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32.
Das Rätsel der Sahara

Nach des Fakirs Karte, die Münchhausen jetzt an sich genommen hatte, ohne daß der Schurke einen Einspruch wagte, lag die Messingstadt genau südwestlich vom nördlichen Ende der Oase und war in dieser Richtung nicht zu verfehlen. Ihre Entfernung konnte noch fünf Tagereisen betragen, eine Kleinigkeit, angesichts der bisherigen Leistungen.

Immerhin war es noch die Frage, ob der Karte hierin volles Vertrauen geschenkt werden könne, und hierüber entspann sich wieder ein kleiner Streit zwischen Münchhausen und Rommel.

»Es freut mich,« sagte der Vater des Sandes, als gleich am ersten Tage der Ritt wieder durch die Sandwüste ging, »daß Sie nun wenigstens anfangen, den Indier zu durchschauen und vor ihm auf der Hut zu sein: das wird es uns erleichtern, seine Spitzbübereien unschädlich zu machen. Ich meinesteils würde ihn gleich selber unschädlich machen und als Gefangenen gebunden mitführen. Aber dazu läßt sich ja Ihr weiches Herz nicht bewegen.

»Daß ich noch immer nicht an das Vorhandensein der Märchenstadt aus Tausend und einer Nacht glauben kann, müssen Sie mir verzeihen.«

»Nein! Das verzeihe ich Ihnen durchaus nicht, trotz meines weichen Herzens,« erwiderte der Pascha lachend: »Die Strafe für Ihre hartnäckigen Zweifel wird Sie ja schon von selber ereilen, wenn Sie sich in wenigen Tagen fürchterlich blamiert sehen.«

»Angenommen, die Stadt wäre tatsächlich irgendwo in diesen Wüsten vorhanden,« begann Abu Ramleh wieder, der nun doch im Geheimen diese Möglichkeit für nicht ganz ausgeschlossen hielt, aber unter keinen Umständen dies eingestanden hätte: »Also, angenommen, es wäre da herum irgend eine alte Ruinenstadt, aus der die Sage eine noch gut erhaltene Stadt von ungeheurer Pracht gemacht hätte, so ist es doch ganz und gar unwahrscheinlich, daß ihre Lage auf des Fakirs Karte richtig angegeben ist, und wir könnten noch monatelang in der Einöde nach ihr suchen müssen, schließlich ohne sie überhaupt zu finden.«

»Aha! Die Möglichkeit ihres Vorhandenseins dämmert Ihnen allmählich doch auf, da wir uns ihr nähern! Aber Ihren neuen Zweifel kann ich nicht gelten lassen, da die Karte sich bisher in allen Punkten als äußerst genau und zuverlässig erwiesen hat.«

»Dies will nichts besagen,« wandte der Professor nochmals ein: »Es ist bei solchen alten Karten geradezu Sitte, daß sie neben durchaus richtigen Angaben völlig aus der Luft gegriffene enthalten: das, was erforscht und bekannt ist, verzeichnen sie mit einer überraschenden Genauigkeit. Daneben machen sie jedoch mit der größten Keckheit Einträge, die auf höchst zweifelhaften Nachrichten, ja, auf bloßen Vermutungen und haltlosen Schätzungen beruhen. Ein solcher Fall dürfte hier zweifellos vorliegen, wenn es sich nicht eben um ein reines Märchen handelt: denn woher sollte der alte Kartenzeichner die genaue Lage einer verlassenen, von niemand besuchten Stadt gekannt haben?«

»Sie vergessen, daß die Stadt durch den Statthalter Musa besucht wurde, dem jedenfalls die Aufzeichnung über ihre Lage zu verdanken ist.«

»Sie werden mir doch nicht zumuten, an dieses Märchen aus Tausend und einer Nacht zu glauben?« rief der Vater des Sandes entrüstet.

»Nun, ich glaube daran!« erwiderte Abu el Futha achselzuckend.

Am Abend des dritten Reisetages wurde ein Nest mit Straußeneiern gefunden, und sogar ein flüchtender Strauß zeigte sich in der Ferne.

Da bemerkte die Zitrone zum Professor: »Das Gelege und dieser Vogel bieten uns doch gewiß die Gewähr, daß sich eine Oase hier ganz in der Nähe befinden muß.«

»Leider täuschen Sie sich hierin,« belehrte sie Rommel: »Der Strauß vermag sich, dank seiner Schnelligkeit, Ausdauer und Fähigkeit, längere Zeit ohne Wasser und Nahrung auszukommen, so weit von seinen Weideplätzen zu entfernen, daß weder seine, noch seiner frischen Eier Anwesenheit ein sicheres Anzeichen für die Nähe bewachsener Gegenden bilden kann. Übrigens, wenn dem auch nicht so wäre, hätten wir doch keinerlei Möglichkeit, festzustellen, in welcher Richtung sein gewöhnlicher Aufenthaltsort zu suchen wäre. Ich meinesteils vermute, daß er aus der großen Oase kommt, die wir vor drei Tagen verließen.«

»Er flüchtete ja aber in der entgegengesetzten Richtung,« wandte die Harmonika ein.

»Tut nichts! Der Strauß gilt als ein dummer Vogel: ich halte ihn für durchaus nicht so einfältig, schon deshalb, weil ein Professor sich von der großen Menge der weniger Gebildeten dadurch unterscheiden muß, daß er andere Ansichten äußert als die landläufigen, die jedes Schulkind haben kann. Jedenfalls steht fest, daß auch jener Riesenvogel nicht so töricht ist, durch die Richtung seiner Flucht seinen Schlupfwinkel zu verraten.«

Baron Steinberg ließ es sich nicht nehmen, einen Versuch zu machen, die Straußeneier nach Münchhausenscher Art am Spieße zu braten.

Der Pascha, den Erfolg voraussehend, wies Franz an, eine Schüssel unterzuhalten.

»Zu aller Vorsicht,« sagte er: »Denn die Sache ist nicht so einfach und erfordert ungeheure Behendigkeit, Kraft und Sicherheit des Stoßes.«

In der Tat zersplitterten die Eierschalen und der Inhalt floß in das bereitgehaltene Gesäß, unter größter Heiterkeit der Zuschauer,

Nun bat Abu Haschisch den Kapitän, ihm das Kunststück doch einmal vorzumachen.

Dieser erwiderte jedoch mit der ernsthaftesten Miene der Welt: »Sie stellen sich durchaus nicht so ungeschickt an, wie ich gedacht hätte, und der Versuch wäre Ihnen unbedingt geglückt, wenn nicht leider die Spitze unseres Bratspießes zu stumpf wäre: es ist ein unbedingtes Erfordernis für das Gelingen des Kunststücks, daß die Spitze haarscharf geschliffen ist, – das versteht sich ja wohl von selbst. Da ist nun nichts zu machen, weil in dieser Wüste kein ordentlicher Schleifstein zu finden ist, und unter diesen Umständen kann auch ich nichts ausrichten.«

Steinberg konnte es jedoch nicht unterlassen, seine Versuche fortzusetzen, bis auch das letzte Ei zersplittert war. Glücklicherweise mangelte es nicht an Elefantenfett, um den köstlichen, ausgelaufenen Inhalt in prächtige Eierkuchen zu verwandeln, die als ausgesuchte und lang entbehrte Leckerbissen das Nachtessen zu einem wahren Festmahl gestalteten.

Am vierten Abend vernahm man plötzlich aus der Ferne im Südwesten wundersame singende Töne.

»Gott sei Dank!« frohlockte die Zofe Isolde: »Da lagern jedenfalls Menschen in der Nähe! Und es scheinen keine räuberischen Beduinen zu sein, sondern gute Leute, sonst würden sie uns nicht mit einer so reizenden Serenade begrüßen.«

»Det stimmt!« ließ sich der Preuße vernehmen: »Wo man singt, da laß dir ruhik nieder: Böse Menschen haben keene Lieder!«

Franzl aber fühlte sich gedrungen, die gebildete Unke zu berichtigen:

»Serenade hoaßt dös nit,« sagte er belehrend: »Dös hoaßt ›Sürenade‹. Dös is nämli wieda etwos aus da Myrtologie, wo dö gebüldetste Wüssenschoft is. Ös do heroben im Preißischen hobt dös nit g'lernt; aba mir Boaern wüssen's vun da Schulen her. Dö Sürenen sans saubere Weibsbülda g'west, durt unten auf oana Ünseln bei Cäcilien, wo dö deutsch Kronprünzeß ihm schnockigen Nomen her hot. Sö san aba berühmt g'wesen vun wegen ihren G'song. Aba dös is fein koan onständigs Sängen g'west, sundan a ganz a schaudahofts Gebrüll, daß oam grod Hören und Sehen vagongen is. Und dö Schüffa, ball sö's g'hört hamm, san vur lauta Entsötzen ins Mör abi g'hupft und san elendiglich vasuffen: dös kannst da fein oanbülden! Denn dö Sürenen vun an Schüff oda vun oana Fabrück und an Automobüll vareißen oam schier gor dö Ohrwoscheln und san doch bloß a schwoche Nochohmung vun den richtigen Süreneng'song.«

»Det muß ja jeradezu jräßlich jeklungen haben!« meinte Peter: »Wenn so een Auto tutet, halte ik mich schonst die Ohren zu.«

»Jo!« fuhr Billinger fort: »Dös kann sö unsaoana gor nit vurstölln, wie schaudahoft daß dö Sürenen g'heult hamm. Do is in da Zeit vun da Myrtologie a berühmta Seefohra g'west: Olüsseß hot a sö g'schrieben. Der selbig is an dö Sürenen ihra Ünsel vurbeig'fohren. Dös is aba a Schlaukopf g'west, a ganz g'riebena. Soane Matrosen hot a dö Ohrwoscheln mit Glosakitt vastopft, daß sö nix hören vun den Mordsgebrüll und am nit in's Mör abihupfen, sunst hätt' a's Nochsehn g'hobt und nit weitafohrn kunnen. Er selba is aba neugieri g'west, wie greulich daß dösa G'song tut, und a bißl a Prohlhons is a eh g'wesen, und hot se hernach berühmen wölln, wie daß er olloan dö berühmten Süreneng'song ong'hört hob, und mit am Leben dovunkummen sei. Drum hot a soane oagnen Ohren nit vakloastert, hat sö aba an Mostbaam festbünden lossen, daß a nit hot abispringen kunnen in's Wossa.«

»Das ist ein gescheiter Mann gewesen!« sprach die Unke anerkennend: »Aber ein Unglück hat es doch gegeben, das sehe ich schon voraus.«

»Nix do, Nochteulen: nix wie folsch prophezein tust! Freili, wie da Olüsseß dös Süreneng'heul hot mitonhörn müssen, hot a ondas zoppelt und strompelt vur Vazweiflung, und soane Matrosen hot a fußfällig beten, daß sö an losbünden, indem, daß dös nimma zum Ausholten waar, und a gleich lieba in's Mör abihupfen möcht' und vasaufen, wie dösan Heidenspektakul länga mitonz'hörn. Aba dö hamm nix g'hört vun soam G'wünsel, vun wegen ihre vakitteten Ohrwoscheln, und so is a mit am Leben dovunkummen. Jetz aba, wann oana soam Diarndl a Ständerl bringt, und so recht saumäßig brüllen tut mit soana Bärenstimm, nachher hoaßt ma dös a ›Sürenoden‹, wos so vül hoaßen soll, wie so a recht schaudahofts Süreneng'heul.«

»Bravo, Franzl!« sagte Professor Rommel, der sich mit dem Pascha, der Zitrone und der Harmonika an dieser »myrtologischen« Belehrung höchlichst ergötzt hatte: »Was jedoch die Töne betrifft, die wir hier vernehmen, so handelt es sich weder um den Gesang guter Menschen, noch um eine Serenade oder Sürenade, wie du sagst, vielmehr vermute ich, daß wir es mit einem sogenannten singenden Berge zu tun haben, wie dem bekannten Berge Jetko in der Oase Bilma. Solche singenden Berge sollen in der Sahara gar keine Seltenheit sein.«

»Ein singender Berg?« fragte Baron Erich verwundert: der Professor war doch ein ernster Gelehrter und gab sich nicht mit scherzhaften Irreführungen ab, wie es Münchhausen zugetraut werden konnte.

»Jawohl, ein singender Berg. Solche Berge lassen nämlich bei der Annäherung einer Karawane seltsame Töne vernehmen. Woher dies kommt, ist noch nicht enträtselt; die Tatsache jedoch kann nicht in Abrede gestellt werden, das steht fest! Nun sehen Sie dort in der Ferne die undeutlichen Umrisse eines Berges: wenn es nicht schon dunkelte, würden Sie ihn bei der Klarheit der Wüstenluft bestimmt als einen solchen erkennen. Ich glaube, daß wir es hier mit einem solchen singenden Berge zu tun haben, der die Ankunft unserer Karawane durch seine eigentümliche Musik anzeigt.«

»In der Tat!« rief die Harmonika: »Dort ist ein Berg, und zwar muß er angesichts seiner bedeutenden Entfernung ziemlich hoch sein. Wir dürfen diesen seit so lange entbehrten Anblick einer wesentlichen Bodenerhebung, die auch die höchsten Sanddünen um das Zehnfache übersteigen dürfte, gewiß als ein günstiges Vorzeichen ansprechen!«

»So fasse auch ich es auf,« erklärte Hussein Pascha: »Ich ahne dort Oasen, Quellen und Wasserläufe, und schlage vor, in der Nachtkühle noch möglichst weit vorwärts zu wandern, damit wir morgen früh bei guter Zeit den Berg erreichen.«

Als den Leuten dieser Beschluß verkündigt wurde, erscholl allgemeine Zustimmung; denn allen erschien der ungewohnte Anblick eines Berges als etwas Verheißungsvolles, so daß alle Müdigkeit vergessen war, zumal die Nachtkühle erfrischend wirkte. Selbst die Kamele schienen von ihrer bisherigen Erschöpfung nichts mehr zu spüren und schritten wieder munterer aus. Ja, mit der Zeit begannen sie eine lebhafte Eile zu entwickeln und mußten mit Gewalt gezügelt werden, als gegen Mitternacht gerastet werden sollte. Auch dieses auffallende Benehmen der Tiere deutete darauf hin, daß sie die Nähe von Wasser witterten.

Es war eine mondhelle Nacht, und man war dem Berge so nahe gekommen, daß man seine dunkle Masse recht handgreiflich vor sich zu sehen glaubte.

Mahmud, der sich ganz besonders scharfer Augen erfreute, sagte gar zu seinem Freunde Franzl: »Mahmud schaut oan Stadt mit Mauern und Turmen: das soan der Messingstadt, dös sagt das Mahmud, und do beißt koan Mauserl oan Faden ab.«

»Wann d's recht host mit doaner Behaaptung,« entgegnete der Bayer, »nachher zohl i da a Moaßerl im Hofbräu, ball mir zwoa mitoanand noch Minken kimmen.«

»Das Mahmud gehen mit das Franzl nach Minken, dös derfst fein glaaben!« erwiderte der Araber: »Hernach das Franzl ihm zohlen zwoa Moaßerl in die Hofbrei, denn dös san der gute Botschaft wert.«

»Moanetholben drei oda viere: dös kimmt am Franzl nit drauf on, und lumpen laßt a sö schun gor nit: om Geld wurd's am eh nit fehlen, wann a soane Henderln Erdbirnen ausbruten loßt und an Oaerstöcklpflonzung onlegt.«

Bald wurde es still im Lager, und alles ergab sich der willkommenen Nachtruhe.

Als aber die Morgensonne die Schläfer weckte, rieben sich alle die Augen: denn im strahlenden Morgenglanze leuchtete ihnen aus der Ferne ein metallischer Schimmer entgegen.

»Die Kupferstadt!« rief Abd ul Hagg triumphierend aus: »Allah, der Allgütige, hat beschlossen, heute die Zweifel der Zweifler zu beschämen, und die Ehrlichkeit seines treuen Dieners allen vor Augen zu führen, die ihn mit falschem Verdachte kränkten!« Diese heuchlerischen Worte machten freilich wenig Eindruck.

Bei der durchsichtigen Klarheit der Wüstenluft, die auch entfernte Gegenstände mit schärfster Deutlichkeit erkennen läßt, bot sich den Reisenden in der Tat ein märchenhaftes Schauspiel. Aber schon so oft waren sie durch herrliche und lockende Luftspiegelungen genarrt worden, daß die meisten zunächst vermuteten, es werde sich wieder um solch eine trügerische Erscheinung handeln. Diese Meinung wurde dadurch bestärkt, daß der Anblick, der sich den staunenden Blicken darbot, alles in Schatten stellte, was irgend einer der Geblendeten je in seinem Leben erschaut hatte. Da nun die wenigsten wußten, daß auch die Fata Morgana nur weit entfernte, aber stets tatsächlich vorhandene Gegenstände zu Gesichte bringt, vielmehr sich einbildeten, es handle sich dabei um Geisterspuk und die Vorspiegelung eines Scheines ohne Wesen, so waren sie geneigt, das seltsam entzückende Bild, das ihnen vor Augen schwebte, für eine solche Täuschung zu halten. Dazu kam, daß die am Boden sich rasch erwärmende Luft in zitternder Bewegung war, so daß es schien, als schwebe das ferne und anscheinend doch so nahe Bild in der Luft.

Was aber war das so Seltsame und Erstaunliche, das alle in Aufregung versetzte?

Zur Seite des schon gestern entdeckten Berges und eine halbe Stunde westlich von ihm, ragte eine gewaltige Stadt empor, selber einem Gebirge gleich. Unabsehbar dehnte sie sich aus, rings umgeben von hohen steinernen Mauern, über deren Zinnen ein Wald von Türmen und Kuppeln herüberschaute.

Einen düstern, drohenden Eindruck machten diese Türme und Wälle, denn sie waren aus glänzend schwarzen Steinen gefügt. Darüber aber flimmerte und schimmerte es in der Morgensonne, daß die Augen von der blitzenden Pracht geblendet wurden.

Es war meist ein grünlicher und bläulicher Metallglanz, unterbrochen von blanken schwarzen Flächen, glatt poliert und, wie sich später bei Betrachtung in der Nähe erwies, mit nur ganz unbedeutenden Spuren von Verwitterung, die da und dort die Marmorplatten rauhten.

Zwischenhinein aber funkelte es rötlich und gelb, wie von gediegenem Gold.

Es war offenbar, daß die Türme und Kuppeln teils aus Kupfer und Messing, teils aus schwarzem Marmor bestanden. Durch die seltenen Niederschläge war das Metall im Laufe der Zeiten mit einer grünen und bläulichen Patina überzogen worden, die bekanntlich sein bester Schutz ist. Stellenweise hatten jedoch das Kupfer und Messing ihren alten Goldglanz bewahrt, sei es, daß die trockene Wüstenluft an geschützteren Stellen ihre jahrhundertelange Erhaltung ermöglichte, sei es, daß die metallenen Dachplatten zum Teil wirklich vergoldet waren.

Die Umwallung und die meisten Türme waren aus schwarzem Marmor erbaut; einzelne aus dem seltenen und prächtigen grünen Marmor, wie er in den Seealpen im Rojatale gefunden wird. Die Wände der herrlichen Paläste, die meist ebenfalls die Ringmauer überragten, waren mit schwarzen und blendend weißen Marmorplatten verkleidet, was ihnen einen ganz eigenartigen Reiz verlieh.

Zu beiden Seiten der Stadt erhoben sich die ehernen Schlösser, die nach dem Märchen in Tausend und einer Nacht aus spanischem Messing bestehen, einem Gemisch von Kupfer und Zink.

Wie im Traum zog die Karawane dieser wahrhaftigen Märchenstadt entgegen; niemand konnte die Augen von dem bezaubernden Bilde wenden, und als es sich zeigte, daß alle diese Wunder starr und unbeweglich verharrten, daß die Formen massiv, unveränderlich blieben und immer deutlichere Einzelheiten offenbarten, je näher man kam – da erst gelangten alle zur Überzeugung, daß kein Wahnbild und auch keine Luftspiegelung sie täuschte, sondern daß die Messingstadt in zweifelloser Wirklichkeit vor ihnen lag.

Da wurde es nach und nach lebendig in der Karawane. Ausrufe des Staunens und der Freude erhoben sich, erst vereinzelt, zuletzt aber zu brausendem Jubel sich vereinigend.

Wenn das feenhafte Schauspiel auch alles andere vergessen ließ, so fanden sich doch auch Anzeichen dafür, daß man hier finden würde, was weit wichtiger war als alle Herrlichkeit, die das Auge blendete, nämlich lebendiges Wasser.

Zahlreich zeigten sich einzelnstehende Ssantakazien ( Acacia, nilotica) in der umgebenden Wüste, Bäume, die an verschütteten Brunnen wachsen, für die sie ein sicheres Anzeichen sind.

Zu seiten der Stadt aber standen Dattel- und Dumpalmen in ganzen Gruppen, dazu noch andere verwilderte fruchttragende Bäume, umgeben von frischen Weidegründen, die das Vorhandensein von sprudelnden Quellen zur Gewißheit machten.

So sehr ihn selber die Neugier antrieb, in die Geheimnisse der wunderbaren Stadt einzudringen, verlor der Pascha doch das Gebot der Zweckmäßigkeit nicht aus den Augen. Er untersagte strengstens das Betreten der Stadt ohne seine Erlaubnis, die erst erfolgen werde, wenn die rechte Zeit dazu gekommen sei.

Vorerst galt es fleißige Arbeit. Das Lager mußte aufgeschlagen werden in der lieblichen Oase zu Füßen der Stadtmauer, an den Ufern eines plätschernden Bächleins, das sich nach kurzem Lauf durch grünes Gefilde draußen im Sande der Wüste verlor. Die Kamele mußten entlastet und getränkt werden, um dann mit zusammengekoppelten Füßen die frische Weide zu genießen. Die Menschen vor allem mußten ihren Durst stillen und ein stärkendes Mahl einnehmen.

Als über dieser Tätigkeit der aufregende Zauber nie geschauter Wunder sich in den Gemütern einigermaßen dämpfte, fühlten auch alle erst wieder das volle Maß ihrer Erschöpfung und Stärkungsbedürftigkeit. Selbst Professor Rommel, dessen Eifer sich nur mit Mühe hatte abhalten lassen, sofort die Stadt zu betreten, mußte jetzt die vorsorgliche Weisheit des Kapitäns anerkennen, als er nach köstlichem Trunke die schmerzenden Glieder im weichen Grase behaglich ausstreckte und sich das rasch bereitete Mahl schmecken ließ.

Ja, die Ruhe tat so wohl und war ein solches Bedürfnis, daß auch nach eingenommenem Imbiß sich zunächst niemand regte: das Ziel war ja erreicht, und die Märchenstadt konnte nicht mehr entlaufen oder in nichts zerrinnen, wie das Bild einer Luftspiegelung. Jeder würde sie noch in aller Muße durchstreifen und bewundern können: wozu also sich übereilen, da die Rast so überaus erquicklich war?


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