Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Kapitel XXIV. Die Dorfkirche von Warbeach

Wenn im Winter die Sonne zu scheinen und der Südwest zu wehen beginnt, können sich die Ecken und Winkel der Erde nicht davor verstecken – die Morgende sind wie Hallen voller Licht. Robert hatte alle Hoffnung auf einen regnerischen Tag gesetzt, der die Gemeinde nur spärlich gesäet hätte erscheinen lassen, die Gäste von Fairly dem öffentlichen Gottesdienste gänzlich ferngehalten haben würde.

Er bemerkte sofort, daß er dazu verurteilt sein würde, wenn er das Schiff hinunterschritt, jedermanns Augen auf sich gerichtet zu fühlen, denn an einem Morgen, wie diesem, würde jedermann dem Gottesdienst beiwohnen.

Mit seinem Gewissen hatte er bereits insoweit Zwiesprache gehalten, als er es gescheut hatte, Percy noch einmal nach dem Grunde, weswegen sie zur Kirche sollten, zu fragen, und er hatte nicht den Mut, dafür zu plaidieren, daß sie, statt am Morgen, am Nachmittag gehen könnten.

Die Frage: »Schämst du dich denn etwa?« klang ihm als bereitwillige Antwort darauf bereits in den Ohren.

Es gab kein Entrinnen; so verwandte er denn seinen ganzen Scharfsinn darauf, einen möglichst guten Eindruck hervorzurufen, indem er Hut und Rock mit besonderer Sorgfalt bürstete.

Percy ließ sich von ihm den für die Zusammenkunft ausgemachten Platz bezeichnen, bat ihn, auf dem Kirchhofe von Warbeach oder in dessen Sehweite auf ihn zu warten und schlenderte in der Richtung des Flusses davon. Seine schlichte Eleganz und seine ruhig vornehme Art schüchterten Robert ein und lenkten seine Gedanken von dem intensiven Sich-Versenken in die abstrakte Betrachtung von Recht und Unrecht, die ihn bis dahin ermutigt und angespornt hatte, ab, so daß ihn die Aussicht, den Augen der Kirchgänger zu begegnen, niedergeschlagener, denn je, machte, und er betrachtete sich mit der zitternden Empfindsamkeit eines Weibes, das in einem Augenblick, wo die Leidenschaft eine ihrer verhängnisvollen Pausen hat, die Verdienste ihres Liebhabers abwägt, verglich sich mit der Klasse derjenigen, die er beleidigt hatte, und versuchte, besser von sich zu denken, sich vor sich selbst zu rechtfertigen und Vergleiche standhaft zurückzuweisen. Doch ließen sie sich nicht abweisen. Seinen Feinden gegenüber hatte er sie nie empfunden, aber der Anblick seines Freundes drängte sie ihm auf.

Jeder Mensch, der das Gesetz selbst in die Hand nimmt, und dem es beliebt, gegen das Front zu machen, was im allgemeinen für passend gilt – gegen die Welt, wie wir wohl sagen – ist solchen Stimmungen sich selbst erniedrigender Depression zugängig. Robert wartete auf das Läuten der Glocken mit den Empfindungen eines gemeinen Verbrechers. Hätte er zur Kirche getrieben und plötzlich auf seiner Bank abgesetzt werden können, sein Gemüt würde ruhiger gewesen sein. Das Hingehen, das Durch-das-Schiff-gehen, das Bewußtsein, daß er der Bursch sei, der es mit allen jenen wohlgekleideten Herren aufgenommen hatte, war es, was ihn völlig verwirrte. Und nicht eigentlich seinetwegen – zum Teil Percys wegen. Es war ihm ein schrecklicher Gedanke, an Major Warings Seite gesehen zu werden. Sein bester Anzug und sein Hut waren ja soweit ganz gut, nur empfand er – er wußte selbst nicht recht, wie – daß er sie nicht in angemessener Weise, nicht mit dem Anschein eines Sich-darin-wohl-Befindens trage. Die Sache war die, daß sich ihm unvermutet die elegante Nonchalance in dem Auftreten eines englischen Gentleman offenbart hatte, und es wunderte ihn, daß sich Percy niemals sein Manko aufzudrängen schien, daß er ihn immer noch bei seinem Rufnamen nenne, und nichts dagegen habe, öffentlich mit ihm gesehen zu werden.

Robert bedachte nicht gleichzeitig, daß die Krankheit sein Blut geschwächt habe. Jeder sensitive Mensch bedarf eines starken, guten Kreislaufs des Blutes, um jederzeit auf der Höhe der geforderten Situation zu sein. Er dachte verwundert daran, wie leicht sein Gang und wie scharf sein Witz gewesen sei, wenn er von Queen Annes Farm in die Wrexbyer Dorfkirche gewandert war. Warum war er jetzt ein so ganz andrer Mensch? Er vermochte keine Antwort auf die Frage zu finden.

Zwei oder drei seiner Warbeacher Bekannten begegneten ihm auf der Dorfstraße. Sie wünschten ihm einen guten Morgen und sprachen freundlich, mit einem liebenswürdigen, gutmütigen Ausdruck zu ihm.

Ihr Eindruck von ihm, als sie von ihm fortgingen, war der, daß er stolz werde.

Der fidele Schlachter von Warbeach, der ihm herzlich zugetan war, bestand darauf, ihm die Hand zu schütteln, ihn Mrs. Billing zu zeigen und Robert seine beiden Kleinen sehen zu lassen. Robert küßte die Kinder und ließ sie mit einem Kopfnicken vorbei.

Hie und da begrüßten ihn ein paar junge Burschen in flotten Röcken, den Hut keck auf einem Ohr, denen der Sonntag als ihr besonderer froher Schaustellungstag galt, mit lautem Zuruf. Er schenkte ihrem Gruß keine Beachtung.

Er versuchte, den Rotkehlchen und den zwitschernden Zaunkönigen Interesse abzugewinnen, sich auf Verse über kleine Vögel zu besinnen und sich dieselben zu wiederholen, hinter der Maske eines Gesichts, das jeden freundlichen Menschen, der ihn kannte, eisig berührte.

Moody, der Schiffszimmermann, fragte ihn unter unverschämtem Anglotzen, ob er zur Kirche gehe, und auf Roberts Erwiderung, vielleicht täte er's, sagte er: »Ich bin starr!« was auf jemand in Roberts Lage sonderlich deprimierend wirken mußte.

Um seinen Mut noch mehr zu heben, begegnete ihm Jonathan Eccles, der die gleiche Frage an ihn richtete, und, als ihm die gleiche Antwort wurde, auf der Stelle umdrehte und nach Hause ging.

Robert fühlte eine ungemeine Erleichterung, als die Glocken verstummten, und schlenderte mit überlegener Ruhe um die Ilex- und Lorbeerbüsche herum, welche die Kirche versteckten. Über die Begegnung zwischen Major Waring und Mr. Edward Blancove dachte er kein einziges Mal nach, bis er den ersteren allein an der Pforte des Kirchhofs stehen sah, und dann beschäftigte ihn der leere Kirchhof und die Abwesenheit jeglichen Wagens weit mehr, mahnte ihn doch jetzt alles, augenblicklich darüber ins klare zu kommen, wie er sich unter den Augen einer scharf und kritisch beobachtenden Gemeinde am besten benähme.

Major Waring bemerkte: »Du kommst spät.«

»Habe ich dich warten lassen?« sagte Robert.

»Nicht lange. Man ist eben bei der Liturgie.«

»Ist es voll drinnen?«

»Ich glaube wohl.«

»Ich nehme an, du hast ihn gesehen?«

»O ja, ich habe ihn gesehen.«

Percy sprach sehr kurz und war so bleich, wie ihn Robert, nie gesehen hatte. Er fragte hastig nach der Lage von Lord Ellings Kirchenstuhl.

»Meinst du nicht, wir könnten auf die Empore gehen?« sagte Robert, aber er erhielt keine Antwort, und mit einem innerlichen Aufstöhnen: »Guter Gott! man wird denken, daß ich gewissermaßen als reuiger Sünder hier erscheine!« kam es ihm plötzlich zum Bewußtsein, daß er das Schiff hinunterschritt, und plötzlich fand er sich, zu seiner Überraschung, dem Kirchenstuhl von Fairly direkt gegenüber, die Augen auf Mrs. Lovell geheftet, sitzen.

Was war ihr? War sie krank? In einem Augenblick hatte Robert seine eigene Bedrängnis vergessen. Ihr Gesicht war marmorbleich, und während sie mit dem Gesangbuch in der Hand dastand, schwankte ihr Kopf darüber hin, ihre Lippen machten einen schwachen Versuch, zu lächeln, dann setzte sie sich leise nieder und war den Blicken entzogen. Algernon und Sir John Capes saßen neben ihr im Kirchenstuhl, ebenso Lady Elling, welche ihr mit nach rückwärts gestreckter Hand und einem teilnahmlosen Gesichtsausdruck ihr Riechfläschchen reichte.

»Ist das, weil sie meint, ich habe erfahren, daß sie mich zum Gegenstand einer Wette gemacht hat?« dachte Robert, und es war nicht seine Eitelkeit, die ihm diese Annahme zuraunte, obschon eine Eitelkeit durch dieselbe geweckt wurde. »Oder schämt sie sich ihrer Lüge?« dachte er aufs neue und vergab ihr, angesichts ihres süßen, blassen Gesichts. Das Singen der Hymne ließ ihr augenscheinliches Leiden heilig, wie das einer Märtyrerin, erscheinen. Er hatte kaum Kraft genug, den Schein der Andacht aufrechtzuhalten, so stark war sein Verlangen, ihr seine Teilnahme zu zeigen.

»Das ist Mrs. Lovell, – hast du sie eben gesehen?« flüsterte er.

»Hm!« sagte Major Waring.

»Ich fürchte, sie ist ohnmächtig geworden.«

»Wohl möglich!«

Aber Mrs. Lovell war nicht ohnmächtig geworden. Sie stand auf, als die Zeit zum Aufstehen wiederkam und schien, die Augen fest und in ernster, frommer Sammlung auf den Vikar am Lesepulte gerichtet, wieder vollkommen Herrin ihrer selbst, – doch nur so lange Herrin ihrer selbst, wie sie dieselben derart fest auf ihn richtete. Sobald sie abschweiften, war es, als habe sie einen stützenden Pfeiler fahren lassen, und dann blickten sie völlig unsicher; über ihr Gesicht huschten fahle Schatten, wie Regenwolken über graues Seewasser. Irgend jemand ihr gegenüber lastete schwer auf ihren Augenlidern. So viel war klar. Robert erschien sie ein Wunder von Schönheit. Ihre Farben glichen Tagen, die seine Gedanken stark beschäftigt hatten. Tagen mit purpurfarbenen Stürmen und golden umsäumtem Horizont. Sie trug ein Kapottehütchen von schwarzem Sammet mit zarten weißen Spitzen garniert, durch das ihr warmgetöntes, goldblondes Haar nicht beeinträchtigt wurde. Ihre kleinen behandschuhten Hände umschlossen beide das Buch, zuweilen verschlangen ihre Blicke dasselbe gleichsam, dann, als werde die Schwüle sonst unerträglich, wandten sich ihre Augen einer Ecke der Kanzel zu, um sich hierauf aufs neue auf das Buch zu heften. Robert verwarf alle Gedanken, als könne er irgendwie die Ursache ihrer seltsamen Verwirrung sein. Er warf einen Blick auf seinen Freund. Ein schwacher Verdacht war in ihm aufgestiegen, zu schwach indessen, als daß er vor Percys vollkommener Selbstzucht standgehalten hätte, denn wie er die Sache aufgefaßt hatte, war Percy der leidende Teil gewesen, und die Dame ohne eine Wunde davongekommen. Und war das der Fall, wie hätte sie eine so tiefe Bewegung zeigen können, während er in völliger Selbstbeherrschung vor ihr stand.

Robert glaubte, daß er, wenn er viele Tage nacheinander dieses anbetungswürdige Gesicht anschauen könnte, Rhoda völlig aus seinem Gedächtnis zu verscheuchen vermöchte. Ihm war die Predigt nicht lang genug, und er war ärgerlich auf Percy, weil er aufstand, ehe im Patronatsstuhl noch irgendwelche Aufbruchsbewegung stattfand. Im Portal der Kirche nahm Percy seinen Arm und bat ihn, ihm das Erbbegräbnis der Gutsherrschaft zu zeigen. Sie standen dort, als Lady Elling und Mrs. Lovell vorbeikamen und zum Wagen schritten, während die Leute von Warbeach sie ehrerbietig grüßten.

»Wie entzückend sie ist!« sagte Robert.

»Findest du sie hübsch?« sagte Major Waring.

»Ich kann mir nicht vorstellen, daß ein solches Wesen sterben könnte.« Robert schritt über ein offenes Grab hinweg.

In Percys Augen war ein Ausdruck von Bitterkeit.

»Ich möchte annehmen, ihr wäre ein solcher Gedanke ebenso unmöglich!«

Die Dörfler von Warbeach warteten darauf, daß Lady Ellings Wagen fortrollen sollte, danach gingen auch sie, nach einem letzten Blick auf Robert, in plaudernden Gruppen davon. Roberts Bußgang war zu Ende, und er konnte sich nicht enthalten, zu fragen, welchen Nutzen sein Zur-Kirche-gehen gehabt habe.

»Ich kann's dir nicht sagen,« sagte Percy. »Übrigens, Mr. Blancove leugnet alles. Er hält dich für verrückt. Er verspricht, jetzt, nachdem du vernünftige Maßnahmen getroffen, mit seinem Vetter zu reden und dir – soweit er vermag – zum Auffinden der von dir gewünschten Adresse behilflich zu sein.«

»Das ist alles?« rief Robert.

»Das ist alles.«

»Inwiefern bin ich dann nur um das Geringste weiter, als zu Anfang?«

»Du stehst zu Anfang eines neuen und besseren Weges.«

»O, warum bin ich je davon abgegangen, meiner eigenen rechten Hand zu trauen!« murmelte Robert.

Aber der Abend brachte ihm ein Billett von Algernon Blancove. Es enthielt eine wohlgesetzte Mißbilligung für Roberts bisheriges wahnsinniges Vorgehen und schloß mit Dahlias Adresse in London.

»Wie in aller Welt ist dies zu Wege gebracht?« fragte Robert jetzt.

»Ja, es ist merkwürdig, nicht wahr?« sagte Major Waring, »aber wenn du wünschst, daß ein Hund dir folgt, ist der Weg dazu nicht der, ihn am Halsband zu zerren, und wenn du möchtest, daß dir die Erde Kartoffeln gebe, mußt du Kartoffeln pflanzen, ehe du zu graben anhebst. Du bist ein Soldat aus Instinkt, mein guter Robert, dein erster Weg ist immer der der Gewalt. Ich, siehst du, bin ein Zivilist: ich versuche unentwegt die mildere Art des Vorgehens. Reist du heute nach London? Ich bleibe noch hier. Ich möchte mir die Nachbarschaft noch ein wenig ansehen.«

Robert verschob seine Reise auf den folgenden Tag, teils aus Furcht vor dem bevorstehenden Zusammentreffen mit Dahlia, hauptsächlich aber, um noch ein wenig länger in der wohltuenden Gesellschaft dessen zu verweilen, dessen Freundschaft die Freude seines Lebens war. Sie machten einen zweiten Besuch in Sutton-Farm. Robert widersetzte sich dem hartnäckig, daß seinem Vater gegenüber ein Wort darüber verlaute, daß er sich auf die Landwirtschaft geworfen habe, und Jonathan hörte allem, was Major Waring über seinen Sohn sagte, zu, wie ein Mann, der einer wohlgesetzten Rede alle Achtung zollt, aber mit seinen Gedanken zu weit weg ist, als daß er mehr als ein zufälliges Wort in sich aufnimmt. Er sprach seinerseits ganz vergnügt über das Wetter und die Beschaffenheit des Landes, warf die Bemerkung hin, daß der Boden ein Gegenstand steten Studiums sei, daß er sich auch ein wenig auf Pferde und Hunde verstehe, und Yorkshire-Bauern wie Juden wären in ihrem Bemühen, einen übers Ohr zu hauen. Galoppierende Menschen, sagte er, seien nur ein armselig Ding im Vergleich zu der galoppierenden Natur, und dann führte er dies, wie es seiner Ansicht entsprach, noch näher dahin aus, daß er sagte, einen Mann im Kaufen und Verkaufen zu übervorteilen, sei eine ebenso gesunde Beschäftigung, wie die Gossen nach Abfall und Schnitzeln zu durchsuchen. Er selbst ziehe es vor, den Dingen direkt zu Leibe zu gehen. »Die Natur macht einen reich, wenn man selbst den gleichen Zweck für sie im Auge hat. Yorkshire-Burschen denken an nichts anderes, als wie sie sich an anderer Leute Blut fett saugen können, wie Schafzecken.« Mit einem Wort, Jonathan sprach sehr verständig und schimpfte auf die Bewohner von Yorkshire, ohne zu verhehlen, daß ein gewisser Bauer aus Yorkshire, mit dem er bei einem Verkauf von Pferdefleisch seine eigene Schlauheit gemessen hatte, ihm diese Begegnung aufs lebhafteste eingeprägt hatte.

Percy fragte ihn, was für eine Ansicht er über sein Vaterland hege. »Das will ich Ihnen sagen,« antwortete Jonathan, »der Beruf der Engländer ist es, sich mit den Elementen zu messen, und so lange wir mit ihnen kämpfen, sind wir in der rechten Schule, um zu lernen, wie das Spiel geht. Unsere Verwundbarkeit beginnt dann, wenn wir denken, nun wollen wir uns hinsetzen und die Früchte verzehren, und wenn ich Anzeichen dafür sehe, dann will ich selbst meinetwegen darangehen, Maulwurfsarbeit zu tun. Zu große Nachsicht mit sich selbst ist das Verderben unserer Zeit.«

Dies war die Bemerkung, welche seine Beziehungen zu Robert am nächsten streifte, während dieser ihm mitteilte, daß er andern Tages nach London reisen wolle. Jonathan schüttelte ihm herzlich die Hand, ohne sich mit irgendwelchen näheren Fragen abzugeben.

»Es ist so viel von dem alten Mann in mir,« sagte Robert, als sich Percy auf dem Rückwege anerkennend über ihn aussprach, »daß ich ihn nicht eine Perle von einem alten Knaben zu nennen wage: da 's keine Spur von Gehässigkeit in seiner Seele. Habe irgendwie einen Anspruch auf ihn – und dein Platz an seinem Tische ist bereit; geh' hin und beleidige ihn – dein Platz bleibt dir offen. Iß und trink«, aber an sein Herz kommst du nicht heran. Eines Tages will ich ihn noch überraschen. Er meint, er sei über Überraschungen hinaus.«

»Nun gut,« sagte Percy, »du bist jünger als ich und magst immerhin denken, die Zukunft gehöre dir.«

Früh am andern Morgen trennten sie sich. Gegen Mittag war Robert in der Stadt. Ohne Zeit zu verlieren, eilte er in die nach Westen gelegene Vorstadt. Als er sich dem Hause näherte, in welchem Dahlia, wie man ihn hatte vermuten lassen, lebte, sah er einen Mann durch die blattlosen, schwarzen Büsche zur Seite der eisernen Pforte gehen, und als er selbst zu der Pforte gelangte, war der Mann an der Haustür. Die Tür öffnete und schloß sich hinter dem Manne. Es war Nicodemus Sedgett, oder Roberts Augen spielten ihm einen unerhörten Streich. Er schlug heftig mit dem Klopfer gegen die Tür, er mußte ein zweites, ein drittes Mal klopfen. Zutritt zu Dahlia erhielt er nicht. Man sagte ihm, Mrs. Ayrton habe hier gewohnt, aber sie sei fortgezogen und ihre jetzige Adresse sei unbekannt. Er bat um die Erlaubnis, ein Wort mit dem Manne sprechen zu dürfen, der eben in das Haus gekommen sei. Man erwiderte ihm, seit zwei Stunden habe niemand das Haus betreten. Einen Augenblick durchzuckte Robert der Gedanke, sich an der dummen, kleinen Lügnerin vorbeizudrängen, aber die frischen Lehren Percys hemmten seinen Impuls, obschon er sicherlich seiner natürlichen Eingebung gefolgt sein würde, wenn es sich um ein stämmiges Weib oder einen Lakaien gehandelt hätte, der ihm den Weg vertrat. Er ging fort und hielt sich draußen auf, bis es anfing zu dunkeln, und die Wunde an seinem Kopfe wieder stark zu klopfen begann, dann entfernte er sich trübselig weiter und weiter von dem Hause. In seinem Heimatdorfe schien es ein leichtes Ding, den Kampf mit dem Übel aufzunehmen, aber in dem riesenhaften London wuchs die Aufgabe ins Übermenschliche.


 << zurück weiter >>