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Nürtingen, den 25. Januar 1831

Liebstes Herz!

Am Samstag, als die Predigt geschrieben und die Feder gewischt war, ich betrachtend unterm Fenster stand und den warmen Strahl der winterlichen Sonne, wie er aus dem zärtlichen Blau des schüchtern geöffneten Himmels drang, begierig in Aug und Seele sog und eine leise Frühlingsahnung (sehr vorzeitig, nicht wahr?) mich anhauchte und mir war, als müßten die Veilchenkeime dort an der gelben Gartenmauer sich schon sehnsüchtig rühren unter ihrer Decke – da kamen Gedanken der Liebe von fernher in seligem Gewühl, jauchzend, wehmütig, und lockten mich fort, – errätst Du, wohin ?

In der Tat, ich entschloß mich urplötzlich, Dich am Sonntag noch Einmal in Nürtingen zu ergreifen und dachte mir Alles aufs Lieblichste aus. Ich nahm beim Mittagessen die beste Sorte guten Humors zusammen, um mein Vorbringen glücklich einzuleiten, und es fand auch den mindesten Anstand nicht. Da kam Dein Briefchen vom Freitag und blies mein Luftschloß in die Wolken. Denk Dir, mein Herz, wie mir nun war. Ich ließ die Flügel hängen und wollte in Gottes Namen bleiben. Aber der Sonntag kam, eine langweilige Kaffeevisite nach den Kirchen wartete auf mich, die Ungeduld ließ mich [nicht] ruhn, ich nahm Handschuh und Hut und – eilte dem Tifenbach zu. Dein unvergleichlich lieber Brief hat mich begleitet. Ich danke Dir aufs Innigste für diese kostbaren lebhaften Zeilen; nie hat mich die Tübinger Luft, seitdem ich sie nicht mehr gefühlt, so heimatlich angeweht, wie diesmal aus der Frische Deiner Worte. Ja, dabei soll es auch in Wahrheit bleiben, daß wir vom Frühling 31 dort ein paar Tage blühen sehen. – Ganz wunderlich wird mir zu Mute bei dem Gedanken, was sich bis dorthin nicht Alles ändern muß! Mit mir, mit meiner Mutter, mit unserm Verkehr überhaupt. Es wird gar nicht viel fehlen, so könnte Stuttgart aufs Neue meine zweite Heimat werden. Die Unterhandlungen mit der Tante Heinrich (an welche die Mutter einige vorläufige Anfragen wegen des Logis gerichtet hatte) scheinen mir nicht ungünstig. In ein paar Wochen, denk ich, könnte es entschieden sein – so oder anders. Was sagst Du dazu? Was die lieben Deinigen?

Hier eine Antwort von Schwab. Es ist ärgerlich und doch kann ichs ihm unter diesen Umständen nicht verdenken. – Die Rezensenten (ich vermute darunter auch Herrn Menzel, der ihn einmal in meiner Gegenwart einen schwachen Mann geheißen) hatten immer was gegen ihn, und zwar, wie es mir vorkommt, mehr gegen seine Persönlichkeit, als daß sie seinen Schriftstellerwert zu untergraben gewußt hätten. – Am Ende werde ich wohl die ganze Last meines Unternehmens allein auf meine Schulter nehmen, davor mir denn auch gar nicht bange sein soll, und zwar soll dadurch die Herausgabe eher beschleunigt als verzögert werden. Nächsten Montag geht eine Lieferung an Reimer ab. Heut bin ich eifrig damit beschäftigt, aus meinem alten Vorrat einiges Gute auszuscheiden und zu retouchieren. –

Für diesmal genug, meine teuerste Luise! Am Donnerstag erhältst Du zuverlässig wieder eine Sendung.

Wie wirs mit dem Geburtstage Deiner besten Mutter machen, wollen wir sehen. Gewiß, ich freute mich auf dieses Wiedersehn, und will das Meinige tun es möglich zu machen. Indessen grüße mir Alles aufs Herzlichste. Morgen früh geh ich, es sollte schon heut geschehen sein, aber das Wetter kann mich entschuldigen.

So lebe wohl, mein Kind, und wenn Dirs gestern und heute im Ohre klang oder am Herzen zog, so denke, daß mir Klärchen oder die Mutter von Dir erzählten in diesem Augenblick, und daß ich Dich, ganz wie Du bist, in einem Himmel seliger Gedanken trug. Oft, wenn ich einen Gegenstand ansehe, der kürzlich noch mit Dir in Berührung kam, so zückt ein Blitz von Freude und Wehmut in mir auf, und ich habe zu tun, um die Ruhe in mir herzustellen. – –

Leb wohl, mein Engel!

Ewig
Dein treuster Eduard

Die gute Amtmännin, in deren Haus ich wieder recht einheimisch wurde, läßt Dich aufs Beste grüßen. Sie hängt mit einer rührenden und ungeheuchelten Liebe an Dir. Sie wird Dir nächstens schreiben.


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