Lukian von Samosata
Lügengeschichten und Dialoge
Lukian von Samosata

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XIII.

Leontichus, Chenidas und Hymnis.

Leontichus. Aber nun vollends in dem Treff en gegen die Galater, – das soll euch Chenidas erzählen, wie ich da vor allen unsern Reutern auf meinem weissen Rosse angesprengt kam, und die Galater, wiewohl es ihnen sonst an Muth nicht fehlt, sobald sie mich erblickten, zu zittern anfiengen, und kein einziger Mann mehr in Reyhe und Gliede stehen blieb. Nun schleuderte ich meinen Wurfspieß und schoß den Anführer ihrer Cavallerie und sein Pferd durch und durch; auf den Rest aber, der noch Miene machte Stand halten zu wollen (denn, wiewohl der ganze Phalanx gesprengt war, so blieben doch noch einige und versuchten sich in eine Colonne zu formieren) stürme ich mit gezücktem Schwerdt und so wüthend loß, daß ich durch den blossen Stoß meines Pferdes die sieben Vordersten von ihnen übern Hauffen werfe, während ich mit meinem Degen einem Rittmeister den Schädel auf Einen Hieb entzwey spalte. – Bald darauf rücktet ihr andern auch an, Chenidas, fandet aber nichts mehr zu thun, als den Fliehenden nachzusetzen.

Chenidas. Und was für Wunder, Leontichus, thatest du nicht erst in dem Zweykampf mit dem Satrapen an der Grenze von Paphlagonien?

Leontichus. Gut daß du mich daran erinnerst! Ich muß selbst gestehen, es war keine von meinen schlechtesten Thaten. Der Satrap, ein Mann von gigantischer Statur und der für den besten Fechter in der ganzen feindlichen Armee passierte, dabey ein großer Verächter von allem was Griechisch heißt, war trotzig vor die Fronte geritten, und hatte einen jeden von uns, der das Herz hätte sich mit ihm zu messen, herausgefodert. Alles erschrack über diese Ausforderung, Obersten, Generale, und der Oberfeldherr selbst – ein Ätolier, Nahmens Aristächmus, ein Mann, dem es nicht an Bravour fehlte, und der beste Lanzenwerfer in der ganzen Armee. – Ich commandierte damals nur tausend Mann; aber das Herz schwoll mir empor, ich stieß meine Cameraden, die mich zurückhalten wollten, auf die Seite – denn es wurde ihnen bange für mich beym Anblick des riesenmäßigen Barbaren, der in seiner vergoldeten Rüstung dastand als ob er Strahlen von sich würfe, und mit seinem vom Helm herabwehenden Federbusch und der trotzigen Miene womit er seine Lanze schwenkte, in der That ein fürchterliches Ansehn hatte.

Chenidas. Ich muß gestehen, auch mir wurde damals Angst für dich, Leontichus; du wirst dich erinnern, wie viele Gewalt ich anwandte dich zurück zu halten, wie ich dich bat dich nicht für andere in Gefahr zu begeben! Denn was hätte mir das Leben helfen können wenn du gestorben wärest?

Leontichus. Aber, wie gesagt, das Herz schwoll mir hoch empor und ich trat mitten zwischen beyde Heere hervor, nicht schlechter bewafnet als der Paphlagonier, sondern ebenfalls von Kopf zu Fuß in Gold. Sogleich erhob sich ein großes Geschrey von Seiten der Unsrigen sowohl als der Barbaren; denn auch diese erkannten mich stracks an meinem runden Schild, an meinem Waffenschmuck und an meinem Helmbusche. Wem, sagte man, daß ich da gleich gesehen hätte, Chenidas?

Chenidas. Wem anders, beym Jupiter, als jenem berühmten Sohne der Thetis und des Peleus, dem großen Achilles? Man hätte sich verschworen du wärest es selbst, so ein heldenmäßiges Ansehen hattest du in deinem Helm, in deinem purpurnen Kriegsrock, und den blitzenden Schild am Arme!

Leontichus. Nun giengen wir auf einander loß, und es glückte dem Barbaren mir zuerst eine kleine Wunde beyzubringen, indem er mich ein wenig überm Knie, wiewohl nur ganz leicht, mit seinem Wurfspies streifte: ich aber stoße ihn mit meinem langen Macedonischen Speer durch seinen Schild mitten in die Brust; er fällt, ich laufe hinzu, haue ihm mit meinem breiten Schwerdt den Kopf ab, und kehre im Triumph, mit seinen Waffen, und mit dem Kopfe des Prahlers auf der Spitze meines Speers über und über von seinem Blute triefend, zu den Meinigen zurück.

Hymnis zusammenfahrend. Gott bewahre! Was für schreckliche und abscheuliche Dinge erzählst du von dir selbst, Leontichus? Wer wollte einen Mann, der solche Freude an Blut hat, nur ansehen, geschweige mit ihm essen und trinken und bey ihm schlafen können?

Leontichus. Ich bezahle dich doppelt.

Hymnis. Ich kann unmöglich bey einem solchen Mörder schlafen!

Leontichus. Fürchte dich nicht, Hymnis! das alles ist in Paphlagonien geschehen; jetzt bin ich der friedfertigste Mann von der Welt.

Hymnis. Aber du bist mit einem Mord verunreinigt! Das Blut von dem Kopfe des Barbaren, den du auf deinem Speer trugst, hat auf dich herab getropft, und ich sollte einen solchen Mann umarmen und küssen? Das wollen die Grazien verhüten! Er ist ja um nichts besser als der Scharfrichter!

Leontichus. Ich würde dir gewiß gefallen wenn du mich in meiner Rüstung sehen würdest!

Hymnis. Wenn ich nur davon reden höre, kehrt sich mir alles im Leibe um, die Haut schaudert mir, und mich däucht, ich sehe die blutigen Gespenster der Ermordeten, besonders des armen unglücklichen Rittmeisters, dem du den Kopf gespaltet hast. Wie wär' es erst, wenn ich die Sache selbst, und das viele Blut und die herumliegenden Todten sähe! Ich hätte den Tod davon, ich, die nicht einmal einen Hahn abwürgen sehen kann.

Leontichus. Ey, ey, Hymnis! bist du denn so gar feigherzig und von so kleiner Seele? Ich dachte, dir mit meiner Erzählung noch viel Vergnügen zu machen.

Hymnis. Da mußt du dir Lemnierinnen oder DanaidenDie 50 Töchter des Danaus, (die bis auf Eine) ihre Männer auf Befehl ihres Vaters in der ersten Hochzeitnacht ermordeten, sind bekannt. Gleicherweise hatten die Weiber in der Insel Lemnos, zur Zeit der Argonautischen Fahrt nach Kolchis, einer allgemeinen Abrede gemäß, ihre Männer aus Eifersucht in Einer Nacht umgebracht (die einzige Hypsipile rettete dem Könige Thoas, ihrem Vater, das Leben) so daß die Argonauten, wie sie zu Lemnos anlandeten, die ganze Insel bloß mit Weibern besetzt, diese letztern aber (deren Männerhaß sich inzwischen ziemlich abgekühlt hatte) nicht abgeneigt fanden, zu Verhütung einer gänzlichen Entvölkerung ihres Landes die gehörigen Maßregeln mit ihnen zu nehmen. suchen, wenn es anders noch dergleichen giebt: ich eile zu meiner Mutter zurück weil es noch Tag ist. Komm du mit, Gramme! und du, tapferster aller Chiliarchen, lebe wohl, und schlage so viel Köpfe ab als dir beliebt; ich will den meinigen in Sicherheit bringen. Sie läuft davon.

Leontichus. Holla! wohin, Hymnis? So bleibe doch! – Wahrhaftig sie ist fortgelaufen.

Chenidas. Du hast aber auch dem guten Mädchen mit deinem wehenden Federbusch und den unglaublichen Mordgeschichten gar zu Angst gemacht! Ich sah gleich wie sie blaß wurde, da du noch an dem Rittmeister warst, und wie sie zusammenfuhr und sich schüttelte, da du ihm den Schädel entzwey spaltetest.

Leontichus. Ich bildete mir für gewiß ein, das würde mich desto liebenswürdiger in ihren Augen machen. Aber du bist allein an meinem Unglück schuld, Chenidas. Warum mußtest du mir auch den verwünschten Zweykampf in den Weg werfen?

Chenidas. Ich mußte dir ja doch wohl lügen helfen, da ich sah was du mit deinen Aufschneidereyen wolltest. Aber du hättest es nicht so gar arg machen sollen! Wenn dem armen Paphlagonier doch ja der Kopf abgehauen werden mußte, so hättest du ihn wenigstens nicht auf den Spies stecken und das Blut auf dich herunter triefen lassen sollen.

Leontichus. Das war in der That zu arg, du hast recht, Chenidas; aber das übrige klang doch so übel nicht. Lauf also, und wende alles bey ihr an, daß sie diese Nacht mit mir passiert.

Chenidas. Soll ich sagen, es sey an allem kein wahres Wort? Du habest bloß deine Tapferkeit in Credit bey ihr setzen wollen?

Leontichus. Davon hätt' ich wenig Ehre, Chenidas; das geht nicht an.

Chenidas. Anders kommt sie dir gewiß nicht. Wähle also was du lieber willst: entweder ihren Abscheu mit der Meynung daß du eine große Kriegsgurgel seyest; oder zu bekennen daß du gelogen hast, und Hymnis zur Schlafgesellin zu haben?

Leontichus. Die Wahl ist schwer – aber Hymnis schlägt doch vor! Geh also, und sag' ihr – was du willst, nur nicht daß Alles erlogen sey!


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