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2.
Hussein Pascha und sein Stab

Ein kleines, zierliches Landhaus, umgeben von einem üppigen Garten, diente Kapitän Hugo von Münchhausen als Paschawohnung.

Der Park, der sich bis an die Ufer des Nils erstreckte, wies eine Mannigfaltigkeit der Pflanzen und Gewächse auf, wie sie nur selten beieinander zu finden sind. Vor allem wuchsen darin die herrlichen Früchte des Südens: sind doch im Orient gerade die Obstbäume zugleich die schönsten Zierbäume.

Die schlanken Dattelpalmen ließen ihre üppigen Trauben zwischen den gefiederten Zweigen niederhängen; Orangen, Limonen und Zitronen, wie eigentlich die wilden Orangen benannt werden, während die Limone das ist, was der Deutsche irrtümlich als Zitrone bezeichnet, leuchteten rot und gelb aus dem glänzenden Grün der kugeligen Kronen, und gleichzeitig ließen ihre lieblichen Blüten einen durchdringenden Wohlgeruch ausströmen. Häufig konnte man an ein und demselben Zweige Knospen, Blüten, reife und unreife Früchte zugleich beobachten. Aprikosen, Pfirsiche, Mandeln, Granatäpfel, Maulbeeren, Pistazien, die goldgelbe, saftige und zuckersüße japanische Mispel, Nessel genannt, Feigen und Ölbäume, die duftenden Karuben oder Johannisbrotbäume und noch vieles andere war hier zu finden; aber auch an nordischem Obst, Äpfeln, Birnen, Pflaumen, Kirschen und dergleichen mangelte es nicht.

Dazwischen grünten die Gesträuche und Büsche der Quitte, des Wacholders, des Rizinus. An den Mauern standen oder rankten empor die Opuntie oder Kaktusfeige, von den Arabern auch »Christenfeige« benannt, die prächtige Aloe, der süßriechende Oleander, traubenschwere Reben und die entzückenden Pfefferbäume mit ihren starren hellroten Fruchttrauben und den würzigen, feingefiederten Blättern, die trauerweidenartig in lachendem Hellgrün herniederhängen: das alles strömte seine berauschenden Düfte aus und bezauberte den schönheitstrunkenen Blick.

Natürlich fehlte es auch nicht an Blumen aller Art, namentlich an Rosen, die überall emporrankten und ihren reichen Flor in allen Farbenschattierungen von Weiß, Gelb und Rot prangen ließen. In der Nähe des Landhauses spendeten süße Kastanien und Nußbäume kühlenden Schatten, während reizende Fächerpalmen ihre gefransten Kronen in der Luft wiegten. Kurzum, es war ein kleines Paradies!

In der offenen, luftigen Säulenhalle, die einen freien Ausblick in den Garten gewährte und seinen frischen Wohlgerüchen ungehinderten Zutritt ließ, saß Kapitän Hugo von Münchhausen oder Hussein Pascha nach Türkenart mit untergeschlagenen Beinen auf einer kostbaren Matte. Dem Schlauche seiner edelsteinbesetzten Nargileh oder Wasserpfeife entlockte er bläuliche Rauchwolken.

Der Pascha war ein noch jugendlicher Mann, doch von stattlicher Leibesfülle. Er zählte neununddreißig Jahre, und das rundliche Gesicht in seiner frischen Röte strahlte Wohlwollen aus, verbunden mit einem heiteren, schalkhaften Gemüt. Seine Kleidung war durchaus arabisch: ein roter Fes bedeckte das Haupt, und den Leib umhüllte ein weiter Bernuß.

Ihm gegenüber hockte in gleicher Stellung, etwas unbeholfen, ein blondbärtiger Mann von etwa fünfunddreißig Jahren, Professor Gerhard Rommel, ein deutscher Archäologe, das heißt Altertumsforscher. Auch er rauchte den duftigen blonden Türkentabak; doch zog er der Wasserpfeife den Tschibuk vor, das lange Pfeifenrohr mit dem Bernsteinmundstück und dem kelchartig sich öffnenden roten Tonkopf. Kunstvolle Ringe blies er bedächtig in die Luft; dann setzte er die Pfeife ab und wandte sich an den Pascha mit den Worten: »Daß ich mit Leib und Seele bei Ihrem Unternehmen bin, wissen Sie, Kapitän. Doch ein Bedenken treibt mich immer noch um: wir sind zu wenig Europäer! Nur drei Mann, Sie und ich und mein Diener Franz Billinger, allerdings eine treue Seele und ein anstelliger Mensch. Aber ist es nicht bedenklich, eine so weite Reise ins Ungewisse und Unbekannte zu unternehmen, ganz umgeben von Mohammedanern, die uns Christen doch tödlich hassen? In der Wüste befinden wir uns völlig in ihrer Gewalt.«

»Beruhigen Sie sich!« sagte der Kapitän oder Pascha lachend. »Wir reisen im gefürchteten und geachteten Schutz des Khediven; sodann sind unsere Leute in mancher Beziehung auf uns angewiesen und haben ein Interesse an unserm Wohlergehen. Was aber noch mehr besagen will, ich habe fast lauter erprobte und zuverlässige Leute, vor allem die beiden Araber Hamed Ben Abd er Rahman und Mohamed et Talib, die mir sehr viel verdanken und die ich zu Scheichs unserer eingeborenen Diener ernannt habe.«

»Ich weiß nicht,« entgegnete der Professor kopfschüttelnd, »gerade diese beiden gefallen mir wenig, sie haben etwas Ungutes in ihrem Blick.«

»Na, Sie kennen die Araber noch ungenügend; die dunkeln Augen dieser Orientalen erscheinen uns anfangs wenig vertrauenerweckend, und doch kann hinter dem klaren, unschuldigen Blau eines europäischen Auges ebensogut List und Verrat lauern. Ich kenne meine Leute nun seit zwei Jahren; ich sage Ihnen, sie sind harmlos und mir durch und durch ergeben.«

»Mag sein! Aber ganz und gar nicht traue ich jenem indischen Fakir, der sich neuerdings zur Teilnahme an unserm Zuge gemeldet hat.«

»Ach was, Professor! Der kann uns nichts anhaben. Was sollte er auch für Gründe dazu besitzen? Er ist ein einzelner und ganz in unserer Gewalt. Übrigens ist mir seine Begleitung äußerst wertvoll. Sie wissen ja, wenn wir auch in erster Linie die Oasen des Westens neuentdecken und erforschen wollen, um ihre Einverleibung durch Ägypten vorzubereiten, so habe ich es mir doch in den Kopf gesetzt, womöglich die sagenhafte kupferne Stadt aufzufinden, die ›Messingstadt‹, wie sie in den Märchen aus ›Tausendundeiner Nacht‹ genannt wird.«

»Nehmen Sie mir's nicht übel, Pascha,« unterbrach ihn Rommel mit einem etwas spöttischen Lächeln, »aber an die Märchenstadt kann ich nicht glauben. Tausendundeine Nacht ist doch wahrhaftig keine ernste Quelle, auf die man ein wissenschaftliches Unternehmen gründen kann. Da können wir gerade so gut ausziehen, den Magnetberg und Sindbads Diamantental zu suchen.«

»Verzeihen Sie, mein Lieber,« entgegnete der Pascha ebenfalls etwas sarkastisch, »auch Märchen sind selten freie Erfindung der Phantasie und ganz aus der Luft gegriffen; sie können einem wirklich schätzbare Winke geben. Ich bin ein vielgereister Mann und kenne das Vorhandensein von wirklichen Magnetbergen, nicht bloß von einem, aus persönlicher Erfahrung, und daß es Diamantentäler in Südafrika gibt, die an Reichtum demjenigen kaum nachstehen, das in Tausendundeiner Nacht geschildert wird, dürste Ihnen selber bekannt sein. Nun habe ich über die Messingstadt auch unter den Eingeborenen manches gehört, das den Eindruck uralter und durchaus nicht ganz märchenhafter Überlieferung macht.

»Plötzlich taucht nun dieser Indier Abd ul Hagg auf, behauptet, ziemlich genaue Kenntnis über die Lage der merkwürdigen Stadt zu besitzen und eigens die Reise hierher gemacht zu haben, um dorthin zu gelangen. Folglich muß mir dieser Mann als Führer willkommen sein. Übrigens habe ich zu aller Vorsicht sämtliche Eingeborenen meiner Karawane und auch den Fakir einen furchtbaren Eid der Treue ablegen lassen, den keiner zu brechen wagen wird.«

So wenig der Professor überzeugt war, wußte er doch im Augenblick keine weiteren schlagenden Einwendungen zu machen; darum trat vorerst wieder Schweigen ein, und nur die Rauchwölkchen und Rauchringe trieben ihr Spiel in der Halle.

Da trat nach gebührendem Anklopfen, auf des Paschas Hereinruf ein schwarzer Diener ein und überbrachte seinem Herren eine goldgeränderte Besuchskarte mit einem zierlichen Krönlein über dem Namen.

»Baron Erich von Steinberg,« las der Kapitän. »Er möge eintreten!« fügte er, zu dem Neger gewendet, auf Arabisch hinzu.


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