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Während der Visconti den Brief seines Kanzlers las und den Timoteo aussandte nach San Gemignano, lehnte Provenzan regungslos am Pfeiler. Plötzlich fuhr er gegen den Zaccaria, der seitlich stand. – »Was lachst du?«
Zaccaria schrak zusammen. – »Herr ...« Er hatte in Wahrheit nicht gelacht.
»Was lachst du, frag ich?«
»Herr ... Ich hätte nicht gewagt ...«
»Aus meinem Hause! Fort! Sogleich!« – Provenzan wies ihm mit stoßender Faust die Türe.
Und als Zaccaria schon entflohen war und andere kamen, Leuchter und Kerzen bringend, wurden sie von pfeilenden Worten in die Seite geschossen. – »Fort! Alle fort!« – Seine Augen tasteten aus tief gegrabenen Höhlen hinter den Erschreckten her – jetzt trugen sie ihr Lachen aus den Mauern ...
Provenzan stieg die schmale, geeckte Treppe hinauf zum Gemach der Herzogin, pochte.
»Tretet ein, Herr Andrea!«
Über ihr war ein flimmerndes Lächeln der Erwartung – aber sie scheute zurück, als ihr Gatte in der Türe stand.
»Du hast einen anderen erwartet?«
»Er hat gebeten!« – Gaspara fand nicht weiter, tastete um sich.
Bannend hielt sein Auge sie fest. – »Er bittet viel ...«
Gaspara warf den Kopf, doch ihr kam kein Wort der Entgegnung.
»Und du gehorchst, als wären es nicht Bitten, sondern Befehle!«
Sie reckte sich mit einem Aufatmen – »Herzog!«
»Frau!«
»Sonderbar habt Ihr Euch verändert – seit diesem Morgen!«
Er erbleichte bis ins Dunkel seiner Augen hinein. – »Dieser Morgen!« – Und mit schneidender Stimme: »Immer dieser Morgen!«
Sie fühlte seinen Schmerz. Erinnern der Liebe, die sie ihm lange bewahrt, regte sich. Sie sah ihn an aus schimmernden Augen. – »Provenzan – soll ein einziger Tag alles zerbrechen?«
»Warum bist du gestern nicht bei mir gestanden? Geschworen hast du, an meiner Seite auszuharren in Verderben und Todesnot!«
Sie trat zurück, höher gewachsen und mit sich härtenden Blicken. – »Nimmer in Schmach!«
»Schmach ist es einer Frau, zu einem andern zu treten, wenn der Gatte – leidet!«
»Heute bist du nicht der gewesen, der in Mantua um mich warb, für den ich – andere gelassen!«
»Den Herzog Andrea, meinst du?«
Sie entrang sich ihm, aber dann stieg ihr Kopf hoch, in ihren Augen wurde ein Schwert zum Kampfe geschmiedet, und es schlug auf Stahl: »Ja, den Herzog Andrea!«
Provenzan schwankte.
Wieder schlug das Schwert auf. – »Einem Bettler habe ich meine Treue nicht verlobt!« – Und als nur ein Keuchen widerkam, stieß sie ihm nahe in den Blick hinein: »Für mich hättest du es nicht getan!«
»Was sagst du?« – Er wich.
Aber sie war ihm näher noch – »Für mich hättest du es nicht getan – was du für jenen Mino getan hast!«
Er fühlte den Haß, der ihn jagte, duckte sich jedem Hieb. – »Kannst du das glauben?«
Jetzt war sie höher als er. – »Alles für ihn – nimmer für mich!«
»Ich hätte es für dich getan, wie für Mino!« – Ein Geschlagener floh.
»Und ich hätte es nicht geduldet!«
»Sag selbst – frag dein Herz – gedenke derer, die jemals dir lieb gewesen – kann ein Freund den Freund sterben lassen?«
»Niemals darf ein Fürst niedrig sein! Nicht um das eigene Leben! Nicht um des Freundes Leben! Niemals!« – Vor ihm stand die Tochter des Geschlechtes, das ohne Herzregen durch Blut und Tränen geschritten war, aus eigener Kraft groß zu sein. – »Ich habe zum Vater aufgeblickt und zu den Brüdern – und einst zu dir!« – Verstummend wandte sie sich.
Provenzan verlor sich selbst, ungefaßt bog er zur Seite. – »Wenn Euch ein anderer besser behagt –«
»Nun?« – Ihr Wort stach.
»Wenn Ihr zum Herzog Andrea gehen mögt –«
Kalt fragte sie: »Ihr schickt mich zu ihm?«
»Ich will nicht, daß meine Gegenwart Euch lästige Gedanken wecke! Gedanken an – heute morgen!«
Sie verschloß sich. – »Abgesandte meines Bruders sind in der Stadt.«
»Sie haben auch Euch gesehen – heute morgen. Und sie werden nicht schweigen.«
Da schoß es aus ihm, eine rote Flamme. – »So sagt es doch schon, daß ich zu schlecht bin für Euch! Daß Ihr Euch schämt, meine Gemahlin zu heißen! Daß Ihr bereut, mich erwählt zu haben!«
»Heute habe ich mich Euer geschämt!« – Das Schwert in ihren Augen stand hoch gezückt.
Er taumelte, faßte den Griff der Türe. – »Dann – dann schäme ich mich Euer – fortan!«
Sie sah ihn nicht mehr. – »Die Abgesandten meines Bruders werden mir ihr Geleit nicht versagen.«
»Auch der Visconti nicht!«
»Ich hoffe es.« Eine Fürstin redete mit einem geringen Mann. – »Ich muß ihn wohl auch bitten, daß er mir das Gewand einer seiner Mägde leihe, damit ich aus diesem Haus nicht mit mir nehme, was zurückgefordert werden kann?«
Gaspara kehrte sich, und sie wußten beide, daß sie zum letztenmal in des anderen Auge geblickt hatten.