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Plattenhardt, den 2. Dezember 1829
Mittwoch Abend

Für Dich allein

Kaum bin ich hier angelangt, bestes Kind, so gibt es schon wieder Gelegenheit, die Madel nach Grötzingen zu schicken, und ihr ein liebes Wort an Dich mitzugeben. O Herz! wie seltsam hat es die kurze Zeit, als ich von Dir bin, in meinem Innern gewechselt! So lang ich unterwegs war und in der frischen glänzenden Winterluft, wiegten sich meine Gedanken nur in einer Art von glücklicher Dumpfheit hin und her, kaum saß ich zu Haus, so fehlte mirs an allen Ecken und Enden, eine unerklärbare Unruh kam über mich; nicht blos das Heimweh nach Dir, nicht die Starrheit der alten Einsamkeit, nein, eine ganz neue unbekannte Trauer zog mir die Brust zusammen, aber Deine Gegenwart, ein Wort von Dir hätte mir doch allein geholfen. Ich warf mich matt und abgespannt aufs Bette und fand, wie seit langer Zeit nicht, wieder eine Zuflucht in dem Troste unverhaltner Tränen. Es ist das einer von den rätselhaften Augenblicken, von denen es heißt: sind wir ein Spiel von jedem Druck der Luft?

Du hast Dich deswegen auch nicht drum zu kümmern und ich hätte füglich nichts davon gesagt, wenn mirs nicht eine Erleichterung, ein Bedürfnis wäre, Dich eben in dieser Wehmut herbei in meine Arme zu ziehen, gerade jetzt Dir zu sagen, wie ganz Du mich durchdringest!

Mir ist wohl und weh; – da brennt stille das Licht vor mir und wie es ruhiger in meinem Innern wird, hab ich einen von den seltenen und geweihten Momenten, wo der Mensch gleichsam mit angehaltenem Atem auf den Grund der eigenen Seele niederschaut oder den geheimsten Puls seines ahnungsvolleren geistigen Lebens fühlt. –

Liebes Kind! ich schließe, denn ich wüßte Dir fürwahr nicht mehr zu sagen. Heute nehm ich Dich so innig wie noch nie in mein Gebet. Gute Nacht!

Leb wohl!
Dein Eduard

Grüße Alles aufs Liebreichste.


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