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26.
Straußenjagd

Zwei Tage darauf ordnete der Pascha den Aufbruch aus der Oase an: mit Wasser und Lebensmitteln reichlich versehen, setzte sich die Karawane in Bewegung, zur Weiterreise nach der rätselhaften Messingstadt.

Die Wüste bot das gleiche einförmige und trostlose Bild, das man schon gewohnt war, und das wenig ermunternd wirkte, wenn man der Gefahren und Leiden gedachte, die man bisher durchgemacht hatte. Immerhin waren alle wohl ausgeruht und bei frischen Kräften, und angesichts der hochbepackten Kamele und prallen Wasserschläuche war für die nächsten Tage kein Mangel zu befürchten. Schließlich mußte doch auch das Ziel erreicht werden, wenn es überhaupt vorhanden war, oder die Wüste mußte ein Ende nehmen; denn endlos war die Sahara doch auch nicht. So wurde denn die beschwerliche Reise gutes Muts fortgesetzt.

Am zweiten Tage sollte eine Abwechslung die Einförmigkeit der Landschaft beleben. Abu Ramleh, der Vater des Sandes, sichtete durch sein Fernrohr einen Vogel Strauß am Horizonte: das war nun freilich bloß ein Pünktlein in der unermeßlichen Ebene. Aber man war bescheiden geworden, und die Kunde von des Professors Entdeckung genügte, um Leben in die erschlaffende Gesellschaft zu bringen.

Allgemein wurde eine Straußenjagd beschlossen, obgleich keiner recht wußte, wie man dem flüchtigen Vogel beikommen sollte.

»Der Strauß ist mit dem schnellsten Pferde nicht einzuholen,« sagte Münchhausen: »Das kann uns natürlich völlig einerlei sein, weil wir überhaupt keine Pferde besitzen. Aber auch mit dem vorzüglichsten Kamel ist ihm nur schwer beizukommen: man muß ihn überlisten, indem man ihm den Weg abschneidet oder ihn umstellt. Sieht er dann keinen Ausweg mehr, so steckt er bekanntlich den Kopf in den Sand und kann in dieser hilflosen Lage sogar lebendig leicht gefangen werden. Es ist merkwürdig! Der einfältige Vogel sollte doch aus jahrhundertelanger Erfahrung wissen, wie nutzlos, ja gefährlich sein lächerlicher Versuch ist, sich auf diese unzweckmäßige Weise den Augen der Verfolger entziehen zu wollen, allein, er bleibt unentwegt dabei. Offenbar weiß er nichts von der Darwinschen Entwicklungslehre.«

»Überlisten wir ihn also!« rief Abu Haschisch eifrig.

»Ja, wir wollen einen Kreis um ihn schließen,« meinte der Pascha: »Sie werden sehen, wie leicht uns auf diese Weise der schnellfüßigste aller Läufer zur Beute fällt.«

Der Herr der Karawane traf seine Anordnungen, und der Vogel wurde in weitem Bogen von den Deutschen und einigen Arabern umritten. Dann schloß man den Kreis immer enger um ihn. Bald hatte er auch die von drei Seiten nahende Gefahr entdeckt und wandte sich, um nach der vierten hin zu flüchten: allein auch dort erblickte er herangaloppierende Feinde. Baron von Steinberg und seine Schwester kamen ihm hier hoch zu Kamel entgegen.

»Aha! Jetzt wird er den Kopf in den Sand stecken!« rief Abu Haschisch in gespannter Erwartung der Zitrone zu.

Aber dem Strauß fiel es nicht ein, ihm den Gefallen zu tun und ihm dies interessante Schauspiel zu bieten: er stürmte herbei und brach zwischen den Jägern durch. Der Vater des Krauts war platt und riß die Augen weit auf: was fiel diesem Geschöpf ein, so ganz gegen jedes Herkommen zu handeln? Hulda ihrerseits behielt soviel Geistesgegenwart, ihm einen Schuß nachzusenden, der jedoch fehl ging, was nicht zu verwundern war: denn von dem stark schwankenden Rücken eines in vollem Galopp dahinjagenden Kamels kann selbst ein Meisterschütze keinen sicheren Schuß abgeben.

»Der ist uns durchgebrannt!« erklärte Abu el Futha heranreitend: »Es wäre zwecklos, ihn zu verfolgen; einholen würden wir ihn doch nicht mehr.«

Der Baron aber polterte ärgerlich: »Es ist also doch nichts mit dem Schwindel, daß der Strauß den Kopf in den Sand steckt, oder sollte dieses Exemplar die Darwinsche Entwicklungstheorie studiert haben?«

»Letzteres bezweifle ich,« entgegnete der Kapitän seelenruhig: »Es fehlt noch durchaus an wissenschaftlichen Büchereien in diesen Breiten. Dagegen wird der Wüstenvogel in Ihnen den bekannten Fenekjäger erkannt haben, dessen Ruf sich zweifellos schon über die ganze Sahara verbreitet hat. Da wird er sich denn gesagt haben: ›Aha! Vor dem braucht mir nicht bange zu sein!‹ Wenn der Vogel Strauß aber keine Angst hat, steckt er auch den Kopf nicht in den Sand: das ist klar!«

»Aber ich habe doch einen Löwen erlegt!« verteidigte sich Abu Haschisch kleinlaut: den Meisterschuß auf die Gazelle erlaubte ihm sein schlechtes Gewissen doch nicht, zu erwähnen.

»Allerdings,« sagte Münchhausen: »Wenn dem Vogel diese Heldentat bekannt worden wäre, so hätte er Sie sicherlich bedeutend gefürchtet und sein edles Haupt im tiefsten Sande verborgen. Allein Ihr Löwensieg ist ihm offenbar noch nicht zu Ohren gekommen: das ist Pech!«

Da der Abend nahte, wurde gleich nach der mißlungenen Jagd das Lager aufgeschlagen.

Als nach der Abendmahlzeit die Tabakspfeifen gemütlich dampften, drehte sich die Unterhaltung begreiflicherweise um die Gewohnheiten des Vogels Strauß und die verschiedenen Arten, ihn erfolgreich zu jagen.

Kapitän Münchhausen gab hiebei eines seiner merkwürdigen Jagdabenteuer zum besten. »Auf besonders schlaue Weise,« hub er an, »habe ich einmal einen dieser Riesenvögel lebendig gefangen. Auf einem Ritt in die Wüste hatte ich meinen Lieblingshund mitgenommen, von dem ich mich nicht gerne trennte.

»Da das Tier leidenschaftlich jagte und, wenn es ein Wild erblickte, durch keinen Zuruf seines Herrn zurückzuhalten war, hatte ich es mit einer langen, dünnen, doch äußerst festen Hundekette an mein Kamel gefesselt.

»Da kommt mir plötzlich ein prächtiger Strauß in Sicht.

»Wie fängst du es an, um den Kerl lebendig zu fangen?« dachte ich: »Denn Hagenbeck hatte mir kurz zuvor geschrieben, ich möchte ihm doch, wenn irgend möglich, einen lebenden Strauß besorgen, da ihm sein einziges Exemplar leider eingegangen sei. Nun wissen Sie ja wohl, wie gierig diese sonderbaren Geschöpfe altes Eisen, namentlich Schuhnägel, verzehren: darauf gründete ich meinen rasch gefaßten Plan.

»Ich trieb einen starken Pfahl in den Sand und befestigte meine lange Hundekette daran, während ich meinen Hund mit einem Ledergurt an den Sattelknopf festband. In das letzte Glied der Kette steckte ich einen Schuhnagel, den ich aus meinen genagelten Stiefeln löste. Oben an den Pfosten band ich mein buntes Taschentuch, und zog mich dann unauffällig in angemessene Entfernung zurück.

»Eine besondere Eigenschaft des Vogels Strauß ist seine unbezähmbare Neugierde. Bald hatte der meinige die wehende Fahne an der genialen Falle entdeckt, und eilte darauf zu, begierig, festzustellen, was dieses in der Wüste unbekannte Zeichen wohl bedeuten möge? Als er es erreichte, pickte er danach und riß es los: es bereitete ihm sichtliche Genugtuung, daß ihm dies so spielend gelang. Jetzt gewahrte er den Nagel und fiel alsbald über den seltenen Leckerbissen her. Wie er ihn verschluckte, folgte natürlich die Kette nach, in der er fest steckte: dies schien dem Eisenfresser jedoch durchaus nicht unangenehm: Im Gegenteil, er würgte auch die Kette vergnügt hinunter.

»Je mehr er von der Kette verschlang, desto näher kam sein Schnabel dem Pfahl, an dem sie befestigt war, bis er schließlich an den Pfosten stieß und nicht weiter schlingen konnte: da hing er mit zu Boden geneigtem Kopfe fest, – er war hilflos gefangen!

»Nun eilte ich herbei, löste die Kette von der Stange, und band sie hinten an meinem Kamele fest. Der Riesenvogel war infolgedessen gezwungen, mir auf dem Heimritt zu folgen, genau wie mein Hund, und da half ihm alles Sträuben so wenig wie seine vergeblichen Anstrengungen, sich zu befreien.

»Als ich ihn glücklich im Stall hatte, gab ich die Kette frei und er schluckte sie vollends hinunter: mein Gefangener aber war und blieb er, bis ich ihn mit dem nächsten Dampfer zu Hagenbeck schickte, der mir nach seiner Ankunft hocherfreut schrieb, ein solches Prachtexemplar von einem Straußen habe er noch nie erblickt, geschweige denn besessen: es sei eine Zierde seines Tierparks.«

»Na, Kapitän,« sagte Rommel lachend: »Da Sie so unerschöpflich an Jägerlisten sind, daß Sie Krokodile und Nilpferde mit Sperrhölzern, Eisbären mittels Zeltstangen und Strauße mit Hundeketten zu bändigen und zu erbeuten vermögen, so hätten Sie auch heute Ihre geniale Erfindungsgabe leuchten lassen sollen, statt uns die schöne Beute so schmählich entkommen zu lassen.«

»Ja, wenn ich geahnt hätte, daß unser heutiger Strauß schon von den Jägerstücken unseres verehrten Botanikers unterrichtet war und deshalb furchtlos an ihm vorbeieilen würde, hätte ich mich gewiß auf eine neue List besonnen; allein das ist nun leider zwecklos. Wissen Sie aber auch, welch herrlicher Leckerbissen ein Straußenei ist, besonders am Spieße gebraten?«

»Am – – Spieße – – gebraten?« fragte Steinberg, diesmal wirklich ungläubig.

»Jawohl: das ist auch eine von meinen Erfindungen. Ich fand einmal in der Wüste ein prächtiges Straußenei und wollte mir diese herrliche Abwechslung in der eintönigen Wüstenkost keineswegs entgehen lassen. Nun sind aber rohe Eier nichts weniger als nach meinem Geschmack. Allein, wie sollte ich den Fund zubereiten. Kochen? Eine solche Wasserverschwendung war ausgeschlossen, da meine Vorräte schon bedenklich knapp waren. Backen? Vorzüglich, wenn ich nur Fett gehabt hätte! Aber einen Bratspieß hatte ich für alle Fälle bei mir. Ja, warum sollte man ein Ei nicht ebensogut am Spieße braten können, wie einen Löwenschinken, wenn man die Sache nur vorsichtig angriff?

»Erfreut über meinen guten Gedanken, steckte ich meine Pfeife an einer Brennessel an ...«

»An einer Brennessel?« rief Abu Haschisch: »Nee, Kapitän, das ist nun doch wohl geflunkert!«

»Geflunkert?« verwahrte sich Abu el Futha: »Wo denken Sie hin, Baron? Münchhausen und flunkern – das darf man nicht in einem Atem nennen! Ich vergaß nur, zu erwähnen, daß dies Vorkommnis sich in einer nicht völlig pflanzenlosen Gegend der Sahara abspielte, wo eben einige Brennesseln wuchsen.«

»Das meine ich ja nicht,« entgegnete Steinberg: »Vielmehr bezweifle ich nur, daß man an einer Brennessel seine Pfeife anstecken kann.«

»Aber ich bitte Sie! Natürlich, wenn Sie an unsere deutschen Nesseln denken! Allein Sie müssen bedenken, daß die afrikanische Brennessel ungleich heftiger brennt als die europäische, an der Sie freilich nicht einmal eine Zigarette entzünden könnten.«

Mit diesem Bescheid gab sich der leichtgläubige Vater des Krauts zufrieden, und der Pascha fuhr fort: »Dürre Stauden und Kamelmist waren vorhanden, so daß ich, ebenfalls mit Brennnesseln, ein Feuer entzünden konnte. Jetzt stieß ich mit einem scharfen Stoß den Bratspieß durch das Ei, von der Breitseite zur Spitze. Es gelang ausgezeichnet: die beiden Löcher waren so glatt und genau, wie durch die Kugel eines Gewehres mit größter Durchschlagskraft geschossen. Der Spieß füllte sie so völlig aus, daß auch nicht ein Tröpflein verloren ging. Auf einen solchen herzhaften, scharfen Stoß kommt natürlich alles an; denn wenn die Schale splittern würde, wäre das Braten am Spieße selbstverständlich ausgeschlossen. So jedoch glückte es über Erwarten, und das Ei schmeckte weit besser, als ein in Schmalz oder Butter gebackenes.«

Steinberg beschloß, das nächste Ei, das ihm in die Hände fiele, ebenfalls auf diese neumodische Art zuzubereiten.

Der Pascha nahm aber alsbald wieder das Wort: »Da wir gerade an den Eiern sind, möchte ich Ihnen noch ein merkwürdiges Erlebnis mitteilen: Obgleich ich kein Gelehrter bin, leide ich doch nicht selten an einer geradezu fabelhaften Zerstreutheit. Nun hatte ich in Kairo eine kleine Hühnerzucht begonnen. Da sandte mir eines Tages ein Freund aus Amerika ein Dutzend Kartoffeln einer neuen Sorte, mit der ich einen Anpflanzungsversuch in Ägypten machen wollte.

»Eines meiner Hühner war brütlustig, und ich nahm gleichzeitig mit den Kartoffeln, die ich stecken wollte, ein Dutzend Bruteier mit, um sie der Henne unterzulegen. Nun denken Sie sich meine Zerstreutheit: stecke ich nicht richtig die Eier, und lege die Kartoffeln der Glucke unter!

»Anfangs hatte ich keine Ahnung von meinem Versehen und war nur aufs äußerste befremdet über die seltsamen Triebe, die den vermeintlich gesteckten Kartoffeln entsproßten. Als ich jedoch nach drei Wochen nach den ausschlupfenden Küchlein sehen wollte, fand ich die Bescherung: die Henne hatte mir fünf Dutzend junge Kartoffeln ausgebrütet, von jeder der untergelegten vier bis sechs neue! Sie schmeckten übrigens ganz vorzüglich. Die gesteckten Eier hatten ihrerseits prächtige Eierstöcke getrieben. Leider war die Jahreszeit schon zu vorgeschritten, als daß die Früchte noch hätten ausreifen können: sie wurden nicht mehr viel größer als Taubeneier. Dafür war der Fruchtansatz äußerst reichlich, über hundert Stück. Trotz ihrer Kleinheit ließen sie sich recht gut in der Küche verwenden und lieferten die schmackhaftesten Eierkuchen, die ich je genossen habe.«

Münchhausens launige Berichte, denen nur Baron Steinberg und die Zofe Isolde andächtig lauschenden Glauben schenkten, erregten allgemeine Heiterkeit.

Franz Billinger bemerkte zum Schluß: »A ganz famose Afindung hoben S' do g'mocht, Herr Pascha, mit deane ausbrutete Kartoffeln: dös geht jo onders topfa! Noch drei Wuchen schun neue Erdäpfel, – dös loß i ma g'folln! Wann i hoam kimm, nachher loß i moana Mutta ihre Hennen an Zentna Erdäpfel ausbruten. Hallo! wurd do moan Olte schaugen, wanns ihre Bruthendeln sechs oda sieben Zentna draus mochen! Und unsa ganz Dörferl wurd d'Aagen aufireißen sperrangelweit. Und hernach erst, wenn i Oaer stecken tu, und dö Oaerstöckl hangen vulla junga Oaer: dös wurd an Spektakul obsetzen! Aba tüchtig düngen werd' i s', mit an kräftigen Pferdsmist, daß sö fein groß werrn, wie Gonsoaer, und auf d'letzten wie Straußenoaer. Nachher wurd i a reicha Monn durch moan Erdäpfelbrut und Oaerpflanzung, und dös vadonk i alloan Eahna Ihra Afindung, Herr Pascha. Jo, Sö san an Monn, a so oan gibt's fein koan zwoaten nit in da Herrgottswelt: dös sogt da Franzl Billinger, und wos der sogt, dös is wohr, da beißt koan Mäuserl an Foden ob!«


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