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Tychiades. Alles dieß, mein schöner Herr, habe ich von andern schon gehört, und von Leuten, die wahrlich nichts weniger im Sinne hatten als die Philosophen zu höhnen und lächerlich zu machen; ich kann dir also nicht vorwerfen, daß du deiner Kunst zu lieb die Philosophen verläumdet habest.Dies ist ein wenig boshaft von Tychiades gesprochen. Laß es also dabey bewenden, und sage nun was denn der Parasit im Kriege für ein Held ist, und ob sich überhaupt beweisen läßt, daß es schon in den heroischen Zeiten Parasiten gegeben habe?
Simon. Wie ungelehrt einer auch übrigens seyn mag, mein Freund, so hat er doch wenigstens den Homer gehörtweil er den Kindern in der Schule erklärt wurde., und muß also wissen, daß bey ihm die besten seiner Helden Parasiten sind. Denn sogar jener berühmte Nestor
dem von der Zunge wie Honig die süße Rede herabfloß,Ilias I. v. 249.
Nestor selbst war ein Parasit des Königs Agamemnon, und weder Achilles, wiewohl er für den schönsten und bravsten Mann des ganzen Heeres gehalten wurde, und es auch war, noch Diomedes, noch Ajax, wird von Agamemnon so hoch geachtet und gelobt wie Nestor. Denn er wünscht sich weder zehn Ajaxe noch zehn Achillen, sondern ist versichert daß er Troja unfehlbar erobern würde, wenn er zehn solche Kriegsmänner hätte wie dieser alte ParasitIlias II. v. 371. u. f. Cicero macht von eben diesem Wunsche Agamemnons Gebrauch um die Vorzüge des Alters, wenn es mit Weisheit vergesellschaftet ist, geltend zu machen; Cato maj. c. 10.. Auch von Idomeneus, einem Sohne Jupiters, sagt Homer daß er ein Parasit Agamemnons gewesen sey.
Tychiades. Ich kannte die Stellen welche du im Sinne hast, aber noch ist mir nicht deutlich wie diese beyden Männer Agamemnons Parasiten heissen können.
Simon. Erinnere dich nur, mein Bester, der Verse die Agamemnon selbst zum Idomeneus sagt:
- dein Becher stand immer gefüllet vor dir, wie mir, so oft als die Lust zum trinken dich ankam.Ilias IV. v. 262. u. f. |
Denn natürlich will er damit nicht sagen, daß sogar im Schlaf oder in der Schlacht immer ein voll eingeschenkter Becher vor Idomeneus gestanden wäre: sondern nur, daß er vorzugsweise alle Tage seinen Platz an des Königs Tafel eingenommen habeDer Parasit verfälscht den Homer offenbar zum Vortheil seiner Hypothesen: denn Agamemnon erklärt sich deutlich genug, worin der Vorzug bestanden, den er dem Idomeneus an seiner Tafel vor den übrigen gab. »Die andern Fürsten der Griechen bekommen ihre gewisse Portion sagt er, hingegen wird dein Becher immer wieder vollgeschenkt wie mir selbst, damit du so oft trinken könnest als du Lust hast.« Diese Stelle beweiset also nichts für seine Behauptung., da hingegen die übrigen Befehlshaber nur an gewissen Tagen eingeladen worden. So sagt er, z. B. vom Ajax, da er aus einem für ihn sehr rühmlichen Zweykampf mit Hektorn zurückkam, »sie führen ihn zum göttlichen Agamemnon«, nemlich, weil der König, ihm zu besondern Ehren, wiewohl es schon spät war, ein Gastmal angestellt hatte. Idomeneus und Nestor aber waren die täglichen Tischgenossen des Königs, wie er selbst sagt.Die Wahrheit zu gestehen, sagt er das nirgends, man müste denn der Stelle, im 2ten Buche v. 405. Gewalt anthun wollen; woraus sich freylich unser Parasit kein Gewissen zu machen scheint. Besonders scheint mir Nestor ein großer Virtuos in der Kunst bey den Königen zu schmarotzen gewesen zu seyn: denn er fieng nicht erst beym Agamemnon an, sondern hatte sie schon vorher bey den Königen Cäneus und Exadius getrieben, scheint sie auch nicht eher als mit dem Tode Agamemnons aufgegeben zu haben.
Tychiades. Das war also ein Parasit der euerm Orden Ehre machte. Kannst du mir aber noch andere von diesem Rang aus den homerischen Zeiten nennen?
Simon. Wie, Tychiades? War denn Patroklus nicht ein Parasit des Achilles? Ein junger Mann, der wahrlich keinem andern Griechen weder an Leibes- noch Seelen-Vollkommenheit nachstand! Ich glaube sogar aus seinen Thaten den Schluß machen zu können, daß Achilles selbst hierin nichts vor ihm voraus gehabt habe. Denn er trieb den Hektor, der durch die Thore des griechischen Walles eingebrochen war, und schon innerhalb desselben bey den Schiffen fochte, wieder zurück, und löschte das Schiff des Protesilaus, das schon zu brennen anfieng, wiewohl es von keinen schlechtern Männern als Telamons beyden Söhnen vertheidiget wurde. Dieser Parasit des Achilles erlegte eine Menge Barbaren, und sogar den Sarpedon, wiewohl er ein Sohn Jupiters war. Auch in der Art seines Todes ist etwas vorzügliches. Hektor fiel von der einzelnen Hand des Achilles, und Achilles wurde hinwieder von dem einzelnen Paris getödtet: aber den Parasiten zu erlegen brauchte es nicht weniger als einen Gott und zwey MenschenApollo, Hektor und Euphorbus. Ilias XVI. v. 781-848., und die letzten Worte womit er seine Seele ausathmete, waren nicht wie die des edeln Hektors, der den Achilles fußfällig fleht, wenigstens seinen Leichnam den seinigen ausfolgen zu lassen: sondern Worte die eines Parasiten würdig waren.
Tychiades. Und wie lauteten sie?
Simon.
Wären mir zwanzig wie du in Waffen entgegen gekommen, Alle wären, bezwungen von meinem Speere, gefallen! |
Tychiades. Genug! – Aber wie willst du beweisen daß Patroklus nicht ein Freund, sondern ein Parasit des Achilles gewesen sey?
Simon. Er soll es dir selbst sagen.
Tychiades. Das wäre!
Simon. So höre dann seine eigenen Worte:
Laß nicht, Achill, mein Gebein besonders vom deinigen legen, sondern beysammen, wie wir in euerer Wohnung erzogen wurden, –Ilias XXIII. v. 83. u. f. |
und bald darauf
Freundlich empfieng mich dein Vater, der Rossebändiger Peleus, und erzog mich mit liebender Sorgfalt, und nannte mich deinen Diener, |
d. i. deinen Parasiten. Hätte er ihn seinen Freund nennen wollen, so würde er das Wort Diener nicht gebraucht haben; denn Patroklus war frey. Was kann er also unter Diener verstehen als solche die weder Freunde noch Sclaven, folglich Parasiten sind? In eben diesem Sinne heisset MerionIlias XIII. 246. Im Ernste zu reden, verstand Homer unter dem Worte θεράπων, wenn er es von Patroklus und Merion gebraucht, wohl nichts anders als was unsre Alten unter Schildknapp oder Edelknecht verstanden. Der Schwätzer Simon scheint, indem er den Merion zum Parasiten des Idomeneus macht. schon wieder vergessen zu haben, daß dieser letzte, seinem eigenen Vorgeben nach, ein Parasit des Agamemnon war. ein Diener des Idomeneus. Und auch hier bitte ich dich zu bemerken, daß Homer nicht diesen Idomeneus, wiewohl er Jupiters Sohn war, würdig findet ihn dem Kriegsgott gleich zu nennen, sondern den Parasiten Merion. Und war nicht (um ein näheres Beyspiel anzuführen) nach dem Zeugnis des Thucydides, Aristogiton,S. Thucyd. B. VI. Auch hier läßt Lukian den Parasiten einen Gedächtnisfehler begehen, vermuthlich weil dergleichen Unrichtigkeiten dem Charakter eines solchen Burschen gemäßer sind als die Genauigkeit eines Gelehrten. Nach dem Thucydides war Harmodius der Liebling und Parasit des Aristogiton. ein Jüngling ohne Adel und Vermögen, der Parasit des Harmodius; aber auch sein Liebhaber; denn was ist billiger als daß die Parasiten die Liebhaber derjenigen sind, die ihnen zu essen geben? Und dieser Parasit war der Mann, der Athen von der Unterdrückung der Söhne des Pisistratus befreyte; und steht auch dafür mit seinem Geliebten, auf dem großen Platze, aus Erzt gegossen. Ich denke das sind Beyspiele genug von sehr braven Männern welche Parasiten waren. – Und wie meynst du wohl daß der Parasit sich zu einem Treffen anschicken und dabey betragen werde? Wird er nicht, fürs erste, gleich den Vortheil haben, nicht anders als, nach dem weisen Rathe des Ulysses,Für die Zeitgenossen Lukians lag etwas sehr lustiges darin, daß Simon von dem Parasiten, als einem Ideale, in eben dem Tone spricht wie die Stoiker von dem Weisen – der Parasit, nicht ein Parasit, und die Stoiker alle die großen Wunderdinge die man weiß, nicht von einem d. i. von diesem oder jenem Weisen, sondern von dem Weisen par excellence, von dem idealischen und archetypischen Weisen, prädicirten. mit einer guten Mahlzeit im Leibe ins Treffen zu gehen? Denn wen Ulysses gegen den Feind schickt, dem giebt er vorher tüchtig zu essen, und wenn er gleich mit Anbruch des Tages fechten müßte.Ilias XIX. v. 160. u. f. Während also daß andere Soldaten, der eine seinen Helm vor Angst zehnmal aufsetzt und wieder abnimmt, bis er ihm recht sitzt, ein anderer seinen Brustharnisch anschnallt; ein dritter sich das schlimmste was begegnen kann zum voraus einbildet und zittert, sitzt der Parasit mit heiterm Gesichte bey Tische und läßt sich belieben: sobald es aber ins Treffen geht, stellt er sich unter die vordersten. Sein Patron steht im nächsten Gliede hinter dem Parasiten, der ihn, wie Teukrus seinen Bruder Ajax, mit seinem Schilde verbirgt, und, wenn es nun zum Pfeilschuß gekommen ist, sich selbst blos giebt um nur ihn zu decken, als an dessen Erhaltung ihm mehr als an seiner eigenen gelegen ist. Gesetzt aber auch, er falle im Treffen, so werden gewiß weder sein Officier noch seine Cameraden sich seiner zu schämen haben, wenn ein so stattlicher Mann als Leiche, so schön wie bey einem Gastmale daliegt; und es verlohnte sich wohl der Mühe zu sehen, wie er von dem dürren schmutzigen bocksbärtigen Cadaver des armseligen Tropfen, des Philosophen, absticht, dem die Seele vor Angst schon entfuhr ehe die Schlacht angieng. Wer sollte einen Staat nicht verachten, den er von so armseligen Beschützern vertheidigt sähe? Oder wer könnte die grüngelben, übelgekämmten und zottelbärtigen Männerchen so da liegen sehen, ohne auf den Gedanken zu gerathen, die Republik habe aus Mangel an Soldaten ihre Gefängnisse aufgethan, und die eingekerkerten Missethäter bey ihrem Kriegsvolk untergesteckt. Und so verhielten sich also die Philosophen und Redner gegen die Parasiten im Kriege! Im Frieden ist die Vergleichung den ersten nicht vortheilhafter: im Gegentheile, da ist meines Erachtens die Parasitik den Philosophen so weit vorzuziehen als der Friede dem Kriege. Um dieß in sein gehöriges Licht zu setzen, suchen wir einmal, wenn dirs gefällt, die Örter auf, wo der Friede eigentlich seinen Sitz hat.