noch ihr Feldherr und Konsul; Metellus fand es geraten, es nicht auf die Schlacht ankommen zu lassen, sondern die Truppen in das Lager zurückzuführen. Die Optimaten selbst wurden unsicher und unter sich uneins. Während eine Partei, an ihrer Spitze der ehrenwerte, aber störrige und kurzsichtige Konsul Octavius, sich beharrlich gegen jede Nachgiebigkeit setzte, versuchte der kriegskundigere und verständigere Metellus einen Vergleich zustande zu bringen; aber seine Zusammenkunft mit Cinna erregte den Zorn der Ultras beider Parteien: Cinna hieß dem Marius ein Schwächling, Metellus dem Octavius ein Verräter. Die Soldaten, ohnehin verstört und nicht ohne Ursache der Führung des unerprobten Octavius mißtrauend, sannen Metellus an, den Oberbefehl zu übernehmen, und begannen, da dieser sich weigerte, haufenweise die Waffen wegzuwerfen oder gar zum Feind zu desertieren. Die Stimmung der Bürgerschaft wurde täglich gedrückter und schwieriger. Auf den Ruf der Herolde Cinnas, daß den überlaufenden Sklaven die Freiheit zugesichert sei, strömten dieselben scharenweise aus der Hauptstadt in das feindliche Lager. Dem Vorschlage aber, daß der Senat den Sklaven, die in das Heer eintreten würden, die Freiheit zusichern solle, widersetzte Octavius sich entschieden. Die Regierung konnte es sich nicht verbergen, daß sie geschlagen war und daß nichts übrig blieb, als mit den Führern der Bande womöglich ein Abkommen zu treffen, wie der überwältigte Wanderer es trifft mit dem Räuberhauptmann. Boten gingen an Cinna; allein da sie törichterweise Schwierigkeiten machten, ihn als Konsul anzuerkennen und Cinna während dieser Weiterungen sein Lager hart vor die Stadttore verlegte, so griff das Überlaufen so sehr um sich, daß es nicht mehr möglich war, irgendwelche Bedingungen festzusetzen, sondern der Senat sich einfach dem in die Acht erklärten Konsul unterwarf, indem er nur die Bitte hinzufügte, des Blutvergießens sich zu enthalten. Cinna sagte es zu, aber weigerte sich, sein Versprechen eidlich zu bekräftigen; Marius, ihm zur Seite den Verhandlungen beiwohnend, verharrte in finsterem Schweigen.
Die Tore der Hauptstadt öffneten sich. Der Konsul zog ein mit seinen Legionen; aber Marius, spöttisch erinnernd an das Achtgesetz, weigerte sich, die Stadt zu betreten, bevor das Gesetz es ihm gestatte, und eilig versammelten sich die Bürger auf dem Markt, um den kassierenden Beschluß zu fassen. So kam er denn und mit ihm die Schreckensherrschaft. Es war beschlossen, nicht einzelne Opfer auszuwählen, sondern die namhaften Männer der Optimatenpartei sämtlich niedermachen zu lassen und ihre Güter einzuziehen. Die Tore wurden gesperrt; fünf Tage und fünf Nächte währte unausgesetzt die Schlächterei; einzelne Entkommene oder Vergessene wurden auch nachher noch täglich erschlagen und monatelang ging die Blutjagd durch ganz Italien. Der Konsul Gnaeus Octavius war das erste Opfer. Seinem oft ausgesprochenen Grundsatz getreu, lieber den Tod zu leiden als den rechtlosen Leuten das geringste Zugeständnis zu machen, weigerte er auch jetzt sich zu fliehen, und im konsularischen Schmuck harrte er auf dem Ianiculum des Mörders, der nicht lange säumte. Es starben Lucius Caesar (Konsul 644 90), der gefeierte Sieger von Acerrae; sein Bruder Gaius, dessen unzeitiger Ehrgeiz den Sulpicischen Tumult heraufbeschworen hatte, bekannt als Redner und Dichter und als liebenswürdiger Gesellschafter; Marcus Antonius (Konsul 665 99), nach dem Tode des Lucius Crassus unbestritten der erste Sachwalter seiner Zeit; Publius Crassus (Konsul 657 97), der im Spanischen und im Bundesgenossenkrieg und noch während der Belagerung Roms mit Auszeichnung kommandiert hatte: überhaupt eine Menge der angesehensten Männer der Regierungspartei, unter denen von den gierigen Häschern namentlich die reichen mit besonderem Eifer verfolgt wurden. Jammervoll vor allen schien der Tod des Lucius Merula, der sehr wider seinen Wunsch Cinnas Nachfolger geworden war und nun deswegen peinlich angeklagt und vor die Komitien geladen, um der unvermeidlichen Verurteilung zuvorzukommen, sich die Adern öffnete und am Altar des Höchsten Jupiter, dessen Priester er war, nach Ablegung der priesterlichen Kopfbinde, wie es die religiöse Pflicht des sterbenden Flamen mit sich brachte, den Geist aushauchte; und mehr noch der Tod des Quintus Catulus (Konsul 652 102), einst in besseren Tagen in dem herrlichsten Sieg und Triumph der Gefährte desselben Marius, der jetzt für die flehenden Verwandten seines alten Kollegen keine andere Antwort hatte als den einsilbigen Bescheid: "Er muß sterben!" Der Urheber all dieser Untaten war Gaius Marius. Er bezeichnete die Opfer und die Henker – nur ausnahmsweise ward, wie gegen Merula und Catulus, eine Rechtsform beobachtet; nicht selten war ein Blick oder das Stillschweigen, womit er die Begrüßenden empfing, das Todesurteil, das stets sofort vollstreckt ward. Selbst mit dem Tode des Opfers ruhte seine Rache nicht; er verbot, die Leichen zu bestatten; er ließ – worin freilich Sulla ihm vorangegangen war – die Köpfe der getöteten Senatoren an die Rednerbühne auf dem Marktplatz heften; einzelne Leichen ließ er über den Markt schleifen, die des Gaius Caesar an der Grabstätte des vermutlich einst von Caesar angeklagten Quintus Varius noch einmal durchbohren; er umarmte öffentlich den Menschen, der ihm, während er bei Tafel saß, den Kopf des Antonius überreichte, den selber in seinem Versteck aufzusuchen und mit eigener Hand umzubringen er kaum hatte abgehalten werden können. Hauptsächlich seine Sklavenlegionen, namentlich eine Abteilung Ardyäer, dienten ihm als Schergen und versäumten nicht, in diesen Saturnalien ihrer neuen Freiheit die Häuser ihrer ehemaligen Herren zu plündern und was ihnen darin vorkam, zu schänden und zu morden. Seine eigenen Genossen waren in Verzweiflung über dieses wahnsinnige Wüten; Sertorius beschwor den Konsul, demselben um jeden Preis Einhalt zu tun, und auch Cinna war erschrocken. Aber in Zeiten, wie diese waren, wird der Wahnsinn selbst eine Macht; man stürzt sich in den Abgrund, um vor dem Schwindel sich zu retten. Es war nicht leicht, dem rasenden alten Mann und seiner Bande in den Arm zu fallen, und am wenigsten Cinna hatte den Mut dazu; er wählte den Marius vielmehr für das nächste Jahr zu seinem Kollegen im Konsulat. Das Schreckensregiment terrorisierte die gemäßigteren Sieger nicht viel weniger als die geschlagene Partei; nur die Kapitalisten waren nicht unzufrieden damit, daß eine fremde Hand sich dazu herlieh, die stolzen Oligarchen einmal gründlich zu demütigen, und zugleich infolge der umfassenden Konfiskationen und Versteigerungen der beste Teil der Beute an sie kam – sie erwarben in diesen Schreckenszeiten bei dem Volke sich den Beinamen der "Einsäckler".
Dem Urheber dieses Terrorismus, dem alten Gaius Marius, hatte also das Verhängnis seine beiden höchsten Wünsche gewährt. Er hatte Rache genommen an der ganzen vornehmen Meute, die ihm seine Siege vergällt, seine Niederlagen vergiftet hatte; er hatte jeden Nadelstich mit einem Dolchstich vergelten können. Er trat ferner das neue Jahr noch einmal an als Konsul; das Traumbild des siebenten Konsulates, das der Orakelspruch ihm zugesichert, nach dem er seit dreizehn Jahren gegriffen hatte, war nun wirklich geworden. Was er wünschte, hatten die Götter ihm gewährt; aber auch jetzt noch, wie in der alten Sagenzeit, übten sie die verhängnisvolle Ironie, den Menschen zu verderben durch die Erfüllung seiner Wünsche. In seinen ersten Konsulaten der Stolz, im sechsten das Gespött seiner Mitbürger, stand er jetzt im siebenten belastet mit dem Fluche aller Parteien, mit dem Haß der ganzen Nation; er, der von Haus aus rechtliche, tüchtige, kernbrave Mann, gebrandmarkt als das wahnwitzige Oberhaupt einer ruchlosen Räuberbande. Er selbst schien es zu fühlen. Wie im Taumel vergingen ihm die Tage, und des Nachts versagte ihm seine Lagerstatt die Ruhe, so daß er zum Becher griff, um nur sich zu betäuben. Ein hitziges Fieber ergriff ihn; nach siebentägigem Krankenlager, in dessen wilden Phantasien er auf den kleinasiatischen Gefilden die Schlachten schlug, deren Lorbeer Sulla bestimmt war, am 13. Januar 668 (86) war er eine Leiche. Er starb, über siebzig Jahr alt, im Vollbesitz dessen, was er Macht und Ehre nannte, und in seinem Bette; aber die Nemesis ist mannigfaltig und sühnt nicht immer Blut mit Blut. Oder war es etwa keine Vergeltung, daß Rom und Italien bei der Nachricht von dem Tode des gefeierten Volkserretters jetzt aufatmeten wie kaum bei der Kunde von der Schlacht auf dem Raudischen Feld?
Auch nach seinem Tode zwar kamen einzelne Auftritte vor, die an die Schreckenszeit erinnerten; so machte zum Beispiel Gaius Fimbria, der wie kein anderer bei den Marianischen Schlächtereien seine Hand in Blut getaucht hatte, bei dem Leichenbegängnis des Marius selbst einen Versuch, den allgemein verehrten und selbst von Marius verschonten Oberpontifex Quintus Scaevola (Konsul 659 95) umzubringen und klagte dann, als derselbe von der empfangenen Wunde genas, ihn peinlich an, wegen des Verbrechens, wie er scherzhaft sich ausdrückte, daß er sich nicht habe wollen ermorden lassen. Aber die Orgien des Mordens waren doch vorüber. Unter dem Vorwand der Soldzahlung rief Sertorius die Marianischen Banditen zusammen, umzingelte sie mit seinen zuverlässigen keltischen Truppen und ließ sie, nach den geringsten Angaben 4000 an der Zahl, sämtlich niederhauen.
Mit dem Schreckensregiment zugleich war die Tyrannis gekommen. Cinna stand nicht bloß vier Jahre nacheinander (667-670 87-84) als Konsul an der Spitze des Staats, sondern er ernannte auch regelmäßig sich und seine Kollegen, ohne das Volk zu befragen; es war, als ob diese Demokraten die souveräne Volksversammlung mit absichtlicher Geringschätzung beiseite schöben. Kein anderes Haupt der Popularpartei vor- oder nachher hat eine so vollkommen absolute Gewalt in Italien wie in dem größten Teil der Provinzen so lange Zeit hindurch fast ungestört besessen wie Cinna; aber es ist auch keiner zu nennen, dessen Regiment so vollkommen nichtig und ziellos gewesen wäre. Man nahm natürlich das von Sulpicius und später von Cinna selbst beantragte, den Neubürgern und den Freigelassenen gleiches Stimmrecht mit den Altbürgern zusichernde Gesetz wieder auf und ließ dasselbe durch einen Senatsbeschluß förmlich als zu Recht bestehend bestätigen (670 84). Man ernannte Zensoren (668 86), um demgemäß sämtliche Italiker in die fünfunddreißig Bürgerbezirke zu verteilen – eine seltsame Fügung dabei war es, daß infolge des Mangels von fähigen Kandidaten zur Zensur derselbe Philippus, der als Konsul 663 (91) hauptsächlich den Plan des Drusus, den Italikern das Stimmrecht zu verleihen, hatte scheitern machen, jetzt dazu ausersehen ward, sie als Zensor in die Bürgerrollen einzuschreiben. Man stieß natürlich die von Sulla im Jahre 666 (88) begründeten reaktionären Institutionen um. Man tat einiges, um dem Proletariat sich gefällig zu erweisen – so wurden wahrscheinlich die vor einigen Jahren eingeführten Beschränkungen der Getreideverteilung jetzt wiederum beseitigt; so wurde nach dem Vorschlag des Volkstribuns Marcus Iunius Brutus die von Gaius Gracchus beabsichtigte Koloniegründung in Capua im Frühjahr 671 (83) in der Tat ins Werk gesetzt; so veranlaßte Lucius Valerius Flaccus der Jüngere ein Schuldgesetz, das jede Privatforderung auf den vierten Teil ihres Nominalbetrags herabsetzte und drei Viertel zu Gunsten der Schuldner kassierte. Diese Maßregeln aber, die einzigen konstitutiven während des ganzen Cinnanischen Regiments, sind ohne Ausnahme vom Augenblick diktiert; es liegt – und vielleicht ist dies das Entsetzlichste bei dieser ganzen Katastrophe – derselben nicht etwa ein verkehrter, sondern gar kein politischer Plan zu Grunde. Man liebkoste den Pöbel und verletzte ihn zugleich in höchst unnötiger Weise durch zwecklose Mißachtung der verfassungsmäßigen Wahlordnung. Man konnte an der Kapitalistenpartei einen Halt finden und schädigte sie aufs empfindlichste durch das Schuldgesetz. Die eigentliche Stütze des Regiments waren – durchaus ohne dessen Zutun – die Neubürger; man ließ sich ihren Beistand gefallen, aber es geschah nichts, um die seltsame Stellung der Samniten zu regeln, die dem Namen nach jetzt römische Bürger waren, aber offenbar tatsächlich ihre landschaftliche Unabhängigkeit als den eigentlichen Zweck und Preis des Kampfes betrachteten und diese gegen all und jeden zu verteidigen in Waffen blieben. Man schlug die angesehenen Senatoren tot wie tolle Hunde; aber nicht das geringste ward getan, um den Senat im Interesse der Regierung zu reorganisieren oder auch nur dauernd zu terrorisieren, so daß dieselbe auch seiner keineswegs sicher war. So hatte Gaius Gracchus den Sturz der Oligarchie nicht verstanden, daß der neue Herr sich auf seinem selbstgeschaffenen Thron verhalten könne, wie es legitime Nullkönige zu tun belieben. Aber diesen Cinna hatte nicht sein Wollen, sondern der reine Zufall emporgetragen; war es ein Wunder, daß er blieb, wo die Sturmflut der Revolution ihn hingespült hatte, bis eine zweite Sturmflut kam, ihn wiederfortzuschwemmen?
Dieselbe Verbindung der gewaltigsten Machtfülle mit der vollständigsten Impotenz und Inkapazität der Machthaber zeigte die Kriegführung der revolutionären Regierung gegen die Oligarchie, an der denn doch zunächst ihre Existenz hing. In Italien gebot sie unumschränkt. Unter den Altbürgern war ein sehr großer Teil grundsätzlich demokratisch gesinnt; die noch größere Masse der ruhigen Leute mißbilligte zwar die Marianischen Greuel, sahen aber in einer oligarchischen Restauration nichts als die Eröffnung eines zweiten Schreckensregiments der entgegengesetzten Partei. Der Eindruck der Untaten des Jahres 667 (87) auf die Nation insgesamt war verhältnismäßig gering gewesen, da sie vorwiegend doch nur die hauptstädtische Aristokratie betroffen hatten, und ward überdies einigermaßen ausgelöscht durch das darauffolgende dreijährige, leidlich ruhige Regiment. Die gesamte Masse der Neubürger endlich, vielleicht drei Fünftel der Italiker, stand entschieden wo nicht für die gegenwärtige Regierung, doch gegen die Oligarchie.
Gleich Italien hielten zu jener die meisten Provinzen: Sizilien, Sardinien, beide Gallien, beide Spanien. In Africa machte Quintus Metellus, der den Mördern glücklich entkommen war, einen Versuch, diese Provinz für die Optimaten zu halten; zu ihm begab sich aus Spanien Marcus Crassus, der jüngste Sohn des in dem Marianischen Blutbad umgekommenen Publius Crassus, und verstärkte ihn durch einen in Spanien zusammengebrachten Haufen. Allein sie mußten, da sie sich untereinander entzweiten, dem Statthalter der revolutionären Regierung, Gaius Fabius Hadrianus, weichen. Asien war in den Händen Mithradats; somit blieb als einzige Freistatt der verfemten Oligarchie die Provinz Makedonien, soweit sie in Sullas Gewalt war. Dorthin retteten sich Sullas Gemahlin und Kinder, die mit Mühe dem Tode entgangen waren, und nicht wenige entkommene Senatoren, so daß bald in seinem Hauptquartier eine Art von Senat sich bildete. An Dekreten gegen den oligarchischen Prokonsul ließ es die Regierung nicht fehlen. Sulla ward durch die Komitien seines Kommandos und seiner sonstigen Ehren und Würden entsetzt und geächtet, wie das in gleicher Weise auch gegen Metellus, Appius Claudius und andere angesehene Flüchtlinge geschah; sein Haus in Rom wurde geschleift, seine Landgüter verwüstet. Indes damit freilich war die Sache nicht erledigt. Hätte Gaius Marius länger gelebt, so wäre er ohne Zweifel selbst gegen Sulla dorthin marschiert, wohin noch auf seinem Todbette die Fieberbilder ihn führten; welche Maßregeln nach seinem Tode die Regierung ergriff, ward schon erzählt. Lucius Valerius Flaccus der jüngereLucius Valerius Flaccus, den die Fasten als Konsul 668 (86) nennen, ist nicht der Konsul des Jahres 654 (100), sondern ein gleichnamiger jüngerer Mann, vielleicht des vorigen Sohn. Einmal ist das Gesetz, das die Wiederwahl zum Konsulat untersagte, von ca. 603 (151) bis 673 (81) rechtlich in Kraft geblieben, und es ist nicht wahrscheinlich, daß dasselbe, war für Scipio Aemilianus und Marius, auch für Flaccus geschah. Zweitens wird nirgends, wo der eine oder der andere Flaccus genannt wird, eines doppelten Konsulats gedacht, auch nicht, wo es notwendig war wie Cic. Flacc. 32, 77. Drittens kann der Lucius Valerius Flaccus, der im Jahre 669 (85) als Vormann des Senats, also als Konsulat in Rom tätig war (Liv. 83), nicht der Konsul des Jahres 668 (86) sein, da dieser damals bereits nach Asien abgegangen und wahrscheinlich schon tot war. Der Konsul 654 (100), Zensor 657 (97), ist derjenige, den Cicero (Att. 8, 3, 6) unter den 667 (87) in Rom anwesenden Konsulaten nennt; er war 669 (85) unzweifelhaft der älteste lebende Altzensor und also geeignet zum Vormann des Senats; er ist auch der Zwischenkönig und der Reiterführer von 672 (82). Dagegen ist der Konsul 668 (86), der in Nikomedeia umkam, der Vater des von Cicero verteidigten Lucius Flaccus (Flacc. 25, 61; vgl. 23, 55; 32, 77)., der nach Marius' Tode das Konsulat und das Kommando im Osten übernahm (668 86), war weder Soldat noch Offizier, sein Begleiter Gaius Fimbria nicht unfähig, aber unbotmäßig, das ihnen mitgegebene Heer schon der Zahl nach dreifach schwächer als die Sullanische Armee. Man vernahm nacheinander, daß Flaccus, um nicht von Sulla erdrückt zu werden, an ihm vorüber nach Asien abgezogen sei (668 86), daß Fimbria ihn beseitigt und sich selbst an seine Stelle gesetzt habe (Anfang 669 85), daß Sulla Frieden geschlossen habe mit Mithradates (669/70 85/84). Bis dahin hatte Sulla den in der Hauptstadt regierenden Behörden gegenüber geschwiegen; jetzt lief ein Schreiben von ihm an den Senat ein, worin er die Beendigung des Krieges berichtete und seine Rückkehr nach Italien ankündigte; die den Neubürgern erteilten Rechte werde er achten; Strafexekutionen seien zwar unvermeidlich, allein sie würden nicht die Massen, sondern die Urheber treffen. Diese Ankündigung schreckte Cinna aus seiner Untätigkeit auf; wenn er bisher nichts gegen Sulla getan hatte, als daß einige Mannschaft unter die Waffen gestellt und eine Anzahl Schiffe im Adriatischen Meere versammelt worden war, so beschloß er jetzt, schleunigst nach Griechenland überzugehen. Aber andererseits weckte Sullas Schreiben, das den Umständen nach äußerst gemäßigt zu nennen war, in der Mittelpartei Hoffnungen auf eine friedliche Ausgleichung. Die Majorität des Senats beschloß nach dem Vorschlag des älteren Flaccus, einen Sühneversuch einzuleiten und zu dem Ende Sulla aufzufordern, sich unter Verbürgung sicheren Geleits in Italien einzufinden, die Konsuln Cinna und Carbo aber zu veranlassen, bis zum Eingang von Sullas Antwort die Rüstungen einzustellen. Sulla wies die Vorschläge nicht unbedingt von der Hand; er kam zwar natürlich nicht selbst, aber ließ durch Boten erklären, daß er nichts fordere als Wiedereinsetzung der Verbannten in den vorigen Stand und gerichtliche Bestrafung der begangenen Verbrechen, Sicherheit übrigens nicht geleistet begehre, sondern denen daheim zu bringen gedenke. Seine Abgesandten fanden den Stand der Dinge in Italien wesentlich verändert. Cinna hatte, ohne um jenen Senatsbeschluß sich weiter zu bekümmern, sofort nach aufgehobener Sitzung sich zum Heer begeben und die Einschiffung desselben betrieben. Die Aufforderung, in der bösen Jahreszeit sich dem Meer anzuvertrauen, rief unter den schon schwierigen Truppen im Hauptquartier zu Ancona eine Meuterei hervor, deren Opfer Cinna ward (Anfang 670 84), worauf sein Kollege Carbo sich genötigt sah, die schon übergegangenen Abteilungen zurückzuführen und, auf das Aufnehmen des Krieges in Griechenland verzichtend, Winterquartiere in Ariminum zu beziehen. Sullas Anträge aber fanden darum keine bessere Aufnahme: der Senat wies seine Vorschläge zurück, ohne auch nur die Boten nach Rom zu lassen, und befahl ihm kurzweg, die Waffen niederzulegen. Es war nicht zunächst die Koterie der Marianer, welche dies entschiedene Auftreten bewirkte. Eben jetzt, wo es galt, mußte diese Faktion die bisher usurpierte Besetzung des höchsten Amtes abgeben und für das entscheidende Jahr 671 (83) wieder Konsulwahlen veranstalten. Die Stimmen vereinigten hierbei sich nicht auf den bisherigen Konsul Carbo noch auf einen der fähigen Offiziere der bis dahin regierenden Clique, wie Quintus Sertorius oder Gaius Marius den Sohn, sondern auf Lucius Scipio und Gaius Norbanus, zwei Inkapazitäten, von denen keiner zu schlagen, Scipio nicht einmal zu sprechen verstand, und von denen jener nur als der Urenkel des Antiochossiegers, dieser als politischer Gegner der Oligarchie sich der Menge empfahlen. Die Marianer wurden nicht so sehr ihrer Untaten wegen verabscheut als ihrer Nichtigkeit wegen verachtet; aber wenn die Nation nichts von diesen, so wollte sie in ihrer großen Majorität noch viel weniger von Sulla und einer oligarchischen Restauration etwas wissen. Man dachte ernstlich an Abwehr. Während Sulla nach Asien überging, das Heer des Fimbria zum Übertritt bestimmte und dessen Führer durch seine eigene Hand fiel, benutzte die Regierung in Italien die durch diese Schritte Sullas ihr gegönnte weitere Jahresfrist zu energischen Rüstungen: es sollen bei Sullas Landung 100000, später sogar die doppelte Anzahl von Bewaffneten gegen ihn gestanden haben.
Gegen diese italische Macht hatte Sulla nichts in die Waagschale zu legen als seine fünf Legionen, die, auch mit Einrechnung einiger in Makedonien und im Peloponnes aufgebotener Zuzüge, kaum auf 40000 Mann sich belaufen mochten. Allerdings hatte dies Heer in siebenjährigen Kämpfen in Italien, Griechenland und Asien des Politisierens sich entwöhnt und hing seinem Feldherrn, der den Soldaten alles, Schwelgerei, Bestialität, sogar Meuterei gegen die Offiziere, nachsah, nichts verlangte als Tapferkeit und Treue gegen den Feldherrn und für den Sieg die verschwenderischsten Belohnungen in Aussicht stellte, mit allem jenem soldatischen Enthusiasmus an, der um so gewaltiger ist, als dabei die edelsten und die gemeinsten Leidenschaften oft in derselben Brust sich begegnen. Freiwillig schworen nach römischer Sitte die Sullanischen Soldaten sich einander es zu, fest zusammenzuhalten, und freiwillig brachte ein jeder dem Feldherrn seinen Sparpfennig als Beisteuer zu den Kriegskosten. Allein so ansehnlich diese geschlossene Kernschar gegen die feindlichen Massen ins Gewicht fiel, so erkannte doch Sulla sehr wohl, daß Italien nicht mit fünf Legionen bezwungen werden konnte, wenn es im entschlossenen Widerstande einig zusammenhielt. Mit der Popularpartei und ihren unfähigen Autokraten fertig zu werden, wäre nicht schwierig gewesen; aber er sah sich gegenüber und mit dieser vereinigt die ganze Masse derer, die keine oligarchische Schreckensrestauration wollten, und vor allen Dingen die gesamte Neubürgerschaft, sowohl diejenigen, die durch das Julische Gesetz von der Teilnahme an der Insurrektion sich hatten abhalten lassen, als diejenigen, deren Schilderhebung vor wenigen Jahren Rom an den Rand des Verderbens geführt hatte. Sulla übersah vollkommen die Lage der Verhältnisse und war weit entfernt von der blinden Erbitterung und der eigensinnigen Starrheit, die die Majorität seiner Partei charakterisierten. Während das Staatsgebäude in vollen Flammen stand, während man seine Freunde ermordete, seine Häuser zerstörte, seine Familie ins Elend trieb, war er unbeirrt auf seinem Posten verblieben, bis der Landesfeind überwältigt und die römische Grenze gesichert war. In demselben Sinne patriotischer und einsichtiger Mäßigung behandelte er auch jetzt die italischen Verhältnisse und tat, was er irgend tun konnte, um die Gemäßigten und die Neubürger zu beruhigen und um zu verhindern, daß nicht unter dem Namen des Bürgerkrieges der weit gefährlichere Krieg zwischen den Altrömern und den italischen Bundesgenossen abermals emporlodere. Schon das erste Schreiben, das Sulla an den Senat richtete, hatte nichts als Recht und Gerechtigkeit gefordert und eine Schreckensherrschaft ausdrücklich zurückgewiesen; im Einklang damit stellte er nun allen denen, die noch jetzt von der revolutionären Regierung sich lossagen würden, unbedingte Begnadigung in Aussicht und veranlaßte seine Soldaten, Mann für Mann, zu schwören, daß sie den Italikern durchaus als Freunden und Mitbürgern begegnen würden. Die bündigsten Erklärungen sicherten den Neubürgern die von ihnen erworbenen politischen Rechte; so daß Carbo deshalb von jeder italischen Stadtgemeinde sich Geiseln wollte stellen lassen, was indes an der allgemeinen Indignation und an dem Widerspruch des Senats scheiterte. Die Hauptschwierigkeit der Lage Sullas bestand in der Tat darin, daß bei der eingerissenen Wort- und Treulosigkeit die Neubürger allen Grund hatten, wenn nicht an seinen persönlichen Absichten, doch daran zu zweifeln, ob er es vermögen werde, seine Partei zum Worthalten nach dem Siege zu bestimmen.
Im Frühling 671 (83) landete Sulla mit seinen Legionen in dem Hafen von Brundisium. Der Senat erklärte auf die Nachricht davon das Vaterland in Gefahr und übertrug den Konsuln unbeschränkte Vollmacht; aber diese unfähigen Leiter hatten sich nicht vorgesehen und waren durch die seit Jahren in Aussicht stehende Landung dennoch überrascht. Das Heer befand sich noch in Ariminum, die Häfen waren unbesetzt und überhaupt unglaublicherweise in dem ganzen südöstlichen Litoral kein Mann unter den Waffen. Die Folgen zeigten sich bald. Gleich Brundisium selbst, eine ansehnliche Neubürgergemeinde, öffnete ohne Widerstand dem oligarchischen General die Tore und dem gegebenen Beispiel folgte ganz Messapien und Apulien. Die Armee marschierte durch diese Gegenden wie durch Freundesland und hielt, ihres Eides eingedenk, durchgängig die strengste Mannszucht. Von allen Seiten strömten die versprengten Reste der Optimatenpartei in das Lager Sullas. Aus den Bergschluchten Liguriens, wohin er von Afrika sich gerettet hatte, kam Quintus Metellus und übernahm wieder, als Kollege Sullas, das im Jahr 667 (87) ihm übertragene und von der Revolution ihm aberkannte prokonsularische Kommando; ebenso erschien von Afrika her mit einer kleinen Schar Bewaffneter Marcus Crassus. Die meisten Optimaten freilich kamen als vornehme Emigranten mit großen Ansprüchen und geringer Kampflust, so daß sie von Sulla selbst bittere Worte zu hören bekamen über die adligen Herren, die zum Heil des Staates sich wollten retten lassen und nicht einmal dazu zu bringen seien, ihre Sklaven zu bewaffnen. Wichtiger war es, daß schon Überläufer aus dem demokratischen Lager sich einstellten – so der feine und angesehene Lucius Philippus, nebst ein paar notorisch unfähigen Leuten der einzige Konsular, der mit der revolutionären Regierung sich eingelassen und unter ihr Ämter angenommen hatte; er fand bei Sulla die zuvorkommendste Aufnahme und erhielt den ehrenvollen und bequemen Auftrag, die Provinz Sardinien für ihn zu besetzen. Ebenso wurden Quintus Lucretius Ofelia und andere brauchbare Offiziere empfangen und sofort beschäftigt; selbst Publius Cethegus, einer der nach der Sulpicischen Erneute von Sulla geächteten Senatoren, erhielt Verzeihung und eine Stellung im Heer. Wichtiger noch als die einzelnen Übertritte war der der Landschaft Picenum, der wesentlich dem Sohne des Strabo, dem jungen Gnaeus Pompeius, verdankt ward. Dieser, gleich seinem Vater von Haus aus kein Anhänger der Oligarchie, hatte die revolutionäre Regierung anerkannt und sogar in Cinnas Heer Dienste genommen; allein es ward ihm nicht vergessen, daß sein Vater die Waffen gegen die Revolution getragen hatte; er sah sich vielfach angefeindet, ja sogar durch Anklage auf Herausgabe der nach der Einnahme von Asculum von seinem Vater wirklich oder angeblich unterschlagenen Beute mit dem Verlust seines sehr beträchtlichen Vermögens bedroht. Zwar wendete mehr als die Beredsamkeit des Konsulars Lucius Philippus und des jungen Quintus Hortensius der Schutz des ihm persönlich gewogenen Konsuls Carbo den ökonomischen Ruin von ihm ab; aber die Verstimmung blieb. Auf die Nachricht von Sullas Landung ging er nach Picenum, wo er ausgedehnte Besitzungen und von seinem Vater und dem Bundesgenossenkriege her die besten munizipalen Verbindungen hatte und pflanzte in Auximum (Osimo) die Fahne der optimatischen Partei auf. Die meistens von Altbürgern bewohnte Landschaft fiel ihm zu; die junge Mannschaft, welche großenteils mit ihm unter seinem Vater gedient hatte, stellte sich bereitwillig unter den beherzten Führer, der, noch nicht dreiundzwanzigjährig, ebensosehr Soldat wie General war, im Reitergefecht den Seinen voraussprengte und tüchtig mit in den Feind einhieb. Das picenische Freiwilligenkorps wuchs bald auf drei Legionen; den aus der Hauptstadt zur Dämpfung der picenischen Insurrektion ausgesandten Abteilungen unter Cloelius, Gaius Carrinas, Lucius Iunius Brutus DamasippusNur an diesen kann hier gedacht werden, da Marcus Brutus, der Vater des sogenannten Befreiers, im Jahr 671 (83) Volkstribun war, also nicht im Felde kommandieren konnte. wußte der improvisierte Feldherr, die unter denselben entstandenen Zwistigkeiten geschickt benutzend, sich zu entziehen oder sie einzeln zu schlagen und mit dem Hauptheer Sullas, wie es scheint in Apulien, die Verbindung herzustellen. Sulla begrüßte ihn als Imperator, das heißt als einen im eigenen Namen kommandierenden und nicht unter, sondern nehmen ihm stehenden Offizier und zeichnete den Jüngling durch Ehrenbezeigungen aus, wie er sie keinem seiner vornehmen Klienten erwies – vermutlich nicht ohne die Nebenabsicht, der charakterlosen Schwäche seiner eigenen Parteigenossen damit eine indirekte Züchtigung zukommen zu lassen.
Also moralisch und materiell ansehnlich verstärkt gelangten Sulla und Metellus nach Apulien durch die immer noch insurgierten samnitischen Gegenden nach Kampanien. Hierhin wandte sich auch die feindliche Hauptmacht, und es schien die Entscheidung hier fallen zu müssen. Das Heer des Konsuls Gaius Norbanus stand bereits bei Capua, wo eben die neue Kolonie mit allem demokratischen Pomp sich konstituierte; die zweite Konsulararmee rückte ebenfalls auf der Appischen Straße heran. Aber bevor sie eintraf, stand Sulla schon dem Norbanus gegenüber. Ein letzter Vermittlungsversuch, den Sulla machte, führte nur dazu, daß man an seinen Boten sich vergriff. In frischer Erbitterung warfen seine kampfgewohnten Scharen sich auf den Feind; ihr gewaltiger Stoß vom Berge Tifata herab zersprengte den in der Ebene aufgestellten Feind im ersten Anlauf; mit dem Rest seiner Mannschaft warf sich Norbanus in die revolutionäre Kolonie Capua und die Neubürgerstadt Neapolis und ließ dort sich blockieren. Sullas Truppen, bisher nicht ohne Besorgnis ihre schwache Zahl mit den feindlichen Massen vergleichend, hatten durch diesen Sieg das Vollgefühl militärischer Überlegenheit gewonnen; statt mit der Belagerung der Trümmer der geschlagenen Armee sich aufzuhalten, ließ Sulla die Städte umstellen, wo sie sich befanden, und rückte auf der Appischen Straße vor gegen Teanum, wo Scipio stand. Auch ihm bot er, ehe der Kampf begann, noch einmal die Hand zum Frieden; es scheint in gutem Ernste. Scipio, schwach wie er war, ging darauf ein; ein Waffenstillstand ward geschlossen; zwischen Cales und Teanum kamen die beiden Feldherren, beide Glieder des gleichen Adelsgeschlechts, beide gebildet und feingesittet und langjährige Kollegen im Senat, persönlich zusammen; man ließ sich auf die einzelnen Fragen ein; schon war man so weit, daß Scipio einen Boten nach Capua absandte, um die Meinung seines Kollegen einzuholen. Inzwischen mischten sich die Soldaten beider Lager; die Sullaner, von ihrem Feldherrn reichlich mit Geld versehen, machten es den nicht allzu kriegslustigen Rekruten beim Becher leicht begreiflich, daß es besser sei, sie zu Kameraden als zu Feinden zu haben; vergeblich warnte Sertorius den Feldherrn, diesem gefährlichen Verkehr ein Ende zu machen. Die Verständigung, die so nahe geschienen, trat doch nicht ein; Scipio war es, welcher den Waffenstillstand kündigte. Aber Sulla behauptete, daß es zu spät und der Vertrag bereits abgeschlossen gewesen sei; und unter dem Vorwand, daß ihr Feldherr den Waffenstillstand widerrechtlich aufgesagt, gingen Scipios Soldaten in Masse über in die feindlichen Reihen. Die Szene schloß mit einer allgemeinen Umarmung, der die kommandierenden Offiziere der Revolutionsarmee zuzusehen hatten. Sulla ließ den Konsul auffordern, sein Amt niederzulegen, was er tat, und ihn nebst seinem Stab durch seine Reiter dahin eskortieren, wohin sie begehrten; allein kaum in Freiheit gesetzt, legte Scipio die Abzeichen seiner Würde wieder an und begann aufs neue, Truppen zusammenzuziehen, ohne indes weiter etwas von Belang auszurichten. Sulla und Metellus nahmen Winterquartiere in Kampanien und hielten, nachdem ein zweiter Versuch, mit Norbanus sich zu verständigen, gescheitert war, Capua den Winter über blockiert.
Die Ergebnisse des ersten Feldzugs waren für Sulla die Unterwerfung von Apulien, Picenum und Kampanien, die Auflösung der einen, die Besiegung und Blockierung der anderen konsularischen Armee. Schon traten die italischen Gemeinden, genötigt, zwischen ihren zwiefachen Drängern jede für sich Partei zu ergreifen, zahlreich mit ihm in Unterhandlung und ließen sich die von der Gegenpartei erworbenen politischen Rechte durch förmliche Separatverträge von dem Feldherrn der Oligarchie garantieren; Sulla hegte die bestimmte Erwartung und trug sie absichtlich zur Schau, die revolutionäre Regierung in dem nächsten Feldzug niederzuwerfen und wieder in Rom einzuziehen.
Aber auch der Revolution schien die Verzweiflung neue Kräfte zu geben. Das Konsulat übernahmen zwei ihrer entschiedensten Führer, Carbo zum dritten Male und Gaius Marius der Sohn; daß der letztere eben zwanzigjährige Mann gesetzmäßig das Konsulat nicht bekleiden konnte, achtete man so wenig wie jeden anderen Punkt der Verfassung. Quintus Sertorius, der in dieser und in anderen Angelegenheiten eine unbequeme Kritik machte, wurde angewiesen, um neue Werbungen vorzunehmen, nach Etrurien und von da in seine Provinz, das Diesseitige Spanien, abzugehen. Die Kasse zu füllen, mußte der Senat die Einschmelzung des goldenen und silbernen Tempelgeräts der Hauptstadt verfügen; wie bedeutend der Ertrag war, erhellt daraus, daß nach mehrmonatlicher Kriegführung davon noch über 4 Millionen Taler (14000 Pfund Gold und 6000 Pfund Silber) vorrätig waren. In dem beträchtlichen Teile Italiens, der gezwungen oder freiwillig noch zu der Revolution hielt, wurden die Rüstungen lebhaft betrieben. Aus Etrurien, wo die Neubürgergemeinden sehr zahlreich waren, und dem Pogebiet kamen ansehnliche neu gebildete Abteilungen. Auf den Ruf des Sohnes stellten die Marianischen Veteranen in großer Anzahl sich bei den Fahnen ein. Aber nirgends ward zum Kampf gegen Sulla so leidenschaftlich gerüstet wie in dem insurgierten Samnium und einzelnen Strichen von Lucanien. Es war nichts weniger als Ergebenheit gegen die revolutionäre römische Regierung, daß zahlreicher Zuzug aus den oskischen Gegenden ihre Heere verstärkte; wohl aber begriff man daselbst, daß eine von Sulla restaurierte Oligarchie sich die jetzt faktisch bestehende Selbständigkeit dieser Landschaften nicht so gefallen lassen werde wie die schlaffe Cinnanische Regierung; und darum erwachte in dem Kampf gegen Sulla noch einmal die uralte Rivalität der Sabeller gegen die Latiner. Für Samnium und Latium war dieser Krieg so gut ein Nationalkampf wie die Kriege des fünften Jahrhunderts; man stritt nicht um ein Mehr oder Minder von politischen Rechten, sondern um den lange verhaltenen Haß durch Vernichtung des Gegners zu sättigen. Es war darum kein Wunder, wenn dieser Teil des Krieges einen ganz anderen Charakter trug als die übrigen Kämpfe, wenn hier keine Verständigung versucht, kein Quartier gegeben oder genommen, die Verfolgung bis aufs äußerste fortgesetzt ward.
So trat man den Feldzug des Jahres 672 (82) beiderseits mit verstärkten Streitkräften und gesteigerter Leidenschaft an. Vor allem die Revolution warf die Scheide weg; auf Carbos Antrag ächteten die römischen Komitien alle in Sullas Lager befindlichen Senatoren. Sulla schwieg; er mochte denken, daß man im voraus sich selber das Urteil spreche.
Die Armee der Optimaten teilte sich. Der Prokonsul Metellus übernahm es, gestützt auf die picenische Insurrektion, nach Oberitalien vorzudringen, während Sulla von Kampanien aus geradeswegs gegen die Hauptstadt marschierte. Jenem warf Carbo sich entgegen; der feindlichen Hauptarmee wollte Marius in Latium begegnen. Auf der Launischen Straße heranrückend, traf Sulla unweit Signia auf den Feind, der vor ihm zurückwich bis nach dem sogenannten "Hafen des Sacer" zwischen Signia und dem Hauptwaffenplatz der Marianen dem festen Praeneste. Hier stellte Marius sich zur Schlacht. Sein Heer war etwa 40000 Mann stark und er an wildem Grimme und persönlicher Tapferkeit seines Vaters rechter Sohn; aber es waren nicht die wohlgeübten Scharen, mit denen dieser seine Schlachten geschlagen hatte, und noch minder durfte der unerfahrene junge Mann mit dem alten Kriegsmeister sich vergleichen. Bald wichen seine Truppen; der Übertritt einer Abteilung noch während des Gefechts beschleunigte die Niederlage. Über die Hälfte der Marianer waren tot oder gefangen; der Überrest, weder imstande, das Feld zu halten, noch, das andere Ufer des Tiber zu gewinnen, genötigt, in den benachbarten Festungen Schutz zu suchen; die Hauptstadt, die zu verproviantieren man versäumt hatte, unrettbar verloren. Infolgedessen gab Marius dem daselbst befehligten Prätor Lucius Brutus Damasippus den Befehl, sie zu räumen, vorher aber alle bisher noch verschonten angesehenen Männer der Gegenpartei niederzumachen. Der Auftrag, durch den der Sohn die Ächtungen des Vaters noch überbot, ward vollzogen; Damasippus berief unter einem Vorwand den Senat, und die bezeichneten Männer wurden teils in der Sitzung selbst, teils auf der Flucht vor dem Rathaus niedergestoßen. Trotz der vorhergegangenen gründlichen Aufräumung fanden sich doch noch einzelne namhaftere Opfer: so der gewesene Ädil Publius Antistius, der Schwiegervater des Gnaeus Pompeius, und der gewesene Prätor Gaius Carbo, der Sohn des bekannten Freundes und nachherigen Gegners der Gracchen, nach dem Tode so vieler ausgezeichneter Talente die beiden besten Gerichtsredner auf dem verödeten Markt; der Konsular Lucius Domitius und vor allem der ehrwürdige Oberpriester Quintus Scaevola, der dem Dolch des Fimbria nur entgangen war, um jetzt während der letzten Krämpfe der Revolution in der Halle des seiner Obhut anvertrauten Vestatempels zu verbluten. Mit stummem Entsetzen sah die Menge die Leichen dieser letzten Opfer des Terrorismus durch die Straßen schleifen und sie in den Fluß werfen.
Marius' aufgelöste Haufen warfen sich in die nahen und festen Neubürgerstädte Norba und Praeneste, er selbst mit der Kasse und dem größten Teil der Flüchtlinge in die letztere. Sulla ließ, ebenwie das Jahr zuvor vor Capua, vor Praeneste einen tüchtigen Offizier, den Quintus Ofelia, zurück, mit dem Auftrag, seine Kräfte nicht an die Belagerung der festen Stadt zu vergeuden, sondern sie mit einer weiten Blockadelinie einzuschließen und sie auszuhungern; er selbst rückte von verschiedenen Seiten auf die Hauptstadt zu, welche er wie die ganze Umgegend vom Feinde verlassen fand und ohne Gegenwehr besetzte. Kaum nahm er sich die Zeit, das Volk durch eine Ansprache zu beruhigen und die nötigsten Anordnungen zu treffen; sofort ging er weiter nach Etrurien, um in Verbindung mit Metellus die Gegner auch aus Norditalien zu vertreiben.
Metellus war inzwischen am Fluß Aesis (Esino zwischen Ancona und Sinigaglia), der die picenische Landschaft von der gallischen Provinz schied, auf Carbos Unterfeldherrn Carrinas gestoßen und hatte diesen geschlagen; als Carbo selbst mit seiner überlegenen Armee herbeikam, hatte er das weitere Vordringen aufgeben müssen. Allein auf die Nachricht von der Schlacht am Sacerhafen war Carbo, um seine Kommunikationen besorgt, zurückgegangen bis auf die Flaminische Chaussee, um in deren Knotenpunkt Ariminum sein Hauptquartier zu nehmen und von dort teils die Pässe des Apennin, teils das Potal zu behaupten. Bei dieser rückgängigen Bewegung gerieten nicht bloß verschiedene Abteilungen dem Feinde in die Hände, sondern ward auch von Pompeius Sena gallica erstürmt und Carbos Nachhut in einem glänzenden Reitergefecht zersprengt; indes erreichte Carbo im ganzen seinen Zweck. Der Konsulat Norbanus übernahm im Potal das Kommando; Carbo selbst begab sich nach Etrurien. Aber der Marsch Sullas mit seinen siegreichen Legionen nach Etrurien änderte die Lage der Dinge: bald reichten von Gallien, Umbrien und Rom aus drei Sullanische Heere einander die Hände. Metellus ging mit der Flotte an Ariminum vorbei nach Ravenna und schnitt bei Faventia die Verbindung ab zwischen Ariminum und dem Potal, in das auf der großen Straße nach Placentia er eine Abteilung vorgehen ließ unter Marcus Lucullus, dem Quästor Sullas und dem Bruder seines Flottenführers im Mithradatischen Krieg. Der junge Pompeius und sein Altersgenosse und Nebenbuhler Crassus drangen aus dem Picenischen auf Bergwegen in Umbrien ein und gewannen die Flaminische Straße bei Spoletium, wo sie Carbos Unterfeldherrn Carrinas schlugen und in die Stadt einschlossen; indes gelang es diesem in einer regnerischen Nacht, aus derselben zu entweichen und, wenngleich nicht ohne Verlust, zum Heer des Carbo durchzudringen. Sulla selbst rückte von Rom aus in zwei Heerhaufen in Etrurien ein, von denen der eine an der Küste vorgehend bei Saturnia (zwischen den Flüssen Ombrone und Albegna) das ihm entgegenstehende Korps schlug, der zweite unter Sullas eigener Führung im Clanistal auf die Armee des Carbo traf und ein glückliches Gefecht mit dessen spanischer Reiterei bestand. Aber die Hauptschlacht, die zwischen Carbo und Sulla in der Gegend von Chiusi geschlagen ward, endigte zwar ohne eigentliche Entscheidung, jedoch insofern zu Gunsten Carbos, als Sullas siegreiches Vordringen gehemmt ward. Auch in der Umgegend von Rom schienen die Dinge für die revolutionäre Partei sich günstiger wenden und der Krieg wieder sich hauptsächlich nach dieser Gegend ziehen zu wollen. Denn während die oligarchische Partei alle ihre Kräfte um Etrurien konzentrierte, machte die Demokratie aller Orten die äußerste Anstrengung, um die Blockade von Praeneste zu sprengen. Selbst der Statthalter von Sizilien, Marcus Perpenna, machte sich dazu auf; es scheint indes nicht, daß er nach Praeneste gelangte. Ebensowenig glückte dies dem von Carbo detachierten, sehr ansehnlichen Korps unter Marcius; von den bei Spoletium stehenden feindlichen Truppen überfallen und geschlagen, durch Unordnung, Mangel an Zufuhr und Meuterei demoralisiert, ging ein Teil zu Carbo zurück, ein anderer nach Ariminum, der Rest verlief sich. Ernstliche Hilfe dagegen kam aus Süditalien. Hier brachen die Samniten unter Pontius von Telesia, die Lucaner unter ihrem erprobten Feldherrn Marcus Lamponius auf, ohne daß der Abmarsch ihnen gewehrt worden wäre, zogen im Kampanien, wo Capua noch immer sich hielt, eine Abteilung der Besatzung unter Gutta an sich und rückten also, angeblich 70000 Mann stark, auf Praeneste zu. Sulla selbst kehrte darauf, mit Zurücklassung eines Korps gegen Carbo, nach Latium zurück und nahm in den Engpässen vorwärts PraenesteEs wird gemeldet, daß Sulla in dem Engpaß stand, durch den Praeneste allein zugänglich war (App. I, 90); und die weiteren Ereignisse zeigen, daß sowohl ihm als dem Entsatzheer die Straße nach Rom offenstand. Ohne Zweifel stand Sulla auf der Querstraße, die von der Latinischen, auf der sie Samniten herankamen, bei Valmontono nach Palestrina abbiegt; in diesem Fall kommunizierte Sulla auf der praenestinischen, die Feinde auf der Launischen oder labicanischen mit der Hauptstadt. eine wohlgewählte Stellung, in der er dem Entsatzheer den Weg sperrte. Vergeblich versuchte die Besatzung, Ofelias Linien zu durchbrechen, vergeblich das Entsatzherr Sulla zu vertreiben; beide verharrten unbeweglich in ihren festen Stellungen, selbst nachdem, von Carbo gesendet, Damasippus mit zwei Legionen das Entsatzheer verstärkt hatte. Während aber der Gang des Krieges in Etrurien wie in Latium stockte, kam es im Potal zur Entscheidung. Hier hatte bisher der Feldherr der Demokratie Gaius Norbanus die Oberhand behauptet, den Unterfeldherrn des Metellus, Marcus Lucullus, mit überlegener Macht angegriffen und ihn genötigt, sich in Placentia einzuschließen, endlich sich gegen Metellus selbst gewandt. Bei Faventia traf er auf diesen und griff am späten Nachmittag mit seinen vom Marsch ermüdeten Truppen sofort an; die Folge war eine vollständige Niederlage und die totale Auflösung seines Korps, von dem nur etwa 1000 Mann nach Etrurien zurückkamen. Auf die Nachricht von dieser Schlacht fiel Lucullus aus Placentia aus und schlug die gegen ihn zurückgebliebene Abteilung bei Fidentia (zwischen Piacenza und Parma). Die lucanischen Truppen des Albinovanus traten in Masse über; ihr Führer machte seine anfängliche Zögerung wieder gut, indem er die vornehmsten Offiziere der revolutionären Armee zu einem Bankett bei sich einlud und sie dabei niedermachen ließ; überhaupt schloß, wer irgend nur durfte, jetzt seinen Frieden. Ariminum mit allen Vorräten und Kassen geriet in Metellus' Gewalt; Norbanus schiffte nach Rhodos sich ein; das ganze Land zwischen Alpen und Apenninen erkannte das Optimatenregiment an. Die bisher dort beschäftigten Truppen konnten sich wenden zum Angriff auf Etrurien, die letzte Landschaft, wo die Gegner noch das Feld behaupteten. Als Carbo im Lager bei Clusium diese Nachrichten erhielt, verlor er die Fassung. Obwohl er eine noch immer ansehnliche Truppenmasse unter seinen Befehlen hatte, entwich er dennoch heimlich aus seinem Hauptquartier und schiffte nach Afrika sich ein. Die im Stich gelassenen Truppen befolgten teils das Beispiel, mit dem der Feldherr ihnen vorangegangen war, und gingen nach Hause, teils wurden sie von Pompeius aufgerieben; die letzten Scharen nahm Carrinas zusammen und führte sie nach Latium zu der Armee von Praeneste. Hier hatte inzwischen nichts sich verändert; und die letzte Entscheidung nahte heran. Carrinas' Haufen waren nicht zahlreich genug, um Sullas Stellung zu erschüttern; schon näherte sich der Vortrab der bisher in Etrurien beschäftigten Armee der oligarchischen Partei unter Pompeius; in wenigen Tagen zog die Schlinge um das Heer der Demokraten und der Samniten sich zusammen. Da entschlossen sich die Führer desselben, von Praeneste abzulassen und mit gesamter Macht auf das nur einen starken Tagemarsch entfernte Rom sich zu werfen. Militärisch waren sie damit verloren; ihre Rückzugslinie, die Latinische Straße, geriet durch diesen Marsch in Sullas Hand, und wenn sie auch Roms sich bemächtigten, so wurden sie, eingeschlossen in die zur Verteidigung keineswegs geeignete Stadt und eingekeilt zwischen Metellus und Sullas weit überlegene Armeen, darin unfehlbar erdrückt. Aber es handelte sich auch nicht mehr um Rettung, sondern einzig um Rache bei diesem Zug nach Rom, dem letzten Wutausbruch der leidenschaftlichen Revolutionäre und vor allem der verzweifelnden sabellischen Nation. Es war Ernst, was Pontius von Telesia den Seinigen zurief: um der Wölfe, die Italien die Freiheit geraubt hätten, loszuwerden, müsse man den Wald vernichten, in dem sie hausten. Nie hat Rom in einer furchtbareren Gefahr geschwebt als am 1. November 672 (82), als Pontius, Lamponius, Carrinas, Damasippus auf der Latinischen Straße gegen Rom herangezogen, etwa eine Viertelmeile vom Collinischen Tor lagerten. Es drohte ein Tag wie der 20. Juli 365 der Stadt (389) und der 15. Juni 455 n. Chr., die Tage der Kelten und der Vandalen. Die Zeiten waren nicht mehr, wo ein Handstreich gegen Rom ein törichtes Unternehmen war, und an Verbindungen in der Hauptstadt konnte es den Anrückenden nicht fehlen. Die Freiwilligenschar, die aus der Stadt ausrückte, meist vornehme Jünglinge, zerstob wie Spreu vor der ungeheuren Übermacht. Die einzige Hoffnung der Rettung beruhte auf Sulla. Dieser war, auf die Nachricht vom Abmarsch des samnitischen Heeres in der Richtung auf Rom, gleichfalls eiligst aufgebrochen der Hauptstadt zu Hilfe. Den sinkenden Mut der Bürgerschaft belebte im Laufe des Morgens das Erscheinen seiner ersten Reiter unter Balbus; am Mittag erschien er selbst mit der Hauptmacht und ordnete sofort am Tempel der Erykinischen Aphrodite vor dem Collinischen Tor (unweit Porta Pia) die Reihen zur Schlacht. Seine Unterbefehlshaber beschworen ihn, nicht die durch den Gewaltmarsch erschöpften Truppen sofort in den Kampf zu schicken; aber Sulla erwog, was die Nacht über Rom bringen könne, und befahl noch am späten Nachmittag den Angriff. Die Schlacht war hart bestritten und blutig. Der linke Flügel Sullas, den er selbst anführte, wich zurück bis an die Stadtmauer, so daß es notwendig ward, die Stadttore zu schließen; schon brachten Versprengte die Nachricht an Ofelia, daß die Schlacht verloren sei. Allein auf den rechten Flügel warf Marcus Crassus den Feind und verfolgte ihn bis Antemnae, wodurch auch der andere Flügel wider Luft bekam und eine Stunde nach Sonnenuntergang seinerseits ebenfalls zum Vorrücken überging. Die ganze Nacht und noch den folgenden Morgen ward gefochten; erst der Übertritt einer Abteilung von 3000 Mann, die sofort die Waffen gegen die früheren Kameraden wandten, setzte dem Kampf ein Ziel. Rom war gerettet. Die Insurgentenarmee, für die es nirgends einen Rückzug gab, wurde vollständig aufgerieben. Die in der Schlacht gemachten Gefangenen, 3000 bis 4000 an der Zahl, darunter die Generale Damasippus, Carrinas und den schwer verwundeten Pontius, ließ Sulla am dritten Tage nach der Schlacht in das städtische Meierhaus auf dem Marsfeld führen und daselbst bis auf den letzten Mann niederhauen, so daß man in dem nahen Tempel der Bellona, wo Sulla eben eine Senatssitzung abhielt, deutlich das Klirren der Waffen und das Stöhnen der Sterbenden vernahm. Es war eine gräßliche Exekution und sie soll nicht entschuldigt werden; aber es ist nicht gerecht zu verschweigen, daß diese selben Menschen, die dort starben, wie eine Räuberbande über die Hauptstadt und die Bürgerschaft hergefallen waren und sie, wenn sie Zeit gefunden hätten, so weit vernichtet haben würden, als Feuer und Schwert eine Stadt und eine Bürgerschaft zu vernichten vermögen.
Damit war der Krieg in der Hauptsache zu Ende. Die Besatzung von Praeneste ergab sich, als die aus den über die Mauer geworfenen Köpfen des Carrinas und anderer Offiziere den Ausgang der Schlacht von Rom erfuhr. Die Führer, der Konsul Gaius Marius und der Sohn des Pontius, stürzten, nachdem ein Versuch zu entkommen ihnen vereitelt war, sich einer in des andern Schwert. Die Menge gab der Hoffnung sich hin und ward durch Cethegus darin bestärkt, daß der Sieger für sie auch jetzt noch Gnade walten lassen werde. Aber deren Zeiten waren vorbei. Je unbedingter Sulla bis zum letzten Augenblick den Übertretenden volle Verzeihung gewährt hatte, desto unerbittlicher erwies er sich gegen die Führer und Gemeinden, die ausgehalten hatten bis zuletzt. Von den praenestinischen Gefangenen, 12000 an der Zahl, wurden zwar außer den Kindern und Frauen die meisten Römer und einzelne Pränestiner entlassen, aber die römischen Senatoren, fast alle Pränestiner und sämtliche Samniten wurden entwaffnet und zusammengehauen, die reiche Stadt geplündert. Es ist begreiflich, daß nach solchem Vorgang die noch nicht übergegangenen Neubürgerstädte den Widerstand in hartnäckigster Weise fortsetzten. So töteten in der latinischen Stadt Norba, als Aemilius Lepidus durch Verrat daselbst eindrang, die Bürger sich untereinander und zündeten selbst ihre Stadt an, um nur ihren Henkern die Rache und die Beute zu entziehen. In Unteritalien war bereits früher Neapolis erstürmt und, wie es scheint, Capua freiwillig aufgegeben worden; Nola aber wurde erst im Jahr 674 (80) von den Samniten geräumt. Auf der Flucht von hier fiel der letzte noch übrige namhafte Führer der Italiker, der Insurgentenkonsul des hoffnungsreichen Jahres 664 (90), Gaius Papius Mutilus, abgewiesen von seiner Gattin, zu der er verkleidet sich durchgeschlichen und bei der er einen Zufluchtsort zu finden gedacht hatte, vor der Tür des eigenen Hauses in Teanum in sein Schwert. Was die Samniten anlangt, so erklärte der Diktator, daß Rom nicht Ruhe haben werde, solange Samnium bestehe, und daß darum der samnitische Name von der Erde vertilgt werden müsse; und wie er diese Worte an den vor Rom und in Praeneste Gefangenen in schrecklicher Weise wahr machte, so scheint er auch noch einen Verheerungszug durch die Landschaft unternommen, AeserniaEin anderer Name kann wohl kaum in der Korruptel Liv. 89 miam in Samnio sich verbergen; vgl. Strab. 5, 3, 10. eingenommen (674? 80) und die bis dahin blühende und bevölkerte Landschaft in die Einöde umgewandelt zu haben, die sie seitdem geblieben ist. Ebenso ward in Umbrien Tuder durch Marcus Crassus erstürmt. Länger wehrten sich in Etrurien Populonium und vor allem das unbezwingliche Volaterrae, das aus den Resten der geschlagenen Partei ein Heer von vier Legionen um sich sammelte und eine zweijährige, zuerst von Sulla persönlich, sodann von dem gewesenen Prätor Gaius Carbo, dem Bruder des demokratischen Konsuls, geleitete Belagerung aushielt, bis endlich im dritten Jahre nach der Schlacht am Collinischen Tor (675 79) die Besatzung gegen freien Abzug kapitulierte. Aber in dieser entsetzlichen Zeit galt weder Kriegsrecht noch Kriegszucht; die Soldaten schrien über Verrat und steinigten ihren allzu nachgiebigen Feldherrn; eine von der römischen Regierung geschickte Reiterschar hieb die gemäß der Kapitulation abziehende Besatzung nieder. Das siegreiche Heer wurde durch Italien verteilt und alle unsicheren Ortschaften mit starken Besatzungen belegt; unter der eisernen Hand der Sullanischen Offiziere verendeten langsam die letzten Zuckungen der revolutionären und nationalen Opposition.
Noch gab es in den Provinzen zu tun. Zwar Sardinien war dem Statthalter der revolutionären Regierung Quintus Antonius rasch durch Lucius Philippus entrissen worden (672 82) und auch das Transalpinische Gallien leistete geringen oder gar keinen Widerstand; aber in Sizilien, Spanien, Africa schien die Sache der in Italien geschlagenen Partei noch keineswegs verloren. Sizilien regierte für sie der zuverlässige Statthalter Marcus Perpenna. Quintus Sertorius hatte im Diesseitigen Spanien die Provinzialen an sich zu fesseln und aus den in Spanien ansässigen Römern eine nicht unansehnliche Armee sich zu bilden gewußt, welche zunächst die Pyrenäenpässe sperrte; er hatte auch hier wieder bewiesen, daß, wo immer man ihn hinstellte, er an seinem Platze und unter all den revolutionären Inkapazitäten er der einzige praktisch brauchbare Mann war. In Africa war der Statthalter Hadrianus zwar, da er das Revolutionieren allzu gründlich betrieb und den Sklaven die Freiheit zu schenken anfing, bei einem durch die römischen Kaufleute von Utica angezettelten Auflauf in seiner Amtswohnung überfallen und mit seinem Gesinde verbrannt worden (672 82); indes hielt die Provinz nichtsdestoweniger zu der revolutionären Regierung, und Cinnas Schwiegersohn, der junge fähige Gnaeus Domitius Ahenobarbus, übernahm daselbst den Oberbefehl. Es war sogar von dort aus die Propaganda in die Klientelstaaten Numidien und Mauretanien getragen worden. Deren legitime Regenten Hiempsal II., des Gauda, und Bogud, des Bocchus Sohn, hielten zwar mit Sulla; aber mit Hilfe der Cinnaner war jener durch den demokratischen Prätendenten Hiarbas vom Thron gestoßen worden, und ähnliche Fehden bewegten das Mauretanische Reich. Der aus Italien geflüchtete Konsul Carbo verweilte auf der Insel Kossyra (Pantellaria) zwischen Afrika und Sizilien, unschlüssig, wie es scheint, ob er nach Ägypten sich flüchten oder in einer der treuen Provinzen versuchen sollte, den Kampf zu erneuern.
Sulla sandte nach Spanien den Gaius Annius und den Gaius Valerius Flaccus, als Statthalter jenen der jenseitigen, diesen der Ebroprovinz. Das schwierige Geschäft, die Pyrenäenpässe mit Gewalt sich zu eröffnen, ward ihnen dadurch erspart, daß der von Sertorius dort hingestellte General durch einen seiner Offiziere ermordet ward und darauf die Truppen desselben sich verliefen. Sertorius, viel zu schwach, um sich im gleichen Kampfe zu behaupten, raffte eilig die nächststehenden Abteilungen zusammen und schiffte in Neukarthago sich ein – wohin, wußte er selbst nicht, vielleicht an die afrikanische Küste oder nach den Kanarischen Inseln, nur irgendwohin, wohin Sullas Arm nicht reiche. Spanien unterwarf hierauf sich willig den Sullanischen Beamten (um 673 81), und Flaccus focht glücklich mit den Kelten, durch deren Gebiet er marschierte, und mit den spanischen Keltiberern (674 80).
Nach Sizilien ward Gnaeus Pompeius als Proprätor gesandt und die Insel, als Pompeius mit 120 Segeln und sechs Legionen sich an der Küste zeigte, von Perpenna ohne Gegenwehr geräumt. Pompeius schickte von dort ein Geschwader nach Kossyra, das die daselbst verweilenden Marianischen Offiziere aufhob; Marcus Brutus und die übrigen wurden sofort hingerichtet, den Konsul Carbo aber hatte Pompeius befohlen, vor ihn selbst nach Lilybäon zu führen, um ihn hier, uneingedenk des in gefährlicher Zeit ihm von ebendiesem Manne zuteil gewordenen Schutzes, persönlich dem Henker zu überliefern (672 82). Von hier weiter beordert nach Afrika, schlug Pompeius die von Ahenobarbus und Hiarbas gesammelten, nicht unbedeutenden Streitkräfte mit seinem allerdings weit zahlreicheren Heer aus dem Felde und gab, die Begrüßung als Imperator vorläufig ablehnend, sogleich das Zeichen zum Sturm auf das feindliche Lager. So ward er an einem Tage der Feinde Herr; Ahenobarbus war unter den Gefallenen; mit Hilfe des Königs Bogud ward Hiarbas in Bulla ergriffen und getötet und Hiempsal in sein angestammtes Reich wiedereingesetzt; eine große Razzia gegen die Bewohner der Wüste, von denen eine Anzahl gätulischer, von Marius als frei anerkannter Stämme Hiempsal untergeben wurden, stellte auch hier die gesunkene Achtung des römischen Namens wieder her; in vierzig Tagen nach Pompeius' Landung in Afrika war alles zu Ende (674? 80). Der Senat wies ihn an, sein Heer aufzulösen, worin die Andeutung lag, daß er nicht zum Triumph gelassen werden solle, auf welchen er als außerordentlicher Beamter dem Herkommen nach keinen Anspruch machen durfte. Der Feldherr grollte heimlich, die Soldaten laut; es schien einen Augenblick, als werde die afrikanische Armee gegen den Senat revoltieren und Sulla gegen seinen Tochtermann zu Felde ziehen. Indes Sulla gab nach und ließ den jungen Mann sich berühmen, der einzige Römer zu sein, der eher Triumphator (12. März 675 79) als Senator geworden war; ja bei der Heimkehr von diesen bequemen Großtaten begrüßte der "Glückliche", vielleicht nicht ohne einige Ironie, den Jüngling als den "Großen".
Auch im Osten hatten nach Sullas Einschiffung im Frühling 671 (83) die Waffen nicht geruht. Die Restauration der alten Verhältnisse und die Unterwerfung einzelner Städte kostete, wie in Italien so auch in Asien, noch manchen blutigen Kampf; namentlich gegen die freie Stadt Mytilene mußte Lucius Lucullus, nachdem er alle milderen Mittel erschöpft hatte, endlich Truppen führen, und selbst ein Sieg im freien Felde machte dem eigensinnigen Widerstand der Bürgerschaft kein Ende.
Mittlerweile war der römische Statthalter von Asien, Lucius Murena, mit dem König Mithradates in neue Verwicklungen geraten. Dieser hatte sich nach dem Frieden beschäftigt, seine auch in den nördlichen Provinzen erschütterte Herrschaft wieder zu befestigen; er hatte die Kolchier beruhigt, indem er seinen tüchtigen Sohn Mithradates ihnen zum Statthalter setzte, dann diesen selbst aus dem Wege geräumt, und rüstete nun zu einem Zug in sein Bosporanisches Reich. Auf die Versicherungen des Archelaos hin, der inzwischen bei Murena eine Freistatt hatte suchen müssen, daß diese Rüstungen gegen Rom gerichtet seien, setzte sich Murena unter dem Vorgeben, daß Mithradates noch kappadokische Grenzdistrikte in Besitz habe, mit seinen Truppen nach dem kappadokischen Komana in Bewegung, verletzte also die pontische Grenze (671 83). Mithradates begnügte sich, bei Murena und, da dies vergeblich war, bei der römischen Regierung Beschwerde zu führen. In der Tat erschienen Beauftragte Sullas den Statthalter abzumahnen; allein er fügte sich nicht, sondern überschritt den Halys und betrat das unbestritten pontische Gebiet, worauf Mithradates beschloß, Gewalt mit Gewalt zu vertreiben. Sein Feldherr Gordios mußte das römische Heer festhalten, bis der König mit weit überlegenen Streitkräften herankam und die Schlacht erzwang; Murena ward besiegt und mit großem Verlust bis über die römische Grenze nach Phrygien zurückgeworfen, die römischen Besatzungen aus ganz Kappadokien vertrieben. Murena hatte zwar die Stirn, wegen dieser Vorgänge sich Sieger zu nennen und den Imperatorentitel anzunehmen (672 82); indes die derbe Lektion und eine zweite Mahnung Sullas bewogen ihn doch endlich, die Sache nicht weiterzutreiben; der Friede zwischen Rom und Mithradates ward erneuert (673 81).
Über diese törichte Fehde war die Bezwingung der Mytilenäer verzögert worden; erst Murenas Nachfolger gelang es nach langer Belagerung zu Lande und zur See, wobei die bithynische Flotte gute Dienste tat, die Stadt mit Sturm einzunehmen (675 79).
Die zehnjährige Revolution und Insurrektion war im Westen und im Osten zu Ende; der Staat hatte wieder eine einheitliche Regierung und Frieden nach außen und innen. Nach den fürchterlichen Konvulsionen der letzten Jahre war schon diese Rast eine Erleichterung; ob sie mehr gewähren sollte, ob der bedeutende Mann, dem das schwere Werk der Bewältigung des Landesfeindes, das schwerere der Bändigung der Revolution gelungen war, auch dem schwersten von allen, der Wiederherstellung der in ihren Grundfesten schwankenden sozialen und politischen Ordnung zu genügen vermochte, mußte demnächst sich entscheiden.