Autorenseite

 << zurück weiter >> 

Anzeige. Gutenberg Edition 16. 2. vermehrte und verbesserte Auflage. Alle Werke aus dem Projekt Gutenberg-DE. Mit zusätzlichen E-Books. Eine einmalige Bibliothek. +++ Information und Bestellung in unserem Shop +++

Im Schatten der Sonoma-Berge

Von mir ist in dieser Zeit nicht viel zu berichten. Ich wurde sechs Monate in Haft gehalten, obgleich man mich keines Vergehens beschuldigte. Ich war verdächtig – ein beängstigendes Wort, das bald alle Revolutionäre kennen lernen sollten. Aber unser eigener Geheimdienst begann zu wirken. Gegen Ende des zweiten Monats meiner Gefängniszeit gab sich mir einer der Gefängniswärter als ein mit der Organisation in Fühlung stehender Revolutionär zu erkennen. Einige Wochen später zeigte sich, daß Joseph Parkhurst, der erst kürzlich angestellte Gefängnisarzt, Mitglied einer der Kampfgruppen war.

So umspann unsere Organisation ungehindert die der Oligarchie. Dadurch blieb ich in Berührung mit der Außenwelt. Und ebenso stand jeder unserer verhafteten Führer in Verbindung mit den tapferen Genossen, die sich in die Livree der Eisernen Ferse vermummt hatten. Zwar war Ernst dreitausend Meilen entfernt an der Pazifischen Küste eingesperrt, aber doch stand ich in ununterbrochener Verbindung mit ihm, und unsere Briefe gingen regelmäßig hin und her. Die Führer waren im Gefängnis wie draußen imstande, den Feldzug zu beraten und zu leiten. Mehrere Monate wäre es einigen von ihnen möglich gewesen, zu fliehen. Da die Einsperrung aber kein Hindernis für unsere Tätigkeit bildete, wurde beschlossen, jede Übereilung zu vermeiden. Zweiundfünfzig Kongreßmitglieder waren im Gefängnis und dazu noch volle dreihundert unserer Führer. Man plante, sie alle gleichzeitig zu befreien. Entfloh nur ein kleiner Teil, so mußte die Wachsamkeit der Oligarchie rege und die Flucht der andern vereitelt werden. Andererseits war man der Ansicht, daß eine allgemeine Befreiung der Gefangenen im ganzen Lande einen außerordentlich starken psychologischen Eindruck auf das Proletariat ausüben mußte. Unsere Stärke mußte dadurch offenbar werden und Vertrauen erwecken.

Es wurde verabredet, daß ich nach meiner Entlassung verschwinden und ein sicheres Versteck für Ernst ausfindig machen sollte. Das Verschwinden war an sich gar nicht so einfach. Sobald ich in Freiheit gesetzt wurde, hetzte die Eiserne Ferse ihre Spione auf meine Fährte. Es war notwendig, sie von meiner Spur abzulenken und nach Kalifornien zu gelangen. Wie dies geschah, ist lustig.

Das dem russischen nachgebildete Paßsystem war bereits in der Entwicklung begriffen. Ich konnte es nicht wagen, den Kontinent in meiner wahren Gestalt zu durchreisen. Wollte ich Ernst je wiedersehen, so mußte ich zunächst gänzlich verlorengegangen sein, denn wenn sie mich nach seiner Flucht aufstöberten, fingen sie auch Ernst wieder. Ferner durfte ich nicht als Mitglied des Proletariats verkleidet reisen. Es blieb mir nur übrig, die Maske eines Mitglieds der Oligarchie anzulegen. An Hauptoligarchen gab es nur eine Handvoll, dagegen unzählige geringere, sagen wir, vom Schlage des Herrn Wickson – Leute, die einige Millionen schwer und Anhängsel der Oligarchie waren. An Frauen und Töchtern dieser Männer gab es sehr viele, und so wurde beschlossen, daß ich als eine von ihnen reisen sollte. Einige Jahre später wäre das unmöglich gewesen, denn da war das Paßsystem so ausgebildet, daß jeder Mann, jede Frau und jedes Kind im ganzen Lande eingetragen war.

Als es so weit war, wurden die Spione von meiner Fährte abgelenkt. Eine Stunde später gab es keine Avis Everhard mehr; eine Felice van Verdighan stieg, von zwei Kammerjungfern und einem Schoßhündchen nebst dessen Wärterin Dieses lächerliche Bild illustriert das herzlose Benehmen der herrschenden Klasse. Während das Volk hungerte, wurden Schoßhündchen von Dienerinnen betreut. Es war dies eine ernsthafte Maskerade von Avis Everhard. Es ging um Leben und Tod, und daher muß man das Bild für echt halten. Es liefert einen schlagenden Kommentar zu den Sitten jener Zeit. begleitet, in den Salonwagen, um einige Minuten später gen Westen zu sausen.

Die drei jungen Mädchen, die mich begleiteten, waren Revolutionärinnen. Zwei von ihnen waren Mitglieder der Kampfgruppen, und die dritte, Grace Holbrock, trat im folgenden Jahre in eine solche Gruppe ein, wurde aber schon sechs Monate später durch die Eiserne Ferse hingerichtet. Es war das Mädchen, das als Wärterin des Schoßhündchens mitfuhr. Von den andern beiden verschwand Bertha Stole zwölf Jahre später, während Anna Roylston Trotz fortgesetzter und beinahe unfaßbarer Wagnisse erreichte Anna Roylston das königliche Alter von einundneunzig Jahren. Wie die Pococks den Henkern der Kampfgruppen, so bot sie den Henkern der Eisernen Ferse Trotz. Sie lebte ein Leben voller Zauber und Glück inmitten von Gefahren und Kampf. Sie selbst war unter den Kampfgruppen als die »Rote Jungfrau« bekannt und wurde eine der berühmtesten Gestalten der Revolution. Als alte Frau von neunundsechzig Jahren schoß sie den »blutigen« Halcliffe inmitten seiner bewaffneten Eskorte nieder und entkam unbehelligt. Endlich starb sie an einem geheimen Zufluchtsort der Revolutionäre in den Ozark-Bergen. noch heute lebt und eine immer größere Rolle in der Revolution spielt.

Wir fuhren ohne Abenteuer quer durch die Vereinigten Staaten bis nach Kalifornien. In Oakland stiegen wir aus, und dann verschwand Felice van Verdighan mit ihren beiden Jungfern, ihrem Schoßhündchen und dessen Wärterin für immer. Die Mädchen wurden von vertrauenswürdigen Genossen fortgebracht, und andere Genossen nahmen sich meiner an. Eine halbe Stunde nach Verlassen des Zuges befand ich mich in einem kleinen Fischerboot auf der Bucht von San Franzisko. Der Wind war veränderlich, und wir trieben den größten Teil der Nacht ziellos umher.

Aber ich sah die Lichter von Alcatraz, wo sich Ernst befand, und fand Trost in dem Gedanken, ihm nahe zu sein. Bei Tagesanbruch erreichten wir unter Zuhilfenahme der Riemen die Marin-Inseln. Hier hielten wir uns den ganzen Tag versteckt, und in der folgenden Nacht fuhren wir, von der Flut und einer frischen Brise getrieben, in zwei Stunden über die Bucht von San Pablo und landeten in Petaluma.

Hier warteten wieder Genossen mit Pferden auf uns, und ohne Verweilen ging es fort durch die Sternennacht. Im Norden sah ich die Umrisse des Sonomagebirges, auf das wir zuritten. Wir ließen das alte Sonoma rechts liegen und ritten durch eine Schlucht, die sich zwischen den Ausläufern des Gebirges hinzog. Die Fahrstraße wurde zu einem Holzweg, dieser zu einem Viehsteig, und der verlor sich wieder in den hochgelegenen Triften. Wir ritten direkt über das Sonomagebirge. Das war der sicherste Weg. Niemand bemerkte uns.

In der Dämmerung erreichten wir den Nordrand und stiegen in dem grauen Licht durch das Gestrüpp in tiefe, vom Hauch des scheidenden Sommers erwärmte Schluchten hinab. Für mich war es eine altbekannte Gegend, und bald übernahm ich die Führung. Es war mein Versteck. Ich hatte es entdeckt. Wir ließen den Pferden die Zügel und ritten über eine hochgelegene Matte. Dann ging es über einen niedrigen, mit Eichen bewachsenen Bergrücken, und bei einer kleinen Matte stiegen wir ab. Dann erklommen wir wieder einen Berg, wobei wir unter rotgeränderten Madronos und Manzanitas von tiefem Rot ritten. Beim Aufstieg fielen uns die ersten Sonnenstrahlen auf den Rücken. Ein Volk Wachteln strich durch das Dickicht ab. Ein großer Hase kreuzte unseren Pfad; er lief leicht und geräuschlos wie ein Reh. Und dann sprang ein Hirsch, ein vielgabeliger Bock, dessen Rücken und Schultern in der Sonne rotgolden glänzten, über den Hügelkamm vor uns und verschwand.

Wir folgten eine Weile seiner Fährte, stiegen dann aber einen Zickzackpfad, den er verschmäht hatte, hinab, bis zu einer Gruppe von Edeltannen um einen Teich, der trübe von den Erzen seines Felsgrundes war. Ich kannte jeden Zoll des Weges. Ein mir befreundeter Schriftsteller war einmal Besitzer dieser Viehweide gewesen. Aber er war auch Revolutionär geworden und hatte weniger Glück als ich gehabt, denn er war schon tot und dahin, und niemand wußte, wie und wann. Er allein hatte außer mir das Versteck gekannt, das ich jetzt aufsuchte. Er hatte die Weide ihrer Schönheit wegen gekauft und, zum großen Mißfallen der ansässigen Bauern, ein gutes Stück Geld dafür bezahlt. Er erzählte gern mit großem Vergnügen, wie sie die Köpfe über den Preis geschüttelt, ihre schwerfällige Kopfrechnung gemacht und dann gesagt hatten: »Aber Sie können keine sechs Prozent damit machen.«

Jetzt war er tot, und die Viehweide war nicht an seine Kinder übergegangen. Sie war jetzt Eigentum Wicksons, der die ganzen Ost- und Nordhänge des Sonomagebirges von dem Besitz Spreckels bis zum Rand des Bennettals sein eigen nannte. Er hatte einen herrlichen Wildpark daraus gemacht, in dem das Wild Tausende von Morgen weit durch liebliche Abhänge, Lichtungen und Schluchten, fast wie durch eine Urwildnis schweifte. Die früheren Besitzer waren vertrieben worden. Ferner hatte Wickson eine staatliche Anstalt für Schwachsinnige abgerissen, um Raum für das Wild zu schaffen. Das beste war, daß Wicksons Jagdhaus nur eine Viertelmeile von meinem Versteck entfernt lag. Statt daß dieser Umstand gefahrbringend gewesen wäre, bot er uns im Gegenteil Sicherheit, denn so standen wir im Schutze eines der kleineren Oligarchien. Wie die Dinge lagen, war jeder Verdacht ausgeschlossen, und das letzte Fleckchen Erde, auf das die Spione der Eisernen Ferse auch nur im Traum gekommen wären, um mich und Ernst zu suchen, war Wicksons Wildpark.

Wir banden unsere Pferde an die Bäume am Teich. Aus einem Versteck in einem hohlen, morschen Baumstumpf holte mein Gefährte eine Menge Sachen hervor – einen Sack mit fünfzig Pfund Mehl, alle möglichen Arten Dosenkonserven, Küchengeräte, Decken, eine wasserdichte Zeltbahn, Bücher und Schreibgerät, ein großes Bündel Briefe, ferner eine Kanne mit fünf Gallonen Petroleum, einen Petroleumkocher und endlich, was sehr wichtig war, eine große Rolle starken Seiles. Der Vorrat war so groß, daß das Hinschaffen zu meinem Versteck sehr viele Gänge nötig machte.

Aber das Versteck war ganz in der Nähe. Ich nahm das Seil und schritt voraus auf dem Wege, der durch eine mit wildem Wein und Gestrüpp bewachsene Lichtung zwischen zwei bewaldeten Hügeln hindurchführte. Die Lichtung endete plötzlich an einem steilen Flußufer. Es war ein kleiner Fluß, der von Quellen gespeist wurde und selbst im heißesten Sommer nicht austrocknete. Zu beiden Seiten erhoben sich bewaldete Hügel, die aussahen, als hätte eine Titanenfaust sie sorglos hingeschleudert. Sie erhoben sich Hunderte von Fuß und bestanden aus roter vulkanischer Erde, dem berühmten Rebenboden von Sonoma. Durch sie hindurch hatte der Fluß sich sein tiefes, abschüssiges Bett gegraben.

Auf Händen und Füßen kletterten wir mühsam zum Fluß hinunter und schritten dann etwa dreißig Meter flußabwärts. Und dann gelangten wir zu der großen Höhle. Nichts verriet, daß hier eine Höhle war, und es war auch keine Höhle im landläufigen Sinne. Man kroch durch undurchdringliches Dornengestrüpp und Zweige hindurch und befand sich dann am Ende der etwa fünfzig Fuß langen und breiten Höhle. Vielleicht durch das Gegeneinanderschleudern der Hügel entstanden, sicher aber mit Hilfe einer seltsamen Erosion, war die Höhle im Laufe der Jahrhunderte durch das Wasser tief ausgewaschen. Nirgends sah man die bloße Erde. Sie war vollkommen von Pflanzen überwuchert, von zartem Frauenhaar und goldschimmernden Farnen bis zu den mächtigen Tannen und Douglasfichten. Diese hohen Bäume wuchsen direkt aus den Wänden der Höhle hervor. Einige lehnten sich in einem Winkel von fünfundvierzig Grad über, die meisten aber strebten aus den weichen, fast senkrechten Erdwänden geradeswegs in die Höhe.

Es war ein vollendetes Versteck. Niemand kam dorthin, nicht einmal die Dorfjugend von Glen Ellen. Hätte sich die Höhle auf dem Grunde einer Schlucht befunden, und wäre sie eine oder mehrere Meilen lang gewesen, so hätte man sie wohl gekannt. Aber dies war keine Schlucht. Die ganze Länge des Flußbettes betrug nicht mehr als achthundert Meter, und zweihundert Meter oberhalb der Höhle entsprang der Fluß aus Quellen am Fuß einer flachen Matte. Und hundert Meter weiter erreichte er schon die offene Landschaft, vereinigte sich mit dem Hauptstrom und floß durch grasbewachsenes Land.

Mein Gefährte schlang das eine Ende des Seils um einen Baum und ließ sich mit mir am anderen Ende hinab. Ich gelangte auf den Boden, und in kürzester Zeit hatte er alle Gegenstände aus dem Versteck herbeigeschafft und zu mir heruntergelassen. Er wickelte das Seil wieder auf, verbarg es und rief mir im Fortgehen ein frohes Abschiedswort zu.

Ehe ich fortfahre, möchte ich ein Wort über diesen Genossen John Carlson sagen, der eine bescheidene Gestalt der Revolution, einer der zahllosen Aufrechten in unseren Reihen war. Er arbeitete in Wicksons Ställen in der Nähe des Jagdhauses. Tatsächlich waren es auch Wicksons Pferde, auf denen wir durch die Sonoma-Berge geritten waren. Seit etwa zwanzig Jahren ist Carlson der Hüter der Höhle, und ich bin überzeugt, daß ihm in dieser ganzen Zeit nie auch nur der leiseste Gedanke an eine Untreue gekommen ist. Ein Vertrauensbruch wäre für ihn undenkbar gewesen. Er war phlegmatisch und so beschränkt, daß man sich wundern muß, wie er überhaupt auf den Gedanken gekommen war, sich mit der Revolution zu befassen. Aber doch glimmte die Liebe zur Freiheit dunkel und stetig in seiner schwerfälligen Seele. In mancher Beziehung war es wirklich ganz gut, daß er nicht erfinderisch und phantastisch war; er verlor nie den Kopf. Er konnte Befehlen gehorchen und war weder neugierig noch geschwätzig. Ich fragte ihn einmal, weshalb er Revolutionär sei.

»Als junger Mann war ich Soldat«, erwiderte er, »in Deutschland. Dort müssen alle jungen Leute im Heer dienen. Mit mir zusammen diente ein junger Mann, dessen Vater war, was man einen Agitator nennt. Der Vater saß im Gefängnis wegen Majestätsbeleidigung – so heißt es, wenn man die Wahrheit über den Kaiser sagt. Und der junge Mann, der Sohn, sprach viel mit mir über das Volk und die Arbeit und die Aussaugung des Volkes durch die Kapitalisten. Er zeigte mir die Dinge in einem neuen Licht, und so wurde ich Revolutionär. Seine Worte waren echt und gut, und ich habe sie nie vergessen. Als ich nach den Vereinigten Staaten kam, suchte ich die Sozialisten auf. Ich wurde Mitglied einer Sektion – das war zur Zeit der S.L.P. Als später die Trennung kam, schloß ich mich der S.P. an. Ich arbeitete in einem Tattersall in San Franzisko. Das war vor dem Erdbeben. Zweiundzwanzig Jahre lang habe ich meine Beiträge bezahlt. Ich bin heute noch Mitglied und bezahle meine Beiträge, wenn es jetzt auch ganz geheimgehalten werden muß. Ich werde meine Beiträge stets zahlen, und wenn das kooperative Gemeinwesen kommt, werde ich glücklich sein.«

Mir selbst überlassen, machte ich mich daran, auf dem Petroleumkocher mein Frühstück zu bereiten und mein Heim einzurichten. Frühmorgens oder abends, nach Eintritt der Dunkelheit, stahl Carlson sich oft in mein Versteck und arbeitete ein paar Stunden. Zuerst wickelte ich mich nur in die Zeltbahn, später wurde ein kleines Zelt aufgeschlagen. Und noch später, als wir uns von der Sicherheit des Ortes völlig überzeugt hatten, wurde ein kleines Haus erbaut. Dieses Haus war neugierigen Blicken, die etwa vom Ende der Höhle hereinschauen konnten, vollkommen verborgen. Die üppige Vegetation dieses geschützten Platzes bildete einen natürlichen Schirm. Das Haus lehnte sich gegen die senkrechte Wand, und in die Wand selbst, die durch starke Baumstämme gestützt, gut entwässert und mit Luftlöchern versehen wurde, gruben wir zwei kleine Stuben. Oh, glaubt mir, wir hatten manche Bequemlichkeit. Als Biedenbach, der deutsche Terrorist, später mit uns hier wohnte, erdachte er eine sinnreiche Vorrichtung, die den Rauch verzehrte und es uns ermöglichte, an Winterabenden bei knisterndem Holzfeuer zu sitzen.

Und hier muß ich ein Wort einlegen für den edelsinnigen Terroristen; schrecklicher als er ist kein Genosse in der Revolution mißverstanden worden. Genosse Biedenbach hat keinen Verrat an der Sache geübt. Er ist auch nicht, wie man gewöhnlich glaubt, von den Genossen hingerichtet worden. Diese Lüge haben die Kreaturen der Oligarchen in Umlauf gesetzt. Genosse Biedenbach war zerstreut und vergeßlich.

Er wurde von einer unserer Wachen beim Höhlenversteck am Carmel erschossen, weil er sich der geheimen Parole nicht sofort erinnerte. Es war ein trauriger Irrtum. Und daß er seine Kampfgruppe verraten hätte, ist Lüge. Nie hat ein Mann treuer und ehrlicher zu der Sache gestanden als er Soviel wir auch das Material jener Zeit, soweit es uns erhalten ist, durchforschen, können wir doch nichts über den hier erwähnten Biedenbach finden. Außer in dem vorliegenden Manuskript der Avis Everhard ist er nirgends erwähnt..

Neunzehn Jahre lang ist das Versteck, das ich ausgesucht hatte, fast ununterbrochen bewohnt gewesen und in dieser ganzen Zeit, mit Ausnahme eines einzigen Falles, nie von einem Außenstehenden entdeckt worden. Und doch lag es nur eine Viertelmeile von Wicksons Jagdhaus und eine knappe Meile von Glen Ellen entfernt. Ich konnte stets die Morgen- und Abendzüge ankommen und abfahren hören, und ich pflegte meine Uhr nach der Dampfpfeife der Ziegelei zu stellen Wenn der wißbegierige Reisende von Glen Ellen aus den Weg nach Süden einschlägt, wird er sich auf einem Boulevard befinden, der identisch mit der alten Landstraße ist, die sich vor sieben Jahrhunderten dort befand. Nach Überschreitung der zweiten Brücke wird er, eine Viertelmeile von Glen Ellen, zur Rechten eine Barranca bemerken, die wie eine Schramme durch das hügelige Land bis zu einer Gruppe bewaldeter Hügel läuft. Die Barranca ist der Sitz des alten Wegerechts, das im Zeitalter des Privatbesitzes dem Pachtgute eines gewissen Chauvet zustand, eines französischen Pioniers in Kalifornien, der in den Märchentagen des Goldes sein Heimatland verlassen hatte. Die bewaldeten Hügel sind dieselben, von denen Avis Everhard spricht.

Das große Erdbeben von 2368 zerriß einen dieser Hügel und verschüttete die Höhle, in der die Everhards ihre Zuflucht genommen hatten. Seit Auffinden des Manuskriptes hat man Ausgrabungen vorgenommen und das Haus, das die beiden Flüchtlinge so lange bewohnt haben, sowie allen aufgehäuften Kehricht ans Licht gebracht. Viele wertvolle Überreste wurden gefunden, darunter merkwürdigerweise die rauchverzehrende Einrichtung Biedenbachs, von der in der Erzählung die Rede ist. Wer sich für solche Dinge interessiert, sollte die Broschüre Arnold Benthams lesen, deren Veröffentlichung bevorsteht.

Eine Meile nordwestlich von den bewaldeten Höhen erreicht man bei Wake Robin Lodge die Vereinigung des Wildwassers und des Sonoma-Baches. Man beachte nebenbei, daß das Wildwasser ursprünglich Graham-Bach hieß und auf den früheren Landkarten so bezeichnet wurde. Aber der spätere Name ist geblieben. In Wake Robin Lodge lebte Avis Everhard später hin und wieder, um, als Agent provocateur der Eisernen Ferse verkleidet, ungefährdet ihre Pläne verfolgen zu können. Die offizielle Erlaubnis zum Bewohnen von Wake Robin Lodge findet sich noch bei den erhaltenen Berichten, und sie ist von keinem Geringeren unterzeichnet als von Wickson, dem in dem Manuskript erwähnten kleineren Oligarchen.


 << zurück weiter >>