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Wenn man die Schwierigkeiten erwägt, welche es hat, eine neu errungene Herrschaft zu behaupten, so könnte man sich wundern, wie es zugegangen, daß das ganze von Alexander dem Großen innerhalb weniger Jahre eroberte asiatische Reich, welches er kaum in Besitz genommen, als er starb, und wovon man deswegen hätte glauben sollen, daß es gegen seine Nachfolger aufstehen werde, von diesen dennoch behauptet wurde, ohne alle andern Schwierigkeiten, als die, welche ihre eignen Uneinigkeiten erzeugten. Ich antworte darauf, daß alle Herrschaften, von denen man Kunde hat, auf zweierlei Weise regiert worden sind. Entweder durch einen Herrn, der sich nur solcher Diener bediente, die vermöge der ihnen aus Gnaden verliehenen Gewalt, blos als Werkzeuge, zu der Verwaltung mitwirkten; oder durch einen Herrn und kleinen Fürsten, die ihre Stellen nicht der Gnade des Herrn, sondern ihrer eignen Abkunft verdankten. Solche hohe Beamten haben eigne Länder und Unterthanen, von denen sie als Herrn anerkannt werden, und die ihnen anhängen. Die Regenten, welche blos mittelst ihrer bestellten Beamten regieren, haben weit größeres Ansehn, weil Niemand im ganzen Lande ist, der nicht dieses Ansehn anerkennt: und wenn er einem Andern gehorcht, so ist es nur als dem Stellvertreter und Diener des Oberherrn. Solchen Personen sind aber die Unterthanen nicht sonderlich zugethan. Beispiele von beiden Arten von Regierungsform geben die Türken und die Franzosen. Das ganze türkische Reich wird von einem Monarchen regiert: die andern sind seine Diener. Es ist in Bezirke getheilt, die von einzelnen Personen verwaltet werden, welche der Sultan nach Willkür ein- und absetzt. Der König von Frankreich hingegen ist von einer großen Zahl von alten Fürstenhäusern umgeben, deren Herrschaft von ihren Unterthanen anerkannt und geliebt wird. Diese Fürsten haben Vorrechte, die der König nicht ohne Gefahr antasten kann. Wer diese beiden Regierungsformen betrachtet, wird finden, daß es schwer ist, das türkische Reich zu erobern: sobald es aber erobert wäre, würde es leicht sein, es zu behaupten. Die Schwierigkeiten der Eroberung sind folgende. Der Eroberer kann nicht durch inländische Fürsten hereingerufen werden, und darf nicht auf Unterstützung von Rebellen hoffen, aus oben angeführten Gründen. Da sie alle Knechte sind, so ist es schwer, sie zu bestechen, und wenn sie bestochen wären, so würde es wenig helfen, weil sie aus den angegebnen Ursachen nicht im Stande sind, das Volk mit in ihr Interesse zu ziehen. Wer also die Türken angreift, muß erwarten, sie einig zu finden, und darf nur auf seine eignen Kräfte rechnen, wenig auf die Uneinigkeit des Gegners. Wenn der Feind aber überwunden ist, so daß er keine Armee wieder aufzustellen vermag, so ist nichts mehr zu fürchten, als die regierende Familie, nach deren Untergange kein Mensch mehr Ansehn genug im Volke hat, mit Erfolg aufstehen zu können. So wie der Sieger vor dem Siege auf Niemand hoffen konnte, so hat er nach demselben Niemand mehr zu fürchten. Das Gegentheil findet statt bei Reichen, die so regiert werden, wie Frankreich, in die es leicht ist einzudringen, sobald man einen von den hohen Reichsbeamten gewonnen hat, unter denen sich immer Unzufriedne und Neuerungssüchtige finden. Diese vermögen es, aus oben angeführten Ursachen, den Weg ins Land zu öffnen, und den Sieg zu erleichtern. Nachdem aber hat es unendliche Schwierigkeiten, sich darin fest zu setzen: sowol mit denen, die Beistand geleistet haben, als mit den Ueberwundenen. Es ist alsdann nicht genug, das regierende Haus zu vertilgen: denn die Reichsherren bleiben übrig, die sich zu Häuptern aufwerfen, und das Land dem Eroberer bei erster Gelegenheit entreißen, wenn er sie weder zu vertilgen, noch zufrieden zu stellen weiß. Wenn man nun erwägt, von welcher Beschaffenheit das persische Reich war, so wirb man viele Aehnlichkeit mit dem heutigen türkischen finden. Alexander brauchte also nur Schlachten zu gewinnen, und sobald Darius todt war, behielt der Sieger das Reich mit vollkommner Sicherheit. Auch seine Nachfolger hätten es in völliger Ruhe behalten können, und es entstanden in dem weiten Lande keine andern Unruhen, als die sie selbst durch ihre Uneinigkeiten erregten. Aber Länder, die solche Verfassung haben, wie Frankreich, kann man nicht so ruhig besitzen. In Spanien, in Frankreich, in Griechenland entstanden unaufhörliche Empörungen gegen die Römer, wegen der vielen einheimischen Fürsten. So lange das Angedenken an diese währte, blieb der Besitz ungewiß. Nachdem dieses aber erloschen war, erhielten sich die Römer durch ihre Macht und die Länge der Zeit in ruhigem Besitze. In der Folge, als die Römer unter sich selbst zerfielen, vermochte sogar jeder von ihnen einen Theil der Provinzen, nach Maßgabe des darin erlangten Ansehns, in sein Interesse zu ziehen, weil sie ihre eignen Fürsten ganz verloren hatten und keine andre Oberherrschaft anerkannten, als römische. Erwägt man dies Alles, so wird sich Niemand wundern, daß es Alexander so leicht wurde, Asien in Unterwürfigkeit zu halten, dagegen Andre, wie z. B. Pyrrhus, so viele Schwierigleiten fanden, ihre Eroberungen zu behaupten. Der Grund liegt nicht sowol in der Heldenkraft des Eroberers, als in der verschiedenen Beschaffenheit der Eroberungen.