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Die atemlose Spannung, in welcher die Revolution mit ihrem ewig sich erneuernden Feuerlärm und Löschruf die römische Regierung erhielt, war die Ursache, daß dieselbe die Provinzialverhältnisse überhaupt aus den Augen verlor, am meisten aber die des asiatischen Ostens, dessen ferne und unkriegerische Nationen nicht so unmittelbar wie Afrika, Spanien und die transalpinischen Nachbarn der Beachtung der Regierung sich aufdrängten. Nach der Einziehung des Attalischen Königreiches, die mit dem Ausbruch der Revolution zusammenfällt, ist ein volles Menschenalter hindurch kaum irgendeine ernstliche Beteiligung Roms an den orientalischen Angelegenheiten nachzuweisen, mit Ausnahme der durch die maßlose Dreistigkeit der kilikischen Piraterie den Römern abgedrungenen Einrichtung der Provinz Kilikien im Jahre 652 (102), welche der Sache nach auch nichts weiter war als die Anordnung einer bleibenden Station für eine kleine römische Heer- und Flottenabteilung in den östlichen Gewässern. Erst nachdem die Marianische Katastrophe im Jahre 654 (100) die Restaurationsregierung einigermaßen konsolidiert hatte, begann die römische Regierung aufs neue den Ereignissen im Osten einige Aufmerksamkeit zuzuwenden.
In vieler Hinsicht waren die Verhältnisse noch, wie wir dreißig Jahre zuvor sie verließen. Das Reich Ägypten mit seinen beiden Nebenländern Kyrene und Kypros löste mit dem Tode Euergetes II. (637 117) teils rechtlich, teils tatsächlich sich auf. Kyrene kam an den natürlichen Sohn desselben, Ptolemaeos Apion, und trennte sich auf immer von dem Hauptland. Um die Herrschaft in diesem haderten die Witwe des letzten Königs, Kleopatra († 665 89), und dessen beide Söhne Soter II. Lathyros († 673 81) und Alexander I. († 666 88), was die Ursache ward, daß auch Kypros auf längere Zeit von Ägypten sich schied. Die Römer griffen in die Wirren nicht ein; ja als ihnen im Jahre 658 (96) das Kyrenische Reich durch das Testament des kinderlosen Königs Apion anfiel, schlugen sie diesen Erwerb zwar nicht geradezu aus, aber überließen doch die Landschaft im wesentlichen sich selbst, indem sie die griechischen Städte des Reiches, Kyrene, Ptolemais, Berenike, zu Freistädten erklärten und denselben sogar die Nutzung der königlichen Domänen überwiesen. Die Oberaufsicht des Statthalters von Africa über dieses Gebiet war bei dessen Entlegenheit noch weit mehr eine bloß nominelle als die des Statthalters von Makedonien über die hellenischen Freistädte. Die Folgen dieser Maßregel, die ohne Zweifel nicht aus dem Philhellenismus, sondern lediglich aus der Schwäche und Nachlässigkeit der römischen Regierung hervorging, waren wesentlich dieselben, die unter gleichen Verhältnissen in Hellas eingetreten waren: Bürgerkriege und Usurpation zerrissen die Landschaft so, daß, als dort zufällig im Jahre 668 (86) ein höherer römischer Offizier erschien, die Einwohner ihn dringend ersuchten, ihre Verhältnisse zu ordnen und ein dauerhaftes Regiment bei ihnen zu begründen.
Auch in Syrien war es in der Zwischenzeit nicht viel anders, am wenigsten besser geworden. Während des zwanzigjährigen Erbfolgekrieges der beiden Halbbrüder Antiochos Grypos († 658 96) und Antiochos von Kyzikos († 659 95), der sich nach dem Tode derselben auf ihre Söhne forterbte, ward das Reich, um das man stritt, fast zu einem eitlen Namen, in dem die kilikischen Seekönige, die Araberscheichs der syrischen Wüste, die Fürsten der Juden und die Magistrate der größeren Städte in der Regel mehr zu sagen hatten als die Träger des Diadems. Inzwischen setzten im westlichen Kilikien die Römer sich fest und ging das wichtige Mesopotamien definitiv über an die Parther.
Die Monarchie der Arsakiden hatte, hauptsächlich infolge der Einfälle turanischer Stämme, um die Zeit der Gracchen eine gefährliche Krise durchzumachen gehabt. Der neunte Arsakide, Mithradates II. oder der Große (630 ? – 667 ? 124 ? 87 ?), hatte dem Staat zwar seine überwiegende Stellung in Innerasien zurückgegeben, die Skythen zurückgeschlagen und gegen Syrien und Armenien die Grenze des Reiches vorgeschoben, allein gegen das Ende seines Lebens lähmten neue Unruhen sein Regiment; und während die Großen des Reiches, ja der eigene Bruder Orodes gegen den König sich auflehnten und endlich dieser Bruder ihn stürzte und töten ließ, erhob sich das bis dahin unbedeutende Armenien. Dieses Land, das seit seiner Selbständigkeitserklärung in die nordöstliche Hälfte oder das eigentliche Armenien, das Reich der Artaxiaden, und die südwestliche oder Sophene, das Reich der Zariadriden, geteilt gewesen war, wurde durch den Artaxiaden Tigranes (regierte seit 660 94) zum erstenmal zu einem Königreich vereinigt, und teils diese Machtverdoppelung, teils die Schwäche der parthischen Herrschaft machten es dem neuen König von ganz Armenien möglich, nicht bloß aus der Klientel der Parther sich zu lösen und die früher an sie abgetretenen Landschaften zurückzugewinnen, sondern sogar das Oberkönigtum von Asien, wie es von den Achämeniden auf die Seleukiden und von diesen auf die Arsakiden übergegangen war, an Armenien zu bringen.
In Kleinasien endlich bestand die Länderteilung, wie sie nach der Auflösung des Attalischen Reiches unter römischer Einwirkung festgestellt worden war, noch wesentlich ungeändert. In dem Zustande der Klientelstaaten, der Königreiche Bithynien, Kappadokien, Pontus, der Fürstentümer Paphlagoniens und Galatiens, der zahlreichen Städtebünde und Freistädte, war eine äußerliche Änderung zunächst nicht wahrzunehmen. Innerlich hatte dagegen der Charakter der römischen Herrschaft allerdings überall sich wesentlich umgestaltet. Teils durch die bei jedem tyrannischen Regiment naturgemäß eintretende stetige Steigerung des Druckes, teils durch die mittelbare Einwirkung der römischen Revolution – man erinnere sich an die Einziehung des Bodeneigentums in der Provinz Asien durch Gaius Gracchus, an die römischen Zehnten und Zölle und an die Menschenjagden, die die Zöllner daselbst nebenbei betrieben – lastete die schon von Haus aus schwer erträgliche römische Herrschaft in einer Weise auf Asien, daß weder die Königskrone noch die Bauernhütte daselbst mehr sicher war vor Konfiskation, daß jeder Halm für den römischen Zehntherrn zu wachsen, jedes Kind freier Eltern für die römischen Sklavenzwinger geboren zu werden schien. Zwar ertrug der Asiate in seiner unerschöpflichen Passivität auch diese Qual; allein es waren nicht Geduld und Überlegung, die ihn ruhig tragen hießen, sondern der eigentümlich orientalische Mangel der Initiative, und es konnten in diesen friedlichen Landschaften, unter diesen weichlichen Nationen wunderbare, schreckhafte Dinge sich ereignen, wenn einmal ein Mann unter sie trat, der es verstand, das Zeichen zu geben.
Es regierte damals im Reiche Pontus König Mithradates VI. mit dem Beinamen Eupator (geb. um 624 130, gest. 691 63), der sein Geschlecht von väterlicher Seite im sechzehnten Glied auf den König Dareios Hystaspes' Sohn, im achten auf den Stifter des Pontischen Reiches, Mithradates I., zurückführte, von mütterlicher den Alexandriden und Seleukiden entstammte. Nach dem frühen Tode seines Vaters Mithradates Euergetes, der in Sinope von Mörderhand fiel, war er um 634 (120) als elfjähriger Knabe König genannt worden; allein das Diadem brachte ihm nur Not und Gefahr. Die Vormünder, ja, wie es scheint, die eigene, durch des Vaters Testament zur Mitregierung berufene Mutter standen dem königlichen Knaben nach dem Leben; es wird erzählt, daß er, um den Dolchen seiner gesetzlichen Beschützer sich zu entziehen, freiwillig in das Elend gegangen sei und sieben Jahre hindurch, Nacht für Nacht die Ruhestätte wechselnd, ein Flüchtling in seinem eigenen Reiche, ein heimatloses Jägerleben geführt habe. Also ward der Knabe ein gewaltiger Mann. Wenngleich unsere Berichte über ihn im wesentlichen auf schriftliche Aufzeichnungen der Zeitgenossen zurückgehen, so hat nichtsdestoweniger die im Orient blitzschnell sich bildende Sage den mächtigen König früh geschmückt mit manchen der Züge ihrer Simson und Rustem; aber auch diese gehören zum Charakter ebenwie die Wolkenkrone zum Charakter der höchsten Bergspitzen: die Grundlinien des Bildes erscheinen in beiden Fällen nur farbiger und phantastischer, nicht getrübt noch wesentlich geändert. Die Waffenstücke, die dem riesengroßen Leibe des Königs Mithradates paßten, erregten das Staunen der Asiaten und mehr noch der Italiker. Als Läufer überholte er das schnellste Wild; als Reiter bändigte er das wilde Roß und vermochte mit gewechselten Pferden an einem Tage 25 deutsche Meilen zurückzulegen; als Wagenlenker fuhr er mit sechzehn und gewann im Wettrennen manchen Preis – freilich war es gefährlich, in solchem Spiel dem König obzusiegen. Auf der Jagd traf er das Wild im vollen Galopp vom Pferde herab, ohne zu fehlen; aber auch an der Tafel suchte er seinesgleichen – er veranstaltete wohl Wettschmäuse und gewann darin selber die für den derbsten Esser und für den tapfersten Trinker ausgesetzten Preise – und nicht minder in den Freuden des Harems, wie unter anderm die zügellosen Billets seiner griechischen Mätressen bewiesen, die sich unter seinen Papieren fanden. Seine geistigen Bedürfnisse befriedigte er im wüstesten Aberglauben –Traumdeuterei und das griechische Mysterienwesen füllten nicht wenige der Stunden des Königs aus – und in einer rohen Aneignung der hellenischen Zivilisation. Er liebte griechische Kunst und Musik, das heißt er sammelte Pretiosen, reiches Gerät, alte persische und griechische Prachtstücke – sein Ringkabinett war berühmt –, hatte stets griechische Geschichtschreiber, Philosophen, Poeten in seiner Umgebung und setzte bei seinen Hoffesten neben den Preisen für Esser und Trinker auch welche aus für den drolligsten Spaßmacher und den besten Sänger. So war der Mensch; der Sultan entsprach ihm. Im Orient, wo das Verhältnis des Herrschers und der Beherrschten mehr den Charakter des Natur- als des sittlichen Gesetzes trägt, ist der Untertan hündisch treu und hündisch falsch, der Herrscher grausam und mißtrauisch. In beiden ist Mithradates kaum übertroffen worden. Auf seinen Befehl starben oder verkamen in ewiger Haft wegen wirklicher oder angeblicher Verräterei seine Mutter, sein Bruder, seine ihm vermählte Schwester, drei seiner Söhne und ebenso viele seiner Töchter. Vielleicht noch empörender ist es, daß sich unter seinen geheimen Papieren im voraus aufgesetzte Todesurteile gegen mehrere seiner vertrautesten Diener vorfanden. Ebenso ist es echt sultanisch, daß er späterhin, nur um seinen Feinden die Siegestrophäen zu entziehen, seine beiden griechischen Gattinnen, seine Schwestern und seinen ganzen Harem töten ließ und den Frauen nur die Wahl der Todesart freigab. Das experimentale Studium der Gifte und Gegengifte betrieb er als einen wichtigen Zweig der Regierungsgeschäfte und versuchte, seinen Körper an einzelne Gifte zu gewöhnen. Verrat und Mord hatte er von früh auf von jedermann und zumeist von den Nächsten erwarten und gegen jedermann und zumeist gegen die Nächsten üben gelernt, wovon denn die notwendige und durch seine ganze Geschichte belegte Folge war, daß all seine Unternehmungen schließlich mißlangen durch die Treulosigkeit seiner Vertrauten. Dabei begegnen wohl einzelne Züge von hochherziger Gerechtigkeit; wenn er Verräter bestrafte, schonte er in der Regel diejenigen, welche nur durch ihr persönliches Verhältnis zu dem Hauptverbrecher mitschuldig geworden waren; allein dergleichen Anfälle von Billigkeit fehlen bei keinem rohen Tyrannen. Was Mithradates in der Tat auszeichnet unter der großen Anzahl gleichartiger Sultane, ist seine grenzenlose Rührigkeit. Eines schönen Morgens war er aus seiner Hofburg verschwunden und blieb Monate lang verschollen, so daß man ihn bereits verloren gab; als er zurückkam, hatte er unerkannt ganz Vorderasien durchwandert und Land und Leute überall militärisch erkundet. Von gleicher Art ist es, daß er nicht bloß überhaupt ein redefertiger Mann war, sondern auch den zweiundzwanzig Nationen, über die er gebot, jeder in ihrer Zunge Recht sprach, ohne eines Dolmetschers zu bedürfen – ein bezeichnender Zug für den regsamen Herrscher des sprachenreichen Ostens. Denselben Charakter trägt seine ganze Regententätigkeit. Soweit wir sie kennen – denn von der inneren Verwaltung schweigt unsere Überlieferung leider durchaus –, geht sie auf wie die eines jeden anderen Sultans im Sammeln von Schätzen, im Zusammentreiben der Heere, die wenigstens in seinen früheren Jahren gewöhnlich nicht der König selbst, sondern irgendein griechischer Condottiere gegen den Feind führt, in dem Bestreben, neue Satrapien zu den alten zu fügen; von höheren Elementen, Förderung der Zivilisation, ernstlicher Führerschaft der nationalen Opposition, eigenartiger Genialität finden sich, in unserer Überlieferung wenigstens, bei Mithradates keine bewußten Spuren, und wir haben keinen Grund, auch nur mit den großen Regenten der Osmanen, wie Muhamed II. und Suleiman waren, ihn auf eine Linie zu stellen. Trotz der hellenischen Bildung, die ihm nicht viel besser sitzt als seinen Kappadokiern die römische Rüstung, ist er durchaus ein Orientale gemeinen Schlags, roh, voll sinnlichster Begehrlichkeit, abergläubisch, grausam, treu- und rücksichtslos, aber so kräftig organisiert, so gewaltig physisch begabt, daß sein trotziges Umsichschlagen, sein unverwüstlicher Widerstandsmut häufig wie Talent, zuweilen sogar wie Genie aussieht. Wenn man auch in Anschlag bringt, daß während der Agonie der Republik es leichter war, Rom Widerstand zu leisten als in den Zeiten Scipios oder Traians, und daß nur die Verschlingung der asiatischen Ereignisse mit den inneren Bewegungen Italiens es Mithradates möglich machte, doppelt so lange als Jugurtha den Römern zu widerstehen, so bleibt es darum doch nicht minder wahr, daß bis auf die Partherkriege er der einzige Feind ist, der im Osten den Römern ernstlich zu schaffen gemacht, und daß er gegen sie sich gewehrt hat wie gegen den Jäger der Löwe der Wüste. Aber mehr als solchen naturkräftigen Widerstand sind wir nach dem, was vorliegt, auch nicht berechtigt, in ihm zu erkennen.
Indes wie man immer über die Individualität des Königs urteilen möge, seine geschichtliche Stellung bleibt in hohem Grade bedeutsam. Die Mithradatischen Kriege sind zugleich die letzte Regung der politischen Opposition von Hellas gegen Rom und der Anfang einer auf sehr verschiedenen und weit tieferen Gegensätzen beruhenden Auflehnung gegen die römische Suprematie, der nationalen Reaktion der Asiaten gegen die Okzidentalen. Wie Mithradates selbst so war auch sein Reich ein orientalisches, die Polygamie und das Haremwesen herrschend am Hofe und überhaupt unter den Vornehmen, die Religion der Landesbewohner wie die offizielle des Hofes vorwiegend der alte Nationalkult; der Hellenismus daselbst war wenig verschieden von dem Hellenismus der armenischen Tigraniden und der Arsakiden des Partherreichs. Es mochten die kleinasiatischen Griechen einen kurzen Augenblick für ihre politischen Träume an diesem König einen Halt zu finden meinen; in der Tat ward in seinen Schlachten um ganz andere Dinge gestritten, als worüber auf den Feldern von Magnesia und Pydna die Entscheidung fiel. Es war nach langer Waffenruhe ein neuer Gang in dem ungeheuren Zweikampf des Westens und des Ostens, welcher von den Kämpfen bei Marathon auf die heutige Generation sich vererbt hat und vielleicht seine Zukunft ebenso nach Jahrtausenden zählen mag wie seine Vergangenheit.
So offenbar indes in dem ganzen Sein und Tun des kappadokischen Königs das fremdartige und unhellenische Wesen hervortritt, so schwierig ist es, das hier obwaltende nationale Element bestimmt anzugeben, und kaum wird es je gelingen, in dieser Hinsicht über Allgemeinheiten hinaus und zu einer wirklichen Anschauung zu gelangen. In dem ganzen Kreis der antiken Zivilisation gibt es keinen Bezirk, in welchem so zahlreiche, so verschiedenartige, so seit fernster Zeit mannigfaltig verschlungene Stämme neben- und durcheinander geschoben und wo demzufolge die Verhältnisse der Nationalitäten weniger klar wären wie in Kleinasien. Die semitische Bevölkerung setzt sich von Syrien her in ununterbrochenem Zuge nach Kypros und Kilikien fort, und es scheint ihr ferner auch an der Ostküste in der karischen lydischen Landschaft der Grundstock der Bevölkerung anzugehören, während die nordwestliche Spitze von den Bithynern, den Stammverwandten der europäischen Thraker, eingenommen wird. Dagegen das Binnenland und die Nordküste sind vorwiegend von indogermanischen, am nächsten den iranischen verwandten Völkerschaften erfüllt. Von der armenischen und der phrygischen SpracheDie als phrygisch angeführten Wörter Βαγαίος = Zeus und der alte Königsname Μάνις sind unzweifelhaft richtig auf das zendische bagha = Gott und das deutsche Mannus, indisch Manus zurückgeführt worden. Chr. Lassen in: ZDMG, 10, 1888, S. 329f. ist es ausgemacht, von der kappadokischen höchstwahrscheinlich, daß sie zunächst an das Zend grenzten; und wenn von den Mysern angegeben wird, daß bei ihnen lydische und phrygische Sprache sich begegneten, so bezeichnet dies eben eine semitisch-iranische, etwa der assyrischen vergleichbare Mischbevölkerung. Was die zwischen Kilikien und Karien sich ausbreitenden Landschaften, namentlich die lykische, anlangt, so mangelt es, trotz der gerade hier in Fülle vorhandenen Überreste einheimischer Sprache und Schrift, bis jetzt über dieselbe noch an gesicherten Ergebnissen, und es ist nur wahrscheinlich, daß diese Stämme eher den Indogermanen als den Semiten zuzuzählen sind. Wie dann überall dieses Völkergewirre sich zuerst ein Netz griechischer Kaufstädte, sodann der durch das kriegerische wie das geistige Übergewicht der griechischen Nation ins Leben gerufene Hellenismus gelegt hat, ist in seinen Umrissen bereits früher auseinandergesetzt worden.
In diesen Gebieten herrschte König Mithradates und zwar zunächst in Kappadokien am Schwarzen Meer oder der sogenannten pontischen Landschaft, da wo, am nordöstlichen Ende Kleinasiens gegen Armenien zu und mit diesem in steter Berührung, sich die iranische Nationalität vermutlich minder gemischt als irgendwo sonst in Kleinasien behauptet hatte. Nicht einmal der Hellenismus war hier tief eingedrungen. Mit Ausnahme der Küste, wo mehrere ursprünglich griechische Ansiedlungen bestanden, namentlich die bedeutenden Handelsplätze Trapezus, Amisos und vor allem die Geburts- und Residenzstadt Mithradats und die blühendste Stadt des Reiches, Sinope, war das Land noch in einem sehr primitiven Zustand. Nicht als hätte es wüst gelegen; vielmehr wie die pontische Landschaft noch heute eine der lachendsten der Erde ist, in der Getreidefelder mit Wäldern von wilden Obstbäumen wechseln, war sie ohne Zweifel auch zu Mithradates' Zeit wohl bebaut und verhältnismäßig auch bevölkert. Allein eigentliche Städte gab es daselbst kaum, sondern nur Burgen, die den Ackerleuten als Zufluchtsstätten und dem König als Schatzkammern zur Aufbewahrung der eingehenden Steuern dienten, wie denn allein in Kleinarmenien fünfundsiebzig solcher kleiner königlicher Kastelle gezählt wurden. Wir finden nicht, daß Mithradates wesentlich dazu getan hätte, das städtische Wesen in seinem Reiche emporzubringen; und wie er gestellt war, in tatsächlicher, wenn auch vielleicht ihm selbst nicht völlig bewußter Reaktion gegen den Hellenismus, begreift sich dies wohl. Um so tätiger erscheint er, gleichfalls in ganz orientalischer Weise, bemüht, sein Reich, das schon nicht klein war, wenn auch der Umfang desselben wohl übertrieben auf 500 deutsche Meilen angegeben wird, nach allen Seiten hin zu erweitern: am Schwarzen Meer wie gegen Armenien und gegen Kleinasien finden wir seine Heere, seine Flotten und seine Botschafter tätig. Nirgends aber bot sich ihm ein so freier und so weiter Spielraum wie an den östlichen und den nördlichen Gestaden des Schwarzen Meeres, auf deren damalige Zustände hier einen Blick zu werfen nicht unterlassen werden darf, so schwierig oder vielmehr unmöglich es ist, ein wirklich anschauliches Bild davon zu geben. An dem östlichen Ufer des Schwarzen Meeres, das bisher fast unbekannt erst durch Mithradates der allgemeineren Kunde aufgeschlossen ward, wurde die kolchische Landschaft am Phasis (Mingrelien und Imereti) mit der wichtigen Handelsstadt Dioskurias den einheimischen Fürsten entrissen und verwandelt in eine pontische Satrapie. Folgenreicher noch waren seine Unternehmungen in den nördlichen LandschaftenSie sind hier zusammengefaßt, da sie freilich zum Teil erst zwischen den ersten und den zweiten, zum Teil aber doch schon vor den ersten Krieg mit Rom fallen (Memn. 30; Iust. 38, 7 a. E.; App. Mithr. 13; Eutr. 5, 5) und eine Erzählung nach der Zeitfolge sich hier nun einmal schlechterdings nicht durchführen läßt. Auch das neu gefundene Dekret von Chersonesos hat in dieser Hinsicht keinen Aufschluß gegeben. Danach ist Diophantos zweimal gegen die taurischen Skythen gesandt worden; aber daß die zweite Schilderhebung derselben mit dem Beschluß des römischen Senats zu Gunsten der skythischen Fürsten in Verbindung steht, erhellt aus der Urkunde nicht und ist nicht einmal wahrscheinlich.. Die weiten hügel- und waldlosen Steppen, die sich nördlich vom Schwarzen Meer, vom Kaukasus und von der Kaspischen See hinziehen, sind ihrer Naturbeschaffenheit zufolge, namentlich wegen der zwischen dem Klima von Stockholm und von dem von Madeira schwankenden Temperaturdifferenz und der nicht selten eintretenden und bis zu 22 Monaten und länger anhaltenden absoluten Regen- und Schneelosigkeit, für den Ackerbau und überhaupt für feste Ansiedlung wenig geeignet und waren dies immer, wenngleich vor zweitausend Jahren die klimatischen Verhältnisse vermutlich etwas weniger ungünstig standen, als dies heutzutage der Fall istEs hat viele Wahrscheinlichkeit, daß die ungemeine Trockenheit, die vornehmlich jetzt den Ackerbau in der Krim und in diesen Gegenden überhaupt erschwert, sehr gesteigert worden ist durch das Schwinden der Wälder des mittleren und südlichen Rußland, die ehemals bis zu einem gewissen Grad die Küstenlandschaft gegen den austrocknenden Nordostwind schützten.. Die verschiedenen Stämme, die der Wandertrieb in diese Gegenden geführt hatte, fügten sich diesem Gebot der Natur und führten und führen zum Teil noch jetzt ein wanderndes Hirtenleben, indem sie mit ihren Rinder- oder häufiger noch mit ihren Roßherden Wohn- und Weideplätze wechselten und ihr Gerät auf Wagenhäusern sich nachführten. Auch die Bewaffnung und Kampfweise richtete sich hiernach: die Bewohner dieser Steppen fochten großenteils beritten und immer aufgelöst, mit Helm und Panzer von Leder und lederüberzogenem Schild gerüstet, gewaffnet mit Schwert, Lanze und Bogen – die Vorfahren der heutigen Kosaken. Den ursprünglich hier ansässigen Skythen, die mongolischer Rasse und in Sitte und Körpergestalt den heutigen Bewohnern Sibiriens verwandt gewesen zu sein scheinen, hatten sich, von Osten nach Westen vorrückend, sarmatische Stämme nachgeschoben, Sauromaten, Roxolaner, Jazygen, die gemeiniglich für slawischer Abkunft gehalten werden, obwohl diejenigen Eigennamen, welche man ihnen zuzuschreiben befugt ist, mehr mit medischen und persischen sich verwandt zeigen und vielleicht jene Völker vielmehr dem großen Zendstamme angehört haben. In entgegengesetzter Richtung fluteten thrakische Schwärme, namentlich die Geten, die bis zum Dnjestr gelangten; dazwischen drängten sich, wahrscheinlich als Ausläufer der großen germanischen Wanderung, deren Hauptmasse das Schwarze Meer nicht berührt zu haben scheint, am Dnjepr sogenannte Kelten, ebendaselbst die Bastarner, an der Donaumündung die Peukinen. Ein eigentlicher Staat bildete sich nirgends; es lebte jeder Stamm unter seinen Fürsten und Ältesten für sich. Zu all diesen Barbaren in scharfem Gegensatz standen die hellenischen Ansiedlungen, welche zur Zeit des gewaltigen Aufschwungs des griechischen Handels, namentlich von Miletos aus, an diesen Gestaden gegründet worden waren, teils als Emporien, teils als Stationen für den wichtigen Fischfang und selbst für den Ackerbau, für welchen, wie schon gesagt ward, das nordwestliche Gestade des Schwarzen Meeres im Altertum minder ungünstige Verhältnisse darbot, als dies heutzutage der Fall ist; für die Benutzung des Bodens zahlten hier die Hellenen, wie die Phöniker in Libyen, den einheimischen Herren Schoß und Grundzins. Die wichtigsten dieser Ansiedlungen waren die Freistadt Chersonesos (unweit Sevastopol), auf dem Gebiet der Skythen in der Taurischen Halbinsel (Krim) angelegt und unter nicht vorteilhaften Verhältnissen durch ihre gute Verfassung und den Gemeingeist ihrer Bürger in mäßigem Wohlstand sich behauptend; ferner auf der gegenüberliegenden Seite der Halbinsel an der Straße von dem Schwarzen in das Asowsche Meer Pantikapäon (Kertsch), seit dem Jahre 457 (297) Roms regiert von erblichen Bürgermeistern, später bosporanische Könige genannt, den Archäanaktiden, Spartokiden und Pärisaden. Der Getreidebau und der Fischfang im Asowschen Meer hatten die Stadt schnell zur Blüte gebracht. Ihr Gebiet umfaßte in der Mithradatischen Zeit noch die kleinere Osthälfte der Krim mit Einschluß der Stadt Theodosia und auf dem gegenüberliegenden asiatischen Kontinent die Stadt Phanagoria und die Sindische Landschaft. In besseren Zeiten hatten die Herren von Pantikapäon zu Lande die Völker an der Ostküste des Asowschen Meeres und das Kubantal, zur See mit ihrer Flotte das Schwarze Meer beherrscht; allein Pantikapäon war nicht mehr, was es gewesen war. Nirgends empfand man tiefer als an diesen fernen Grenzposten den traurigen Rückgang der hellenischen Nation. Athen in seiner guten Zeit ist der einzige Griechenstaat gewesen, der hier die Pflichten der führenden Macht erfüllte, die allerdings auch den Athenern durch ihren Bedarf pontischen Getreides besonders nahegelegt wurden. Von dem Sturz der attischen Seemacht an blieben diese Landschaften im ganzen sich selbst überlassen. Die griechischen Landmächte sind nie dazu gelangt, ernstlich hier einzugreifen, obwohl Philippos, der Vater Alexanders, und Lysimachos einigemal dazu ansetzten; und auch die Römer, auf welche mit der Eroberung Makedoniens und Kleinasiens die politische Verpflichtung überging, hier, wo die griechische Zivilisation dessen bedurfte, ihr starker Schild zu sein, vernachlässigten völlig das Gebot des Vorteils wie der Ehre. Der Fall von Sinope, das Sinken von Rhodos vollendeten die Isolierung der Hellenen am Nordgestade des Schwarzen Meeres. Ein lebendiges Bild ihrer Lage den schweifenden Barbaren gegenüber gibt uns eine Inschrift von Olbia (unweit der Dnjeprmündung bei Očakov), die nicht allzulange vor der Mithradatischen Zeit gesetzt zu sein scheint. Die Bürgerschaft muß dem Barbarenkönig nicht bloß jährlichen Zins an sein Hoflager schicken, sondern ihm auch, wenn er vor der Stadt lagert oder auch nur vorbeizieht, eine Verehrung machen, in ähnlicher Weise auch geringere Häuptlinge, ja zuweilen den ganzen Schwarm der Barbaren mit Geschenken abfinden, und es geht ihr übel, wenn die Gabe zu geringfügig erscheint. Die Stadtkasse ist bankrott, und man muß die Tempelkleinode zum Pfand setzen. Inzwischen drängen draußen vor den Toren sich die Stämme der Wilden: das Gebiet wird verwüstet, die Feldarbeiter in Masse weggeschleppt, ja, was das ärgste ist, die schwächeren der barbarischen Nachbarn, die Skythen, suchen, um vor dem Andrang der wilderen Kelten sich selber zu bergen, der ummauerten Stadt sich zu bemächtigen, so daß zahlreiche Bürger dieselbe verlassen und man schon daran denkt, sie ganz aufzugeben.
Diese Zustände fand Mithradates vor, als seine makedonische Phalanx den Kamm des Kaukasus überschreitend hinabstieg in die Täler des Kuban und Terek und gleichzeitig seine Flotte in den Gewässern der Krim sich zeigte. Kein Wunder, daß auch hier überall, wie es schon in Dioskurias geschehen war, die Hellenen den pontischen König mit offenen Armen empfingen und in dem Halbhellenen und seinen griechisch gerüsteten Kappadokiern ihre Befreier sahen. Es zeigte sich, was Rom hier versäumt hatte. Den Herren von Pantikapäon waren ebendamals die Tributforderungen zu unerschwinglicher Höhe gesteigert worden; die Stadt Chersonesos sah sich von dem König der auf der Halbinsel hausenden Skythen, Skiluros, und dessen fünfzig Söhnen hart bedrängt; gern gaben jene ihre Erbherrschaft, diese die lang bewahrte Freiheit hin, um ihr letztes Gut, ihr Hellenentum, zu retten. Es war nicht umsonst. Mithradates' tapfere Feldherren Diophantos und Neoptolemos und seine disziplinierten Truppen wurden leicht mit den Steppenvölkern fertig. Neoptolemos schlug sie in der Straße von Pantikapäon teils zu Wasser, teils im Winter auf dem Eise; Chersonesos wurde befreit, die Burgen der Taurier gebrochen und durch zweckmäßig angelegte Festungen der Besitz der Halbinsel gesichert. Gegen die Reuxinaler oder, wie sie später heißen, die Roxolaner (zwischen Dnjepr und Don), die den Tauriern zu Hilfe herbeikamen, zog Diophantos; ihrer 50000 flohen vor seinen 6000 Phalangiten und bis zum Dnjepr drangen die pontischen WaffenDas kürzlich aufgefundene Ehrendekret der Stadt Chersonesos für diesen Diophantos (SIG 252) bestätigt die Überlieferung durchaus. Es zeigt uns die Stadt in nächster Nähe – den Hafen von Balaklava müssen die Taurer, Simferopol die Skythen damals in der Gewalt gehabt haben –, bedrängt teils von den Taurern an der Südküste der Krim, teils und vor allem von den Skythen, die das ganze Innere der Halbinsel und das angrenzende Festland in der Gewalt haben; es zeigt uns ferner, wie der Feldherr des Königs Mithradates nach allen Seiten hin der Griechenstadt Luft macht die Taurer niederschlägt und in ihrem Gebiet eine Zwingburg (wahrscheinlich Eupatorion) errichtet, die Verbindung zwischen den westlichen und den östlichen Hellepen der Halbinsel herstellt, im Westen die Dynastie des Skiluros, im Osten den Skythenfürsten Saumakos überwältigt, die Skythen bis auf den Kontinent verfolgt und endlich sie mit den Reuxinalern – so heißen hier, wo sie zuerst auftreten, die späteren Roxolaner – in der großen Feldschlacht besiegt, deren auch die schriftliche Überlieferung gedenkt. Eine formelle Unterordnung der Griechenstadt unter den König scheint nicht stattgefunden zu haben; Mithradates erscheint nur als schützender Bundesgenosse, der gegen die als unbesiegbar geltenden (τούς ανυποστάτους δοκούντασ ειμεν) Skythen für die Griechenstadt die Schlachten schlägt, welche wahrscheinlich zu ihm ungefähr in dem Verhältnis gestanden hat wie Massalia und Athen zu Rom. Die Skythen dagegen in der Krim werden Untertanen (υπάκοιοι) des Mithradates.. So erwarb Mithradates hier sich ein zweites, mit dem pontischen verbundenes und gleich diesem wesentlich auf eine Anzahl griechischer Handelsstädte gegründetes Königreich, das Bosporanische genannt, das die heutige Krim mit der gegenüberliegenden asiatischen Landspitze umfaßte und jährlich 200 Talente (314000 Taler) und 180000 Scheffel Getreide in die königlichen Kassen und Magazine lieferte. Die Steppenvölker selbst vom Nordabhang des Kaukasus bis zur Donaumündung traten wenigstens zum großen Teil in Klientel oder in Vertrag mit dem pontischen König und boten ihm, wenn nicht andere Hilfe, doch wenigstens einen unerschöpflichen Werbeplatz für seine Armeen.
Während also gegen Norden die bedeutendsten Erfolge gelangen, griff der König zugleich um sich gegen Osten und gegen Westen. Wichtiger als die Einziehung Kleinarmeniens, das durch ihn aus einer abhängigen Herrschaft zum integrierenden Teil des Pontischen Reiches ward, war die enge Verbindung, in die er mit dem König von Großarmenien trat. Er gab dem Tigranes nicht bloß seine Tochter Kleopatra zur Gemahlin, sondern er war es auch wesentlich, durch dessen Unterstützung Tigranes sich der Herrschaft der Arsakiden entwand und ihre Stelle in Asien einnahm. Es scheint zwischen beiden eine Verabredung in der Art getroffen zu sein, daß Tigranes Syrien und das innere Asien, Mithradates Kleinasien und die Küsten des Schwarzen Meeres zu besetzen übernahmen unter Zusage gegenseitiger Unterstützung, und ohne Zweifel war es der tätigere und fähigere Mithradates, der dies Abkommen hervorrief, um sich den Rücken zu decken und einen mächtigen Bundesgenossen zu sichern.
In Kleinasien endlich richtete der König die Blicke auf das binnenländische Paphlagonien – die Küste gehörte seit langem zum Poptischen Reich – und auf KappadokienDie Chronologie der folgenden Ereignisse ist nur ungefähr zu bestimmen. Um 640 (114) etwa scheint Mithradates Eupator tatsächlich die Regierung angetreten zu haben; Sullas Intervention fand 662 (92) statt (Liv. ep. 70), womit die Berechnung der Mithradatischen Kriege auf einen Zeitraum von dreißig Jahren (662-691 92-63) zusammenstimmt (Plin. nat. 7, 26, 97). In die Zwischenzeit fallen die paphlagonischen und kappadokischen Sukzessionshändel, mit denen die von Mithradates, wie es scheint, in Saturninus' erstem Tribunat 651 (103) in Rom versuchte Bestechung (Diod. 631) wahrscheinlich schon zusammenhängt. Marius, der 655 (99) Rom verließ und nicht lange im Osten verweilte, traf Mithradates schon in Kappadokien und verhandelte mit ihm wegen seiner Übergriffe (Cic. Brut. 1, 5; Plut. Mar. 31); Ariarathes VI. war also damals schon ermordet.. Auf jenes machte man pontischerseits Ansprüche als durch Testament des letzten der Pylämeniden vermacht an den König Mithradates Euergetes; wogegen freilich legitime oder illegitime Prätendenten und das Land selbst protestierten. Was Kappadokien anlangt, so hatten die pontischen Herrscher nicht vergessen, daß dies Land und Kappadokien am Meer einst zusammengehört hatten, und trugen sich fortwährend mit Reunionsideen. Paphlagonien ward von Mithradates besetzt in Gemeinschaft mit König Nikomedes von Bithynien, mit dem er das Land teilte. Als der Senat dagegen Einspruch erhob, fügte sich Mithradates demselben, während Nikomedes einen seiner Söhne mit dem Namen Pylämenes ausstattete und unter diesem Titel die Landschaft an sich behielt. Noch schlimmere Wege ging die Politik der Verbündeten in Kappadokien. König Ariarathes VI. ward ermordet durch Gordios, es hieß im Auftrage, jedenfalls im Interesse des Schwagers, des Ariarathes Mithradates Eupator; sein junger Sohn Ariarathes wußte den Übergriffen des Königs von Bithynien nur zu begegnen vermittels der zweideutigen Hilfe seines Oheims, für welche dieser dann ihm ansann, dem flüchtig gewordenen Mörder seines Vaters die Rückkehr nach Kappadokien zu gestatten. Es kam hierüber zum Bruch und zum Krieg; jedoch als beide Heere zur Schlacht sich gegenüberstanden, begehrte der Oheim zuvor eine Zusammenkunft mit dem Neffen und stieß dabei den unbewaffneten Jüngling mit eigener Hand nieder. Gordios, der Mörder des Vaters, übernahm hierauf im Auftrage Mithradats die Regierung; und obwohl die unwillige Bevölkerung sich gegen ihn erhob und den jüngeren Sohn des letzten Königs zur Herrschaft berief, vermochte dieser doch Mithradats überlegenen Streitkräften keinen dauernden Widerstand zu leisten. Der baldige Tod des von dem Volke auf den Thron gesetzten Jünglings gab dem pontischen König um so mehr freie Hand, als mit diesem das kappadokische Regentenhaus erlosch. Als nomineller Regent ward, ebenwie in Bithynien geschehen war, ein falscher Ariarathes proklamiert, unter dessen Namen Gordios als Statthalter Mithradats das Reich verwaltete. Gewaltiger als seit langem ein einheimischer Monarch herrschte König Mithradates am nördlichen wie am südlichen Gestade des Schwarzen Meeres und weit in das innere Kleinasien hinein. Die Hilfsquellen des Königs für den Krieg zu Lande und zu Wasser schienen unermeßlich. Sein Werbeplatz reichte von der Donaumündung bis zum Kaukasus und dem Kaspischen Meer; Thraker, Skythen, Sauromaten, Bastarner, Kolchier, Iberer (im heutigen Georgien) drängten sich unter seine Fahne; vor allem rekrutierte er seine Kriegsscharen aus den tapferen Bastarnern. Für die Flotte lieferte ihm die kolchische Satrapie außer Flachs, Hanf, Pech und Wachs das trefflichste, vom Kaukasus herabgeflößte Bauholz; Steuermänner und Offiziere wurden in Phönikien und Syrien gedungen. In Kappadokien, hieß es, sei der König eingerückt mit 600 Sichelwagen, 1000 Pferden und 8000 Mann zu Fuß; und er hatte für diesen Krieg bei weitem noch nicht aufgeboten, was er aufzubieten vermochte. Bei dem Mangel einer römischen oder sonst namhaften Seemacht beherrschte die pontische Flotte, gestützt auf Sinope und die Häfen der Krim, das Schwarze Meer ausschließlich.
Daß der römische Senat seine allgemeine Politik, die mehr oder minder von ihm abhängigen Staaten niederzuhalten, auch gegen den pontischen geltend machte, beweist sein Verhalten bei dem Thronwechsel nach dem plötzlichen Tode Mithradates V. Dem unmündigen Knaben, der ihm folgte, wurde das dem Vater für seine Teilnahme an dem Kriege gegen Aristonikos oder vielmehr für sein gutes Geld verliehene Großphrygien genommen und diese Landschaft dem unmittelbar römischen Gebiet hinzugefügtEin vor kurzem in dem Dorfe Aresli südlich von Synnada gefundener Senatsbeschluß vom Jahre 638 (116) (Viereck, sermo Graecus quo senatus Romanus usus sit, S. 51) bestätigt sämtliche, von dem König bis zu seinem Tode getroffenen Anordnungen und zeigt also, daß Großphrygien nach dem Tode des Vaters nicht bloß dem Sohn genommen ward, was auch Appian berichtet, sondern damit geradezu unter römische Botmäßigkeit kam.. Aber nachdem dieser Knabe dann zu seinen Jahren gelangt war, bewies derselbe Senat gegen dessen allseitige Übergriffe und gegen diese imposante Machtbildung, deren Entwicklung vielleicht einen zwanzigjährigen Zeitraum ausfüllt, völlige Passivität. Er ließ es geschehen, daß einer seiner Klientelstaaten sich militärisch zu einer Großmacht entwickelte, die über hunderttausend Bewaffnete gebot; daß er in die engste Verbindung trat mit dem neuen, zum Teil durch seine Hilfe an die Spitze der innerasiatischen Staaten gestellten Großkönig des Ostens; daß er die benachbarten asiatischen Königreiche und Fürstentümer unter Vorwänden einzog, die fast wie ein Hohn auf die schlecht berichtete und weit entfernte Schutzmacht klangen; daß er endlich sogar in Europa sich festsetzte und als König auf der Taurischen Halbinsel, als Schutzherr fast bis an die makedonisch-thrakische Grenze gebot. Wohl ward über diese Verhältnisse im Senat verhandelt; aber wenn das hohe Kollegium sich in der paphlagonischen Erbangelegenheit schließlich dabei beruhigte, daß Nikomedes sich auf seinen falschen Pylämenes berief, so war dasselbe offenbar nicht so sehr getäuscht als dankbar für jeden Vorwand, der ihm das ernstliche Einschreiten ersparte. Inzwischen wurden die Beschwerden immer zahlreicher und dringender. Die Fürsten der taurischen Skythen, die Mithradates aus der Krim verdrängt hatte, wandten sich um Hilfe nach Rom; wer von den Senatoren irgend noch der traditionellen Maximen der römischen Politik gedachte, mußte sich erinnern, daß einst unter so ganz anderen Verhältnissen der Übergang des Königs Antiochos nach Europa und die Besetzung des thrakischen Chersones durch seine Truppen das Signal zu dem Asiatischen Krieg geworden war, und mußte begreifen, daß die Besetzung des taurischen durch den pontischen König jetzt noch viel weniger geduldet werden konnte. Den Ausschlag gab endlich die faktische Reunion des Königreichs Kappadokien, wegen welcher überdies Nikomedes von Bithymen, der auch seinerseits durch einen andern falschen Ariarathes Kappadokien in Besitz zu nehmen gehofft hatte und durch den pontischen Prätendenten den seinigen ausgeschlossen sah, nicht ermangelt haben wird, die römische Regierung zur Intervention zu drängen. Der Senat beschloß, daß Mithradates die skythischen Fürsten wiedereinzusetzen habe – so weit war man durch die schlaffe Regierungsweise aus den Bahnen der richtigen Politik gedrängt, daß man jetzt, statt die Hellenen gegen die Barbaren, umgekehrt die Skythen gegen die halben Landsleute unterstützen mußte. Paphlagonien wurde abhängig erklärt und der falsche Pylämenes des Nikomedes angewiesen, das Land zu räumen. Ebenso sollte der falsche Ariarathes des Mithradates aus Kappadokien weichen und, da die Vertreter des Landes die angebotene Freiheit ausschlugen, durch freie Volkswahl ihm wiederum ein König gesetzt werden. Die Beschlüsse klangen energisch genug; nur war es übel, daß man, statt ein Heer zu senden, den Statthalter von Kilikien, Lucius Sulla, mit der Handvoll Leute, die er daselbst gegen die Räuber und Piraten kommandierte, anwies, in Kappadokien zu intervenieren. Zum Glück vertrat im Osten die Erinnerung an die ehemalige Energie der Römer besser ihr Interesse als ihr gegenwärtiges Regiment und ergänzte die Energie und Gewandtheit des Statthalters, was der Senat an beiden vermissen ließ. Mithradates hielt sich zurück und begnügte sich, den Großkönig Tigranes von Armenien, der den Römern gegenüber eine freiere Stellung hatte als er, zu veranlassen, Truppen nach Kappadokien zu senden. Sulla nahm rasch seine Mannschaft und die Zuzüge der asiatischen Bundesgenossen zusammen, überstieg den Taurus und schlug den Statthalter Gordios samt seinen armenischen Hilfstruppen aus Kappadokien hinaus. Dies wirkte. Mithradates gab in allen Stücken nach; Gordios mußte die Schuld der kappadokischen Wirren auf sich nehmen und der falsche Ariarathes verschwand; die Königswahl, die der pontische Anhang vergebens auf Gordios zu lenken versucht hatte, fiel auf den angesehenen Kappadokier Ariobarzanes. Als Sulla im Verfolg seiner Expedition in die Gegend des Euphrat gelangte, in dessen Wellen damals zuerst römische Feldzeichen sich spiegelten, fand bei dieser Gelegenheit auch die erste Berührung statt zwischen den Römern und den Parthern, welche letztere infolge der Spannung zwischen ihnen und Tigranes Ursache hatten, den Römern sich zu nähern. Beiderseits schien man zu fühlen, daß etwas darauf ankam bei dieser ersten Berührung der beiden Großmächte des Westens und des Ostens, dem Anspruch auf die Herrschaft der Welt nichts zu vergeben; aber Sulla, kecker als der parthische Bote, nahm und behauptete in der Zusammenkunft den Ehrenplatz zwischen dem König von Kappadokien und dem parthischen Abgesandten. Mehr als durch seine Siege im Osten mehrte Sullas Ruhm sich durch diese vielgefeierte Konferenz am Euphrat; der parthische Gesandte büßte später seinem Herrn dafür mit dem Kopfe. Indes für den Augenblick hatte diese Berührung keine weitere Folge. Nikomedes unterließ es im Vertrauen auf die Gunst der Römer, Paphlagonien zu räumen; aber die gegen Mithradates gefaßten Senatsbeschlüsse wurden ferner vollzogen, die Wiederherstellung der skythischen Häuptlinge von ihm wenigstens zugesagt; der frühere Status quo im Osten schien wiederhergestellt (662 92).
So hieß es; in der Tat war von einer ernstlichen Zurückführung der früheren Ordnung der Dinge wenig zu verspüren. Kaum hatte Sulla Asien verlassen, als König Tigranes von Großarmenien über den neuen König von Kappadokien, Ariobarzanes, herfiel, ihn vertrieb und an seiner Stelle den pontischen Prätendenten Ariarathes wiedereinsetzte. In Bithynien, wo nach dem Tode des alten Königs Nikomedes Il. (um 663 91) dessen Sohn Nikomedes III. Philopator vom Volk und vom römischen Senat als rechtmäßiger König anerkannt worden war. trat dessen jüngerer Bruder Sokrates als Kronprätendent auf und bemächtigte sich der Herrschaft. Es war klar, daß der eigentliche Urheber der kappadokischen wie der bithynischen Wirren kein anderer als Mithradates war, obwohl er sich jeder offenkundigen Beteiligung enthielt. Jedermann wußte, daß Tigranes nur handelte auf seinen Wink: in Bithynien aber war Sokrates mit pontischen Truppen eingerückt und des rechtmäßigen Königs Leben durch Mithradates' Meuchelmörder bedroht. In der Krim gar und den benachbarten Landschaften dachte der pontische König nicht daran zurückzuweichen und trug vielmehr seine Waffen weiter und weiter.
Die römische Regierung, von den Königen Ariobarzanes und Nikomedes persönlich um Hilfe angerufen, schickte nach Kleinasien zur Unterstützung des dortigen Statthalters Lucius Cassius den Konsular Manius Aquillius, einen im Kimbrischen und im Sizilischen Krieg erprobten Offizier, jedoch nicht als Feldherrn an der Spitze einer Armee, sondern als Gesandten, und wies die asiatischen Klientelstaaten und namentlich den Mithradates an, nötigenfalls mit gewaffneter Hand Beistand zu leisten. Es kam eben wie zwei Jahre zuvor. Der römische Offizier vollzog dem ihm gewordenen Auftrag mit Hilfe des kleinen römischen Korps, über das der Statthalter der Provinz Asia verfügte, und des Aufgebots der Phryger und der Galater; König Nikomedes und König Ariobarzanes bestiegen wieder ihre schwankenden Throne; Mithradates entzog sich zwar der Aufforderung, Zuzug zu gewähren, unter verschiedenen Vorwänden, allein er leistete nicht bloß den Römern keinen offenen Widerstand, sondern der bithynische Prätendent Sokrates wurde sogar auf sein Geheiß getötet (664 90).
Es war eine sonderbare Verwicklung. Mithradates war vollkommen überzeugt, gegen die Römer in offenem Kampfe nichts ausrichten zu können und es nicht zum offenen Bruch und zum Kriege mit ihnen kommen lassen zu dürfen. Wäre er nicht also entschlossen gewesen, so fand sich kein günstigerer Augenblick, den Kampf zu beginnen, als der gegenwärtige: eben damals, als Aquillius in Bithymen und Kappadokien einrückte, stand die italische Insurrektion auf dem Höhepunkt ihrer Macht und konnte selbst den Schwachen Mut machen, gegen Rom sich zu erklären; dennoch ließ Mithradates das Jahr 664 (90) ungenutzt verstreichen. Aber nichtsdestoweniger verfolgte er so zäh wie rührig seinen Plan, in Kleinasien sich auszubreiten. Diese seltsame Verbindung der Politik des Friedens um jeden Preis mit der der Eroberung war allerdings in sich unhaltbar und beweist nur aufs neue, daß Mithradates nicht zu den Staatsmännern rechter Art gehörte und weder zum Kampf zu rüsten wußte wie König Philippos noch sich zu fügen wie König Attalos, sondern in echter Sultansart ewig hin- und hergezogen ward zwischen begehrlicher Eroberungslust mit dem Gefühl seiner eigenen Schwäche. Aber auch so läßt sich sein Beginnen nur begreifen, wenn man sich erinnert, daß Mithradates in zwanzigjähriger Erfahrung die damalige römische Politik kennengelernt hatte. Er wußte sehr genau, daß die römische Regierung nichts weniger als kriegslustig war, ja daß sie, im Hinblick auf die ernstliche Gefahr, die jeder berühmte General ihrer Herrschaft bereitete, in frischer Erinnerung an den Kimbrischen Krieg und Marius, den Krieg womöglich noch mehr fürchtete als er selbst. Daraufhin handelte er. Er scheute sich nicht, in einer Weise aufzutreten, die jeder energischen und nicht durch egoistische Rücksichten gefesselten Regierung hundertfach Ursache und Anlaß zur Kriegserklärung gegeben haben würde; aber er vermied sorgfältig den offenen Bruch, der den Senat in die Notwendigkeit dazu versetzt hätte. Sowie Ernst gezeigt ward, wich er zurück, vor Sulla wie vor Aquillius; er hoffte unzweifelhaft darauf, daß nicht immer energische Feldherren ihm gegenüberstehen, daß auch er so gut wie Jugurtha auf seine Scaurus und Albinus treffen würde. Es muß zugestanden werden, daß diese Hoffnung nicht unverständig war, obwohl freilich eben Jugurthas Beispiel auch wieder gezeigt hatte, wie verkehrt es war, die Bestechung eines römischen Heerführers und die Korruption einer römischen Armee mit der Überwindung des römischen Volkes zu verwechseln. So standen die Dinge zwischen Frieden und Krieg und ließen ganz dazu an, noch lange sich in gleicher Art weiterzuschleppen. Aber dies zuzulassen war Aquillius' Absicht nicht, und da er seine Regierung nicht zwingen konnte, Mithradates den Krieg zu erklären, so bediente er sich dazu des Königs Nikomedes. Dieser, ohnehin in die Hand des römischen Feldherrn gegeben und überdies noch für die abgelaufenen Kriegskosten und die dem Feldherrn persönlich zugesicherten Summen sein Schuldner, konnte sich dem Ansinnen desselben, mit Mithradates den Krieg zu beginnen, nicht entziehen. Die bithynische Kriegserklärung erfolgte; aber selbst als Nikomedes' Schiffe den pontischen den Bosporus sperrten, seine Truppen in die pontischen Grenzdistrikte einrückten und die Gegend von Amastris brandschatzten, blieb Mithradates noch unerschüttert bei seiner Friedenspolitik; statt die Bithyner über die Grenze zu werfen, führte er Klage bei der römischen Gesandtschaft und bat dieselbe, entweder vermitteln oder ihm die Selbstverteidigung gestatten zu wollen. Allein er ward von Aquillius dahin beschieden, daß er unter allen Umständen sich des Krieges gegen Nikomedes zu enthalten habe. Das freilich war deutlich. Genau dieselbe Politik hatte man gegen Karthago angewendet; man ließ das Schlachtopfer von der römischen Meute überfallen und verbot ihm, gegen dieselbe sich zu wehren. Auch Mithradates erachtete sich verloren, ebenwie die Karthager es getan hatten; aber wenn die Phöniker sich aus Verzweiflung ergaben, so tat dagegen der König von Sinope das Gegenteil und rief seine Truppen und Schiffe zusammen – "Wehrt nicht", so soll er gesagt haben, "auch wer unterliegen muß, dennoch sich gegen den Räuber?" Sein Sohn Ariobarzanes erhielt Befehl, in Kappadokien einzurücken; es ging noch einmal eine Botschaft an die römischen Gesandten, um ihnen anzuzeigen, wozu die Notwehr den König gezwungen habe, und eine letzte Erklärung von ihnen zu fordern. Sie lautete, wie zu erwarten war. Obwohl weder der römische Senat noch König Mithradates noch König Nikomedes den Bruch gewollt hatten, Aquillius wollte ihn und man hatte Krieg (Ende 665 80).
Mit aller ihm eigenen Energie betrieb Mithradates die politischen und militärischen Vorbereitungen zu dem ihm aufgedrungenen Waffengang. Vor allen Dingen knüpfte er das Bündnis mit König Tigranes von Armenien fester und erlangte von ihm das Versprechen eines Hilfsheeres, das in Vorderasien einrücken und Grund und Boden daselbst für König Mithradates, die bewegliche Habe für König Tigranes in Besitz nehmen sollte. Der parthische König, verletzt durch das stolze Verhalten Sullas, trat wenn nicht gerade als Gegner, doch auch nicht als Bundesgenosse der Römer auf. Den Griechen war der König bemüht, sich in der Rolle des Philippos und des Perseus, als Vertreter der griechischen Nation gegen die römische Fremdherrschaft darzustellen. Pontische Gesandte gingen an den König von Ägypten und an den letzten Überrest des freien Griechenlands, den kretensischen Städtebund, und beschworen sie, für die Rom auch schon die Ketten geschmiedet, jetzt im letzten Augenblick einzustehen für die Rettung der hellenischen Nationalität; es war dies wenigstens auf Kreta nicht ganz vergeblich, und zahlreiche Kretenser nahmen Dienste im pontischen Heer. Man hoffte auf die sukzessive Insurrektion der kleineren und kleinsten Schutzstaaten, Numidiens, Syriens, der hellenischen Republiken, auf die Empörung der Provinzen, vor allem des maßlos gedrückten Vorderasiens. Man arbeitete an der Erregung eines thrakischen Aufstandes, ja an der Insurgierung Makedoniens. Die schon vorher blühende Piraterie wurde jetzt als willkommene Bundesgenossin überall entfesselt, und mit furchtbarer Raschheit erfüllten bald Korsarengeschwader, pontische Kaper sich nennend, weithin das Mittelmeer. Man vernahm mit Spannung und Freude die Kunde von den Gärungen innerhalb der römischen Bürgerschaft und von der zwar überwundenen, aber doch noch lange nicht unterdrückten italischen Insurrektion. Unmittelbare Beziehungen indes mit den Unzufriedenen und Insurgenten in Italien bestanden nicht; nur wurde in Asien ein römisch bewaffnetes und organisiertes Fremdenkorps gebildet, dessen Kern römische und italische Flüchtlinge waren. Streitkräfte gleich denen Mithradats waren seit den Perserkriegen in Asien nicht gesehen worden. Die Angaben, daß er, das armenische Hilfsheer ungerechnet, mit 250000 Mann zu Fuß und 40 000 Reitern das Feld nahm, daß 300 pontische Deck- und 100 offene Schiffe in See stachen, scheinen nicht allzu übertrieben bei einem Kriegsherrn, der über die zahllosen Steppenbewohner verfügte. Die Feldherrn, namentlich die Brüder Neoptolemos und Archelaos, waren erfahrene und umsichtige griechische Hauptleute; auch unter den Soldaten des Königs fehlte es nicht an tapferen todverachtenden Männern, und die gold- und silberblinkenden Rüstungen und reichen Gewänder der Skythen und Meder mischten sich lustig mit dem Erz und Stahl der griechischen Reisigen. Ein einheitlicher militärischer Organismus freilich hielt diese buntscheckigen Haufen nicht zusammen – auch die Armee des Mithradates war nichts als eine jener ungeheuerlichen asiatischen Kriegsmaschinen, wie sie oft schon, zuletzt, genau ein Jahrhundert zuvor, bei Magnesia einer höheren militärischen Organisation unterlegen waren; immer aber stand doch der Osten gegen die Römer in Waffen, während auch in der westlichen Hälfte des Reichs es nichts weniger als friedlich aussah. So sehr es an sich für Rom eine politische Notwendigkeit war, Mithradates den Krieg zu erklären, so war doch gerade dieser Augenblick so übel gewählt wie möglich, und auch aus diesem Grunde ist es sehr wahrscheinlich, daß Manius Aquillius zunächst aus Rücksichten auf seine eigenen Interessen den Bruch zwischen Rom und Mithradates eben jetzt herbeigeführt hat. Für den Augenblick hatte man in Asien keine anderen Truppen zur Verfügung als die kleine römische Abteilung unter Lucius Cassius und die vorderasiatischen Milizen, und bei der militärischen und finanziellen Klemme, in der man daheim sich infolge des Insurrektionskrieges befand, konnte eine römische Armee im günstigsten Fall nicht vor dem Sommer 666 (88) in Asien landen. Bis dahin hatten die römischen Beamten daselbst einen schweren Stand; indes hoffte man, die römische Provinz decken und sich behaupten zu können, wo man stand: das bithynische Heer unter König Nikomedes in seiner im vorigen Jahr eingenommenen Stellung auf paphlagonischem Gebiet zwischen Amastris und Sinope, weiter rückwärts in der bithynischen, galatischen, kappadokischen Landschaft die Abteilungen unter Lucius Cassius, Manius Aquillius, Quintus Oppius, während die bithynisch-römische Flotte fortfuhr, den Bosporus zu sperren.
Mit dem Beginn des Frühjahrs 666 (88) ergriff Mithradates die Offensive. An einem Nebenfluß des Halys, dem Amnias (bei dem heutigen Tesch köpri), stieß der pontische Vortrab, Reiterei und Leichtbewaffnete, auf die bithynische Armee und sprengte dieselbe trotz ihrer sehr überlegenen Zahl im ersten Anlauf so vollständig auseinander, daß das geschlagene Heer sich auflöste und Lager und Kriegskasse den Siegern in die Hände fielen. Es waren hauptsächlich Neoptolemos und Archelaos, denen der König diesen glänzenden Erfolg verdankte. Die weiter zurückstehenden, noch viel schlechteren asiatischen Milizen gaben hierauf sich überwunden, noch ehe sie mit dem Feinde zusammenstießen; wo Mithradates' Feldherren sich ihnen näherten, stoben sie auseinander. Eine römische Abteilung ward in Kappadokien geschlagen; Cassius suchte in Phrygien mit dem Landsturm das Feld zu halten, allein er entließ ihn wieder, ohne mit ihm eine Schlacht wagen zu mögen, und warf sich mit seinen wenigen zuverlässigen Leuten in die Ortschaften am oberen Mäander, namentlich nach Apameia; Oppius räumte in gleicher Weise Pamphylien und schloß in dem phrygischen Laodikeia sich ein; Aquillius ward im Zurückweichen am Sangarios im bithynischen Gebiet eingeholt und so vollständig geschlagen, daß er sein Lager verlor und sich in die römische Provinz nach Pergamon retten mußte; bald war auch diese überschwemmt und Pergamon selbst in den Händen des Königs, ebenso der Bosporus und die daselbst befindlichen Schiffe. Nach jedem Sieg hatte Mithradates sämtliche Gefangene der kleinasiatischen Miliz entlassen und nichts versäumt, die von Anfang an ihm zugewandten nationalen Sympathien zu steigern. Jetzt war die ganze Landschaft bis zum Mäander mit Ausnahme weniger Festungen in seiner Gewalt; zugleich erfuhr man, daß in Rom eine neue Revolution ausgebrochen, daß der gegen Mithradates bestimmte Konsul Sulla, statt nach Asien sich einzuschiffen, gegen Rom marschiert sei, daß die gefeiertsten römischen Generale sich untereinander Schlachten lieferten um auszumachen, wem der Oberbefehl im Asiatischen Kriege gebühre. Rom schien eifrigst bemüht, sich selber zugrunde zu richten; es ist kein Wunder, daß, wenngleich Minoritäten auch jetzt noch überall zu Rom hielten, doch die große Masse der Kleinasiaten den Pontikern zufiel. Die Hellenen und die Asiaten vereinigten sich in dem Jubel, der den Befreier empfing; es ward üblich, den König, in dem wie in dem göttlichen Indersieger Asien und Hellas sich abermals zusammenfanden, zu verehren unter dem Namen des neuen Dionysos. Die Städte und Inseln sandten, wo er hinkam, ihm Boten entgegen, "den rettenden Gott" zu sich einzuladen, und festlich gekleidet strömte die Bürgerschaft vor die Tore, ihn zu empfangen. Einzelne Orte lieferten die bei ihnen verweilenden römischen Offiziere gebunden an den König ein, so Laodikeia den Kommandanten der Stadt Quintus Oppius, Mytilene auf Lesbos den Konsular Manius AquilliusDie Urheber der Gefangennehmung und Auslieferung des Aquillius traf fünfundzwanzig Jahre später die Vergeltung, indem sie nach Mithradates' Tode dessen Sohn Pharnakes an die Römer übergab.. Die ganze Wut des Barbaren, der den, vor dem er gezittert hat, in seine Macht bekommt, entlud sich über den unglücklichen Urheber des Krieges. Bald zu Fuß an einen gewaltigen berittenen Bastarner angefesselt, bald auf einen Esel gebunden und seinen eigenen Namen abrufend ward der bejahrte Mann durch ganz Kleinasien geführt und, als endlich das arme Schaustück wieder am königlichen Hof in Pergamon anlangte, auf Befehl des Königs, um seine Habgier, die eigentlich den Krieg veranlaßt habe, zu sättigen, ihm geschmolzenes Gold in den Hals gegossen, daß er unter Qualen den Geist aufgab. Aber es blieb nicht bei diesem rohen Hohn, der allein hinreicht, seinen Urheber auszustreichen aus der Reihe der adligen Männer. Von Ephesos aus erließ König Mithradates an alle von ihm abhängigen Statthalter und Städte den Befehl, an einem und demselben Tage sämtliche in ihrem Bezirk sich aufhaltende Italiker, Freie und Unfreie, ohne Unterschied des Geschlechts und des Alters zu töten und bei schwerer Strafe keinem der Verfemten zur Rettung behilflich zu sein, die Leichen der Erschlagenen den Vögeln zum Fraß hinzuwerfen, die Habe einzuziehen und sie zur Hälfte an die Mörder, zur Hälfte an den König abzuliefern. Die entsetzlichen Befehle wurden mit Ausnahme weniger Bezirke, wie zum Beispiel der Insel Kos, pünktlich vollzogen und achtzig-, nach anderen Berichten hundertundfünfzigtausend wenn nicht unschuldige, so doch wehrlose Männer, Frauen und Kinder mit kaltem Blut an einem Tage in Kleinasien geschlachtet – eine grauenvolle Exekution, bei welcher die gute Gelegenheit, der Schulden sich zu entledigen und die dem Sultan zu jedem Henkerdienst bereite asiatische Schergenwillfährigkeit wenigstens ebensosehr mitgewirkt haben wie das vergleichungsweise edle Gefühl der Rache. Politisch war diese Maßregel nicht bloß ohne jeden vernünftigen Zweck – denn der finanzielle ließ auch ohne diesen Blutbefehl sich erreichen, und die Kleinasiaten waren selbst durch das Bewußtsein der ärgsten Blutschuld nicht zum kriegerischen Eifer zu treiben –, sondern sogar zweckwidrig, indem sie einerseits den römischen Senat, soweit er irgend noch der Energie fähig war, zur ernstlichen Kriegführung zwang, andererseits nicht bloß die Römer traf, sondern ebensogut des Königs natürliche Bundesgenossen, die nichtrömischen Italiker. Es ist dieser ephesische Mordbefehl durchaus nichts als ein zweckloser Akt der tierisch blinden Rache, welcher nur durch die kolossalen Proportionen, in denen hier der Sultanismus auftritt, einen falschen Schein von Großartigkeit erhält.
Überhaupt ging des Königs Sinn hoch; aus Verzweiflung hatte er den Krieg begonnen, aber der unerwartet leichte Sieg, das Ausbleiben des gefürchteten Sulla ließen ihn übergehen zu den hochfahrendsten Hoffnungen. Er richtete sich häuslich in Vorderasien ein; der Sitz des römischen Statthalters, Pergamon, ward seine neue Hauptstadt; das alte Reich von Sinope wurde als Statthalterschaft an des Königs Sohn Mithradates zur Verwaltung übergeben; Kappadokien, Phrygien, Bithymen wurden organisiert als pontische Satrapien. Die Großen des Reichs und des Königs Günstlinge wurden mit reichen Gaben und Lehen bedacht und sämtlichen Gemeinden nicht bloß die rückständigen Steuern erlassen, sondern auch Steuerfreiheit auf fünf Jahre zugesichert – eine Maßregel, die ebenso verkehrt war wie die Ermordung der Römer, wenn der König dadurch sich die Treue der Kleinasiaten zu sichern meinte.
Freilich füllte des Königs Schatz ohnehin sich reichlich durch die unermeßlichen Summen, die aus dem Vermögen der Italiker und anderen Konfiskationen einkamen; wie denn z. B. allein auf Kos 800 Talente (1250000 Taler), welche die Juden dort deponiert hatten, von Mithradates weggenommen wurden. Der nördliche Teil von Kleinasien und die meisten dazu gehörigen Inseln waren in des Königs Gewalt; außer einigen kleinen paphlagonischen Dynasten gab es hier kaum einen Bezirk, der noch zu Rom hielt; das gesamte Ägäische Meer ward beherrscht von seinen Flotten. Nur der Südwesten, die Städtebünde von Karien und Lykien und die Stadt Rhodos widerstanden ihm. In Karien ward zwar Stratonikeia mit den Waffen bezwungen; Magnesia am Sipylos aber bestand glücklich eine schwere Belagerung, bei welcher Mithradates' tüchtigster Offizier Archelaos geschlagen und verwundet ward. Rhodos, der Zufluchtsort der aus Asien entkommenen Römer, unter ihnen des Statthalters Lucius Cassius, wurde von Mithradates zu Wasser und zu Lande mit ungeheurer Übermacht angegriffen. Aber seine Seeleute, so mutig sie unter den Augen des Königs ihre Pflicht taten, waren ungeschickte Neulinge, und es kam vor, daß rhodische Geschwader vielfach stärkere pontische überwanden und mit erbeuteten Schiffen heimkehrten. Auch zu Lande rückte die Belagerung nicht vor; nachdem ein Teil der Arbeiten zerstört worden war, gab Mithradates das Unternehmen auf und die wichtige Insel sowie das gegenüberliegende Festland blieben in den Händen der Römer.
Aber nicht bloß die asiatische Provinz wurde, hauptsächlich infolge der zur ungelegensten Zeit ausbrechenden Sulpicischen Revolution, fast unverteidigt von Mithradates besetzt, sondern derselbe richtete schon den Angriff auch gegen Europa. Bereits seit dem Jahre 662 (92) hatten die Grenznachbarn Makedoniens gegen Norden und Osten ihre Einfälle mit auffallender Heftigkeit und Streitigkeit erneuert; in den Jahren 664, 665 (90, 89) überrannten die Thraker. Makedonien und ganz Epeiros und plünderten den Tempel von Dodona. Noch auffallender ist es, daß damit noch einmal der Versuch verbunden ward, einen Prätendenten auf den makedonischen Thron in der Person eines gewissen Euphenes aufzustellen. Mithradates, der von der Krim aus Verbindungen mit den Thrakern unterhielt, war all diesen Vorgängen schwerlich fremd. Zwar erwehrte sich der Prätor Gaius Sentius mit Hilfe der thrakischen Dentheleten dieser Eingedrungenen; allein es dauerte nicht lange, daß ihm mächtigere Gegner kamen. Mithradates hatte, fortgerissen von seinen Erfolgen, den kühnen Entschluß gefaßt, wie Antiochos den Krieg um die Herrschaft über Asien in Griechenland zur Entscheidung zu bringen, und zu Lande oder zur See den Kern seiner Truppen dorthin dirigiert. Sein Sohn Ariarathes drang von Thrakien aus in das schwach verteidigte Makedonien ein, unterwegs die Landschaft unterwerfend und in pontische Satrapien einteilend. Abdera, Philippi wurden Hauptstützpunkte der pontischen Waffen in Europa. Die pontische Flotte, geführt von Mithradates' bestem Feldherrn Archelaos, erschien im Ägäischen Meer, wo kaum ein römisches Segel zu finden war. Delos, der Stapelplatz des römischen Handels in diesen Gewässern, ward besetzt und bei 20000 Menschen, größtenteils Italiker, daselbst niedergemetzelt; Euböa erlitt ein gleiches Schicksal; bald waren östlich vom Malfischen Vorgebirg alle Inseln in Feindes Hand; man konnte weitergehen zum Angriff auf das Festland selbst. Zwar den Angriff, den die pontische Flotte von Euböa aus auf das wichtige Demetrias machte, schlug Bruttius Sura, der tapfere Unterfeldherr des Statthalters von Makedonien, mit seiner Handvoll Leute und wenigen zusammengerafften Schiffen ab und besetzte sogar die Insel Skiathos: aber er konnte nicht verhindern, daß der Feind im eigentlichen Griechenland sich festsetzte. Auch hier wirkte Mithradates nicht bloß mit den Waffen, sondern zugleich mit der nationalen Propaganda. Sein Hauptwerkzeug für Athen war ein gewisser Aristion, seiner Geburt nach ein attischer Sklave, seines Handwerks ehemals Schulmeister der Epikurischen Philosophie, jetzt Günstling Mithradats; ein vortrefflicher Peisthetäros, der durch die glänzende Karriere, die er bei Hof gemacht, den Pöbel zu blenden und ihm mit Aplomb zu versichern verstand, daß aus dem seit beiläufig sechzig Jahren in Schutt liegenden Karthago die Hilfe für Mithradates schon unterwegs sei. Durch solche Reden des neuen Perikles ward es erreicht, daß die wenigen Verständigen aus Athen entwichen, der Pöbel aber und ein paar toll gewordene Literaten den Römern förmlich absagten. So ward aus dem Exphilosophen ein Gewaltherrscher, der, gestützt auf seine pontische Söldnerbande, ein Schand- und Blutregiment begann, und aus dem Peiräeus ein pontischer Landungsplatz. Sowie Mithradats Truppen auf dem griechischen Kontinent standen, fielen die meisten der kleinen Freistaaten ihnen zu: Achäer, Lakonen, Böoter, bis hinauf nach Thessalien. Sura, nachdem er aus Makedonien einige Verstärkung herangezogen hatte, rückte in Böotien ein, um dem belagerten Thespiä Hilfe zu bringen, und schlug sich bei Chäroneia in dreitägigen Gefechten mit Archelaos und Aristion; aber sie führten zu keiner Entscheidung und Sura mußte zurückgehen, als die pontischen Verstärkungen aus dem Peloponnes sich näherten (Ende 666, Anfang 667 88, 87).
So gebietend war die Stellung Mithradats vor allem zur See, daß eine Botschaft der italischen Insurgenten ihn auffordern konnte, einen Landungsversuch in Italien zu machen; allein ihre Sache war damals bereits verloren und der König wies das Ansinnen zurück.
Die Lage der römischen Regierung fing an bedenklich zu werden. Kleinasien und Hellas waren ganz, Makedonien zum guten Teil in Feindeshand; auf der See herrschte ohne Nebenbuhler die pontische Flagge. Dazu kam die italische Insurrektion, die, im ganzen zu Boden geschlagen, immer noch in weiten Gebieten Italiens unbestritten die Herrschaft führte; dazu die kaum beschwichtigte Revolution, die jeden Augenblick drohte, wiederum und furchtbarer emporzulodern; dazu endlich die durch die inneren Unruhen in Italien und die ungeheuren Verluste der asiatischen Kapitalisten hervorgerufene fürchterliche Handels- und Geldkrise und der Mangel an zuverlässigen Truppen. Die Regierung hätte dreier Armeen bedurft, um in Rom die Revolution niederzuhalten, in Italien die Insurrektion völlig zu ersticken und in Asien Krieg zu führen; sie hatte eine einzige, die des Sulla, denn die Nordarmee war unter dem unzuverlässigen Gnaeus Strabo nichts als eine Verlegenheit mehr. Die Wahl unter jenen drei Aufgaben stand bei Sulla; er entschied sich, wie wir sahen, für den asiatischen Krieg. Es war nichts Geringes, man darf vielleicht sagen eine große patriotische Tat, daß in diesem Konflikt des allgemeinen vaterländischen und des besonderen Parteiinteresses das erstere die Oberhand behielt und Sulla trotz der Gefahren, die seine Entfernung aus Italien für seine Verfassung und für seine Partei nach sich zog, dennoch im Frühling 667 (87) landete an der Küste von Epeiros. Aber er kam nicht, wie sonst römische Oberfeldherrn im Osten aufzutreten pflegten. Daß sein Heer von fünf Legionen oder höchstens 30000 MannMan muß sich erinnern, daß seit dem Bundesgenossenkrieg auf die Legion, da sie nicht mehr von italischen Kontingenten begleitet ist, mindestens nur die halbe Mannzahl kommt wie vordem. wenig stärker war als eine gewöhnliche Konsulararmee, war das wenigste. Sonst hatte in den östlichen Kriegen eine römische Flotte niemals gefehlt, ja ohne Ausnahme die See beherrscht; Sulla, gesandt, um zwei Kontinente und die Inseln des Ägäischen Meeres wiederzuerobern, kam ohne ein einziges Kriegsschiff. Sonst hatte der Feldherr eine volle Kasse mit sich geführt und den größten Teil seiner Bedürfnisse auf dem Seeweg aus der Heimat bezogen; Sulla kam mit leeren Händen – denn die für den Feldzug von 666 (88) mit Not flüssig gemachten Summen waren in Italien draufgegangen – und sah sich ausschließlich angewiesen auf Requisitionen. Sonst hatte der Feldherr seinen einzigen Gegner im feindlichen Lager gefunden und hatten dem Landesfeind gegenüber seit der Beendigung des Ständekampfes die politischen Faktionen ohne Ausnahme zusammengestanden; unter Mithradates' Feldzeichen fochten namhafte römische Männer, große Landschaften Italiens begehrten, mit ihm in Bündnis zu treten, und es war wenigstens zweifelhaft, ob die demokratische Partei das rühmliche Beispiel, das Sulla ihr gegeben, befolgen und mit ihm Waffenstillstand halten werde, solange er gegen den asiatischen König focht. Aber der rasche General, der mit all diesen Verlegenheiten zu ringen hatte, war nicht gewohnt, vor Erledigung der nächsten Aufgabe um die ferneren Gefahren sich zu bekümmern. Da seine an den König gerichteten Friedensanträge, die im wesentlichen auf die Wiederherstellung des Zustandes vor dem Kriege hinausliefen, keine Annahme fanden, so rückte er, wie er gelandet war, von den epeirotischen Häfen bis nach Böotien vor, schlug hier am Thilphossischen Berge die Feldherren der Feinde, Archelaos und Aristion, und bemächtigte sich nach diesem Siege fast ohne Widerstand des gesamten griechischen Festlandes mit Ausnahme der Festung Athen und des Peiräeus, wohin Aristion und Archelaos sich geworfen hatten und die durch einen Handstreich zu nehmen mißlang. Eine römische Abteilung unter Lucius Hortensius besetzte Thessalien und streifte bis in Makedonien; eine andere unter Munatius stellte vor Chalkis sich auf, um das unter Neoptolemos auf Euböa stehende feindliche Korps abzuwehren; Sulla selbst bezog ein Lager bei Eleusis und Megara, von wo aus er Griechenland und den Peloponnes beherrschte und die Belagerung der Stadt und des Hafens von Athen betrieb. Die hellenischen Städte, wie immer von der nächsten Furcht regiert, unterwarfen sich den Römern auf jede Bedingung und waren froh, wenn sie mit Lieferungen von Vorräten und Mannschaft und mit Geldbußen schwerere Strafen abkaufen durften. Minder rasch gingen die Belagerungen in Attika vonstatten. Sulla sah sich genötigt, in aller Form das schwere Belagerungszeug zu rüsten, wozu die Bäume der Akademie und des Lykeion das Holz liefern mußten. Archelaos leitete die Verteidigung ebenso kräftig wie besonnen; er bewaffnete seine Schiffsmannschaft, schlug also verstärkt die Angriffe der Römer mit überlegener Macht ab und machte häufige und nicht selten glückliche Ausfälle. Zwar die zum Entsatz herbeirückende pontische Armee des Dromichätes ward unter den Mauern Athens nach hartem Kampf, bei dem namentlich Sullas tapferer Unterfeldherr Lucius Licinius Murena sich hervortat, von den Römern geschlagen; aber die Belagerung schritt darum nicht rascher vor. Von Makedonien aus, wo die Kappadokier inzwischen sich definitiv festgesetzt hatten, kam reichliche und regelmäßige Zufuhr zur See, die Sulla nicht imstande war, der Hafenfestung abzuschneiden; in Athen gingen zwar die Vorräte auf die Neige, doch konnte bei der Nähe der beiden Festungen Archelaos mehrfache Versuche machen, Getreidetransporte nach Athen zu werfen, die nicht alle mißlangen. So verfloß in peinlicher Resultatlosigkeit der Winter 667/68 (87/86). Wie die Jahreszeit es erlaubte, warf Sulla sich mit Ungestüm auf den Peiräeus; in der Tat gelang es, durch Geschütze und Minen einen Teil der gewaltigen Perikleischen Mauern in Bresche zu legen, und sofort schritten die Römer zum Sturm; allein er ward abgeschlagen, und als er wiederholt ward, fanden sich hinter den eingestürzten Mauerteilen halbmondförmige Verschanzungen errichtet, aus denen die Eindringenden sich von drei Seiten beschossen und zur Umkehr gezwungen sahen. Sulla hob darauf die Belagerung auf und begnügte sich mit einer Blockade. In Athen waren inzwischen die Lebensmittel ganz zu Ende gegangen; die Besatzung versuchte eine Kapitulation zustande zu bringen, aber Sulla wies ihre redefertigen Boten zurück mit dem Bedeuten, daß er nicht als Student, sondern als General vor ihnen stehe und nur unbedingte Unterwerfung annehme. Als Aristion, wohl wissend, welches Schicksal dann ihm bevorstand, damit zögerte, wurden die Leitern angelegt und die kaum noch verteidigte Stadt erstürmt (1. März 668 86). Aristion warf sich in die Akropolis, wo er bald darauf sich ergab. Der römische Feldherr ließ die Soldateska in der eroberten Stadt morden und plündern und die angeseheneren Rädelsführer des Abfalls hinrichten; die Stadt selbst aber erhielt von ihm ihre Freiheit und ihre Besitzungen, sogar das wichtige Delos zurück und ward also noch einmal gerettet durch ihre herrlichen Toten.
Über den Epikureischen Schulmeister also hatte man gesiegt; indes Sullas Lage blieb im höchsten Grade peinlich, ja verzweifelt. Mehr als ein Jahr stand er nun im Felde, ohne irgendeinen nennenswerten Schritt vorwärtsgekommen zu sein, ein einziger Hafenplatz spottete all seiner Anstrengungen, während Asien gänzlich sich selbst überlassen, die Eroberung Makedoniens von Mithradates' Statthaltern kürzlich durch die Einnahme von Amphipolis vollendet war. Ohne Flotte – dies zeigte sich immer deutlicher – war es nicht bloß unmöglich, die Verbindungen und die Zufuhr von den feindlichen und den zahllosen Piratenschiffen zu sichern, sondern auch nur den Peiräeus, geschweige denn Asien und die Inseln wiederzugewinnen; und doch ließ sich nicht absehen, wie man zu Kriegsschiffen gelangen konnte. Schon im Winter 667/68 (87/86) hatte Sulla einen seiner fähigsten und gewandtesten Offiziere, Lucius Licinius Lucullus, in die östlichen Gewässer entsandt, um dort womöglich Schiffe aufzutreiben. Mit sechs offenen Booten, die er von den Rhodiern und andern kleinen Gemeinden zusammengeborgt hatte, lief Lucullus aus; einem Piratengeschwader, das die meisten seiner Boote aufbrachte, entging er selbst nur durch einen Zufall; mit gewechselten Schiffen den Feind täuschend, gelangte er über Kreta und Kyrene nach Alexandreia; allein der ägyptische Hof schlug die Bitte um Unterstützung mit Kriegsschiffen ebenso höflich wie entschieden ab. Kaum irgendwo zeigt sich so deutlich wie hier der tiefe Verfall des römischen Staats, der einst das Angebot der Könige von Ägypten, mit ihrer ganzen Seemacht den Römern beizustehen, dankbar abzulehnen vermocht hatte und jetzt selbst den alexandrinischen Staatsmännern schon bankrott erschien. Zu allem dem kam die finanzielle Bedrängnis; schon hatte Sulla die Schatzhäuser des Olympischen Zeus, des Delphischen Apollon, des Epidaurischen Asklepios leeren müssen, wofür die Götter entschädigt wurden durch die zur Straße eingezogene Halbscheid des thebanischen Gebiets. Aber weit schlimmer als all diese militärische und finanzielle Verlegenheit war der Rückschlag der politischen Umwälzung in Rom, deren rasche, durchgreifende, gewaltsame Vollendung die ärgsten Befürchtungen weit hinter sich gelassen hatte. Die Revolution führte in der Hauptstadt das Regiment; Sulla war abgesetzt, das asiatische Kommando an seiner Stelle dem demokratischen Konsul Lucius Valerius Flaccus übertragen worden, den man täglich in Griechenland erwarten konnte. Zwar hatte die Soldateska festgehalten an Sulla, der alles tat, um sie bei guter Laune zu erhalten; aber was ließ sich erwarten, wo Geld und Zufuhr ausblieben, wo der Feldherr abgesetzt und geächtet, sein Nachfolger im Anmarsch war und zu allem diesem der Krieg gegen den zähen seemächtigen Gegner aussichtslos sich hinspann!
König Mithradates übernahm es, den Gegner aus seiner bedenklichen Lage zu befreien. Allem Anschein nach war er es, der das Defensivsystem seiner Generale mißbilligte und ihnen Befehl schickte, den Feind fördersamst zu überwinden. Schon 667 (87) war sein Sohn Ariarathes aus Makedonien aufgebrochen, um Sulla im eigentlichen Griechenland zu bekämpfen; nur der plötzliche Tod, der den Prinzen auf dem Marsch am Tisäischen Vorgebirg in Thessalien ereilte, hatte die Expedition damals rückgängig gemacht. Sein Nachfolger Taxiles erschien jetzt (668 86), das in Thessalien stehende römische Korps vor sich hertreibend, mit einem Heer von angeblich 100000 Mann zu Fuß und 10000 Reitern an den Thermopylen. Mit ihm vereinigte sich Dromichätes. Auch Archelaos räumte – es scheint, weniger durch Sullas Waffen gezwungen als durch Befehle seines Herrn – den Peiräeus erst teilweise, sodann ganz und stieß in Böotien zu der pontischen Hauptarmee. Sulla, nachdem der Peiräeus mit all seinen vielbewunderten Bauwerken auf seinen Befehl zerstört worden war, folgte der pontischen Armee in der Hoffnung, vor dem Eintreffen des Flaccus eine Hauptschlacht liefern zu können. Vergeblich riet Archelaos, sich hierauf nicht einzulassen, sondern die See und die Küsten besetzt und den Feind hinzuhalten; wie einst unter Dareios und Antiochos, so stürzten auch jetzt die Massen der Orientalen, wie geängstigte Tiere in die Feuersbrunst, sich rasch und blindlings in den Kampf; und törichter als je war dies hier angewandt, wo die Asiaten vielleicht nur einige Monate hätten warten dürfen, um bei einer Schlacht zwischen Sulla und Flaccus die Zuschauer abzugeben. In der Ebene des Kephissos unweit Chäroneia im März 668 (86) trafen die Heere aufeinander. Selbst mit Einschluß der aus Thessalien zurückgedrängten Abteilung, der es geglückt war, ihre Verbindung mit der römischen Hauptarmee zu bewerkstelligen, und mit Einschluß der griechischen Kontingente fand sich das römische Heer einem dreifach stärkeren Feind gegenüber und namentlich einer weit überlegenen und bei der Beschaffenheit des Schlachtfeldes sehr gefährlichen Reiterei, gegen die Sulla seine Flanken durch verschanzte Gräben zu decken nötig fand, sowie er in der Front zum Schutz gegen die feindlichen Streitwagen zwischen seiner ersten und zweiten Linie eine Palisadenkette anbringen ließ. Als die Streitwagen den Kampf zu eröffnen heranrollten, zog sich das erste Treffen der Römer hinter diese Pfahlreihe zurück; die Wagen, an ihr abprallend und gescheucht durch die römischen Schleuderer und Schützen, warfen sich auf die eigene Linie und brachten Verwirrung sowohl in die makedonische Phalanx wie in das Korps der italischen Flüchtlinge. Archelaos zog eilig seine Reiterei von beiden Flanken herbei und schickte sie dem Feinde entgegen, um Zeit zu gewinnen, sein Fußvolk wieder zu ordnen; sie griff mit großem Feuer an und durchbrach die römischen Reihen; allein die römische Infanterie formierte sich rasch in geschlossene Massen und hielt den von allen Seiten auf sie anstürmenden Reitern mutig stand. Inzwischen führte Sulla selbst auf dem rechten Flügel seine Reiterei in die entblößte Flanke des Feindes; die asiatische Infanterie wich, ohne eigentlich zum Schlagen gekommen zu sein, und ihr Weichen brachte Unruhe auch in die Reitermassen. Ein allgemeiner Angriff des römischen Fußvolks, das durch die schwankende Haltung der feindlichen Reiter wieder Luft bekam, entschied den Sieg. Die Schließung der Lagertore, die Archelaos anordnete, um die Flucht zu hemmen, bewirkte nur, daß das Blutbad um so größer ward und, als die Tore endlich sich auftaten, die Römer mit den Asiaten zugleich eindrangen. Nicht den zwölften. Mann soll Archelaos nach Chalkis gerettet haben. Sulla folgte ihm bis an den Euripos; den schmalen Meeresarm zu überschreiten war er nicht imstande.
Es war ein großer Sieg, aber die Resultate waren geringfügig, was wegen des Mangels einer Flotte, teils weil der römische Sieger sich genötigt sah, statt die Besiegten zu verfolgen, zunächst vor seinen Landsleuten sich zu schützen. Die See war noch immer ausschließlich bedeckt von den pontischen Geschwadern, die jetzt selbst westlich vom Malfischen Vorgebirge sich zeigten; noch nach der Schlacht von Chäroneia setzte Archelaos auf Zakynthos Truppen ans Land und machte einen Versuch, auf dieser Insel sich festzusetzen. Ferner war inzwischen in der Tat Lucius Flaccus mit zwei Legionen in Epeiros gelandet, nicht ohne unterwegs durch Stürme und durch die im Adriatischen Meer kreuzenden feindlichen Kriegsschiffe starken Verlust erlitten zu haben; bereits standen seine Truppen in Thessalien; dorthin zunächst mußte Sulla sich wenden. Bei Melitäa am nördlichen Abhang des Othrysgebirges lagerten beide römischen Heere sich gegenüber; ein Zusammenstoß schien unvermeidlich. Indes Flaccus, nachdem er Gelegenheit gehabt hatte sich zu überzeugen, daß Sullas Soldaten keineswegs geneigt war ihren siegreichen Führer an den gänzlich unbekannten demokratischen Oberfeldherrn zu verraten, daß vielmehr seine eigene Vorhut anfing, in das Sullanische Lager zu desertieren, wich dem Kampfe aus, dem er in keiner Hinsicht gewachsen war, und brach auf gegen Norden, um durch Makedonien und Thrakien nach Asien zu gelangen und dort durch Überwältigung Mithradats sich den Weg zu weiteren Erfolgen zu bahnen. Daß Sulla den schwächeren Gegner ungehindert abziehen ließ und, statt ihm zu folgen, vielmehr zurück nach Athen ging, wo er den Winter 668/69 (86/85) verweilt zu haben scheint, ist militärisch betrachtet auffallend; vielleicht darf man annehmen, daß auch hier politische Beweggründe ihn leiteten und er gemäßigt und
Patriotisch genug dachte, um wenigstens so lange, als man doch mit den Asiaten zu tun hatte, gern einen Sieg über die Landsleute zu vermeiden und die erträglichste Lösung der leidigen Verwicklung darin zu finden, wenn die Revolutionsarmee in Asien, die der Oligarchie in Europa mit dem gemeinschaftlichen Feinde stritt.
Mit dem Frühling 669 (85) gab es in Europa wieder neue Arbeit. Mithradates, der in Kleinasien seine Rüstungen unermüdlich fortsetzte, hatte eine, der bei Chäroneia aufgeriebenen an Zahl nicht viel nachstehende Armee unter Dorylaos nach Euböa gesandt; von dort war dieselbe in Verbindung mit den Überbleibseln der Armee des Archelaos über den Euripos nach Böotien gegangen. Der pontische König, der in den Siegen über die bithynische und die kappadokische Miliz den Maßstab fand für die Leistungsfähigkeit seiner Armee, begriff die ungünstige Wendung nicht, die die Dinge in Europa nahmen; schon flüsterten die Kreise der Höflinge von Verrat des Archelaos; peremtorischer Befehl war gegeben, mit der neuen Armee sofort eine zweite Schlacht zu liefern und nun unfehlbar die Römer zu vernichten. Der Wille des Herrn geschah, wo nicht im Siegen, doch wenigstens im Schlagen. Abermals in der Kephissosebene bei Orchomenos, begegneten sich die Römer und die Asiaten. Die zahlreiche und vortreffliche Reiterei der letzteren warf sich ungestüm auf das römische Fußvolk, das zu schwanken und zu weichen begann; die Gefahr ward so dringend, daß Sulla ein Feldzeichen ergriff und mit seinen Adjutanten und Ordonnanzen gegen den Feind vorgehend mit lauter Stimme den Soldaten zurief, wenn man daheim sie frage, wo sie ihren Feldherrn im Stich gelassen hätten, so möchten sie antworten: bei Orchomenos. Dies wirkte; die Legionen standen wieder und überwältigten die feindlichen Reiter, worauf auch die Infanterie mit leichter Mühe geworfen ward. Am folgenden Tage wurde das Lager der Asiaten umstellt und erstürmt; der weitaus größte Teil derselben fiel oder kam in den Kopaischen Sümpfen um; nur wenige, unter ihnen Archelaos, gelangten nach Euböa. Die böotischen Gemeinden hatten den abermaligen Abfall von Rom schwer, zum Teil bis zur Vernichtung zu büßen. Dem Einmarsch in Makedonien und Thrakien stand nichts im Wege: Philippi ward besetzt, Abdera von der pontischen Besatzung freiwillig geräumt, überhaupt das europäische Festland von den Feinden gesäubert. Am Ende des dritten Kriegsjahres (669 85) konnte Sulla Winterquartiere in Thessalien beziehen, um im Frühjahr 670 (84)Die Chronologie dieser Ereignisse liegt, wie alle Einzelheiten überhaupt, in einem Dunkel, das die Forschung höchstens bis zur Dämmerung zu zerstreuen vermag. Daß die Schlacht von Chäroneia, wenn auch nicht an demselben Tage wie die Erstürmung von Athen (Paus. 1, 20), doch bald nachher, etwa im März 668 (86), stattfand, ist ziemlich sicher. Daß die darauf folgende thessalische und die zweite böotische Kampagne nicht bloß den Rest des Jahres 668 (86), sondern auch das ganze Jahr 669 (85) in Anspruch nahmen, ist an sich wahrscheinlich und wird es noch mehr dadurch, daß Sullas Unternehmungen in Asien nicht genügen, um mehr als einen Feldzug auszufüllen. Auch scheint Licinianus anzudeuten, daß Sulla für den Winter 668/69 (86/85) wieder nach Athen zurückging und hier die Untersuchungen und Bestrafungen vornahm; worauf dann die Schlacht von Orchomenos erzählt wird. Darum ist der Übergang Sullas nach Asien nicht 669 (85), sondern 670 (84) gesetzt worden. den asiatischen Feldzug zu beginnen, zu welchem Ende er Befehl gab, in den thessalischen Häfen Schiffe zu bauen.
Inzwischen hatten auch die kleinasiatischen Verhältnisse sich wesentlich geändert. Wenn König Mithradates einst aufgetreten war als der Befreier der Hellenen, wenn er mit Förderung der städtischen Unabhängigkeit und mit Steuererlassen seine Herrschaft eingeleitet hatte, so war auf diesen kurzen Taumel nur zu rasch und nur zu bitter die Enttäuschung gefolgt. Sehr bald war er in seinem wahren Charakter hervorgetreten und hatte eine die Tyrannei der römischen Vögte weit überbietende Zwingherrschaft zu üben begonnen, die sogar die geduldigen Kleinasiaten zu offener Auflehnung trieb. Der Sultan griff dagegen wieder zu den gewaltsamsten Mitteln. Seine Verordnungen verliehen den zugewandten Ortschaften die Selbständigkeit, den Insassen das Bürgerrecht, den Schuldnern vollen Schuldenerlaß, den Besitzlosen Äcker, den Sklaven die Freiheit; an 15000 solcher freigelassener Sklaven fochten im Heer des Archelaos. Die fürchterlichsten Szenen waren die Folge dieser von oben herab erfolgenden Umwälzung aller bestehenden Ordnung. Die ansehnlichsten Kaufstädte, Smyrna, Kolophon, Ephesos, Tralleis, Sardeis, schlossen den Vögten des Königs die Tore oder brachten sie um und erklärten sich für RomEs ist kürzlich (Waddington, Zusätze zu Lebas, 3, 136a) der desfällige Beschluß der Bürgerschaft von Ephesos aufgefunden worden. Sie seien, erklären die Bürger, in die Gewalt des "Königs von Kappadokien" Mithradates geraten, erschreckt durch die Masse seiner Streitkräfte und die Plötzlichkeit seines Angriffs; wie aber die Gelegenheit dazu sich darbiete, erklärten sie "für die Herrschaft (ηγεμονία) der Römer und die gemeine Freiheit" ihm den Krieg.. Dagegen ließ der königliche Vogt Diodoros, ein namhafter Philosoph wie Aristion, von anderer Schule, aber gleich brauchbar zur schlimmsten Herrendienerei, im Auftrag seines Herrn den gesamten Stadtrat von Adramytion niedermachen. Die Chier, die der Hinneigung zu Rom verdächtig schienen, wurden zunächst um 2000 Talente (3150000 Taler) gebüßt und, da die Zahlung nicht richtig befunden wurde, in Masse auf Schiffe gesetzt und gebunden, unter Aufsicht ihrer eigenen Sklaven, an die kolchische Küste deportiert, während ihre Insel mit pontischen Kolonisten besetzt ward. Die Häuptlinge der kleinasiatischen Kelten befahl der König sämtlich an einem Tage mit ihren Weibern und Kindern umzubringen und Galatien in eine pontische Satrapie zu verwandeln. Die meisten dieser Blutbefehle wurden auch entweder an Mithradates' eigenem Hoflager oder im galatischen Lande vollstreckt, allein die wenigen Entronnenen stellten sich an die Spitze ihrer kräftigen Stämme und schlugen den Statthalter des Königs, Eumachos, aus ihren Grenzen hinaus. Daß diesen König die Dolche der Mörder verfolgten, ist begreiflich; sechzehnhundert Menschen wurden als in solche Komplotte verwickelt von den königlichen Untersuchungsgerichten zum Tode verurteilt.
Wenn also der König durch dies selbstmörderische Wüten seine derzeitigen Untertanen gegen sich unter die Waffen rief, so begannen gleichzeitig die Römer auch in Asien, ihn zur See und zu Lande zu drängen. Lucullus hatte, nachdem der Versuch, die ägyptische Flotte gegen Mithradates vorzuführen, gescheitert war, sein Bemühen, sich Kriegsschiffe zu verschaffen, in den syrischen Seestädten mit besserem Erfolg wiederholt und seine werdende Flotte in den kyprischen, pamphylischen und rhodischen Häfen verstärkt, bis er sich stark genug fand, zum Angriff überzugehen. Gewandt vermied er es, mit überlegenen Streitkräften sich zu messen und errang dennoch nicht unbedeutende Erfolge. Die knidische Insel und Halbinsel wurden von ihm besetzt, Samos angegriffen, Kolophon und Chios den Feinden entrissen.
Inzwischen war auch Flaccus mit seiner Armee durch Makedonien und Thrakien nach Byzantion und von dort, die Meerenge passierend, nach Kalchedon gelangt (Ende 668 86). Hier brach gegen den Feldherrn eine Militärinsurrektion aus, angeblich weil er den Soldaten die Beute unterschlug; die Seele derselben war einer der höchsten Offiziere des Heeres, ein Mann, dessen Name in Rom sprichwörtlich geworden war für den rechten Pöbelredner, Gaius Flavius Fimbria, welcher, nachdem er mit seinem Oberfeldherrn sich entzweit hatte, das auf dem Markt begonnene Demagogengeschäft ins Lager übertrug. Flaccus ward von dem Heer abgesetzt und bald nachher in Nikomedeia unweit Kalchedon getötet; an seine Stelle trat nach Beschluß der Soldaten Fimbria. Es versteht sich, daß er seinen Leuten alles nachsah: in dem befreundeten Kyzikos zum Beispiel ward der Bürgerschaft befohlen, ihre gesamte Habe an die Soldaten bei Todesstrafe auszuliefern und zum warnenden Exempel zwei der angesehensten Bürger sogleich vorläufig hingerichtet. Allein militärisch war der Wechsel des Oberbefehls dennoch ein Gewinn; Fimbria war nicht wie Flaccus ein unfähiger General, sondern energisch und talentvoll. Bei Miletopolis (am Rhyndakos westlich von Brussa) schlug er den jüngeren Mithradates, der als Statthalter der pontischen Satrapie ihm entgegengezogen war, vollständig in einem nächtlichen Überfall und öffnete sich durch diesen Sieg den Weg nach der Hauptstadt sonst der römischen Provinz, jetzt des pontischen Königs, Pergamon, von wo er den König vertrieb und ihn zwang, sich nach dem wenig entfernten Hafen Pitane zu retten, um dort sich einzuschiffen. Eben jetzt erschien Lucullus mit seiner Flotte in diesen Gewässern; Fimbria beschwor ihn, durch seinen Beistand ihm die Gefangennehmung des Königs möglich zu machen. Aber der Optimat war mächtiger in Lucullus als der Patriot; er segelte weiter, und der König entkam nach Mytilene. Auch so war Mithradates' Lage bedrängt genug. Am Ende des Jahres 669 (85) war Europa verloren, Kleinasien gegen ihn teils im Aufstand begriffen, teils von einem römischen Heer eingenommen und er selbst von diesem in unmittelbarer Nähe bedroht. Die römische Flotte unter Lucullus hatte an der Küste der troischen Landschaft in zwei glücklichen Seegefechten am Vorgebirg Lekton und bei der Insel Tenedos ihre Stellung behauptet; sie zog daselbst die inzwischen nach Sullas Anordnung in Thessalien erbauten Schiffe an sich und verbürgte in ihrer den Hellespont beherrschenden Stellung dem Feldherrn der römischen Senatsarmee für das nächste Frühjahr den sicheren und bequemen Übergang nach Asien.
Mithradates versuchte zu unterhandeln. Unter anderen Verhältnissen zwar hätte der Urheber des ephesischen Mordedikts nie und nimmermehr hoffen dürfen, zum Frieden mit Rom gelassen zu werden; allein bei den inneren Konvulsionen der römischen Republik, wo die herrschende Regierung den gegen Mithradates ausgesandten Feldherrn in die Acht erklärt hatte und daheim gegen seine Parteigenossen in der grauenhaftesten Weise wütete, wo ein römischer General gegen den andern und doch wieder beide gegen denselben Feind standen, hoffte er nicht bloß einen Frieden, sondern einen günstigen Frieden erlangen zu können. Er hatte die Wahl, sich an Sulla oder an Fimbria zu wenden; mit beiden ließ er unterhandeln, doch scheint seine Absicht von Haus aus gewesen zu sein, mit Sulla abzuschließen, der wenigstens in dem Horizont des Königs als seinem Nebenbuhler entschieden überlegen erschien. Sein Feldherr Archelaos forderte nach Anweisung seines Herrn Sulla auf, Asien an den König abzutreten und dafür die Hilfe desselben gegen die demokratische Partei in Rom zu gewärtigen. Aber Sulla, kühl und klar wie immer, wünschte zwar wegen der Lage der Dinge in Italien dringend die schleunige Erledigung der asiatischen Angelegenheiten, schlug aber die Vorteile der kappadokischen Allianz für den ihm in Italien bevorstehenden Krieg sehr niedrig an und war überhaupt viel zu sehr Römer, um in eine so entehrende und so nachteilige Abtretung zu willigen. In den Friedenskonferenzen, die im Winter 669/70 (85/84) zu Delion an der böotischen Küste, Euböa gegenüber, stattfanden, weigerte er sich bestimmt, auch nur einen Fußbreit Landes abzutreten, ging aber, der alten römischen Sitte, die vor dem Kampfe erhobenen Forderungen nach dem Siege nicht zu steigern, aus gutem Grunde getreu, über die früher gestellten Bedingungen nicht hinaus. Er forderte die Rückgabe aller von dem König gemachten und ihm noch nicht wiederentrissenen Eroberungen, Kappadokiens, Paphlagoniens, Galatiens, Bithyniens, Kleinasiens und der Inseln, die Auslieferung der Gefangenen und Überläufer, die Übergabe der achtzig Kriegsschiffe des Archelaos zur Verstärkung der immer noch geringen römischen Flotte, endlich Sold und Verpflegung für das Heer und Ersatz der Kriegskosten mit der sehr mäßigen Summe von 3000 Talenten (4¾ Mill. Taler). Die nach dem Schwarzen Meer weggeführten Chier sollten heimgesandt, den römisch gesinnten Makedoniern ihre weggeführten Familien zurückgegeben, den mit Rom verbündeten Städten eine Anzahl Kriegsschiffe zugestellt werden. Von Tigranes, der streng genommen gleichfalls mit in den Frieden hätte eingeschlossen werden sollen, schwieg man auf beiden Seiten, da an den endlosen Weiterungen, die seine Beiziehung machen mußte, keinem der kontrahierenden Teile gelegen war. Der Besitzstand also, den der König vor dem Kriege gehabt hatte, blieb ihm und es ward ihm keine ehrenkränkende Demütigung angesonnenDie Angabe, daß Mithradates den Städten, die seine Partei ergriffen hatten im Frieden Straflosigkeit ausbedungen habe (Memn. 35), erscheint schon nach dem Charakter des Siegers wie des Besiegten wenig glaublich und fehlt auch bei Appian wie bei Licinianus. Die schriftliche Abfassung des Friedensvertrages ward versäumt, was später zu vielen Entstellungen benutzt ward.. Archelaos, deutlich erkennend, daß verhältnismäßig unerwartet viel erreicht und mehr nicht zu erreichen sei, schloß auf diese Bedingungen die Präliminarien und den Waffenstillstand ab und zog die Truppen aus den Plätzen heraus, die die Asiaten noch in Europa innehatten. Allein Mithradates verwarf den Frieden und begehrte wenigstens, daß die Römer auf die Auslieferung der Kriegsschiffe verzichten und ihm Paphlagonien einräumen wollten; indem er zugleich geltend machte, daß Fimbria ihm weit günstigere Bedingungen zu gewähren bereit sei. Sulla, beleidigt durch dies Gleichstellen seiner Anerbietungen mit denen eines amtlosen Abenteurers und bei dem äußersten Maß der Nachgiebigkeit bereits angelangt, brach die Unterhandlungen ab. Er hatte die Zwischenzeit benutzt, um Makedonien wiederzuordnen und die Dardaner, Sinter, Mäder zu züchtigen, wobei er zugleich seinem Heer Beute verschaffte und sich Asien näherte; denn dahin zu gehen war er auf jeden Fall entschlossen, um mit Fimbria abzurechnen. Nun setzte er sofort seine in Thrakien stehenden Legionen sowie seine Flotte in Bewegung nach dem Hellespont. Da endlich gelang es Archelaos, seinem eigensinnigen Herrn die widerstrebende Einwilligung zu dem Traktat zu entreißen; wofür er später am königlichen Hofe als der Urheber des nachteiligen Friedens scheel angesehen, ja des Verrats bezichtigt ward, so daß einige Zeit nachher er sich genötigt sah, das Land zu räumen und zu den Römern zu flüchten, die ihn bereitwillig aufnahmen und mit Ehren überhäuften. Auch die römischen Soldaten murrten; daß die gehoffte asiatische Kriegsbeute ihnen entging, mochte dazu freilich mehr beitragen als der an sich wohl gerechtfertigte Unwille, daß man den Barbarenfürsten, der achtzigtausend ihrer Landsleute ermordet und über Italien und Asien unsägliches Elend gebracht hatte, mit dem größten Teil der in Asien zusammengeplünderten Schätze ungestraft abziehen ließ in seine Heimat. Sulla selbst mag es schmerzlich empfunden haben, daß die politischen Verwicklungen seine militärisch so einfache Aufgabe in peinlichster Weise durchkreuzten und ihn zwangen, nach solchen Siegen sich mit einem solchen Frieden zu begnügen. Indes zeigt sich die Selbstverleugnung und die Einsicht, mit der er diesen ganzen Krieg geführt hat, nur aufs neue in diesem Friedensschluß; denn der Krieg gegen einen Fürsten, dem fast die ganze Küste des Schwarzen Meeres gehorchte und dessen Starrsinn noch die letzten Verhandlungen deutlich offenbarten, nahm selbst im günstigsten Fall Jahre in Anspruch, und die Lage Italiens war von der Art, daß es fast schon für Sulla zu spät schien, um mit den wenigen Legionen, die er besaß, der dort regierenden Partei entgegenzutretenAuch die armenische Tradition kennt den Ersten Mithradatischen Krieg. König Ardasches von Armenien, berichtet Moses von Khorene, begnügte sich nicht mit dem zweiten Rang, der ihm im Persischen (Parthischen) Reich von Rechts wegen zukam, sondern zwang den Partherkönig Arschagan, ihm die höchste Gewalt abzutreten, worauf er in Persien sich einen Palast bauen und daselbst Münzen mit eigenem Bildnis schlagen ließ und den Arschagan zum Unterkönig Persiens, seinen Sohn Dicran (Tigranes) zum Unterkönig Armeniens bestellte, seine Tochter Ardaschama aber vermählte mit dem Großfürsten der Iberer Mihrdates (Mithradates), der von dem Mihrdates, Satrapen des Dareios und Statthalters Alexanders über die besiegten Iberer, abstammte und in den nördlichen Bergen sowie über das Schwarze Meer befahl. Ardasches nahm darauf den König der Lydier Krösos gefangen, unterwarf das Festland zwischen den beiden großen Meeren (Kleinasien) und ging über das Meer mit unzähligen Schiffen, um den Westen zu bezwingen. Da in Rom damals Anarchie war, fand er nirgends ernstlichen Widerstand, aber seine Soldaten brachten einander um und Ardasches fiel von der Hand seiner Leute. Nach Ardasches' Tode rückte sein Nachfolger Dicran gegen die Armee der Griechen (d. i. der Römer), die jetzt ihrerseits in das armenische Land eindrangen; er setzte ihrem Vordringen ein Ziel, übergab seinem Schwager Mithradates die Verwaltung von Madschag (Mazaka in Kappadokien) und des Binnenlandes nebst einer ansehnlichen Streitmacht und kehrte zurück nach Armenien. Viele Jahre später zeigte man noch in den armenischen Städten Statuen griechischer Götter von bekannten Meistern, Siegeszeichen aus diesem Feldzug.
Man erkennt hier verschiedene Tatsachen des Ersten Mithradatischen Kriegs ohne Mühe wieder, aber die ganze Erzählung ist augenscheinlich durcheinandergeworfen, mit fremdartigen Zusätzen ausgestattet und namentlich durch patriotische Fälschung auf Armenien übertragen. Ganz ebenso wird später der Sieg über Crassus den Armeniern beigelegt. Diese orientalischen Nachrichten sind mit um so größerer Vorsicht aufzunehmen, als sie keineswegs reine Volkssage sind, sondern teils die Nachrichten des Josephus, Eusebius und anderer, den Christen des fünften Jahrhunderts geläufiger Quellen darin mit den armenischen Traditionen verschmolzen, teils auch die historischen Romane der Griechen und ohne Frage auch die eigenen patriotischen Phantasien des Moses dafür ansehnlich in Kontribution gesetzt sind. So schlecht unsere okzidentalische Überlieferung an sich ist, so kann die Zuziehung der orientalischen in diesem und in ähnlichen Fällen, wie zum Beispiel der unkritische Saint-Martin sie versucht hat, doch nur dahin führen, sie noch stärker zu trüben.
Sulla beschloß, diese beiden Legionen, denen er für den bevorstehenden Krieg doch nicht traute, in Asien zurückzulassen, wo die entsetzliche Krise noch lange in den einzelnen Städten und Landschaften nachzitterte. Das Kommando über dieses Korps und die Statthalterschaft im römischen Asien übergab er seinem besten Offizier Lucius Licinius Murena. Die revolutionären Maßregeln Mithradats, wie die Befreiung der Sklaven und die Kassation der Forderungen, wurden natürlich aufgehoben; eine Restauration, die freilich an vielen Orten nicht ohne Waffengewalt durchgesetzt werden konnte. Die Städte des östlichen Grenzgebiets unterlagen einer durchgreifenden Reorganisation und rechneten seit dem Jahre 670 (84) als dem ihrer Konstituierung. Es ward ferner Gerechtigkeit geübt, wie die Sieger sie verstanden. Die namhaftesten Anhänger Mithradats und die Urheber der an den Italikern verübten Mordtaten traf die Todesstrafe. Die Steuerpflichtigen mußten die sämtlichen von den letzten fünf Jahren her rückständigen Zehnten und Zölle sofort nach Abschätzung bar erlegen; außerdem hatten sie eine Kriegsentschädigung von 20000 Talenten (32 Mill. Talern) zu entrichten, zu deren Eintreibung Lucius Lucullus zurückblieb. Es waren die Maßregeln von furchtbarer Strenge und schrecklichen Folgen; wenn man sich indes des ephesischen Dekrets und seiner Exekution erinnert, so fühlt man sich geneigt, dieselben als eine verhältnismäßig noch gelinde Vergeltung zu betrachten. Daß die sonstigen Erpressungen nicht ungewöhnlich drückend waren, beweist der Betrag der später im Triumph aufgeführten Beute, der an edlem Metall sich nur auf etwa 8 Mill. Taler belief. Die wenigen treugebliebenen Gemeinden dagegen, namentlich die Insel Rhodos, die lykische Landschaft, Magnesia am Mäander wurden reich belohnt; Rhodos erhielt wenigstens einen Teil der nach dem Kriege gegen Perseus ihm entzogenen Besitzungen zurück. Desgleichen wurden die Chier für die ausgestandene Not, die Ilienser für die wahnsinnig grausame Mißhandlung, die ihnen Fimbria wegen der mit Sulla angeknüpften Verhandlungen zugefügt hatte, nach Möglichkeit durch Freibriefe und Vergünstigungen entschädigt. Die Könige von Bithynien und Kappadokien hatte Sulla schon in Dardanos mit dem pontischen König zusammengeführt und sie alle Frieden und gute Nachbarschaft geloben lassen; wobei freilich der stolze Mithradates sich geweigert hatte, den nicht von königlichem Blute stammenden Ariobarzanes, den Sklaven, wie er ihn nannte, persönlich vor sich zu lassen. Gaius Scribonius Curio ward beauftragt, in den beiden von Mithradates geräumten Reichen die Wiederherstellung der gesetzlichen Zustände zu überwachen.
So war man am Ziel. Nach vier Kriegsjahren war der pontische König wieder ein Klient der Römer und in Griechenland, Makedonien und Kleinasien ein einheitliches und geordnetes Regiment wiederhergestellt; die Gebote des Vorteils und der Ehre waren, wo nicht zur Genüge, doch zur Notdurft befriedigt. Sulla hatte nicht bloß als Soldat und Feldherr glänzend sich hervorgetan, sondern die schwere Mittelstraße zwischen kühnem Ausharren und klugem Nachgeben auf seinem von tausendfachen Hindernissen durchkreuzten Gange einzuhalten verstanden. Fast wie Hannibal hatte er gekriegt und gesiegt, um mit den Streitkräften, die der erste Sieg ihm gab, alsbald zu einem zweiten und schwereren Kampfe sich zu schicken. Nachdem er seine Soldaten durch die üppigen Winterquartiere in dem reichen Vorderasien einigermaßen für ihre ausgestandenen Strapazen entschädigt hatte, ging er im Frühjahr 671 (83) auf 1600 Schiffen von Ephesos nach dem Peiräeus und von da auf dem Landweg nach Paträ, wo die Schiffe wiederum bereit standen, um die Truppen nach Brundisium zu führen. Ihm vorauf ging ein Bericht an den Senat über seine Feldzüge in Griechenland und Asien, dessen Schreiber von seiner Absetzung nichts zu wissen schien; es war die stumme Ankündigung der bevorstehenden Restauration.