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Erwägt man nun alles bisher Vorgetragene und überlegt mit mir, ob augenblicklich wol in Italien die Zeitverhältnisse so sind, daß man einen neuen Fürsten zu Ehren bringen und daß ein tapferer und besonnener Mann eine neue Verfassung schaffen könnte, die ihm selbst zum Ruhme gereichte und der Nation Vortheil brächte, so scheinen mir jetzt so viele Umstände zusammenzukommen, daß nie ein günstigerer Zeitpunkt dazu vorhanden war. Wie gesagt, die Künste des Moses konnten sich nicht entwickeln, wenn die Juden nicht in der Dienstbarkeit Egyptens gewesen wären; die Größe des Cyrus wäre nicht erkannt, wenn die Perser nicht von den Medern vorher unterdrückt wären; den Theseus berühmt zu machen, mußten die Athenienser zu seiner Zeit zerstreut leben; und so mußte auch, damit ein italienischer hoher Geist sich zeigen könne, Italien so tief sinken, sklavischer werden, als die Juden je gewesen sind, unterdrückter als die Perser, zerstreuter als die Athenienser, ohne Kopf, ohne Ordnung, geschlagen, ausgeplündert, zerrissen, überrannt, – das italienische Volk mußte auf alle Weise zu Grunde gerichtet sein. Und wenn sich gleich bis daher in Einem oder Anderm einiger Schein gezeigt hat, als ob er von Gott dazu berufen sei, Italien zu erlösen, so sind solche doch im Verfolge der Begebenheiten durch das Schicksal so zurückgeworfen, daß Italien noch immer wie todt daliegt und auf den harrt, der es von den erlittenen Schlägen herstellen, den Plünderungen und Verheerungen der Lombardei, dem Aussaugen und Erpressungen des römischen Gebietes und Königreichs Neapel ein Ende machen, und die durch die Länge der Zeit so tief hinein brandig gewordenen Wunden heilen wird. Seht, wie das Volk zu Gott ruft, er möge Jemand senden, der es von der Grausamkeit und dem Uebermuthe der Barbaren erlöse! Seht, wie geneigt es ist, der Fahne zu folgen, wenn nur Jemand da wäre, der sie aufpflanzte. Es ist aber jetzt Niemand zu finden, auf den man hoffen dürfte, außer in eurem erlauchten Hause, welches durch seine hohen Eigenschaften und durch seinen Glücksstern Nardi erzählt im 6. Buche seiner Geschichte von Florenz, daß die Astrologen dem Papste Leo X. in den ersten Monaten seiner Regierung vorhergesagt haben, sein Bruder Giuliano (der als Herzog von Nemours starb) werde König von Neapel, und sein Neffe Lorenzo Herzog von Mailand werden. (unter Begünstigung Gottes und der Kirche, an deren Spitze euer Geschlecht gegenwärtig steht) Anführer der Befreiung werden könnte. Dies wird euch nicht schwer werden, wofern ihr nur die von mir vorgehaltenen Beispiele vor Augen behaltet. Und obwol diese von seltnen und bewunderungswürdigen Männern herrühren, so waren sie doch auch Menschen: die Gelegenheit aber nie so günstig als gegenwärtig; denn ihre Unternehmungen waren weder gerechter noch leichter, noch auch hat sich Gott ihnen günstiger bewiesen als euch. Hier ist gerechte Sache: denn dieser Krieg ist gerecht, nothwendig. Hier sind fromme Waffen: deswegen hoffet auf nichts Anderes, als auf sie. Alles ist dazu vorbereitet, und mithin kann es keine großen Schwierigkeiten haben, wenn man nur die von mir aufgestellten Beispiele zum Muster nimmt. Außerdem sind Zeichen und Wunder geschehen ohne Beispiel, und die von Gott kommen; das Meer hat sich aufgethan, eine Wolke hat euch den Weg gezeigt, ein Fels hat Wasser ergossen, Manna ist geregnet: Alles hat sich vereinigt zu eurer Größe; das Uebrige müßt ihr selbst thun. Gott thut nicht Alles, um der Freiheit des menschlichen Willens keinen Eintrag zu thun, und uns den Theil des Ruhmes zu lassen, der unsre Handlungen angeht. Auch ist es nicht zu verwundern, wenn keiner von oben gedachten Italienern das hat leisten können, was man von eurem erlauchten Hause hoffen darf, und wenn es in so vielen Umwälzungen von Italien und so vielen kriegerischen Unternehmungen den Anschein gehabt hat, als sei alle kriegerische Tugend erloschen. Dies beweist nur, daß die alten Anordnungen nichts taugten, und bisher Niemand neue zu erdenken gewußt hat. Nichts bringt einem neu aufsteigenden Helden mehr Ehre, als die Erfindung neuer Gesetze und neuer Anordnungen. Sind diese gut begründet und ist darin eine gewisse Größe, so erwerben sie ihm Verehrung und Bewunderung, und es fehlt in Italien nicht an Materie zu jeder neuen Gestalt. Kraft genug ist in den Gliedern, wenn sie nur nicht in den Köpfen gefehlt hätte. Die Zweikämpfe und einzelnen Gefechte unter wenigen Personen beweisen, wie viel Ueberlegenheit die Italiener in Kraft, Geschicklichkeit und Verstand besitzen. So wie sie aber in ganzen Heeren zusammen erscheinen, so sieht man nichts mehr davon; Alles liegt nur au der Schwäche der Häupter, denn die es besser wissen, gehorchen nicht; Jedermann aber will es so gut wissen als der Andre, da bis jetzt noch Niemand aufgestanden ist, der Ueberlegenheit genug in Tugend und Glück gezeigt hätte, daß die Andern ihm hätten weichen müssen. Daher kommt es denn, daß seit zwanzig Jahren kein einziges Heer etwas ausgerichtet hat, welches aus bloßen Italienern bestand. Das beweisen die Schlachten am Taro, Alexandrien, Capua, Genua, Vaila, Bologna, Mestri. Wenn also euer erlauchtes Haus das Beispiel derer nachahmen will, die ihr Vaterland befreit haben, so ist vor allen Dingen nöthig (worauf ja jede Unternehmung beruht), eigne Mannschaft anzuwerben, weil es keine treueren, ächteren und besseren Soldaten gibt. Wenn gleich jeder Einzelne für sich gut ist, so werden sie zusammengebracht noch besser, sobald sie von ihrem eigenen Fürsten angeführt sind und sich von demselben geehrt und gut behandelt sehen. Es ist also nöthig, sich auf diese Art zu rüsten, um sich mit italienischer Tapferkeit gegen die Fremden zu vertheidigen. Und obgleich die schweizerischen und spanischen Fußvölker für furchtbar gelten, so haben doch beide ihre Fehler, die einem Dritten Gelegenheit zum Widerstande und Hoffnung geben, sie zu besiegen. Denn die Spanier können den Angriff der Reiterei nicht aushalten, und die Schweizer geben dem Fußvolke nach, wenn sie auf solches stoßen, das eben so hartnäckig im Gefechte ist, als sie selbst. Die Erfahrung hat dieses bewiesen; die Spanier können eine französische Reiterei nicht abhalten; die Schweizer unterliegen spanischem Fußvolke. Von dem letzten haben wir noch keine vollständig« Erfahrung: jedoch hat sich ein Probestückchen davon in der Schlacht bei Ravenna gezeigt, als die Spanier mit deutschen Truppen zusammentrafen, welche dieselbe Art zu fechten haben wie die Schweizer. Die Spanier drangen nämlich durch die Gewandtheit des Körpers und durch Hilfe ihrer kleinen Schilder tief auf sie ein, unter ihre Piken, und waren dabei im Angriffe gedeckt, ohne daß die Deutschen sich gegen sie wehren konnten. Wäre die Reiterei nicht dazu gekommen, so waren sie Alle verloren. Da man also die Mängel jener Mannschaft zu Fuß erkannt hat, so kann gegenwärtig eine neue Einrichtung derselben eingeführt werden, welche der Reiterei zu widerstehen vermag und andres Fußvolk nicht zu fürchten braucht. Dieses wird nicht durch die Beschaffenheit der Waffen, sondern durch Stellung und Anordnung der Mannschaft bewirkt werden. Dieses sind die Erfindungen, welche einen neuen Fürsten groß machen und seinen Ruhm gründen. Die gegenwärtige Gelegenheit möge also nicht vorübergehen, damit Italien endlich nach so langer Zeit seinen Erretter sehe. Ich vermag es nicht auszudrücken, mit welcher Begierde ihn alle Länder aufnehmen würden, die so viel von den fremden Überschwemmungen gelitten haben; mit welchem Durste nach Rache, welcher unüberwindlichen Treue, welcher frommen Liebe; wie viel Thränen für ihn fließen würden! Welche Thore würden wol ihm verschlossen werden? Welches Volk könnte es versagen, ihm zu gehorchen? Wie dürfte der Neid sich gegen ihn regen? Welcher Italiener könnte sich weigern, ihm zu folgen? Einen Jeden ekelt diese fremde Herrschaft an! So ergreife denn euer erlauchtes Haus den Entschluß, mit dem guten Muthe und der Hoffnung, womit gerechte Unternehmungen angefangen werden, damit das Vaterland unter seinen Fahnen wieder geadelt werde, und die Prophezeiung des Petrarca eintreffe:
»Die Tugend wird gegen die wilde Wuth in Waffen treten und das Gefecht bald entschieden sein; denn die alte Tapferkeit ist in der Brust der Italiener auch heute noch nicht erstorben!«