Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++
Aus nun auf den Gitche Gumee,
Auf das blanke Groß-See-Wasser,
Mit der Angelschnur aus Zeder,
Aus geflochtnem Bast der Zeder,
Aus, den Stör zu fangen, Nahma,
Mishe-Nahma, Herrn der Fische,
Ganz allein in seinem Baumboot
Jauchzend zog mein Hiawatha.
Durch das klardurchsicht'ge Wasser
Schwimmen sehn die Fische konnt' er,
Unter sich tief in den Tiefen;
Sehn den gelben Barsch, den Sahwa,
Wie 'nen Sonnenstrahl im Wasser;
Sehn den Shawgashee, den Krebs auch,
Wie 'ne Spinne auf dem Grunde,
Auf dem weißen, sand'gen Grunde.
Saß am Stern mein Hiawatha,
Mit der Angelschnur aus Zeder;
Spielt' in seines Hauptes Federn,
In den flatternden, des Morgens
Hauch, wie in der Tanne Ästen;
Auf dem Bug, aufrechten Schwanzes,
Saß das Eichhorn, Adjidaumo;
Spielt' in seinem Pelz des Morgens
Hauch, wie in der Steppe Gräsern.
Auf dem Weißen Sand des Grundes
Lag das Wunder Mishe-Nahma,
Lag der Stör, König der Fische;
Durch die Kiemen holt' er Atem,
Atmete und blies die Flut er;
Mit den Flossen schlug und facht' er.
Mit dem Schwanz fegt' er die Sandflur.
Lag er dort in voller Rüstung;
Rechts und links ein schützend Kriegsschild,
Knochenplatten auf der Stirne,
Und auf Seite, Rücken, Schultern
Knochenplatten, voll von Stacheln!
Trug er seine Kriegsbemalung,
Streifen Gelb, und Blau, und Scharlach,
Flecken Braun, und Flecken Schwarz auch;
Und er lag dort auf dem Grunde,
Fächelnd mit den Purpurflossen,
Er, der Schrecken aller Fische,
Der Verderber er des Salmen,
Der Verschlinger auch des Herings.
»Nun, beiß an!« rief Hiawatha,
Unter sich tief in die Tiefen;
»Nun, beiß an, o Haufen, Nahma!
Komm heraus nun aus dem Wasser,
Laß uns sehn nun, wer der Stärkste!«
Und er warf die Schnur aus Zeder
In das klardurchsicht'ge Wasser,
Harrt' umsonst auf eine Antwort,
Saß und harrt' auf eine Antwort,
Wiederholte laut und lauter:
»Nun, beiß an, König der Fische!«
Ruhig lag der Hausen, Nahma,
Lag im Wasser, leise fächelnd,
Blickt' empor zu Hiawatha,
Lauschend auf sein Schrein und Schnattern,
Auf sein gänzlich unnütz Toben,
Bis er müde des Tumults war,
Bis er sprach zu dem Kenozha,
Zu dem Hecht, dem Maskenozha:
»Nimm den Köder dieses Tölpels,
Brich die Schnur des Hiawatha!«
In der Hand die lose Schnur drauf
Zucken fühlte Hiawatha;
Zog sie ein, – da zerrt' es also,
Daß das Baumboot aufrecht dastand,
Wie ein Birkenstamm im Wasser,
Mit dem Eichhorn, Adjidaumo,
Hüpfend oben auf der Spitze.
Voll von Hohn war Hiawatha,
Als er sah den Fisch sich heben;
Als er nah und näher kommen
Sah den Hecht, den Maskenozha;
Und er rief ihm zu durchs Wasser:
»Esa! esa! Pfui der Schande!
Du bist nur der Hecht, Kenozha,
Nicht der Fisch, nach dem ich auszog,
Du bist nicht der Fische König!«
Torkelnd niederwärts zum Grunde
Sank der Hecht, sehr in Verwirrung,
Und der mächt'ge Hausen, Nahma,
Sprach zu Ugudwash, dem Klumpfisch,
Ihm dem Brassen scharlachschuppig:
»Nimm den Köder dieses Prahlers,
Brich die Schnur des Hiawatha!«
Langsam aufwärts, schwankend, schimmernd.
Stieg der Ugudwash, der Klumpfisch,
Nahm die Schnur des Hiawatha,
Schwang sich dran aus allen Kräften,
Macht im Wasser einen Strudel,
Dreht', in Kreisen wild das Baumboot,
Dreht' es um und um in Wirbeln,
Bis die Kreise rings im Wasser
Schlugen fern die sand'gen Buchten,
Bis auf den entlegnen Ufern
Schilfesblum' und Rohrhalm nickten.
Doch als Hiawatha langsam
Ihn aufsteigen sah durchs Wasser,
Hebend seine leuchtende Scheibe,
Rief er laut mit Hohngelächter:
»Esa! esa! Pfui der Schande!
Du bist Ugudwash, der Klumpfisch,
Nicht der Fisch, nach dem ich auszog,
Du bist nicht der Fische König!«
Langsam abwärts, schwankend, schimmernd.
Sank der Ugudwash, der Klumpfisch,
Und der Stör, Nahma, von neuem
Hörte Hiawathas Rufen,
Hörte seine trotzige Fordrung,
Hörte sein ganz unnütz Toben
Schallen weither durch das Wasser.
Von dem weißen Sand des Grundes
Stieg er auf mit zorn'ger Miene,
Zitternd in jedweder Faser,
Klirrend rings mit seiner Rüstung,
Bunt in seiner Kriegsbemalung;
Aufwärts schoß in seiner Wut er,
Blitzend sprang er in das Helle,
Tat den großen Schlund auf, schluckte
Beide, Boot und Hiawatha.
Nieder in die dunkle Höhlung
Häuptlings tauchte Hiawatha,
Wie ein Baum auf schwarzem Flusse
Schießt und taucht hinab die Schnellen;
Fand sich ganz und gar im Dunkeln,
Tappt' umher, hilflos sich wundernd,
Bis ein großes Herz er schlagen
Fühlte, pochend dort im Dunkeln.
Und er schlug's in seinem Zorne,
Mit der Faust das Herz des Nahma,
Fühlte wie der Fische König
Schauderte in jeder Faser,
Hört' um ihn das Wasser gurgeln,
Als hindurch er sprang und schwankte,
Schlecht sich fühlend, schwach und müde.
Zerrte quer sodann sein Baumboot
Hiawatha, es zu sichern;
Daß nicht aus dem Schlunde Nahmas,
In der Unruh und Verwirrung,
Er zurück entfahr' und sterbe.
Und das Eichhorn, Adjidaumo,
Hüpft' und plauderte sehr lustig,
Schafft' und schob mit Hiawatha,
Bis die Arbeit ganz getan war.
Sagt' ihm drauf mein Hiawatha:
»O mein kleiner Freund, mein Eichhorn,
Wacker hast du mir geholfen;
Nimm den Dank nun Hiawathas,
Und den Namen, den er gibt dir;
Heiße nach diesem und für immer
Bei den Knaben Adjidaumo,
Schwanz-in-Lüften bei den Knaben!«
Wiederum der Hausen, Nahma,
Jappt' und zitterte im Wasser:
Still dann ward er, und trieb landwärts,
Bis er auf die Kiesel knirrte,
Bis der Lauscher Hiawatha
Ihn ans Ufer hörte knirren.
Auf dem Kies ihn fühlte stranden,
Wußte, daß der Fische König
Lag getötet auf dem Strande.
Hört' er drauf ein Schwirr'n und Schlagen,
Wie vom Herflug vieler Flügel,
Hört' ein Schrei'n und Durcheinander,
Wie von Vögeln, die sich stritten,
Sah zu Häupten sich ein Schimmern,
Scheinend durch die Rippen Nahmas,
Sah das helle Aug' von Möwen,
Sah Kayoshk, die Groß-See-Möwen,
Niederblicken durch die Öffnung:
Sprechend: »Es ist unser Bruder,
Seht doch, es ist Hiawatha!«
Und er jauchzt' empor zu ihnen.
Schrie frohlockend aus den Höhlen:
»O, ihr Möwen! meine Brüder!
Ich erschlug den Hausen, Nahma;
Macht die Ritzen etwas breiter,
Weitet mit den Klau'n die Öffnung,
Macht mich frei aus diesem Kerker,
Und von nun an und für immer
Preisen wird man eure Taten,
Nennen euch Kayoshk, die Möwen,
Ja, Kayoshk, die edlen Kratzer!«
Und die wilden, lauten Möwen
Waren flink mit Klau'n und Schnabel,
Machten Ritz' und Öffnung weiter
In den mächt'gen Rippen Nahmas;
Aus Gefahr und aus Gefängnis,
Aus dem dunkeln Bauch des Stören,
Aus der Fährlichkeit des Wassers,
Lösten sie den Hiawatha.
Stand er nah bei seinem Wigwam,
Auf dem Uferrand des Wassers,
Rief Nokomis, der Bejahrten,
Rief und winkte der Nokomis.
Zeigte auf den Hausen, Nahma,
Wie er dalag auf den Kieseln,
Leblos und die Möwen ätzend.
»Ich erschlug den Mishe-Namah,
Schlug der Fische König!« sprach er;
»Sieh'! der Möwen Schar verspeist ihn,
Ja, der Möwen, meiner Freunde;
Nicht verscheuche sie, Nokomis,
Sie erlösten aus Gefahr mich,
In dem dunkeln Bauch des Stören;
Warte, bis ihr Mahl geendet,
Bis gefüllt sind ihre Kröpfe,
Bis sie, wenn die Sonne hingeht.
Fliegen heim in ihre Nester;
Dann bring' deine Topf' und Kessel,
Und mach' Öl uns für den Winter!«
Und Nokomis saß und harrte,
Harrte bis die Sonne hinging.
Bis der bleiche Mond, die Nachtsonn',
Aufging überm stillen Wasser,
Bis Kayoshk, die satten Möwen,
Schreiend sich vom Mahl erhuben.
Bis sie durch den brennendroten
Sonnenhingang zu entlegnen
Inseln ihren Weg entschwirrten,
Heim ins Rohr in ihre Nester.
Ging zu schlafen Hiawatha,
Und Nokomis ging zur Arbeit,
Schaffend voll Geduld im Mondlicht,
Bis der Mond und bis die Sonne
Wieder ihren Ort vertauschten,
Bis den Himmel Sonnenaufgang
Rötete, bis daß die Möwen,
Ja, bis daß Kayoshk, die Hungrer,
Kehrten von den schilfigen Inseln,
Schrei'nd nach ihrem Morgenfestmahl.
Wechselnd so drei Tag' und Nächte
Mit den Möwen riß Nokomis
Ab das ölige Fleisch des Nahma,
Bis die Flut wusch durch die Rippen,
Bis die Möwen nicht mehr kehrten,
Und nichts dalag auf dem Sande,
Als das Beingerüste Nahmas.