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Herr Mino hatte noch am gleichen Tag seinen Hauptmann Timoteo Lotteringhi nach Siena gesandt, der dem Herzog die Schlüssel der Stadttore übergab und ankündigte, daß der Feldherr mit seinen Söldnern und den deutschen Lanzknechten morgen heimkehren wollte.
Timoteo, dem Mino als seinem Freund traute, hatte auch der schönen Angelica de' Pannochieschi ein Briefchen ins Haus zu spielen gewußt, denn Mino gedachte, in einen Reitermantel gehüllt und eine Stirnhaube übers Gesicht gezogen, ungekannt am Abend in Siena zu sein, und er bat Angelica, daß ein Knecht an der gewohnten Stelle seiner warte. Aber das wußte er nicht, daß Herr Benvenuto – Malvenuto, den unrecht Gekommenen nannten sie ihn, wenn er zu Hause saß und Mino die Angelica nicht besuchen konnte; – daß der Eheherr zurückgekehrt war von seinem Landgut in Poggibonsi und Minos Brieflein vom Pförtner empfangen hatte.
Kaum gönnte sich Herr Mino Zeit genug, in seinem Hause die Waffen fort zu tun und ein reines Gewand um den Leib zu legen; schon ritt er die Gassen hinab bis zum roten Eck, nahe dem Haus der Herren von Pannochieschi, wo ihn ein Knecht der Monna Angelica erwartete. Sein Pferd trat fast auf eines der obrigkeitlichen Schweine, die mit ihren Schellen Gasse auf und Gasse ab suhlten und dazu bestellt waren, den Unrat der Stadt in ihren Magen aufzunehmen. Diese Amtstiere hatten an dem Tage, wie übrigens auch an anderen Tagen so viel bekömmliche Nahrung auf den Straßen von Siena eingeheimst, daß sie ermattet in irgendeinem Rinnsal lagen und vor Fettigkeit kaum mehr schnaufen konnten, geschweige denn ihrem Amt vorstehen. Der alte Albanello, der sich in der Schlacht bei Montaperti ein lahmes Bein geholt hatte, war beim hohen Rate schon dreimal bittlich geworden, daß er seinerseits ein paar Schweine dürfte durch die Straßen laufen lassen, jedes gestutzt am rechten Ohr, damit keiner sie ihm wegfinge; aber durch eine Hinterlist des Stadtnotars Meister Sermini war die einträgliche Schweinemast dem verdienten Manne nicht gegönnt worden, er mochte kärglich sich und sein Vieh nähren. Nur der Usiglia Geppo, der Holzhackersfrau, die, wie jedermann weiß, nach jener rühmlichen Schlacht sechsunddreißig Florentiner an einem einzigen Strick, sie ganz allein, gefesselt und in die Stadt geführt hatte – nur dieser Ehrenfrau waren drei öffentliche Schweine verwilligt worden; und davon hatte ihr ein boshafter Feind eines weggeraubt. Usiglia klagte gern um ihr Lieblingstier und deuchte sich übel gelohnt für kriegerische Taten.
Es war aber die Gasse vor dem Hause des Herrn Benvenuto de' Pannochieschi so tief im Dreck versunken, daß es einem Liebenden nicht wohl angestanden hätte, hindurch zu waten, um dann ins duftende Kämmerlein seiner Frau eingelassen zu werden; er hätte schier allerlei Stank an Schuhen und Strümpfen mitgebracht. Darum stand abendlich, wenn Herr Mino kommen sollte, ein starker Bursche bereit, ihn über die Straße zu tragen und unbeschmutzt auf der Schwelle des Hauses niederzusetzen; von dort aus fand Herr Mino seinen Weg allein.
Nicht anders verhielt sichs an dem Abend, da Mino von Orvieto heimgekommen war, aber erst am andern Morgen vor allem Volk als Sieger einzuziehen gedachte durch Porta San Marco. Der Knecht wartete, hob ihn vom Pferd, trug ihn durch den gestauten Unrat und setzte ihn nieder im Trocknen. Sodann zog er die Türe des Hauses zu, versperrte sorglich und warf die Mantelkappe vom Kopf zurück: da war es Herr Benvenuto de' Pannochieschi. Das Goldstück, das Mino ihm reichte, fiel auf den Estrich, und ein Dolch funkelte.
»Ich bin Euch nicht unbekannt, will ich glauben?« fragte der Eheherr, als Mino ihn im Dunkel erkannt haben mochte; die Rache wäre lahm gewesen, hätte ein Fremder ihm den Stich in die Brust versetzt.
Herr Mino merkte, daß ihm kein Wucherer zwei kupferne Batzen geliehen hätte bis morgen, zumal er waffenlos war. Er bedachte schnell, wie er seinem Leben noch ein Stückchen ansetzen könnte, fuhr sich über die Augen und sprach: »Es ist gar finster hier. Wäre es Euch nicht genehm, gegens Licht zu treten, damit ich sehen könne, wer Ihr seid?«
»Das ist mir genehm!« erwiderte der Benvenuto. – »Beim Lichte wird mein Dolch seinen Weg noch sicherer finden!«
Er ließ Mino ein paar Stufen aufwärts gehen bis zum Fenster, vor dem die Brettchen lagen. Aber ehe das Mondlicht noch recht Zeit gefunden hatte einzurinnen, da lag der Benvenuto, der sich ein wenig hatte wenden müssen, um den Riegel zu ertasten und die Laden aufzustoßen, unten im Straßendreck, denn sehr geschwind hatte sich Herr Mino gebückt, ihn an seinen beiden Schuhen gefaßt und hinabgeworfen. Er sah ihm nach und merkte, daß der mit dem Gesicht vorausgefallen war und daß sein Dolch aufrecht stand in der zähen Masse. Der dumpfe Fall hatte eines der Stadtschweine aus dem Verdauungsschlafe gescheucht, es kam mit freundlichem Grunzen heran und beroch den Benvenuto, aber bald kehrte es sich wohlschmeckenderen Brocken zu. Herr Mino schloß das Fenster, versuchte, ob der Türriegel festhielt, und begab sich ins Kämmerlein, wo er mit heißem Liebkosen empfangen wurde.
Doch erst als die Schwalben morgendlich ums Fenster schossen, erzählte er der Angelica von dem Unfall, der ihrem Eheherrn widerfahren war.
»Er wird dich ermorden und mich mit dir!« – Angelica bebte.
Aber Mino tröstete sie, daß der Benvenuto nicht groß tun würde mit dem nächtigen Sumpfbade da unten.
Herr Benvenuto war im Hause nicht mehr gesehen worden; er ließ Angelica wissen, daß wichtige Geschäfte ihn auf sein Landgut zwangen. In Wahrheit hielt er sich nahe der Stadt verborgen und sann auf Rache.