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HetärengesprächeHetärengespräche. Da ich in Adelungs Wörterbuche kein Wort finde, das mit dem Griechischen Hetäre völlig gleichbedeutend wäre, und da das zur Noth brauchbare Courtisane eben so wenig teutsch ist als jenes: so halte ich, alles wohl erwogen, für das schicklichste, das Wort Hetäre als ein griechisches Kunstwort zu behandeln, welches wir, um den Begriff, den die Griechen damit verbanden, von verfälschenden Nebenbegriffen rein zu erhalten, eben so wenig zu verteutschen suchen müssen, als die Wörter Archon, Nomophylax, Mystagog, Philosoph, Theurg, und hundert andere dieser Art, deren Subjecte wir entweder gar nicht haben, oder die doch bey uns ganz was anders, als bey ihnen sind. Hetäros hieß bey den Griechen was bey uns ein guter Freund oder Camerad heißt, und Hetära ist das Femininum davon. Dieses jovialische Volk, das in allem die Euphemie liebte, fand keine anständigere Benennung, als diese, für die Mädchen, die vom Ertrag ihrer Reizungen lebten, die Kunst zu gefallen und Vergnügen zu machen, entweder als eine mechanische Hanthierung oder als eigentliche Künstlerinnen trieben, und überhaupt dazu bestimmt waren, die Mannspersonen (denen, nach griechischer Sitte beynahe aller gesellschaftliche Umgang mit dem ehrbaren Theile des schönen Geschlechts versagt war) für diese Entbehrung einer der größten Annehmlichkeiten des Lebens, die einem geselligen und polierten Volke in die Länge unerträglich fallen mußte, einigermaßen, zu entschädigen. Diese Hetären (die man mit den niedrigern Priesterinnen oder vielmehr Schlachtopfern der Venus Volgivaga nicht vermengen muß) machten bey den Griechen, ungefehr wie ihre Professionsverwandtinnen zu Venedig, Paris und London, eine eigene Classe aus: nur wurden sie von den Gesetzen nicht bloß geduldet, sondern hatten sich sogar des besondern Schutzes der Göttin der Liebe zu erfreuen, die ihnen die nicht geringe Ehre erwies, zu Athen und zu Ephesus den Beynahmen Hetäre zu führen. (S. Muson. Philos. de Luxu Graecor. c. 12. in Gronov. Thes. Vol. VIII.) Venus Hetäre warf natürlicher Weise einen gewissen Glanz auf den ganzen Stand und Orden dieser guten Freundinnen des Publicums, in welchem überdieß nicht wenige theils, wie Lais und Phryne, durch eine ausserordentliche Schönheit, theils, wie Sappho und Leontium, durch Talente und Schönheit des Geistes sich auszeichneten, ja einige, wie Thargelia und Aspasia, durch die seltensten Vorzüge aller Arten sich sogar bis zum höchsten Rang empor geschwungen hatten. Wenn unser Autor bey seinen hetärischen Dialogen auch keine andere Absicht gehabt hätte als einen neuen und noch von keinem Schriftsteller seiner Art betretnen Weg, seine Leser angenehm zu unterhalten, einzuschlagen, so sehe ich nicht, was gegen diesen Einfall einzuwenden wäre, und warum er in der neuen Art von satyrischen Dialogen, wovon er als der Erfinder angesehen werden kann, nicht eben so gut Hetären, als Götter und Göttinnen, lächerliche Philosophen und Personen aus dem Reiche der Todten hätte auftreten lassen dürfen, vorausgesetzt, daß er in diesen kleinen dramatischen Scenen die Gesetze der Ehrbarkeit und Anständigkeit so genau beobachtete, wie er wirklich gethan hat. Aber ohnezweifel hatte er auch bey seinen Hetärengesprächen (wie bey fast allen seinen Schriften) die Absicht, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden; mir wenigstens scheint es eines Philosophen für die Welt, wie er war, auf keine Weise unwürdig zu seyn, im Gegentheil vielmehr zur Vollständigkeit seines schriftstellerischen Plans (über welchen ich mich schon anderswo erklärt habe) zu gehören, daß man auch diese reizenden Sirenen, die in großen Städten einen wahrlich nicht unbedeutenden Einfluß auf Familienverhältnisse, häusliches Glück und auf die Sitten überhaupt haben, in seinen Schriften mit wahren Zügen und Farben abgeschildert, und von mancherley Seiten, in allerley Situationen, mit und ohne Maske, ohne Verschönerung, aber auch ohne Verunstaltung, kurz mit philosophischer Unpartheylichkeit und Treue dargestellt finde. Man kann unbesorgt deswegen seyn, daß alles, was uns Welt und Menschen besser kennen lehrt, immer seinen Nutzen hat. Ich begreiffe daher nicht, was für ein übellauniger Dämon den Dr. Franklin auf den unglücklichen Einfall bringen konnte, diese eleganten Dialogen unserm Autor geradezu abzusprechen, und für unterschobene, seines Geistes unwürdige Bastarden zu erklären; ein Urtheil, das jeden Leser von Geschmack um so mehr befremden muß, da er sie alle ohne Ausnahme mit dem Stempel der unserm Autor eigenen Laune, Manier und Schreibart unverkennbar bezeichnet finden wird. Übrigens ist unter den funfzehn hetärischen Gesprächen nur ein einziges, das keine Übersetzung in irgend eine lebende Sprache gestattet, jedoch ohne daß deswegen ein billiger Tadel auf Lukian fallen könnte; denn der Grund davon liegt nicht in der Art, wie er das Süjet dieses Dialogs behandelt hat – diese ist wirklich für einen solchen Gegenstand züchtig genug – sondern in dem Süjet selbst. Lukian hatte vermuthlich gute Ursachen, eine unter den vornehmen Damen seiner Zeit ziemlich im Schwange gehende Ausschweiffung, zu ihrer Beschämung und zur Warnung junger Personen, durch dieses vertrauliche Gespräch einer sittsamen jungen Hetäre mit einer ältern Freundin öffentlich zur Schau auszustellen: aber bey uns finden weder diese Bewegursachen statt, noch vertragen unsere Sitten, was die Sitten seiner Zeitgenossen vertragen konnten..