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So wohlthuend wie für den ermüdeten Pilger die erfrischende Oase, berührt den Leser inmitten der schrecklichen Ereignisse der französischen Revolution die poetische und tief empfundene Schilderung des Chevalier Faublas von seiner einzigen wahren Geliebten Sophie, die er uns in lieblichster Form vor die Augen führt.
In einer Zeit, wo jedermann mit der rasenden Schnelligkeit des Blitzes auf einen andern Pfad versetzt wird, wo Alles von dem wilden Tosen des Aufruhrs und Hasses übertönt wird, lauscht man mit Interesse den innigen Liebesworten des jungen galanten Chevalier's. »O meine Sophie!« ruft er in Kummer und Elend, in der schrecklichsten Gefahr und selbst in der Bastille aus. Überall bei seinen galanten Abenteuern begleitet ihn ihr Bild. Und Sophie ist es denn auch allein, welche ihn über alles Unedle und Niedrige erhoben hält und nach allen Prüfungen des Lebens geläutert, zu sich emporhebt und endlich in wahrer Liebe als ihren Gatten empfängt.
Ich glaube, dass man vergebens einen zweiten Roman suchen würde, der vollendeter in seiner Durchführung, feiner in der Auffassung, und im besseren Zusammenhange ist, als Louvet's Faublas. Ein eleganter Stil, die spannende und logische Handlung, stempeln Faublas zu einem der vorzüglichsten Romane.
Es muss vorzüglich hinzugesetzt werden, dass dieser Roman mit den hunderttausenden Alltagsromanen, die, ich glaube wohl! jährlich, und hauptsächlich in unserer Zeit, geschrieben werden, in keiner Weise verglichen werden kann.
Der Roman Faublas ist ein vollständiges, abgeschlossenes Ganze, und kann überhaupt nur mit solchem Vollkommenen, in welcher Richtung es auch sei, verglichen und beurtheilt werden.
Wir bewundern in diesem Roman den mit allen Vorzügen der Natur ausgezeichneten Chevalier Faublas, der ob seiner Begabung und seiner Vorzüge, seiner Lebhaftigkeit, seiner chevaleresken Großherzigkeit und Großmuth, durch Erziehung und Natur zu seinem Lebenslauf vor- und ausgebildet, ich möchte fast sagen, vom Schicksal in eine Zeit versetzt wurde, die kurz vor der großen französischen Revolution sich gerade in ihrer Verderbtheit kennzeichnet. Faublas hat einen thatsächlich historischen Hintergrund, wie wir später sehen werden, und der Roman ist für die Kulturgeschichte von größtem Wert, da er uns die damaligen Zeiten auf das wahrste und glänzendste schildert.
Man kann sein Mitgefühl der schönen, geistreichen, muthigen und emancipierten Frau von B... in ihrer Aufopferung nicht versagen. Den größten Antheil nimmt man an der betrogenen reizenden Eleonore, Gräfin von Lignolle, in ihrer Liebe; und all' unser Antheil in Freud und Leid concentriert sich wieder in Faublas' Sophie, der jungen, schönen, zarten Frauengestalt in ihrer erhabenen Reinheit. Diese vier Personen sind es auch, welche die Hauptrollen dieses Romans spielen.
Faublas und Sophie, die zwei vorzüglichsten Geschöpfe der Natur, die nach ihrer Vereinigung streben; Frau von B... und Eleonore, als die feindlichen Mächte, welche eine missgünstige Göttin geschaffen hat, die Schicksalsfäden zu durchwirren und den Sieg der wahren Liebe zu verhindern. Die göttliche Allmacht und Liebe ist aber gerecht, und so sehen wir, wie sich dieses Schicksal nicht an seiner Bestimmung hindern lässt, und wie es sich zu rächen weiß, indem es die feindlichen Mächte aufopfert und die bestraft, welche vom Wege der Tugend und Reinheit abweichen.
Die übrigen Charaktere des Romans sind meisterhaft geschildert und können natürlich nur solche sein, welche der Handlung und der Zeit des Romans entsprechen; sie sind mit der größten Wahrheit geschildert. Der Roman ist interessant in allen Details, und nicht ein frivoles oder unanständiges Wort ist in demselben enthalten; dagegen wurde der Phantasie eines jeden Lesers der weiteste Spielraum gelassen. Wie vorzüglich ist der Vater Faublas', als echter französischer Edelmann seiner Zeit geschildert; wie treffend jener ausschweifende Roué Rosambert, und endlich der sein Vaterland Polen so heiß, so innig liebende Duportail-Lovzinski; welch' reizende, aufblühende Knospe erkennen wir in Faublas' Schwester, und welch' einen verschmitzten, hübschen Unhold in »Justinchen«! der physiognomienhafte Marquis von B..., und der Charaden machende und lösende Graf von Lignolle, der treue Jasmin, die pikante Schauspielerin, und all' die Figuren und Gestalten eben so wahr, als interessant! – über alle waltet das mächtige Schicksal und über alle ergeht es sich in treffendster und verhängnisvollster Weise. Wie sinnig und tiefgehend zum Beispiel selbst im kleinsten, wenn Faublas das schöne Kleid der Marquise, seiner lieben Mama, wie er sie zu nennen pflegt, das er und sie in Glanz und Wonne einst selbst getragen, später bei der gemeinsten Dirne wiederfindet, und wie er mit und in diesem Kleide durch den Straßenkoth von Paris nach der Prefectur wandern muss! – oder wenn der Verfasser durch Schicksalsbestimmung die Marquise nach der von Rosambert an ihr begangenen That noch von Faublas selbst rächen lässt, indem der Chevalier mit des Grafen künftiger Frau kurz vor der Heirat zufällig bekannt wird, und sie beide sich in Liebe zugethan sind! – welch' heilige und wahre Vaterlandsliebe wird uns geschildert in der großen Erzählung Lovzinski's! Sie allein macht uns schon den Roman wert, denn die Liebe zum Vaterland darf in keines Menschen Brust fehlen, die Vaterlandsliebe, in welcher wir in erster Reihe den inneren Halt eines jeden Staates erblicken können.
Wie rührend ist es, wenn Eleonora in ihrem Wohlthätigkeitssinn dem alten armen Herrn von Saint-Prée 6000 Mark aus ihrer Cassa zuschreibt, da nicht er die wohlverdiente Pension erhalten hat, sondern ihr eigener schon in Überfluss lebender Mann, oder wenn sie den alten Bastian auf den früheren Pacht setzt! welch wunderbarer Stil in der Schilderung der Fahrt nach Frommonville, und dann in der Scene, wo Faublas von seinem Vater und seiner Schwester begrüßt wird, und wie er seine Sophie nicht mehr findet.
Was drastisch, was schön, was edel, gemüthvoll ist: dies alles finden wir in diesem Roman in der vorzüglichsten Weise wiedergegeben, verbunden mit gesundem Humor und prickelnder Satyr, in anständigster Weise, in elegantem Stil und in spannendster Handlung, zugleich der Kulturgeschichte und der goldenen Moral Rechnung tragend.
Johann Baptist Louvet van Couvray, geboren 1764 zu Paris, studierte, wie es ihm bestimmt worden war, Jura, widmete sich aber nur der schönen Literatur. 1787 trat er zum erstenmal mit seinem Roman »Leben und Abenteuer des Chevalier Faublas« auf und war damit so glücklich, dass sein Werk zu einem »Modebuch« wurde, welches in ganz Paris jedermann bekannt war; bald auch verbreitete sich dieser Roman wohl über alle Länder der Welt.
Nach »Marquis von Lauraguais« ist Faublas identisch mit dem Abbé von Choisi, der zur Zeit Ludwigs XIV. lebte.
Der Frau von Maintenon überreichte dieser Priester einst eine Übersetzung der »Nachfolge Jesu Christi« und schrieb darauf folgendes Motto: »Concupiscit rex decorum tuum.«
»Deine Reize haben die Lüsternheit des Königs erweckt!« erklärte er der Frau von Maintenon, »können diese Worte nur bedeuten.« – Unter dem Namen »Memoiren der Gräfin von Barres« schrieb Choisi seine Memoiren.
Louvet lebte lange Zeit auf dem Lande in ärmlichen Verhältnissen bei einer Frau, die er von frühester Zeit an liebte, und die er auch schließlich trotz mancher Hindernisse heiratete. Lodoiska hieß sie, und Louvet hat derselben ein ehrendes Denkmal in seinem Roman »Faublas« gesetzt.« Im Oktober 1789 wurde er in Folge einer Brochüre, die er gegen Maunier, Mitglied der constituirenden Versammlung, schrieb, in den Jakobinerklub aufgenommen, in welchem sich damals nur wahre Patrioten und Talente zeigen durften.
In dieser Zeit schrieb er »Emil von Varmont« und »Liebesabenteuer des Pfarrers Sevin«, worin er die Ehescheidung und die Ehe der Priester als unbedingt nothwendig hinstellte; auch einige, allerdings nur sehr unbedeutende Komödien wurden von ihm in derselben Zeit verfasst.
Madame »Roland«, die berühmte Frau, schildert ihren Freund, wie folgt: »Louvet ist klein, schwächlich, er hat einen gesenkten Blick und ist in der Kleidung nachlässig, dem oberflächlichen Beobachter, der den Adel seiner Stirne und das glänzende Feuer seiner sprechenden Augen nicht bemerkt, erscheint er als gewöhnlicher Mensch. Die Leute von Bildung aber kennen seine Romane, und die Politiker zollen seinen Einsichten hohe Achtung. Es ist unmöglich, mehr Geist mit mehr Anspruchslosigkeit und Bonhomie zu vereinigen; muthig wie ein Löwe und sanft wie ein Kind, ein gefühlvoller Mensch, ein guter Bürger, ein lebenskräftiger Schriftsteller, kann er auf der Tribüne Catilina zittern machen und bei Bachaumont zu Nacht speisen.«
Louvets »Memoiren«, die er auf der Flucht in den wilden Höhlen des Jura verfasste, und die fast in alle europäischen Sprachen übersetzt wurden, sind in seiner charakteristischen, wahren und lebendigen Weise geschrieben; sie sind ein höchst interessantes, wertvolles Werk für die Geschichte der französischen Revolution. Louvet gehörte zur gemäßigten Partei und redigierte auf Antrag seines Freundes, des Ministers Roland, die »Sentinelle«. Louvet sprach bei der Verurtheilung Ludwig XVI. nachdrücklich für die Appellation an das Volk und war einer derjenigen, welche gegen dessen Tod stimmten. Er hasste besonders Robespierre, und als derselbe sich gegen die Anklage des Strebens nach der Diktatur von seiten Rolands vertheidigte, fiel ihm Louvet ins Wort: »Robespierre, ich klage Dich an, lange die reinsten Patrioten verleumdet zu haben, zu einer Zeit, wo Deine Verleumdungen wahre Achtserklärungen waren; ich klage Dich an, die Vertreter der Nation, so viel in Deiner Macht stand, verkannt, herabgesetzt und verfolgt, ich klage Dich an, zugegeben zu haben, dass man Dich in Deiner Gegenwart als den einzigen tugendhaften Mann bezeichnet, der Frankreich retten könnte, und dieses selbst zu verstehen gegeben zu haben; ich klage Dich an, die Wahlversammlung auf alle möglichen Arten tyrannisiert, ich klage Dich endlich an, offenbar nach der höchsten Gewalt gestrebt zu haben; ich klage Dich an: und für Deine Überführung wird Dein Betragen lauter sprechen als ich.« –
Louvet gehörte zu den entschiedensten Föderalisten, welche die Kluft zwischen Berg und Gironde mehr und mehr erweiterten. Die Katastrophe zwischen beiden Parteien musste eintreten, Louvet wurde bereits am 2. Juni 1793 in Anklagezustand versetzt. Die Flucht und die Strapazen, welche er während seiner Verbannung erlitten, genau hier zu beschreiben, würde mich zu weit führen. Ich wäre nicht im Stande es so wahrheitsgetreu wiederzugeben, wie es Louvet in seinen Memoiren selbst gethan hat.
Am 9. Thermidor 1795 erst konnte Louvet in sein Vaterland zurückkehren, und am 8. März wurde er wieder in den Convent aufgenommen. Mit der größten Erbitterung, die von unserem Standpunkt aus in keiner Weise gebilligt werden kann, verfolgte er den Rest der Jakobiner; ja leider war er es auch selbst, der sogar edle Republikaner auf's Schafot brachte. Am 19. Juni wurde er Präsident des Convents und am 3. Juli gehörte er dem Wohlfahrtsausschuss an.
Am 20. Mai 1797 musste er wieder aus dem gesetzgebenden Körper austreten. Die Regierung ernannte ihn zum Consul von Palermo, und hier war es auch, wo er nach kurzer Zeit am 5. August 1797 verschied, nachdem er schon längere Zeit durch ungemeine geistige und körperliche Anstrengungen krank gewesen war.