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Ehe der Ritter von Wolfegg alle Mannschaften vereinigt, die nöthig waren, um einem so starken Gegner mit Aussicht auf Erfolg die Spitze zu bieten, hatte der Feind, vom ersten Siege berauscht, weite Länderstrecken überfluthet. Zuläufer aus allen maurischen Reichen, die noch immer den größten Theil der iberischen Halbinsel ausmachten, vermehrten tagtäglich die an sich schon mächtigen Kriegsschaaren. Ueberall wurde geplündert, gesengt, gemordet und die Jugend in die Sclaverei geschleppt.
Der Schrecken in ganz Portugal war furchtbar groß, aber nicht größer, als die Gefahr, die dem Lande drohte. In allen Kirchen wurden Gebete und Andachten angeordnet, um den Segen Gottes auf die christlichen Waffen herabzuflehen. Beim Empfange der ersten Nachricht von dem Heranzuge des portugiesischen Kriegsvolkes unter Anführung des gefürchteten Ritters von Wolfegg zog der Maurenfürst seine weit und breit zerstreuten Mordbanden schnell an sich und ließ alle Pässe und Bergschluchten, die zu ihm in's Thal führten, stark besetzen.
Als die Portugiesen dort angekommen waren und alle Wege verrammelt fanden, entspannen sich die ersten Kämpfe, die viele Menschenleben kosteten, aber keinen nennenswerthen Erfolg hatten.
Während der Maurenfürst, an die neueroberte Bergfeste Fueraforte gelehnt, mit dem ansehnlichsten Theile seiner Streitmacht in hundert und aber hundert Zelten campirte, sich über die fruchtlosen Anstrengungen der ungläubigen Hunde freute und auf den schließlichen Sieg mit Hilfe Allahs und seines Propheten gläubig rechnete, wurde er plötzlich gewahr, daß der Krieg um die Bergpässe ein Scheinkampf gewesen, und daß er arglistig umgangen war.
Ritter Wolfegg marschirte mit seiner Hauptmacht heran und faßte den Feind im Rücken. Dem Maurenfürsten blieb keine Wahl; er mußte eine entscheidende Schlacht anbieten. Die feindlichen Schaaren geriethen aneinander.
Es war von beiden Seiten ein Kampf auf Tod und Leben. Da gab es ein Schwirren der Geschosse und ein Rasseln und Klirren der Waffen, wie man es seit der Erstürmung Lissabons nicht wieder gehört hatte. Endlich, nach langem, zweifelhaftem Ringen neigte sich das Glück den Portugiesen zu, und bald war der Sieg ein vollständiger. Das ganze Zeltlager des Feindes fiel mit seiner reichen Beute in die Hände des Siegers.
Arbogast hatte eine Tapferkeit, einen Löwenmuth an den Tag gelegt, welche allgemeine Bewunderung erregten; er brachte Abends nach der Schlacht seine Trophäen in des Oheims Zelt. Diese bestanden in einem Turban mit einem kostbaren Edelstein, einem maurischen Kriegsmantel mit kostbarer Agraffe und aus den prachtvollsten orientalischen Waffen. Dies alles gehörte dem Bruder des Maurenfürsten, den Arbogast im Schlachtgetümmel getödtet hatte.
Jetzt galt es nur, die Bergfeste Fueraforte wieder zurückzugewinnen, und dieses Werk wurde auch alsbald begonnen, ehe sich die Mauren von dem ersten Schrecken ihrer Niederlage erholt hatten. Auch das gelang nach einem an Menschenopfern reichen Tage. Zehnmal hatte man die obersten Wälle erstiegen, und zehnmal wurden die Eindringlinge auf die Köpfe der Nachstürmenden herabgeschleudert, bis es endlich Arbogast gelang, mit einem Häuflein festen Fuß zu fassen und die christliche Fahne an Stelle der heidnischen aufzupflanzen.
Der Feldzug war ebenso rasch, als erfolgreich beendigt, hatte aber im letzten Augenblicke vor der Einnahme der Bergfeste noch ein kostbares Opfer gefordert. Ritter von Wolfegg, der dicht vor den Wällen die Anstürmenden anfeuerte und herbeigesprungen war, um eine in's Wanken gerathene Sturmleiter halten zu helfen, wurde von einem herabgeworfenen Steinblocke schwer auf den Kopf getroffen.
Arbogast, von seinem neuen Erfolge berauscht, war nicht wenig entsetzt, als er herabgerufen wurde, an das Sterbelager seines Oheims zu treten. Er fand ihn auf dem Bette eines maurischen Zeltes ausgestreckt, mit einer weitklaffenden Wunde am Kopfe, von Freunden, Aerzten und Mönchen umgeben, die Augen geschlossen, bewußtlos. Nur der Athem zeigte, daß er noch am Leben sei. Der Jüngling, dem auch an diesem Glückstage keine ungemischte Freude vergönnt war, kniete an dem Bette seines Oheims nieder, weinte und betete.
Da rührte sich der Alte zum ersten Male und machte Versuche, die Augen aufzuschlagen. Arbogast und die übrigen Anwesenden geriethen in die höchste Spannung. Man sah dem Kranken an, daß er noch sprechen wollte, ja etwas unverständlich murmelte. Arbogast fühlte sich wie erleichtert und schöpfte einige Hoffnung, um so mehr, als sein Oheim mehrere Worte deutsch, jedoch ohne verständlichen Sinn, hervorstieß. Der Jüngling, der hier allein Deutsch verstand, rückte näher und hielt sein Ohr dicht an den Mund des Sterbenden, um ja jede Silbe aufzufangen.
Plötzlich sagte Ritter von Wolfegg ganz deutlich, aber schwer und mühselig, in langen Zwischenpausen: »Heute ist – der Jahrestag, – da habe ich den Schwabenherzog – erschlagen!«
Er riß die Augen weit auf, doch nur, um sie für immer wieder zu schließen.